Jason Isbell And The 400 Unit – Reunions – CD-Review

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Review: Michael Segets

Drei Jahre sind seit dem letzten Studioalbum „The Nashville Sound“ von Jason Isbell And The 400 Unit ins Land gegangen. In der Zwischenzeit war Isbell nicht untätig. So erschien der Konzertmitschnitt „Live From The Ryman“ (2018), die CDs „Jason Isbell And The 400 Unit“ sowie „Here We Rest“ wurden remastered und wieder auf den Markt geworfen. Darüber hinaus unterstütze Isbell Todd Snider und Josh Ritter auf ihren aktuellen Alben.

Nun erscheint „Reunions“ mit neuem Songmaterial. Wie für „The Nashville Sound“ und die Produktion der Reissues engagierte er Dave Cobb (Shooter Jennings, Chris Shiflett, Ian Noe, Bonnie Bishop, The Secret Sisters) und begab sich zusammen mit seiner Stammband The 400 Unit wieder in das RCA Studio A in Nashville. Der Titel „Reunions“ erscheint dahingehend passend. Er bezieht sich allerdings nicht auf die Wiedervereinigung mit seinen Kollegen, sondern auf alte, bislang unverarbeiteter Beziehungen.

Diese Geister der Vergangenheit holt Isbell hervor und stellt sich ihnen. Gedanken an vergangene Situationen mit Eltern, Kindern, Freunden und Liebhaberinnen ziehen in den Songs vorbei. Ebenso betrachtet er retroperspektiv seine Gefühlswelt, bevor der Erfolg einsetzte, und spürt dabei der Frage nach, wie er zu der jetzigen Person geworden ist. Insgesamt ist „Reunions“ also ein persönliches Werk geworden, bei dem Isbell die Politik außen vor lässt.

Mit „Reunions“ legt Jason Isbell einen überdurchschnittliche Longplayer vor, auf dem kein Titel abfällt. Um ihn als ganz großen Geniestreich zu bezeichnen, sind die herausragenden Ohrwürmer allerdings etwas zu spärlich gesät. Dies mag daran liegen, dass Isbell selten mit der Wiederholung eingängiger Refrains arbeitet. Eine Ausnahme bildet der Roots Rocker „It Gets Easier“, der sich unmittelbar in die Gehörgänge einbrennt.

Markant ist auch der Opener „What’ve I Done To Help“, bei dessen Refrain ein leichter Hall in der Stimme mitschwingt, der mich seltsamerweise an Simply Red erinnert.

Der Sound auf der CD wirkt voller und instrumental mehrschichtiger als auf früheren Veröffentlichungen. Isbell orientierte sich bei ihm nach eigener Aussage an The Smith und The Cure. Diese Verbindungen hätte ich nicht unbedingt als erstes gezogen. Am ehesten sind Parallelen bei dem dunklen „Be Afraid” zu hören, das zudem mit einem starken Finale punktet.

Die Abmischung von Cobb fängt Isbells Stimme differenziert ein. Der Klang seiner Stimme mag sich auch dadurch leicht verändert haben, dass er mit dem Rauchen aufgehört hat. Wie dem auch sei, beim Gesang präsentiert sich Isbell für seine Verhältnisse sehr variabel.

Dies kommt vor allem auch den langsameren Stücken zugute. Die reduzierte Ballade „St. Peter’s Autograph” gehört dabei ebenso wie das leicht Country-angehauchte „Letting You Go“, das mit stimmungsvoller Begleitung durch Klavier und Geige versehene „River“ sowie „Only Children“ zu den rundum gelungenen Beiträgen auf der Scheibe.

Im Background unterstützen David Crosby und Jay Buchanan (Rival Sons) als Special Guests Jason Isbell And The 400 Unit. Die Band zeigt sich bei der Umsetzung der Songs gewohnt souverän und eingespielt. Besonders hervorzuheben ist die Gitarrenarbeit von Sadler Vaden, der erst kürzlich mit seinem Solowerk „Anybody Out There?“ auf sich aufmerksam machte. Seine elektrische Gitarre setzt bei den rockigeren Stücken wie „Running With Our Eyes Closed“ und besonders bei „Overseas“ wunderbare Akzente.

