Amanda Shires – Nobody’s Girl – CD-Review

Review: Michael Segets

2025 haben sich einige Grandes Dames der amerikanischen Songwriterinnen-Gilde mit neuen Werken zu Wort gemeldet. Amanda Shires reiht sich nun mit ihrem achten Soloalbum „Nobody’s Girl“ in die Liste ein.

Auf ihrem letzten Longplayer „Take It Like A Man“ (2022) begeisterte mich vor allem „Hawk For The Dove“ für das der Terminus Southern Gothic herangezogen wurde. Auf der neuen Scheibe finden sich keine so expressiven Geigenintermezzi wie auf diesem Stück. Lediglich bei „Can’t Hold Your Breath“ klingen solche Violinen-Parts an. Einen dunklen Gothic-Touch entwickelt „Lose It For A While“ in der zweiten Hälfte nach einem erstklassigen akustischen Einstieg. Das fünfminütige Opus ist einer der Songs, in die man hineingezogen wird. Dies gelingt auch bei Titeln wie „Living“ oder „Lately“, bei denen Shires eine besondere Zerbrechlichkeit in ihre Stimme legt. Hier wird eine übermäßige Süße vermieden, während an manch anderen Stellen einzelne Beiträge eher zahm wirken („A Way It Goes“, „Streetlights And Stars“).

Die Kombination von minimalistisch oder opulent instrumentierten Passagen zeichnen Titel wie „Not Feel Anything“ aus. Dass bei Shires die Violine eine zentrale Rolle spielt, ist selbstverständlich, aber auch das Klavier ist auf einigen Stücken präsent. Auf „Friend Zone“ ergänzen sich beide Instrumente quasi gleichberechtig.

Neben einigen gefühlvollen Balladen gefallen mir die Stücke, bei denen Shires die Zügel loslässt, am besten. Dazu gehört vor allem „Piece Of Mind“. Hier blitzt eine rockige Facette auf, die ihr sehr gut steht. Mittig auf dem Longplayer platziert, rüttelt sie die Hörenden gehörig auf. Darüber hinaus findet sich mit „Strange Dreams“ noch eine weitere Uptempo-Nummer, die zwar nicht die Kraft wie das zuvor genannte Stück entfaltet, dennoch die Dynamik des Albums belebt.

Seit Shires mit zehn Jahren eine Geige von ihrem Vater geschenkt bekam, die er in einem Pfandhaus erwarb, ist sie der Musik verfallen. Als sie Bobbie Nelson auf der Bühne sah, erkannte sie, dass auch Frauen im Musikbusiness ihren Weg gehen können. Vor ihrem aktuellen Album veröffentlichte sie „Loving You“ (2023) mit der Schwester von Willie Nelson und erfüllte sich so einen lang gehegten Wunsch. Neben ihrer Solo-Karriere war sie mit The Highwomen erfolgreich und gewann als Bandmitglied von The 400 Unit einen Grammy mit Jason Isbells „The Nashville Sound“.

2013 schloss sie eine Ehe mit Isbell, die in diesem Jahr nach längeren rechtlichen Auseinandersetzungen geschieden wurde. Dass es in der Beziehung kriselte konnte man schon auf ihrem siebten Album zwischen den Zeilen heraushören. „Nobody’s Girl“ ist deutlich von dieser Lebensphase geprägt, auch wenn Shires betont, dass sie keine Scheidungs-Platte aufnehmen wollte. So feiern die Texte nicht eine vermeintlich zurückgewonnene Freiheit, sondern werfen einen Blick zurück und einen Blick in die Zukunft. Veränderungen der Lebensumstände erfordern eine Neuorientierung, die Kraft kostet und erfordert. Diese Kraft beschwört Shires in ihren Texten.

Musikalisch knüpft „Nobody’s Girl“ an die bisherigen Werke von Amanda Shires an. Gefühlvolle Balladen, die diesmal deutlich mit dem Wechsel reduzierter und voller Instrumentierung spielen, prägen das Album. Einzelne Titel, die dunkler ausfallen, sowie der Ausflug in rockige Gefilde, stechen dabei heraus. Gerade mit diesen Songs habt sie sich von anderen Songwriterinnen und Sängerinnen im Americana-Bereich ab.

ATO Records/PIAS – Rough Trade (2025)
Stil: Americana

Tracks:
01. Intro – Invocation
02. A Way It Goes
03. Maybe I
04. The Details
05. Living
06. Lose It For A While
07. Piece Of Mind
08. Streetlights And Stars
09. Lately
10. Friend Zone
11. Strange Dreams
12. Can’t Hold Your Breath
13. Not Feeling Anything

Amanda Shires
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Pias/Rough Trade
Oktober Promotion

Rodney Crowell – Airline Highway – CD-Review

Review: Michael Segets

Auf dem letzten Album „The Chicago Sessions“ (2023) schlug Rodney Crowell einen Bogen zurück zu seinen musikalischen Anfängen und wurde dafür mit einer Grammy-Nominierung belohnt. Nun legt er den Fokus auf den Moment und setzt sich das Ziel, mit seiner Arbeit zufrieden zu sein. Dies kann er mit „Airline Highway“ sein. Crowell integriert frisches Blut in seine Produktion, indem er sich Musiker*innen der ihm nachfolgenden Generation ins Boot holt. Wenn man so will, richtet der Fünfundsiebzigjährige damit den Blick auch in die musikalische Zukunft.

Ob nun die Zusammenarbeit mit den jüngeren Musiker*innen als deren Förderung oder als marketingtechnischer Kniff interpretiert werden mag, um den Kreis der Hörerschaft zu erweitern, sei dahingestellt. Crowell ist von den Werken seiner Kolleg*innen begeistert und sagt, dass er eine besondere Verbindung zwischen ihm und den anderen Mitwirkenden während der Kollaboration entstand. Die beteiligten Musiker*innen geben ihrerseits an, dass er einen wichtigen Beitrag zu ihrer Entwicklung leistete.

