Lukas Nelson & Promise Of The Real – Sticks And Stones – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Bei manchen Musikproduktionen drängt sich gelegentlich ein etwas zwiespältiger Eindruck auf: auf der einen Seite begeistert das unkomplizierte Konzept der Scheibe und auf der anderen, spekuliert der Betrachter über die unkonventionelle Ladenthekenfrage “darf es vielleicht bitte etwas mehr sein”? Dies ist auch beim aktuellen Album “Sticks And Stones” von Lukas Nelson & Promise Of The Real der Fall. Sein großartiges Songschreiber-Talent lässt Frontmann Lukas Nelson bei den 12 häufig entsprechend kurzen Songs aber natürlich nicht außen vor, obwohl – bei aller Bescheidenheit – die beneidenswerten Fähigkeiten von Songschreiber und Band mit Leichtigkeit eine etwas längere Laufzeit der Scheibe arrangieren könnten.

Gegenüber der letzten Studioscheibe “A Few Stars Apart” (2021) ist die neue thematisch als Rückbesinnung einzuordnen, also eine Art Rückschau auf die Anfänge von Nelsons musikalischer Herkunft. “This is the most country record I’ve ever made”, erläutert Songwriter Nelson in einem Interview, und weiter “This is as close to my roots as I’ve gotten so far.” Mit dem flotten Album Titelsong gelingt ihm hierzu der passende Einstieg und zugleich der Auftakt einer persönlichen Rundreise durch die jüngste Vergangenheit seiner musikalischen Entwicklung. Karriereerfahrungen werden hierzu in “Alcohallelujah” – good old Country und Honky Tonk Style (“Every Time I Drink”) – verarbeitet, bevor in dieser Reihe das klassische Country-Duett (mit Lainey Wilson) “More Than Friends” auftrumpft.

Diese sind gelegentlich vielleicht auch 50er/60er Jahre Rockabilly, wie bei “Ladder Of Love” und “Wrong Home” sowie dem typischen Man in Black Country Rock Titel “Icarus” – kurzweilig schon bald erfüllt. Naheliegend und unweigerlich dürfen mit “If I Don’t Love You” und “Overpass” natürlich leichte Kompositionen, die ihren Ursprung im Willie Nelson– Repertoire haben, könnten ebenso nicht fehlen. Mit dem Songwriter Glanzstück „Lying” folgt zum ersten Mal ein Lukas Nelson-Solo-Akustik-Song auf einem Album, nur Vocals und Gitarre, wobei die Bandversion, so der Songwriter alternativ ebenfalls aufgenommen wurde, aber leider auf der Scheibe offenbar auch als Bonus Stück keinen Platz fand. Seine aktuelle Situation sieht Nelson, der das Album ebenfalls selbst produzierte, in den letzten beiden Stücken “All Four Winds” und “The View” wiedergegeben – ansprechende Lyrics zu akustischen Country Folk Melodien.

Der neue Longplayer “Sticks And Stones” von Lukas Nelson & Promise Of The Real verbindet Lebenserfahrungen mit eigenen musikalischen Assoziationen zum puren Country Album – eine unterhaltsame Country Platte mit humorvollen Erzählungen und routinierter Virtuosität einer noch jungen, aber längst erfolgreichen Karriere.

6ACE Records/Thirty Tigers (2023)
Stil: Country

Tracks:
01. Sticks And Stones
02. Alcohallelujah
03. Every Time I Drink
04. More Than Friends
05. Ladder Of Love
06. Wrong House
07. Icarus
08. If I Didn’t Love You
09. Overpass
10. Lying
11. All Four Winds
12. The View

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Oktober Promotion

Lukas Nelson, Sticks And Stones, Country

Lainey Wilson – Bell Bottom Country – CD-Review

Allein schon für das hippieeske und doch so stylisch sowie wunderbar farblich abgestimmte Outfit hätte die aus Baskin, Louisiana stammende Lainy Wilson (mittlerweile natürlich in Nashville ansässig) auf dem Cover ihres neusten Albums „Bell Bottom Country“ in Sachen Haute Couture eine absolute Bestnote verdient. Aber auch musikalisch steht das vierzehn Stücke umfassende (13 davon von Lainey mitgeschrieben), von James Joyce in herrlichem Sound produzierte Gesamtwerk in Nichts nach.

