Hannah Aldridge – Razor Wire – CD-Review

Ein weiteres gutes Beispiel als Beleg für die Richtigkeit von Georg Mendels ürsprünglichen Theorien über die Weitergabe von Erbanlagen ist die 26-jährige Hannah Aldridge, Tochter von Muscle Shoals-Musiker-Legende, Produzent und Songwriter Walt Aldridge (mit Stern auf dem Walk Of Fame in Alabama). Wo andere Mädchen während ihrer Kindheit Barbie-Puppen kämmten und Meerschweinchen streichelten, wird diese vermutlich vornehmlich eher an diversen Instrumenten und den Reglerköpfen von Papas Mischpult rumgegefummelt haben.

Die sich rein äußerlich auf dem Coverart ihres Debütalbums „Razor Wire“ als wasserstoff-blond gefärbte, divenhafte Mischung aus Marylin Monroe, Madonna und Jerry Hall gebende Singer/Songwriterin (zur Ihrer Beruhigung. Aber nur hier!), lässt vom herrlich flockigen, slide-getränkten Opener „You Ain’t Worth The Fight“ (ziemlich rockig) bis zum abschließenden Hidden track (der Akustikversion des Titelliedes) keinen Zweifel daran aufkommen, dass man es hier mit einem außergewöhnlichen musikalischen Talent zu tun hat, das in Zukunft den Americana-Sektor noch öfter gehörig aufwirbeln wird.

Wow, wenn man sich die jungen Dinger von heute bei uns so ansieht, muss man sich echt fragen, wo Hannah Aldridge diese musikalische Reife schon jetzt hernimmt. Ok, sicherlich sind wir da wieder beim Anfangsthema, aber auch in ihren bisherigen persönlichen Lebenserfahrungen sind da wohl einige Antworten zu finden. Sie ist (wie ihre Eltern) geschieden, besitzt dazu eine unehliche Tochter und ist alleinerziehend. All diese eher nicht so schönen Erlebnisse werden zum Beispiel im Titellied „Razor Wire“ (hier erzählt sie, wie sie einst ihren Ehering zu einem Leihhaus brachte und sich danach mit einem wildfremden Mann in einer Bar betrank) voller Hingabe reflektiert.
Hannah ist übrigens trotzdem eher ein musikalischer Spätzünder. Zwar hatte sie bereits im Alter von sechs Jahren eine klassische Klavierausbildung genossen, Songs schrieb sie aber erst mit 21. Entdeckt wurde sie in Nashvilles legendärem Bluebird Cafe, als sie von Studenten dafür ausgewählt wurde, ihre Middle Tennessee State Universität bei einem TV-Sender zu repräsentieren. Zwei Jahre später wurde ihr Song „Lonesome“ (hier als wunderbare glasklare, stark gesungene Akustiknummer zum Abschluss des offiziellen Teils) für die TV-Serie „Hart Of Dixie“ genommen.

Der Rest des Werkes nimmt einen mit auf eine sehr clever gestrikte, manchmal etwas fröstelnde, sehr authentisch wirkende Reise durch das Americana-Genre mit all seinen anliegenden Facetten (Country, Blues, Rock). Mein persönliches Lieblingslied ist das herrliche „Old Ghost“, das in einer Art Retro-Ambiente vorgetragen wird und mittels einer grandiosen Orgel-/E-Gitarren-Solo-Kombination seinen absoluten Höhepunkt erreicht.

Hier darf man die hervorragenden Musiker einfach nicht vergessen zu erwähnen, die dieses stolze Produkt endgültig veredeln. Brad Pemperton (hauptsächlich bekannt aus Ryan Adams Band The Cardinals) an den Drums und Lane Baker am Bass, sowie der überragend agierende Andrew Highley (keys) und der fantastisch auftrumpfende Saitenkünstler Andrew Sovine (E-/Akustik-Gitarren/Lap steel). Dazu kommen noch schillernde Leute wie Dylan und James LeBlanc (ebenfalls wie Vater Walt Muscle Shoals-Session-Musiker) auf „Lie Like You Love Me“ und „Razor Wire“.