Crowell begann als Songwriter für andere Country-Größen wie Jerry Jeff Walker, Johnny Cash oder (Willie Nelson, der in diesem Jahr ein Album ausschließlich mit Songs von Crowell herausbrachte. In den 1980ern startete Crowells erfolgreiche Solo-Karriere mit etlichen Hits.

Wie nicht anders zu erwarten, führt die Zusammenarbeit mit Lukas Nelson und Charlie Starr von Blackberry Smoke zu eher rockigen Resultaten. Lukas Nelson verfasste „Rainy Day In California“ mit und singt gemeinsam mit dem Altmeister. Charlie Starr ist bei „Heaven Can You Help“ am Mikro zu hören. Aber auch ohne die Unterstützung der Jungspunde weiß Crowell, wie man Uptempo-Nummern spielt („Don’t Give Up On Me“).

Der Texaner ist ursprünglich in der Country-Ecke beheimatet. Auf „Sometime Thang” frönt er dem Genre ganz Old-School. Der Titel ist rund und melodiös. Mehr Schwung hat „The Twenty-One Song Salute (Owed To G. G. Shinn And Cléoma Falcon)”, bei dem Tyler Bryant mitmischt. Die Schwestern Lovell von Larkin Poe begleiten Crowell auf dem sommerliches Flair versprühende „ Louisiana Sunshine Feeling Okay”. Sehr gefühlvoll ist sein Duett mit Ashley McBryde inklusive einem schönen Gitarrensolo am Ende des Songs. Bei dem Stück passt auch die gesprochene Bridge. Sprechgesang – von dem ich kein großer Freund bin – findet sich bei den Werken von Crowell häufiger. Er erscheint mir auf „Simple (You Wouldn’t Call It Simple)” zu dominant.

Crowell nutzt für seine Texte selbstverständlich seine Lebenserfahrung. Ein Rückblick auf vergangene Liebschaften und Beziehungen zu Frauen nehmen so einen wichtigen Raum ein („Maybe Somewhere Down The Road“, „Some Kind Of Woman“). Dabei räumt er ein, dass manche Gefühle mittlerweile nicht mehr zu vergegenwärtigen sind und Erinnerungen verblassen: Fluch und Segen des fortgeschrittenen Alters.

Für „Airline Highway“ holt sich Rodney Crowell eine Riege namhafter Musiker*innen ins Studio. Mit dem Staraufgebot bestehend aus Lukas Nelson, Larkin Poe, Ashley McBryde, Tyler Bryant und Charlie Starr kann eigentlich nichts schief gehen. So gelingt dem Routinier ein abwechslungsreiches und belebendes Album, das trotz der selbst verschriebenen Verjüngungskur seine Handschrift trägt.

New West Records – Bertus (2025)
Stil: Americana

Tracks:
01. Rainy Day in California (feat. Lukas Nelson)
02. Louisiana Sunshine Feeling Okay (feat. Larkin Poe)
03. Sometime Thang
04. Some Kind Of Woman
05. Taking Flight (feat. Ashley McBryde)
06. Simple (You Wouldn’t Call It Simple)
07. The Twenty-One Song Salute (Owed To G. G. Shinn And Cléoma Falcon) (feat. Tyler Bryant)
08. Don’t Give Up On Me
09. Heaven Can You Help (feat. Charlie Starr)
10. Maybe Somewhere Down The Road

Rodney Crowell
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New West Records
Oktober Promotion

Turnpike Troubadours – The Price Of Admission – Digital-Album-Review

Review: Michael Segets

Pünktlich zum zwanzigsten Jahrestags ihres Debüts überraschen die Turnpike Troubadours mit einem neuen Studioalbum. Seit letzter Woche ist „The Price Of Admission“ digital erhältlich. Die Veröffentlichung als CD und LP soll folgen. Ihr Abtauchen in 2019 hat der Popularität der aus Oklahoma stammenden Band keinen Abbruch getan. Ausgiebige Touren mit vollen Häusern waren den Turnpike Troubadours auch rund um ihr Wiederauftauchen mit „A Cat In The Rain“ (2023) gewiss.

Auch in diesem Jahr sind sie quasi im Dauereinsatz. Vier aufeinanderfolgende Abende im Boone Pickens Stadium in Stillwater sind bereits absolviert. Von ihrem Heimatstaat geht es dann für zwei Gigs nach Colorado ins Red Rocks Amphitheatre, von dem sich zuletzt Ryan Bingham mit einem Livealbum meldete. Sie nehmen an Willie Nelsons Jubiläumstour des Outlaw Music Festivals zusammen mit Bob Dylan, Sheryl Crow und The Red Clay Strays teil. Zwischendurch machen sie einen Abstecher nach Großbritannien. Dort sind sie mit Zach Bryan unter anderem im BST Hyde Park unterwegs. Die Turnpike Troubadours, mittlerweile in die Oklahoma Music Hall of Fame aufgenommen, sind von klangvollen Namen umgeben und spielen ausverkaufte Shows an ehrwürdigen Orte. Sie können damit zu den Institutionen der Country- beziehungsweise Roots-Music-Szene gezählt werden.

„The Price Of Admission“ dürfte ihre Fans nicht enttäuschen. Der Longplayer bietet erneut souverän dargebotenen Country mit einer Prise Red Dirt. Sänger und Songwriter Evan Felker schrieb alle Songs mit Ausnahme des abschließenden „Nothing You Can Do“, das vom Geigenspieler der Band Kyle Nix stammt. Beim Verfassen einiger Stücke kooperierte Felker mit John Fullbright („Searching For A Light“), Dave Simonett („Leaving Town“) oder Lance Roark („Ruby Ann“).