Die mittlerweile 30-jährige Singer-Songwriterin, die Dolly Parton und Lee Ann Womack als ihre großen Vorbilder benennt, und 2020 mit der Single „Things A Man Oughta Know“ ihren Durchbruch schaffte, legt jetzt ihre zweite Scheibe auf einem Major-Label nach und befindet sich in kreativer Höchstform. Ich habe selten eine CD einer weiblichen Künstlerin im Player liegen gehabt, die mich sofort komplett mitgenommen und begeistert hat.

Zum einen gefällt mir ihre freche, mit einem Southern-Akzent versehene Stimme, die ich irgendwo zwischen Miranda Lambert, Stevie Nicks und Susannah Hoffs einordnen würde, und natürlich das in allen Belangen von wunderbarer Diversität geprägte Songmaterial, das am Ende einen exzellenten Balance-Act zwischen verhaltem modernen und traditionellen Countryelementen meistert.

Die beiden Opener „Hillbilly Hippie“ (CCR meets The Bangles) und das mit treibendem Refrain bestückte „Road Runner“ versetzten sofort in beste euphorisierende Laune, bevor man dann mit der grandios performten, melancholischen Ballade „Watermelon Moonshine“ wieder runtergekühlt wird. Das auf dem Fuße folgende funk-counryrockige coole „Grease“ flutscht dann mit enormer Power wieder wie Öl aus den Boxen.

Und so wird man im weiteren Verlauf mit angenehmen und bewegenden Midtempornummern (zum Teil mit balladeskem Einschlag) wie „Week-End“, „Me, You, And Jesus“, „Heart Like A Truck“ (nicht nur des pathetischen Titels wegen für mich eine potentielle Nr.1-Single) „Atta Girl“ und „Live Off“ (starker emotionaler Gesang der Protagonistin) sowie launigen Tracks der Marke „Hold My Halo“, „This One’s Gonna Cost Me“ (Led Zep-Flair), dem „Ghost Riders“-umwehten „Wildflowers And Wild Horses“ und dem countryesk verpackten 4 Non Blondes-Hit „What’s Up (What’s Going On)“ als Rausschmeißer durch ein stimmiges Wechselbad der Höremotionen geleitet. Irgendwo dazwischen, nicht zu vergessen, der herrliche Countryschunkler „Those Boots (Deddy’s Song)“ mit grandioser Akustik- und E-Gitarrenuntermalung.

Am Ende bin ich heilfroh, dass ich diese Scheibe, die schon im Oktober erschienen ist und mir fast durchgerutscht wäre, doch noch zum Reviewen erhalten habe. Diesen authentischen, instrumentell hervorragend eingespielten ‚Schlaghosen-Country‘ von Lainey Wilson hört man einfach gerne. Man merkt auf diesem bis in die Haarspitzen unter dem Hut motivierten Werk zu jeder Zeit, dass die junge Dame hoch hinaus will! Hats off, Lainey!

Broken Bow Records (2022)
Stil: New Country

Tracks:
01. Hillbilly Hippie
02. Road Runner
03. Watermelon Moonshine
04. Grease
05. Week-End
06. Me, You, And Jesus
07. Hold My Halo
08. Heart Like A Truck
09. Atta Girl
10. This One’s Gonna Cost Me
11. Those Boots (Deddy’s Song)
12. Live Off
13. Wildflowers And Wild Horses
14. What’s Up (What’s Going On)

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Lainey Wilson – Sayin‘ What I’m Thinkin‘ – CD-Review

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Am Ende meines Reviews zu Lainey Wilsons 12 Minuten-EP „Redneck Hollywood“ schrieb ich, dass man sich nach dem Quickie mit ihr nach einer längeren (musikalischen) Beziehung sehnen würde.