Sensationell auch die Version von Jason Isbells „Try“, das dann auch mit seiner Begleitband The 400 Unit eingespielt wurde (besonders toll hier die krachenden E-Gitarrenparts von Sadler Vaden). Sehr schön transparent produziert hat übrigens Chris Mara.

Ein Bild davon, was die junge Dame (mit Faible für hochgezogenen Lidstrich) für ein energisches Temperament hat (nicht zu vergessen ihr durchdringender Blick), kann man sich beim Southern Rock-umwobenen „Howlin‘ Bones“ auf YouTube machen. Ebenfalls ein absoluter Kracher (im wahrsten Sinne des Wortes). Aber gerade die immer wieder eingestreuten, mit einer dezenten Kühle, aber auch von viel Melancholie geprägten typischen Americana-Balladen, die sie oft im Stil einer Country-Chanteuse vorträgt, ziehen den Hörer regelrecht in den Bann. Hier stehen Tracks wie „Strand Of Pearls“ (Bariton-E-Klänge, klasse Slide, psychedelisch anmutendes Synthie-Fiepen), das Piano-lastige „Parchman (Steel-Tupfer, Slide-Solo) sowie das durch ihrem Sohn Jackson – benannt nach Hannahs Hero Jackson Browne – inspirierte „Black And White“ (Highleys Orgelsolo mit Gänsehaut-Garantie) zu Buche.

Fazit:  Die mir bis dato völlig unbekannte Hannah Aldridge legt mit ihrem Erstling „Razor Wire“ auf dem Americana-Sektor direkt ein richtiges Pfund hin. Eine junge Dame schon jetzt mit dem Potential von etablierten Künstlerinnen dieser Sparte wie Lucinda Williams, Rosanne Cash, Patty Griffin, Lori McKenna, Tift Merritt & Co. Für mich persönlich als altem Recken gilt erst mal, die Liebe zur Musik dieser jungen Frau entdeckt zu haben…! Absolute Kaufempfehlung!!!

TroddenBlack Entertainment (2014)
Stil:  Americana

01. You Ain’t Worth The Fight
02. Old Ghost
03. Strand Of Pearls
04. Razor Wire
05. Parchman
06. Howlin‘ Bones
07. Try
08. Black And White
09. Lie Like You Love Me
10. Lonesome
11. Razor Wire (Acoustic – Hidden track)

Hannah Aldridge
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The Band Of Heathens – One Foot In The Ether – CD-Review

Zweites Album der texanischen Jung-Shooting-Stars! Nachdem sich das Quintett um die drei Bandleader Ed Jurdi, Gordy Quist und Colin Brooks (ergänzt durch Bassist Seth Whitney und Drummer John Chipman) mit ihrem starken Debüt und vielen Auftritten bei uns in die Herzen der Americana-Gemeinde gespielt hatte (mittlerweile sogar dokumentiert durch schon ein deutsches Fanforum -Deutsches Band Of Heathens-Forum) legen sie jetzt mit „One Foot In The Ether“ den heiß erwarteten Nachkömmling hinterher.
Und das in Zusammenarbeit mit Mark Addison produzierte Zweitwerk wird der hohen Erwartungshaltung voll und ganz gerecht. Obwohl wieder zwar recht ähnlich das übliche Feld auf Grundlage bekannter Relevanzgrößen beackert wurde, muss man bei „One Step In The Ether“ bereits einen deutlichen Reifeprozess attestieren, was sich vor allem wesentlich in den ausgefeilteren und spieltechnisch frischer klingenden Kompositionen niederschlägt.

Sämtliche Songs bis auf eine Ausnahme (das durch ihre Auftritte bereits bekannte, herrlich balladesk-rootsige Gillian Welch/David Rawlings-Stück „Look At Miss Ohio“ – klasse hier die kurzen, an Pink Floyd erinnernden atmosphärischen Zwischeninstrumentalpassagen), stammen aus der Feder des Dreigestirns Jurdi/Quist/Brooks. Obwohl ich persönlich gar nicht so ein Freund von wechselnden Sängern innerhalb eines Bandgefüges bin, muss bei der Band Of Heathens gerade dieses Stilmittel trotz ihrer recht unterschiedlichen Gesangscharaktere besonders hervorgehoben werden.