Mit seinem Troubadour-Kollegen Nix komponierte Felker „The Devil Piles His Trade“. Dank der aufgekratzten Geige erhält der erste Uptempo-Track in der Mitte des Albums einen keltischen Einschlag. Dieser tritt bereits zuvor „Be Here“ noch deutlicher hervor. Sehr stimmungsvoll ist dabei das Zusammenspiel von Felker und dem Chor im call and response. Da ich einen Faible für irisch angehauchten Folkrock habe, punktet das Sextett mit diesen Titeln bei mir.

In der ersten Hälfte des Albums gehen es die Turnpike Troubadurs ruhig an. Hervorzuheben ist dort der Opener „On The Red River“. Die atmosphärische Ballade schrieb Felker zusammen mit Ketch Secor (Old Crow Medicine Show). Durch seinen hervorragenden Refrain verdient „Heaven Passing Trough” ebenfalls besondere Erwähnung. Der Song wäre meine Single-Empfehlung. Der zweite Teil des Longplayers zieht das Tempo etwas an. Die Songs sind mit dem richtigen Maß an Twang versehen und durchweg in einem positiven Sinne eingängig. Hier gehören „What Was Advertised“ und „Nothing You Can Do“ zu meinen Anspieltipps.

Das siebte Studioalbum der Turnpike Troubadours ist erneut ein gutes geworden. „The Price Of Admission“ hält schöne Balladen, eingängige Midtempo-Nummern und ein paar galoppierende Songs bereit. Die Troubadoure sitzen dabei stets fest im Sattel.

Bossier City Records – Thirty Tigers (2025)
Stil: Country

Tracks:
01. On The Red River
02. Searching For A Light
03. Forgiving You
04. Be Here
05. Heaven Passing Through
06. The Devil Piles His Trade
07. A Lie Agreed Upon
08. Ruby Ann
09. What We Advertised
10. Leaving Town
11. Nothing You Can Do

Turnpike Troubadours
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Various Artists – Petty Country – A Country Music Celebration Of Tom Petty – CD-Review

Review: Michael Segets

Der vor sieben Jahren plötzlich verstorbene Tom Petty hinterließ tiefe Spuren in der Geschichte des Rock. Sein Werk dient vielen Musikern als Inspirationsquelle und dementsprechend oft werden seine Songs gecovert oder als Referenzpunkte herangezogen. Für „Petty Country – A Country Music Celebration Of Tom Petty“ fanden sich namhafte Vertreter der Country-Szene zusammen, um ihn und seine Musik zu feiern. Drei Viertel der Interpreten sind alte Bekannte bei Sounds-Of-South. Wie nicht anders zu erwarten, finden sich viele Hits von Petty unter den Titeln. Angesichts seines umfangreichen Outputs, verwundert es nicht, dass ebenso viele Stücke fehlen, die eine Aufnahme auf das Tribute-Album verdient hätten. Das hinterlassene Songmaterial hätte sicherlich ein Doppelalbum gerechtfertigt.

Sich an ein Cover von Tom Petty heranzuwagen, ist ja nicht ohne. Petty hatte seinen eigenen Stil, gesanglich ist er unverwechselbar und der Sound – auch wenn er ihn in seiner Laufbahn durchaus variierte – weist einen hohen Wiedererkennungswert auf. Ein bloßes Nachspielen funktioniert nicht. Die Herausforderung besteht darin, den Songs eine individuelle Note mitzugeben. Dies gelingt den Musikern auf dem Sampler durchgängig. Sie transformieren die jeweiligen Stücke meist behutsam, sodass sie direkt zu identifizieren bleiben. Die vorliegenden Versionen klingen insgesamt erdig, wie man es von Vertretern der Country Music erwartet. Wie Pettys Originale bleiben aber auch die entsprechenden Interpretationen oft dem Rock verhaftet, sodass das Album stellenweise durchaus in Richtung Roots oder Country Rock geht.

Die ausgewählten Titel decken die Jahrzehnte von Pettys Karriere ab. Der Bogen spannt sich von den frühen Klassikern aus den siebziger Jahren über seine großen Hits in den Achtzigern und Neunzigern bis zu seinem letzten Album mit der von ihm wiederbelebten Band Mudcrutch aus dem Jahr 2016. So dürfen natürlich „American Girl“ (Dierks Bentley) und „Breakdown“ (Ryan Hurd) von Pettys erstem Longplayer mit den Heartbreakern nicht fehlen. Wynonna liefert eine wunderbare Version von „Refugee“ und damit zugleich ein Highlight der CD ab.

Die achtziger Jahre vertreten Titel von den Alben „Southern Accents“ (1985) und „Full Moon Fever“ (1989). Ebenfalls dieser Dekade zuzuordnen ist „Stop Draggin‘ My Heart Around“. Lady A covert das ursprünglich von Stevie Nicks und Tom Petty gesungene Duett. Die starken Werke „Hard Promises“ (1981), „Long After Dark“ (1982) und „Let Me Up (I’ve Had Enough)“ (1987) sind zu meiner Überraschung nicht berücksichtigt. Von den Sessions zum letztgenannten Werk stammt allerdings „Ways To Be Wicked“, dem sich Margo Price annimmt. Bei der Konzeption des Tribute lag der Fokus nicht auf einer repräsentativen Werkschau, sondern auf den persönlichen Verbindungen der Interpreten zu den einzelnen Songs.