Mittlerweile macht die aus Louisiana nach Nashville übergesiedelte Singer/Songwriterin auf dem BMG Unterlabel Broken Bow Records den nächsten Schritt und legt mit „Sayin‘ What I’m Thinkin'“, aufgenommen in den Neon Cross Studios, Nashville, TN, ihren ersten Longplayer vor.

Nun ja, wenn ich sagen würde, was ich in dieser katastrophalen Zeit denke, würde ich mich in erster Linie über über unsere, auf sich selbst bedachten und unfähigen Politiker samt ihrer unterstehenden Beamte- und vermeintlichen Expertenschaft auslassen, die mit ihrer Planlosigkeit und Willkür, Millionen von Menschen ihrer Jobs und Renten berauben werden.

Aber das steht auf einem anderen Blatt Papier, hören wir dann doch lieber Lainey Wilson auf ihrem Album bei ihren musikalischen Ausführungen zu. Die haben wenigstens Hand und Fuß. Kein Wunder, denn kein geringere als Star-Produzent Jay Joyce (John Hiatt, Little Big Town, Eric Church, Brothers Osborne) zieht hier die Fäden und der weiß exzellent, wie man den entsprechenden Künstler mit dem vorliegenden Songmaterial samt instrumenteller Umsetzung, perfekt in Einklang bringen kann.

Die vier Tracks „Things A Man Oughta Know“, „LA“, „Dirty Looks“ und „Straight Up Sideways“ von oben angeführter EP wurden mit übernommen und um acht weitere Stücke ergänzt, die ebenfalls alle von Lainey mit diversen namhaften Co-Autoren wie u. a. Matt Rogers, Brice Long, Shane Minor, Jonathon Singleton, Jason Nix, Casey Beathard) komponiert wurden.

Auch auf der Musikerseite wurde nicht mit großen Namen gespart. Leute wie Fred Eltringham, Rob McNelley, Joel King (herrlich knochiges Bass-Spiel), Tom Bukovac, Mickey Raphael, Jedd Hughes und natürlich Jay Joyce selbst, der wieder an allen Tasten, Knöpfen und Saiten involviert ist, kennt man von unzähligen Nashville-Parade-Scheiben.

Ich möchte mich hier natürlich auf die acht neuen Lieder fokussieren. Mit den beiden Openern „Neon Diamonds“ und „Sunday Best“ gibt es direkt zwei pfiffige Drinking-Songs, der erste aus reiner Laune, der andere eher aus einer Portion Frust heraus. Beide erinnern von der Art, wie auch von der Stimme an Trick Pony, bzw. deren Fronterin Heidi Newfield.

„Small Town, Girl“ begeistert mit swampiger Southern-Note und dementsprechenden E-Gitarrenspiel (Marke Skynyrd, klasse!). Das schunkelnde „Pipe“ mit Steel-artigem Slide fordert auf zu politisch unkorrekter Lebensweise, samt der damit oft verbundenen bitter zu schluckenden Pillen, und nicht alles so ernst zu nehmen, wie es erscheint.

Egal, ob du was zu feiern oder an persönlichen Schicksalsschlägen verarbeiten hast, es gibt immer eine Bar, in der man drüber sprechen kannst. Toller atmosphärischer Song, mit gelungener Botschaft! Klasse finde ich im Übrigen, wie auch in diesem Track, ihre bildhafte Sprache und die immer mal wieder eingeflochtene Selbstironie in den Texten.

In „WWDD“ fragt sich die Protagonistin, was ihr großes Vorbild Dolly Parton in einer bestimmten anstehenden Situation tun würde. Das ein wenig an Joni Mitchell erinnernde „Rolling Stone“ beschäftigt sich damit, Dinge, ggfs. auch Personen, hinter sich zu lassen, um ein Ziel zu verfolgen, egal, wie schmerzhaft es manchmal erscheinen möge.

Den Abschluss eines durchgehend abwechslungsreichen Albums bildet das melancholische Titellied, dass den Gedanken vom Vorgängerstück in seinen Konsequenzen weiterverfolgt.