Mit „Reunions” untermauert der vierfache Grammy-Gewinner seinen Ruf als einer der aktuell interessantesten Songwriter. Mögen die Songs thematisch die Vergangenheit aufarbeiten, führt die Spurensuche doch zu einem leicht veränderten Sound, der eine größere Klangtiefe als die früheren CDs erreicht. Hinsichtlich der Variabilität seines Gesangs legt Isbell ebenfalls deutlich zu.

Das Album stellt insgesamt keine Revolution in der musikalischen Entwicklung von Jason Isbell And The 400 Unit dar, zeigt jedoch einen evolutionären Fortschritt, dem man gerne folgt.

Southeastern Records/Thirty Tigers (2020)
Stil: Americana, Rock

Tracks:
01. What’ve I Done To Help
02. Dreamsicle
03. Only Children
04. Overseas
05. Running With Our Eyes Closed
06. River
07. Be Afraid
08. St. Peter’s Autograph
09. It Gets Easier
10. Letting You Go

Jason Isbell
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

David Crosby – Sky Trails – CD-Review

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Über die mittlerweile 75-jährige Musiker-Legende David Crosby braucht man nicht mehr viele Worte zu verlieren. Gerade in Verbindung mit seinen Kollegen Graham Nash, Stephen Stills und Neil Young ist sein Wirken so ziemlich jedem unserer Generation in irgendeiner Form bekannt. Er ist gleich zweimal in die Rock And Roll Hall Of Fame aufgenommen worden, dazu 2009 in die prestigeträchtige Songwriters Hall Of Fame.

Auch wenn er mich nicht zu seiner eigentlichen Klientel zählen darf, hatte ich ebenfalls meine Berührungspunkte mit ihm, die allerdings auch schon wieder eine halbe Ewigkeit her sind. Zum einen kaufte ich mir Anfang der Achtziger Jahre in einem Anflug einer Westcoast-Begeisterungsphase die CS&N-Alben „Daylight Again“ und „Allies“, im Rahmen des letztgenannten Werkes sah ich das Trio 1983, auf dem heiligen Rasen des Georg-Melches-Stadions stehend (leider war meine damalige, dort hinterlassene Aura als Tischtennis-Bundesliga-Spieler nicht mit den nachfolgenden Generationen der Rot-Weiss Essen-Fußballspieler kompatibel…) , als Headliner eines Festivals mit den weiteren Voracts Icehouse, Peter Tosh, Van Morrison und Mike Oldfield.

Das war es dann aber auch bis zum heutigen Tage. Jetzt hat mir Netinfect Promotion David Crosbys neues Solo-Werk „Sky Trails“ einfach mal zugeschickt, das im Wesentlichen in Zusammenarbeit von ihm und seinem einst zur Adoption freigegebenen Sohn, James Raymond,  getragen wird. Weitere involvierte Musiker sind u. a. Leute wie Steve Tavaglione (Sopran-Saxofon), Mai Agen (Bass) und Steve DeStanislao (Drums) sowie Becca Stevens (schöne Harmoniegesänge beim Titelstück „Sky Trails“).

Das Gesamtwerk wird überwiegend getragen von einem relaxten, oft fast schon meditativen Charakter, diverse Tracks sind von einem gediegenen Steely Dan-Flair umweht. Bezugspunkte zu unserem Magazin gibt es lediglich durch ein paar eingeflochtene Steel-Passagen wie bei meinem, die Gier in Politikerkreisen anprangernden Lieblingsstück auf diesem Silberling, „Capitol“, bei dem bei Crosby so ein wenig wieder der wütende Alt-Revoluzzer zum Vorschein kommt.

Insgesamt ist „Sky Trails“ ein sehr spezielles, teilweise manchmal schon fast Kammermusik-artiges Album für die eher ruhigen Momente im Wohnzimmer. Um eine weiterführende, vielleicht sogar himmlische Wirkung von Crosbys Kreationen hier beurteilen zu können, müsste begleitend vermutlich noch der eine oder andere Joint gezündet werden…

BMG – (2017)
Stil: Westcoast, (Psychedelic) Folk

01. She’s Got To Be Somewhere
02. Sky Trails
03. Sell Me a Diamond
04. Before Tomorrow Falls On Love
05. Here It’s Almost Sunset
06. Capitol
07. Amelia
08. Somebody Home
09. Curved Air
10. Home Free

David Crosby
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