Dolly Parton gibt sich bei „Southern Accents“ die Ehre. Rhiannon Giddens macht aus dem ursprünglich aufgekratzten „Don’t Come Around Here No More“ eine langsame, soulige Nummer. Der Track verändert das Original erheblich, aber sehr gelungen. Mit „Runnin‘ Down A Dream“ (Luke Combs), „I Won’t Back Down” (Brothers Osborne), „Yer So Bad” (Steve Earle) und „Free Fallin’” (The Cadillac Three) sind gleich vier Songs des erfolgreichen „Full Moon Fever” auf dem Tribute zu finden.

Songs aus den Neunzigern suchten sich die Eli Young Band („Learning To Fly“), Midland („Mary Jane’s Last Dance“) und Thomas Rhett („Wildflowers“) aus. „You Wreck Me“ (Georg Strait) fällt etwas aus dem Rahmen, da es der einzige Live-Mitschnitt auf der CD ist. Altmeister Willie Nelson greift sich „Angel Dream (No. 2)“ heraus.

Nach „Wildflowers“ (1994) schuf Petty nach meiner Einschätzung keine durchweg überzeugenden Alben mehr. Von seiner Spätphase geht wahrscheinlich auch kein so prägender Einfluss auf andere Musiker aus. Auf der Zusammenstellung ist sie vielleicht aus diesem Grund unterrepräsentiert. Dass Petty aber auch im neuen Jahrtausend gute Songs produzierte, zeigt Chris Stapleton. Dieser macht aus „I Should Have Know It“ einen hervorragenden Roots Rocker, der zu meinen Favoriten auf der Compilation zählt. Schließlich spielt Jamey Johnson „Forgive It All“, sodass zumindest Pettys letzte Scheibe noch gewürdigt wird.

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Hervorragendes Songmaterial von renommierten Musikern aus der Country-Ecke performt. Was kann da schief gehen? Nichts! Die Country-Gilde sitzt fest im Sattel und zieht die Hüte vor Tom Petty. „Petty Country“ ist eine posthume Verbeugung vor einem der ganz Großen der Rockgeschichte, die zeigt, dass Genregrenzen fließend sind.

Ein paar unveröffentlichte, von Tom Petty selbst eingespielte Stücke hält die am 18. Oktober erscheinende Deluxe-Version von „Long After Dark“ bereit.

Universal (2024)
Stil: Country, Country Rock

Tracks:
01 I Should Have Known It – Chris Stapleton
02 Wildflowers – Thomas Rhett
03 Runnin’ Down A Dream – Luke Combs
04 Southern Accents – Dolly Parton
05 Here Comes My Girl – Justin Moore
06 American Girl – Dierks Bentley
07 Stop Draggin’ My Heart Around – Lady A
08 Forgive It All – Jamey Johnson
09 I Won’t Back Down – Brothers Osborne
10 Refugee – Wynonna
11 Angel Dream (No. 2) – Willie Nelson
12 Learning To Fly – Eli Young Band
13 Breakdown – Ryan Hurd
14 Yer So Bad – Steve Earle
15 Ways To Be Wicked – Margo Price
16 Mary Jane’s Last Dance – Midland
17 Free Fallin’ – The Cadillac Three
18 I Need To Know – Marty Stuart And His Fabulous Superlatives
19 Don’t Come Around Here No More – Rhiannon Giddens
20 You Wreck Me (live) – George Strait

Tom Petty

The Bacon Brothers – Ballad Of The Brothers – CD-Review

Review: Michael Segets

Die Bacon Brothers treten seit dreißig Jahren als Band öffentlich in Erscheinung. 1997 brachten die Geschwister Michael und Kevin Bacon ihren ersten Longplayer „Forosoco“ heraus. Nach dem Albumtitel bezeichnen sie die Richtung ihrer Musik, die sich als Mischung aus nahezu sämtlichen populären Stilen darstellt. Dies kann interessante Resultate hervorbringen, meist empfinde ich solch breit angelegten Projekte aber eher als anstrengend. Da kommt der Banause zum Vorschein, der die filigranen künstlerischen Feinheiten nicht richtig zu würdigen weiß.

Der mit mehreren Emmy-Awards ausgezeichnete Michael Bacon betätigt sich vorwiegend als Komponist von Soundtracks. Kevin Bacon hat seinen eigenen Stern auf dem Hollywood Walk Of Fame und zählt seit seinen frühen Erfolgen mit „Diner“ und „Footloose“ zur ersten Riege der amerikanischen Schauspieler. Bekannter Schauspieler zu sein und gute Musik zu machen, schließt sich nicht aus, wie beispielsweise Kevin Costner und Kiefer Sutherland beweisen.

Die beiden Bacons nehmen ihr Bandprojekt ernst und machen mit „Ballad Of The Brothers“ das Duzend ihrer gemeinsamen Longplayer voll. Die Songs wurden zu gleichen Teilen von den Geschwistern geschrieben, zwei unter Beteiligung weiterer Co-Autoren. Darüber hinaus finden sich zwei Cover auf der CD. In den von Ridley Sharp stammende Klassiker „Dreams Of The San Joaquin“, den beispielsweise schon Linda Ronstadt und Kenny Rodgers gesungen haben, wird die Begleitstimme von Cindy Alexander reingemischt. Die Bacon Brothers interpretieren die Americana-Ballade sehr reduziert und beschränken sich im Wesentlichen auf den durch ein Klavier begleiteten mehrstimmigen Gesang. „We Belong“, das für Pat Benatar zum Hit wurde, ist das zweite Coverstück. Der sowieso gute Song wird von den Bacon Brothers gitarrengetrieben, roots-rockig durchgespielt – eine gelungene Version und ein Highlight auf der CD.