Lainey Wilson beweist mit „Sayin‘ What I’m Thinkin'“ eindrucksvoll, warum sie von Music Row oder Strings & Spurs zu den kommenden großen Künstlern in 2021 proklamiert wird. Ein überaus gelungenes Debüt, dessen Ausführungen man sofort gerne zuhört. Am 19.02. wird die digitale Variante zu erwerben sein, das passende Vinyl dazu folgt am 16.04.2021.

Ach, und apropos des Eingangssatzes: Von mir aus kann diese Beziehung gerne noch lange so fortgeführt werden, ich schwöre unter diesen Umständen weiterhin bedingungslose Treue…!

Broken Bow Records (2021)
Stil: New Country

Tracks:
01. Neon Diamonds
02. Sunday Best
03. Things A Man Oughta Know
04. Small Town, Girl
05. LA
06. Dirty Looks
07. Pipe
08. Keeping Bars In Business
09. Straight Up Sideways
10. WWDD
11. Rolling Stone
12. Sayin‘ What I’m Thinkin‘

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Lainey Wilson – Redneck Hollywood – EP-Review

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Macht es Sinn, über eine Vier-Stücke-Veröffentlichung mit einer Gesamt-Spieldauer von gerade mal 12 Minuten, ein Review zu schreiben? Darüber könnte man vermutlich jetzt wesentlich länger als die Spielzeit des Silberlings philosophieren.

Da bei der aus dem kleinen Baskin in Louisiana, stammenden Lainey Wilson, jedoch sehr viel Talent und auch ein ordentliches Maß an Mut im Spiel ist, hat die junge Dame es verdient, mit ihrer EP „Redneck Hollywood“ unseren Lesern zugänglich gemacht zu werden.

Die Protagonistin, die schon jetzt als ‚CMT’s Next Women of Country for 2019‘ gehandelt wird, setzte sich irgendwann in so einen Dauercamp-Wohnwagen, um in Nashville ihr Glück zu versuchen. Schnell wurde dort ihr Songwriting-Talent entdeckt und ihre Dienste als Auftragsschreiberin von Sony/ATV in Anspruch genommen.

Mittlerweile hat Lainey allerdings auch beim arrivierten New Country-Label Broken Bow Records (Dustin Lynch, Craig Morgan, Chase Rice) einen Vertrag, der ihr jetzt mit diesem Kurzwerk zu öffentlicher Aufmerksamkeit verhelfen soll, nachdem sie bereits zu Beginn des Jahres als Support von Shooting-Star Morgan Wallen, einem größeren Publikum näher gebracht wurde.

Die vier Tracks, die von keinem geringeren als Star-Producer Jay Joyce (u. a. Little Big Town, The Wallflowers, Eric Church), betreut wurden, offerieren besonders die Vielseitigkeit der Künstlerin. Stimmlich erinnert sie mich ein wenig an Heidi Newfield vom früheren Erfolgsact Trick Pony.

Das zeigt sich im frechen, rotzigen, Southern country-rockigen Opener „Straight Up Sideways“, dem atmosphärischen, Fleetwood Mac-durchwehten „Dirty Looks“, im folkig (mit schöner Mandoline) melodramtischen „Things A Man Oughta Know“ (wo sie mit „if you really love a woman, don’t let her go“ eindringlich an die vereinte Männerschaft appelliert) und dem flippig-funkig shuffelnden „LA“, bei dem sie zu guter Letzt, einen klasse instrumentierten Gute-Laune-Song (tolle E-Gitarren, prägnanter Bass) raushaut.

Insgesamt ein kurzweiliger New Country-Quickie mit Lainey Wilson im wahrsten Sinne des Wortes, nach dem man sich eine längere (musikalische) Beziehung wünscht.

Broken Bow Records (2019)
Stil: New Country

Tracks:
01. Straight Up Sideways
02. Dirty Looks
03. Things A Man Oughta Know
04. LA

Lainey Wilson
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