Rodney Crowell – The Chicago Sessions – CD-Review

Review: Michael Segets

Rodney Crowell besinnt sich auf seine Anfänge. In kleiner Bandbesetzung spielte er „The Chicago Sessions“ mit dem Produzenten Jeff Tweedy (Wilco) ein. Mit deutlich reduzierter Soundfülle gegenüber dem vorangegangenen Album „Triage“ (2021) konzentriert sich Crowell auf die pure Wirkung seiner Songs. Bereits das Cover lässt den Brückenschlag zurück erahnen. Das schräggestellte Foto vor neutralem Hintergrund ist an die Covergestaltung sein Debüts „Ain’t Living Long Like This“ vor 45 Jahren angelehnt. Der aktuelle Longplayer verfolgt auch musikalisch einen Vintage-Stil, wirkt dabei aber nicht angestaubt. Er ist routiniert und unaufgeregt eingespielt sowie klar produziert und abgemischt.

Mit zwei Ausnahmen sind die Stücke neueren Datums. „You’re Supposed To Be Feeling Good“ stammt aus seinen Anfangstagen als Songwriter und wurde 1977 von Emmylou Harris aufgenommen. Rodney covert zudem Townes Van Zandts „No Place to Fall“. Das Piano, gespielt von Catherine Marx, begleitet den Song unaufdringlich, sodass sich die Version von dem Original unterscheidet, aber nicht allzu weit entfernt.

Marx eröffnet das Album mit einem Bar-Piano-Intro bei „Lucky“. Auch bei dem bluesrockigen „Ever The Dark“ hat sie ihre Finger im Spiel und lässt die Tasten klimpern. Gitarrist Jedd Hughes erhält hier zudem die Gelegenheit, seine Kunstfertigkeit an den Saiten in Szene zu setzen. Neben Marx und Hughes nahm Zachariah Hickman am Bass an den Sessions durchgehend teil. Für das Schlagzeug wurden John Perrine und Spencer Tweedy, der Sohn von Jeff, verpflichtet.

Crowells Songs schlagen insgesamt ein gemäßigtes Tempo an. „Somebody Loves You“ groovt locker mit einer Blues-Note. Diese weist auch „Oh Miss Claudia” auf, dem es gelingt trotz gleichförmigem Gesang und gleichbleibenden Rhythmus einen Akzent auf dem Album zu setzen. Die countryfizierte Ballade „Making Lovers Out Of Friends“ bewegt sich Crowell in strikt traditionellen Bahnen. In eine ähnliche Richtung geht „ Loving You Is The Only Way To Fly“. Das sanfte Stück ist mit seinem Harmoniegesang allerdings stärker und wurde zu Recht vorab herausgegeben. Beim abschießenden „Ready To Move On“ frönt Crowell zunächst dem Sprechgesang, um dann doch noch etwas melodiösere Töne anzustimmen.

Deutlich eingängiger stellt sich „Everything At Once“ dar, das Crowell und Jeff Tweedy zusammen schrieben und gemeinsam performen. Die erste Auskopplung des Longplayers will als Auseinandersetzung mit der Reizüberfrachtung unserer Lebenswelt, der Dauerbeschallung und Bilderflut, verstanden sein. Crowell reagiert mit seinen Texten also auf aktuelle Themen, beschäftigt sich aber vorwiegend mit zeitlosen, allgemein menschlichen wie Liebe und Vergänglichkeit.

Sein Marketing befindet sich auf einer zeitgemäßen Spur. Neben der digitalen Veröffentlichung und der CD wird das Album in vier unterschiedlichen Vinyl-Editionen erhältlich sein. Über die Standardpressung hinaus gibt Crowell drei farbige, jeweils limitierte Varianten heraus. Je nach finanziellen Ressourcen schlägt daher das Sammlerherz entweder höher oder verzweifelt. Jedenfalls ist es unabhängig von der Version nicht verkehrt, das Album im Regal – oder auf der Festplatte – zu haben. Ein Pflichtkauf ist es allerdings nicht unbedingt. Mehrere Songs gehen ins Ohr, setzen sich aber nach den ersten Durchläufen nicht nachhaltig in den Gehörgängen fest.

„The Chicago Sessions“ ist ein routiniertes Werk von Rodney Crowell, bei dem er sich bewusst den Traditionen verschreibt, die er selbst mit geprägt hat. Sein Können als Songwriter bewies er in den letzten fünf Dekaden hinlänglich. Von ihm profitiert auch sein neues Werk.

New West Records – Bertus (2023)
Stil: Americana

Tracks:
01. Lucky
02. Somebody Loves You
03. Loving You Is The Only Way To Fly
04. You’re Supposed To Be Feeling Good
05. No Place To Fall
06. Oh Miss Claudia
07. Everything At Once
08. Ever The Dark
09. Making Lovers Out Of Friends
10. Ready To Move On

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