Toby Keith – Clancy’s Tavern – Deluxe Edition – CD-Review

Toby Keith ist ein Musiker der polarisiert. Viele mögen ihn nicht, noch viele mehr lieben ihn abgöttisch. Ich zählte lange Zeit zur ersten Fraktion. Die aus meiner Sicht eher begrenzten vokalen Künste des ehemaligen Ölplattformarbeiters, sein typisch amerikanisch übertriebener und teilweise kleingeistig verbreiteter Patriotismus sowie sein ins Gesicht eingemeißelt zu scheinendes Dauergrinsen (wer will ihm das allerdings angesichts seines Megaerfolgs – alles, was er anpackt, ob Musik, Schauspielerei oder als Restaurantbesitzer, ist nunmal von Erfolg gekrönt – auch, ehrlich gesagt, verübeln) nervten doch eher, als meine Sympathie zu erwecken.

Mit seinen beiden letzten Alben „Bullets In The Gun“ (mal wieder ein Keith-typischer Titel…) und diesem hier zu besprechenden „Clancy’s Tavern“ hat sich das – musikalisch zumindest – allmählich geändert. Diese beiden Werke liefern recht unterhaltsame und abwechslungreiche New Country-Kost und aufgrund der hervorragenden Live-Zugaben (hierbei handelt es sich um vier Songs eines Überraschungskonzerts, das Keith im Kreise von namhaften Mitmusikern wie Chad Cromwell, Kenny Greenberg, Rob McNelley, Kevin Grant, Jim Hoke und Mica Roberts, firmierend unter dem Bandnamen Incognito Bandito, in New York mal gegeben hat) ein echtes Zusatzschmankerl.

Lobend muss auch erwähnt werden, dass sich Toby nicht zu schade war, auch mal in good ole Germany konzerttechnisch vorzusprechen, er gab in diesen Tagen vier Gigs, die allerdings recht unterschiedliche Reaktionen bei den Besuchern erzeugten (von richtig gut, bis zu demonstrativem Verbrennen der Konzertkarte eines enttäuschten Fans in Hamburg nach nur 75 Minuten Spielzeit ohne Zugabe und Verabschiedung, was aber wohl nicht Keith’s Schuld war; in den anderen Locations hielt er die heute typischen ‚Konzertmuster‘ ein und gab sich auch relativ publikumsnah).

„Clancy’s Tavern“ (als Hommage an die Bar seiner Großmutter gemeint) bietet New Country in all seinen Facetten. Keith hat bis auf einen Song alle Tracks selbst komponiert (u.a. mit Hilfe von Bobby Pinson, Scotty Emerick, Rivers Rutherford, Bob DiPiero und Eddy Raven) und wurde natürlich von diversen Könnern der Nashville-Studiomusikerriege (seinen Incognito Banditos, wie sich von selbst versteht, dazu Erik Darken, Steve Nathan, Aubrey Haynie, Ilya Toshinsky, Russ Pahl, Perry Coleman, Tom Bukovac, etc.) wie immer instrumentell anspruchsvoll begleitet. Seinen Gesang erledigte er aus meiner Sicht im Rahmen seiner Möglichkeiten gut.

Der druckvolle Opener „Made In America“ (mit den landesüblichen Huldigungen und ein wenig Montgomery Gentry-Flair), „Tryin‘ To Fall In Love“ (voller quirligem E-Bariton-Gezupfe, leicht retro, lustiger, selbstironischer Text) und das launige, im schweißtreibenden Stil eines Pat Green dargebotene „Beers Ago“ (schönes E-Solo, southern-rockig) stehen für die flotteren Nummern. Keith setzt diesmal bei einigen Stücken auf recht atmosphärisches Ambiente. „I Need To Hear A Country Song“ (Bariton-E-Arbeit, Steel) , „Just Another Sundown“ (schöne Akustikgitarre, hallendes E-Spiel), „South Of You“ (klasse Zusammenspiel aller Gitarren), „Club Zydeco Moon“ (klingt wie ein verlangsamtes „Ghost Riders In The Sky“, tolles Akkordeon, weinende Harp) und das relaxte, zum Titel passende „Chill-Axin'“ (irgendwo zwischen den Eagles und James Otto) bieten Stoff zum Zurücklehnen und Entspannen.

Ich favorisiere das voller ehrlich wirkender Emotion gesungene Titelstück, das zum Mitgrölen bestens geeignete „Red Solo Cup“ (aus der Feder von Jim und Brett Beavers sowie Brad und Brett Warren (The Warren Brothers), die allesamt hier auch nur mit Akustikgitarren und Banjo begleiten), das mit minimalistischem Aufwand (sehr einfach mitzusingender Refrain) maximale Stimmung erzeugt, sicherlich ein fest-gesetzter Bestandteil des Keith-Live-Programms der nahen Zukunft, wie dann auch die Deutschland-Konzerte zeigten, und die bluesige Countryballade „I Won’t Let You Down“ (einziger, hier ganz allein geschriebener Song von Keith), bei der Toby sich ziemlich schamlos bei Tracks wie Eric Claptons „Wonderful Tonight“, Dickey Betts‘ „Atlanta’s Burning Down“ oder Skynyrds „Freebird“ bedient. Toll besonders die traurige Harp von Pat Bergeson und die grandiosen E-Gitarren-Parts von Kenny Greenberg und Tom Bukovac. Gänsehaut garantiert!

Auch wenn es sich bei den vier Live-Stücken um alte Kamellen handelt (Songinterpretationen von Waylon Jennings, Buck Owens, Three Dog Night und Chuck Berry), so macht die filigrane Umsetzung der beteiligten Musiker einfach Spaß. Ich zolle meinen Neid in Richtung der an diesem Abend anwesend Gewesenen – hier die Studioasse Nashvilles mal live auf der Bühne zaubern zu sehen und zu hören – das hätte ich gerne auch erlebt, selbst wenn ich absolut nicht auf diese unsägliche Coverei stehe. Aber hier hört man bei jedem Ton, was da für geniale Musiker am Start sind. Letztendlich aufgrund der spürbaren Qualität eine schöne Zugabe bei dieser Deluxe-Version, die auch noch durch ein dickes Booklet mit allen Texten aufgewertet wird.

Somit ist Toby Keith’s „Clancy’s Tavern“ eine uneingeschränkte Kaufempfehlung zu attestieren. Well done, Mr. Keith! Wenn der Herr jetzt nur noch etwas an seinen inneren Werten feilen und an seiner Feinfühligkeit (z. B. eine meiner persönlichen Stärken…) arbeiten würde, könnte man ihn glatt mögen…

Show Dog/Universal Music (2011)
Stil:  New Country

01. Made In America
02. I Need To Hear A Country Song
03. Clancy’s Tavern
04. Tryin‘ To Fall In Love
05. Just Another Sundown
06. Beers Ago
07. South Of You
08. Club Zydeco Moon
09. I Won’t Let You Down
10. Red Solo Cup
11. Chill-Axin‘

Live Tracks: 
12. High Time (You Quit Your Low Down Ways)
13. Truck Drivin‘ Man
14. Shambala
15. Memphis

Toby Keith
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Bärchen Records