Ebenfalls an die Rockmusik der 1980er erinnert der Opener „Take Off This Tatoo“. Das zweite Highlight des Albums überrascht mit einem Geigenpart, der traditioneller Weise von einer E-Gitarre übernommen wird. Ebenfalls auf der Habenseite lässt sich die Single „Put Your Hand Up“ verorten. Mit seinen Bläsern geht der Sound in Richtung Motown und lässt dementsprechend deutlich Soul mitschwingen. Der findet sich auch in einer erdigeren Variante auf „Old Bronco“. Das experimentelle Ende des Tracks schmälert allerdings dessen Hörgenuss. Auch für den Abschluss von „Losing The Night“ wählen die Bacon Brothers einen seltsamen Ausklang.

Verzichtbar sind in meinen Ohren „Airport Bar“ sowie das jazzige Instrumentalstück „Freestanding“. Mit den beiden langsameren „Let That Be Enough“ und „Live With The Lie“ schlagen die beiden Protagonisten eher konventionelle Töne an. Vor allem der erstgenannte Song wirkt dabei etwas schulzig. Anders als die beiden Beiträge bleibt der Titeltrack „Ballad Of The Brothers (The Willie Door)“ im Gedächtnis. Nach einem Geigenintro legt die Mischung aus Moritat und Country los. Geschildert wird ein fiktive Roadtrip zweier Brüder, die unverhofft zu lokalen Musikstars aufsteigen. Der Song ist eine Hommage an die Dance Halls. Die Gruene Hall als älteste von ihnen steht seit 145 Jahren in Texas. Auf sie, in der beispielsweise Willie Nelson einige legendäre Konzerte spielte, nimmt der Text explizit Bezug.

Die Bacon Brothers schöpfen aus einer breiten Palette musikalischer Traditionen und mischen diese auf „Ballad Of The Brothers“. Nicht jede ihrer musikalischen Einfälle zündet. Dort, wo ihr Sound in den 1980ern verhaftet bleibt, gelingen die besten Songs. Die rockige Eigenkomposition „Take Off This Tatoo“ und die rootsige Coverversion von „We Belong“ sind daher mit Abstand die Favoriten des Albums.

Forosoco Music/40 Below Records – Proper/Bertus (2024)
Stil: Rock, Americana

Tracks:
01. Take Off This Tattoo
02. Losing The Night
03. Put Your Hand Up
04. Dreams Of The San Joaquin
05. Old Bronco
06. Airport Bar
07. We Belong
08. Let That Be Enough
09. Ballad Of The Brothers (The Willie Door)
10. Freestanding
11. Live With The Lie

The Bacon Brothers
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Bertus

Lukas Nelson & Promise Of The Real – Sticks And Stones – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Bei manchen Musikproduktionen drängt sich gelegentlich ein etwas zwiespältiger Eindruck auf: auf der einen Seite begeistert das unkomplizierte Konzept der Scheibe und auf der anderen, spekuliert der Betrachter über die unkonventionelle Ladenthekenfrage “darf es vielleicht bitte etwas mehr sein”? Dies ist auch beim aktuellen Album “Sticks And Stones” von Lukas Nelson & Promise Of The Real der Fall. Sein großartiges Songschreiber-Talent lässt Frontmann Lukas Nelson bei den 12 häufig entsprechend kurzen Songs aber natürlich nicht außen vor, obwohl – bei aller Bescheidenheit – die beneidenswerten Fähigkeiten von Songschreiber und Band mit Leichtigkeit eine etwas längere Laufzeit der Scheibe arrangieren könnten.

Gegenüber der letzten Studioscheibe “A Few Stars Apart” (2021) ist die neue thematisch als Rückbesinnung einzuordnen, also eine Art Rückschau auf die Anfänge von Nelsons musikalischer Herkunft. “This is the most country record I’ve ever made”, erläutert Songwriter Nelson in einem Interview, und weiter “This is as close to my roots as I’ve gotten so far.” Mit dem flotten Album Titelsong gelingt ihm hierzu der passende Einstieg und zugleich der Auftakt einer persönlichen Rundreise durch die jüngste Vergangenheit seiner musikalischen Entwicklung. Karriereerfahrungen werden hierzu in “Alcohallelujah” – good old Country und Honky Tonk Style (“Every Time I Drink”) – verarbeitet, bevor in dieser Reihe das klassische Country-Duett (mit Lainey Wilson) “More Than Friends” auftrumpft.

Diese sind gelegentlich vielleicht auch 50er/60er Jahre Rockabilly, wie bei “Ladder Of Love” und “Wrong Home” sowie dem typischen Man in Black Country Rock Titel “Icarus” – kurzweilig schon bald erfüllt. Naheliegend und unweigerlich dürfen mit “If I Don’t Love You” und “Overpass” natürlich leichte Kompositionen, die ihren Ursprung im Willie Nelson– Repertoire haben, könnten ebenso nicht fehlen. Mit dem Songwriter Glanzstück „Lying” folgt zum ersten Mal ein Lukas Nelson-Solo-Akustik-Song auf einem Album, nur Vocals und Gitarre, wobei die Bandversion, so der Songwriter alternativ ebenfalls aufgenommen wurde, aber leider auf der Scheibe offenbar auch als Bonus Stück keinen Platz fand. Seine aktuelle Situation sieht Nelson, der das Album ebenfalls selbst produzierte, in den letzten beiden Stücken “All Four Winds” und “The View” wiedergegeben – ansprechende Lyrics zu akustischen Country Folk Melodien.

Der neue Longplayer “Sticks And Stones” von Lukas Nelson & Promise Of The Real verbindet Lebenserfahrungen mit eigenen musikalischen Assoziationen zum puren Country Album – eine unterhaltsame Country Platte mit humorvollen Erzählungen und routinierter Virtuosität einer noch jungen, aber längst erfolgreichen Karriere.