Die Jungs schaffen es immer wieder, punktgenau den richtigen Sänger für den richtigen Song einzusetzen. So ist es Jurdi vorbehalten, den etwas soulig angehauchten Stücken (das supermelodische „Say“, das lässig stampfende „Talking Out Loud“) seinen Stempel aufzusetzen, während Quist eher den im rootsigen Singer/Songwriter-Umfeld befindlichen Stücken (das Delta-bluesige „Golden Calf“, das mandolinenbetonte „What’s This World“, „Look At Miss Ohio“, mit klasse Southern-E-Solo) vorsteht und Brooks den überwiegend Country-/Blues-lastigeren Part übernimmt (das gospelige „Shine A Light“ mit herrlichem E-Slide in Landreth-Manier, das groovige „Somebody Tell The Truth“ mit starken E-Parts, oder „Hey Rider“, das wie ein modernes Update von Gregg Allmans legendärem „Midnight Rider“ erscheint).

Und wenn ein Song eine gemeinsame Schnittmenge erkennen lässt, beginnt eben ein munteres Wechselspiel beim Frontgesang in den Strophen, ergänzt durch hervorragende eingeflochtene Harmoniegesänge im Refrain („You’re Gonna Miss Me“/“Right Here With Me“), die sich natürlich auch wie ein roter Faden durch die bereits vorher zitierten Lieder ziehen. Dass die Burschen zudem noch Instrumenten-technisch äußerst beschlagen sind, haben sie bei ihren zahlreichen Auftritten untermauert, so auch hier natürlich, wobei Brooks‘ formidable Dobroeinlagen besondere Freude erzeugen. Ein besonderes Lob gilt auch der hervorragenden Piano-/Organ-Arbeit von Gastmusiker Trevor Nealon, der vielen Songs ein spezielle Würze vermittelt.

The Band Of Heathens haben mit „One Foot In The Ether“ einen erneuten Schritt nach vorne gemacht. Man darf sich schon jetzt auf die Präsentation der Songs in den demnächst anstehenden Konzerten freuen (siehe unsere Tourtermine). Die CD kommt im Digi-Pack mit eingestecktem Booklet, das alle Songtexte beinhaltet. Absolute Kaufempfehlung, nicht nur für BOH-Fans!

Blue Rose Records (2009)
Stil:  Americana / Roots / Country Rock

01. L.A. County Blues
02. Say
03. Shine A Light
04. Golden Calf
05. What’s This World
06. You’re Gonna Miss Me
07. Right Here With You
08. Let Your Heart Not Be Troubled
09. Somebody Tell The Truth
10. Look At Miss Ohio
11. Talking Out Loud
12. Hey Rider

The Band Of Heathens
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Blue Rose Records

Kevin Costner & Modern West – Turn It On – CD-Review

Wenn Schauspieler ins (Rock-) Musikfach wechseln (vor allem die aus dem vermeintlich glamourösen Stadtteil einer kalifornischen Metropole) gilt das in der Regel als eine weitere Option, ihre Kontostände (die sich eh meist schon jenseits von Gut und Böse befinden) aufzubessern oder ihre vermutlich schon von Geburt an verankerte Profilneurose noch intensiver ausleben zu können. Ein halbwegs positives Beispiel war mal vor einer gefühlten Ewigkeit für kurze Zeit Don Johnson (mittlerweile natürlich auch in der Versenkung verschwunden), der mit seinen zwei Alben „Heartbeat“ und „Let It Roll“ die Gunst der Stunde von Miami Vice nutzen konnte und dabei eine ganz akzeptable Figur abgab. Was viele vielleicht nicht wissen, er ist auch Co-Writer des schönen Dickey Betts & Great Southern-Stückes „Bougainvillea“.

