Colter Wall – Western Swing & Waltzes And Other Punchy Songs – CD-Review

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Review: Michael Segets

Colter Wall hält die Tradition des Country hoch. Auf seinem dritten Longplayer „Western Swing & Waltzes And Other Puncky Songs“ greift er tief in die Schatzkiste der Country-Musik und bereichert sie mit eigenen Stücken, die sich nahtlos neben den Klassikern einfügen. Thematisch kreist das Werk standesgemäß um das raue Leben und die harte Arbeit der Cowboys.

Der älteste Titel „I Ride An Old Paint Leavin‘ Cheyenne“ stammt aus dem Jahr 1927, welcher zuvor beispielsweise von Johnny Cash aufgenommen wurde. Ein weiterer Klassiker ist „Cowpoke“, den Stan Jones („Ghost Riders In The Sky“) geschrieben hat. Der Track wurde im Original von Eddy Arnold, später von Rex Allen und in einer poppigen Version von Glen Campbell eingespielt. Mit ihrem Dreivierteltakt lösen die beiden Songs das Versprechen des Albumtitels auf Walzer ein.

Swing bieten die Eigenkompositionen „Western Swing & Waltzes“, „High & Mighty“ und „Rocky Mountain Rangers“. Zu den anderen Punches gehört das im Sprechgesang vorgetragene „Talkin‘ Prairie Boy“ sowie „Houlihans At The Holiday Inn“, bei dem Wall seinen Gesang nuanciert modelliert.

Die Highlights des Werks stellen die Coverversionen von „Big Iron“ (Monty Robbins) sowie „Diamond Joe“ (Jake Elliott) dar. Während das erste durch seinen Twang besticht, hat das zweite eine wunderbare Begleitung durch Geige und Backgroundgesang. „Diamond Joe“ steht bei der jungen Generation der Country-Musiker anscheinend hoch im Kurs. Charley Crockett hat es ebenfalls entdeckt und in sein Repertoire eingefügt.

Nachdem Wall schon mit Dave Cobb bei seinem Debütalbum (2017) zusammenarbeitete, übernahm er nun zum ersten Mal die Produktion eines Longplayers selbst und wählte routinierte Mitstreiter aus. Neben Jason Simpson, seinem langjährigen Weggefährten am Bass, gehören Schlagzeuger Aaron Goodrich und Patrick Lyons (Steel Pedal, Dobro, Mandoline) zur Bandbesetzung. Jake Groves kommt mit der Mundharmonika beispielsweise bei „Henry And Sam“ ausgiebig zum Zuge. Als Gastmusiker konnte Wall Emily Gimble und Doug Moreland gewinnen.

Colter Wall verfügt über eine tiefe Stimme, die ihn für den Country prädestiniert. Dank ihr umschifft er die Sentimentalität, die manchen traditionellen Songs dieses Genes anhaftet. „Western Swing & Waltzes” lässt dessen gute alte Zeit im besten Sinne wieder aufleben. Das Album wirkt pur, unverstellt und gerade heraus, wie man sich einen Western und seine Helden vorstellt.

Dass Colter Wall mit einfachen Mitteln komplexe Stimmungen erzeugen kann, bewies er bereits auf seiner EP „Imaginary Appalachia“ (2016), die für mich immer noch das kreative Referenzwerk des Kanadiers bleibt.

La Honda Records – Thirty Tigers/Membran (2020)
Stil: Country

Tracks:
01. Western Swing & Waltzes
02. I Ride An Old Paint Leavin’ Cheyenne
03. Big Iowa
04. Henry And Sam
05. Diamond Joe
06. High & Mighty
07. Talkin’ Prairie Boy
08. Cowpoke
09. Rocky Mountain Rangers
10. Holihans At The Holiday Inn

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Oktober Promotion

Colter Wall – Imaginary Appalachia – EP-Review

CW

Review: Michael Segets

„Imaginary Appalachia“ wurde ursprünglich 2015 auf Vinyl und als Download herausgebracht. Nach dem selbstbetitelten Debüt-Album von Colter Wall aus dem letzten Jahr liegen die sieben Tracks der EP jetzt auch als Silberling vor.

Die sparsam instrumentierten Songs leben von der dunklen Stimme Colter Walls, die an einigen Stellen sehr stark an die von Johnny Cash erinnert. Gelegentlich setzt Wall interessante Intros ein – ebenfalls ein Element, das ihn mit dem ‚Man In Black‘ verbindet. Die Parallelen treten bei „Johnny Boy’s Bones“, einem klassischen Country-Titel im mittleren Tempo, besonders deutlich zutage. Das Stück geht unmittelbar ins Ohr und wirkt trotz der bekannten Ingredienzien frisch.

Für die wunderschöne Ballade „Caroline“ möchte man sich einen Schaukelstuhl auf die Terrasse stellen und auf einen Sommerabend warten. Weiblicher Harmoniegesang begleitet zeitweise Walls Stimme und gibt dem Werk eine zusätzliche Wärme.

Mit wenigen Mitteln, seiner Stimme und Gitarre, zaubert Wall eine dichte Atmosphäre auf „Living On The Sands“. Etwas Zittern im Gesang reicht aus, um einen starken und bewegenden Song hervorzubringen. Ähnliches gelingt ihm bei „Nothin’“, bei dem Anflüge von Hall-Effekten eingesetzt werden. Eingängiger und mit Schlagzeug unterlegt, aber nicht weniger packend, ist „Sleeping On The Blacktop“.

Die drei Titel transportieren eine ursprüngliche Energie, die „Ballad Of A Law Abiding Sophisticate“ so nicht zu bieten hat. Wall legt hier eine gehörigen Portion Vibration in seine Stimme. Etwas Twang und viel leidende Geige ergänzen diese, heben das Stück aber nicht über das Mittelmaß hinaus. Zum Abschluss nimmt Colter Wall eine Kurve in Richtung Blues. Das macht er ordentlich, aber „The Devil Wears A Suit And Tie” entwickelt nicht die Intensität der anderen reduzierten Songs.

Das erste musikalische Lebenszeichen von Colter Wall durch die Veröffentlichung als CD nochmal in Erinnerung zu rufen, ist sicherlich auch dem Umstand geschuldet, dass es „Sleeping On The Blacktop“ auf den Soundtrack zum Neo-Western Hell ‚Or High Water‘ (mit Jeff Bridges als Texas Ranger) geschafft hat. Wall präsentiert sich mit „Imaginary Appalachia“ als unverbrauchter und ungeschliffener Musiker. Auch wenn nicht jeder Song ein Volltreffer ist, bleiben doch einige herausragende Titel im Gedächtnis.

Gerade dort, wo Colter Wall sich auf Gesang und Gitarre konzentriert, zeigt er sein Potential als Sänger und Songwriter, der sich – anders als auf seinem Debüt-Album – noch nicht auf den ausgetretenen Pfaden eines schwülstigen Country bewegt.

Thirty Tigers/Young Mary’s Record Co. (Alive) (2015/2018)
Stil: Country

01. Sleeping On The Blacktop
02. Johnny Boy’s Bones
03. Caroline
04. Living On The Sands
05. Ballad Of A Law Abiding Sophisticate
06. Nothin‘
07. The Devil Wears A Suit And Tie

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