6ACE Records/Thirty Tigers (2023)
Stil: Country

Tracks:
01. Sticks And Stones
02. Alcohallelujah
03. Every Time I Drink
04. More Than Friends
05. Ladder Of Love
06. Wrong House
07. Icarus
08. If I Didn’t Love You
09. Overpass
10. Lying
11. All Four Winds
12. The View

Lukas Nelson
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Oktober Promotion

Lukas Nelson, Sticks And Stones, Country

Bobbie Nelson And Amanda Shires – Loving You – CD-Review

Review: Michael Segets

Als Jugendliche sah Amanda Shires Bobie Nelson in der Band deren Bruders Willie Nelson auf der Bühne. Mit diesem Erlebnis ging die Erkenntnis einher, dass eine Karriere als Musikerin in dem von Männern dominierten Business möglich ist. Die Inspiration, die von Bobbie Nelson ausging, kann im Nachhinein als glückliche Fügung angesehen werden. Shires bereichert seitdem in der Band ihres Ehemannes Jason Isbell und als Solokünstlerin die musikalische Landschaft. Aktuell ist sie auf „Weathervanes“ zu hören. Davor legte sie das hoch gelobte „Take It Like A Man“ vor. Neben diesen Projekten erfüllte sie sich durch die Zusammenarbeit mit Bobbie Nelson, die sie 2013 näher kennenlernte, einen Herzenswunsch.

Zunächst sollte der Song „Always On My Mind“ auf dem Longplayer „Take It Like A Man“ seinen Platz finden. Schließlich legte er den Grundstein für das Album „Loving You“. Dieses erscheint für Bobbie Nelson posthum. Im April letzten Jahres verstarb sie 91-jährig, sodass sie die finale Version des Werks und dessen Veröffentlichung nicht mehr erlebte.

Die zehn Tracks auf „Loving You“ leben von dem Zusammenspiel von Nelsons Piano und Shires Geige. Lediglich Bobbies Sohn Freddie Fletcher begleitet die beiden Damen am Schlagzeug. Wie auf Shires letztem Soloalbum fungierte Lawrence Rothman als Produzent. Herausgekommen ist eine quasi intime Scheibe, bestückt mit einer Auswahl von Bobbie Nelsons Lieblingssongs. Versammelt sind viele Klassiker wie „Dream A Little Dream Of Me“ oder „Over The Rainbow“. „La Paloma“ – in der besten Version, die ich kenne – wird ebenso wie der Titeltrack, der von Bobbie Nelson stammt, instrumental dargeboten.

Von George Gershwin stammt „Summertime“, auf dem Willie Nelson als Gastmusiker hinzustößt. Aus dessen Feder ist „Angel Flying Too Close To The Ground“ geflossen. Bei dieser Ballade legt Shires ebenso wie bei „Tempted And Tried” viel Gefühl in ihren Gesang. Fröhlicher geht es mit dem „Old Fashioned Love“ zu. Der Titel stellt den flottesten Beitrag des Albums dar und kann als traditionelle Country-Nummer verbucht werden. Dieses Genre wird auch mit „Waltz Across Texas“ bedient, das im Dreivierteltakt zum Schunkeln einlädt.

Die generationenübergreifende Kollaboration zwischen Bobbie Nelson und Amanda Shires bietet neue Versionen bekannter Klassiker, die ihren Reiz durch das Zusammenspiel von Piano und Geige erhalten. „Loving You“ eignet sich besonders für ruhige Stunden, in denen man Muße findet, der schnelllebigen Zeit zu entkommen und seine Gedanken in die Vergangenheit schweifen lässt.

ATO Records/PIAS-Rough Trade (2023)
Stil: Country and more

Tracks:
01. Waltz Across Texas
02. Always On My Mind
03. Old Fashioned Love
04. Summertime (feat. Willie Nelson)
05. Angel Flying Too Close To The Ground
06. Dream A Little Dream Of Me
07. Tempted And Tried
08. La Paloma
09. Loving You
10. Over The Rainbow

Amanda Shires
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Pias/Rough Trade
Oktober Promotion

Chase Rice – I Hate Cowboys & All Dogs Go To Hell – CD-Review

Review: Michael Segets

Der Legende nach sollen Cliff Barnes And The Fear Of Winning aufgrund des Songs „No One’s Got An Asshole Like A Cowboy“ als Vortruppe von Willie Nelson der Bühne verwiesen worden sein. Nun dürfte auch der Titel des neuen Albums von Chase Rice „I Hate Cowboys & All Dogs Go To Hell“ nicht zu unmittelbarem Beifall großer Teile der Country-Gemeinde führen. Allerdings hat Rice einen anderen Status im Musikbusiness als die ehemalige Independent-Combo. Millionenfache Albumverkäufe und milliardenfache Streams lassen die Vermutung zu, dass er auf eine breite Fanbasis zählen kann, die vieles mitmacht. Wenn der gutaussehende Ex-Footballer von der Bühne gezerrt werden sollte, dürfte das wohl andere Gründe haben.

Die Provokation, die der Albumtitel nahelegt, relativiert sich, wenn man die Lyrics der beiden dazugehörigen Songs wahrnimmt. Mit den verhassten Cowboys sind die oberflächlichen Typen gemeint, die in der Konkurrenz bei der Partnersuche die Nase vorn haben. Der Text dürfte also auch für eine Vielzahl von Country-Anhängern Identifikationspotential besitzen. Mit den Hunden, die zur Hölle fahren, sind eher nicht die Tiere gemeint. Rice nimmt bei „Bench Seat“ sogar die Perspektive eines Hundes ein, was literarisch interessant ist. In dem dazugehörigen Video outet sich Rice zudem als Hundeliebhaber. Den Hintergrund des Songs bildet wohl die Geschichte eines Freundes, der durch seinen Hund vom Selbstmord abgehalten wurde.

Rice hält letztlich die traditionellen Werte hoch. Zu diesen zählt die Familie. So widmet er „Sorry Momma“ seiner Mutter, die drei Söhne nach dem frühen Tod ihres Mannes großzog. Das Cover ziert ein Foto seines verstorbenen Vaters. In einem Kommentar gibt Rice an, dass „I Hate Cowboys & All Dogs Go To Hell“ bislang sein persönlichstes Album sei.

Die meisten Songs schlagen ein gemäßigtes Tempo an, sind eingängig und glatt arrangiert. Rice hat eine angenehme Stimme, der man gerne zuhört. Vor allem der poppig angehauchte, mainstreamtaugliche Opener „Walk That Easy“ könnte die Liste seiner Hits fortführen. Die Orientierung am klassischen Country steht nicht im Zentrum seiner Kompositionen. Am deutlichsten tritt sie bei „If I Were Rock & Roll“ zutage.

„Goodnight Nancy“, das Rice zusammen mit Boy Named Banjo spielt, nimmt in seinem Verlauf ordentlich an Fahrt auf. Ebenso semi-akustisch gehalten ist „I Walk Alone“. Das Stück mündet in einem explosiven Finale. Gemeinsam mit der Read Southall Band performt Rice „Oklahoma“. Der hymnische Track weist eine längere, gitarrengetriebene Instrumentalpassage auf, die einzige auf dem Longplayer. Zusammen mit der Gute-Laune-Nummer „Bad Day To Be A Cold Beer“ gehören die drei Songs zu den Highlights, da der Sound bei diesen erdiger erscheint als bei den anderen.

Der Top-Track des Albums ist „Way Down Yonder“. Am Anfang mutet er zirzensisch an, versprüht dann aber mit kräftigem Rhythmus und gelungener Gitarrenbegleitung Energie. Hier zeigt Rice, der lange Zeit unschlüssig war, ob das Stück einen Platz auf der CD erhält, mal ein paar rauere Ecken und Kanten, von denen ich mir mehr gewünscht hätte. Der Mut, den Rice bei der Wahl des Albumnamens beweist, hätte den Songarrangements nicht geschadet. Dennoch weist „I Hate Cowboys & All Dogs Go To Hell“ in die richtige Richtung.

„I Hate Cowboys & All Dogs Go To Hell“ ist nicht ganz so polarisierend, wie der Titel vermuten lässt. Gut hörbare, radiotaugliche und sorgsam produzierte Songs, mit denen Chase Rice auf Sicherheit spielt, dominieren das Album. Daneben blitzt in manchen Texten und bei einigen Tracks das Potential von ihm als Songwriter und Musiker auf. Insgesamt gelingt Rice ein sauberer Touchdown ohne sich allzu weit von dem bewährten Play Book zu entfernen.

Broken Bow Records – BMG (2023)
Stil: New Country

Tracks:
01. Walk That Easy
02. All Dogs Go To Hell
03. Way Down Yonder
04. Key West & Colorado
05. Bench Seat
06. Life Part Of Livin’
07. Bad Day To Be A Cold Beer
08. Oklahoma (feat. Read Southall Band)
09. I Walk Alone
10. Sorry Momma
11. If I Were Rock & Roll
12. Goodnight Nancy (feat. Boy Named Banjo)
13. I Hate Cowboys

Chase Rice
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Networking Media

Various Artists – Live Forever – A Tribute To Billy Joe Shaver – CD-Review

Review: Michael Segets

2020 verstarb Billy Joe Shaver mit 81 Jahren. Über fünf Dekaden hinweg veröffentlichte er Alben, aber breite Anerkennung fand er erst im Rentenalter. Dabei hatte er bereits in den 1970ern Hits für Waylon Jennings geschrieben und auch andere Größen des Musikbusiness wie Elvis Presley, Bob Dylan, Johnny Cash, Kris Kristofferson oder Emmylou Harris nahmen seine Stücke auf.

Der texanische Songwriter prägte den Outlaw Country und so ist es nur folgerichtig, dass es sich namhafte Künstler auf dem Tribute finden, die diesem Subgenre besonders zugeneigt sind. Shavers Songwriting dient aber auch Musikern anderer Spielrichtungen des Genres immer noch als Inspirationsquelle. „Live Forever“ kann als ehrgeiziges Programm gelten, aber Shaver hat seine Spuren hinterlassen, denen die Musiker auf dem Tribute gerne folgen.

Willie Nelson ist gleich mit zwei Beiträgen vertreten. „Live Forever“, der wohl bekannteste Titel von Shaver, wird von ihm im Duett mit Lucinda Williams gesungen und eröffnet das Album. Später folgt noch das flotte „Georgia On A Fast Train“. Während Nelson zu den Urgesteinen gehört, ist mit Steve Earle ein Outlaw der zweiten Generation vertreten. „Ain’t No God In Mexico“ wird von ihm in seiner unverwechselbaren Art performt.

Rodney Crowell und George Strait sind ebenso renomiert, stammen aber aus einer anderen Ecke des Genre. Crowell steuert die reduziert begleitete Ballade „Old Five And Dimers Like Me“ bei. Strait setzt bei dem traditionsverbundenen „Willy The Wandering Gypsy And Me“ ebenfalls auf eine dezente Instrumentalisierung. Neben den bereits angegrauten Recken findet sich eine Riege von jüngeren, aber ebenfalls etablierten Musikern der Szene ein. Nathaniel Rateliff schunkelt mit dem von Waylon Jennings mitverfassten „You Asked Me To“ gemächlich über die Prairie und Miranda Lambert behauptet beschwingt „I’m Just An Old Chunk Of Coal (But I’m Gonna Be A Diamond Someday)”.

Ausgewogen ist die circa hälftige Verteilung von Sängerinnen und Sängern. Edie Brickell („I Couldn’t Be Me Without You“) sowie Allison Russell („Tramp On Your Street”) spiegeln mit ihren gefühlvollen Interpretationen den balladesken Grundtenor des Samplers wider. In diesen passt sich ebenso „Ragged Old Truck“ von Margo Price und Joshua Hedley ein.

Charlie Sexton, Co-Produzent des Albums, begleitet mehrere Songs mit seinen Künsten an der Gitarre. Jason Isbell übernimmt diesen Part bei seiner Frau Amanda Shires. Shires‘ Version des Klassikers „Honky Tonk Heroes“ zählt zu den schwungvolleren Tracks auf dem Tribute. Getoppt wird er noch von dem rauen und kraftvollen „Ride Me Down Easy“, bei dem sich Ryan Bingham und Nikki Lane richtig ins Zeug legen.

Die Hommage an Billy Joe Shaver ist als Mehrgenerationen-Projekt angelegt. Von Willie Nelson über Steve Earle bis hin zu Nikki Lane reicht die Bandbreite der Vertreter des Outlaw Country, die den Songs von Shaver eine Stimme geben. Die Interpretationen auf dem Sampler „Live Forever“ geben einen umfassenden Eindruck, wie Shavers Songs nachwirken und bis heute Country-Musiker sämtlicher Stilrichtungen inspirieren.

New West Records – Redeye/Bertus (2022)
Stil: Country

Tracks:
01. Live Forever – Willie Nelson feat. Lucinda Williams
02. Ride Me Down Easy – Ryan Bingham feat. Nikki Lane
03. Old Five And Dimers Like Me – Rodney Crowell
04. I’m Just An Old Chunk Of Coal (But I’m Gonna Be A Diamond Someday) – Miranda Lambert
05. I Couldn’t Be Me Without You – Edie Brickell
06. You Asked Me To – Nathaniel Rateliff
07. Willy The Wandering Gypsy And Me – George Strait
08. Honky Tonk Heroes – Amanda Shires feat. Jason Isbell
09. Ain’t No God In Mexico – Steve Earle
10. Ragged Old Truck – Marco Price feat. Joshua Hedley
11. Georgia On A Fast Train – Willie Nelson
12. Tramp On Your Street – Allison Russell

New West Records
Redeye Worldwide
Bertus

Alex Williams – Waging Peace – CD-Review

Review: Michael Segets

Alex Williams hält mit seinem zweiten Album „Waging Peace“ die Fahne des Outlaw Country hoch. Waylon Jennings hätte sicher seine Freude an der Scheibe gehabt. Die Stimme von Williams ist für den Country gemacht. In dem Genre bewegen sich dann folglich die meisten Songs. Dabei überschreitet Williams mehrmals die Grenze zum Rock und gibt gelegentlich einem Southern-Flair Raum. Gelegentlich mit Chris Stapleton oder Sturgill Simpson verglichen, reichen die Inspirationsquellen von Townes Van Zandt oder Guy Clark bis zu Lynyrd Skynyrd oder den Allman Brothers. In diesem Rahmen bietet „Waging Peace“ eine variable Kost.

Die Hälfte der Stücke folgen den Pfaden, die im Country der siebziger Jahre gelegt wurden. Topoi des modernen Cowboys, die ständig auf den Straßen unterwegs sind und ihr Leben am Rande gesellschaftlicher Konventionen führen, durchziehen die Texte. „Old Before My Time“ und „Double Nickel“ sind dabei Vertreter der schnelleren Spielart. Beide Songs werden mit ordentlichem Twang versehen und finden in der Trucker-Szene bestimmt viel Anklang.

Einen Gang runter schalten „Rock Bottom“ und „A Higher Road“. Der zuletzt genannte Titel entwickelt dennoch Druck im Refrain, der von dem Gitarrensolo zum Ausklang weitergetragen wird. „The Best Thing“ hat den größten Retro-Charme unter den Songs. Mit einem wimmernden Slide der Steel Pedal wandelt er auf traditionellen Bahnen, so erinnert der Beginn an Songs von Willie Nelson. Bemerkenswert ist die kurze Mundharmonika-Passage, die sich in den gefälligen Song einfügt. „The Struggle“ stellt für mich den Favoriten unter den langsameren Country-Stücken dar. Williams Gesang steht bei dem reduzierten und klaren Midtempo-Beitrag im Vordergrund.

„Fire“ erscheint mit seinen Riffs kräftiger und zeigt Williams Affinität zum Rock. Diese tritt auch bei der ersten Single „No Reservations“ zutage, die den Longplayer zugleich eröffnet. Während der Song mich direkt für Williams eingenommen hat, springt der Funke bei dem gleichförmigen „Conspiracy“ nicht so recht über. Hingegen prägt eine ansteigende Dynamik das Titelstück „Waging Peace“. Nach dem Intro durch eine staubige Gitarre, bekommt es in seinem Verlauf einen hymnischen Charakter. Zu den Highlights zählt auch „Confession“. Der Track weist ebenso wie das abschließende „The Vice“ deutliche Anleihen beim Southern auf.

Alex Williams gibt dem Outlaw Country eine aktuelle Stimme. Er tradiert dabei bekannte Spielarten dieser Country-Richtung, stellt ihre Verbindung zum Rock heraus und würzt sie mit einer gelegentlichen Prise Southern. So führt „Waging Peace“ eine hierzulande wenig beachtete Linie des Country fort und stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass sie mehr Aufmerksamkeit verdient.

Lightning Rod Records – New West Records (2022)
Stil: Outlaw Country

Tracks:
01. No Reservations
02. Old Before My Time
03. Rock Bottom
04. Fire
05. A Higher Road
06. Waging Peace
07. Conspiracy
08. The Best Thing
09. Double Nickel
10. Confession
11. The Struggle
12. The Vice

Alex Williams
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