Eine wirklich erfreuliche und sehr ernst zu nehmende Ausnahme bahnt sich hier seit geraumer Zeit auch im Fall von Kevin Costner an. Der scheint auf jeden Fall den Vorteil zu haben, auf eine recht fundierte musikalische Grundausbildung verweisen zu können (er musiziert schon über zwanzig Jahre). Dazu legt er, was seine Person und seine Möglichkeiten betrifft, eine für Schauspieler seines Levels ungewöhnlich gesunde Portion Realismus an den Tag. Mit seinem Debüt „Untold Truth“ verbuchte er bereits viele positive Kritiken und auch die Live-Auftritte mit seiner Band Modern West ernteten Lob von fast allen Seiten.

Sein zweites Werk „Turn It On“ untermauert sein Bestreben, auf musikalischem Terrain kontinuierlich sesshaft zu werden, nachhaltig. Um es vorwegzunehmen. Costner und seine Modern West-Crew (John Coinman, Teddy Morgan, Park Chisolm, Blair Forward, Larry Cobb) haben erneut ein kurzweiliges Americana-Häppchen (von Roots Rock bis New Country sind alle damit verbundenen Ingredienzien verarbeitet) kreiert, das sich vor bereits etablierten Vertretern in diesen Genre-Sphären keineswegs zu verstecken braucht.

Ein gutes Händchen bewies der aus dem beschaulichen Compton stammende Kalifornier bei der Auswahl der Songs, die laut eigener Aussage ohne Rücksicht auf eventuell verletzte Eitelkeiten (auch bei sich selbst) einer strengen Qualitätskontrolle standhalten mussten, um letztendlich den Platz auf dem Silberling zu ergattern. Bis auf ein sehr gelungenes, fetziges Cover des BoDeans-Stückes „Red River“ (mit klasse Fiddle-E-Gitarrenduell) setzten sich, soweit ich es beurteilen kann, ausnahmslos Eigenkompositionen aus dem bandintern geschaffenen Fundus durch.

Produzent und Mitmusiker Teddy Morgan hat gute Arbeit geleistet. Costners angenehmes Stimmorgan mit teilweise recht markantem Timbre wurde optimal mit den klar ausgesteuerten Instrumentalzutaten (E- und Akustikgitarren, Fiddle und dezente Keyboards spielen die zentrale Rolle) in Einklang gebracht, wobei im Aufbau der Tracklist als auch innerhalb der Songs auf Tempovariationen Wert gelegt wurde, was dem Ganzen eine große Portion Kurzweiligkeit beschert. Die knapp 45 Minuten vergehen daher wie im Flug.

Zu meinen Favorites des Albums zählen der flockige Opener „Turn It On“ (Mischung aus Bruce Springsteen und John Hiatt, klasse Slide-Solo), „Ashes Turn To Stone“ (wiehernde Fiddle, kreischendes E-Solo, sehr dynamischer Verlauf), „The Way You Love Me“ (rauchige Stimme Costners, weibliche Harmonies, ruhige Slidepassage, entspannte Atmosphäre) und der Gute Laune-Country-Stomper „Saturday Night“ (Marke Billy Ray Cyrus, wieder recht Slide-betont). Wenn es was zu beanstanden gibt, ist es höchstens das vielleicht etwas statische Drumming von Larry Cobb und ein marginales Absacken des Niveaus gegen Ende.

Insgesamt ist „Turn It On“ von Kevin Costner & Modern West in jedem Fall eine gelungene Sache. Und dann kommt das aber doch noch mit der Popularität. Auch wenn Costner die Gunst seines Bekanntheitsgrades als Support für sein musikalisches Treiben relativiert und auch berechtigt auf seine bisherigen Leistungen verweist, ein Todd Thibaud z.B. kann halt sein neues Album (leider) nicht mal eben in einer bekannten deutschen Fernseh-Unterhaltungsshow vorstellen. Denn dazu erhält der gute Kevin nämlich prompt am kommenden Samstag die Gelegenheit, wenn er seine Single „Let Me Be The One“ (hoffentlich wie hier auf dem Album im Duett mit der vorzüglich singenden Sara Beck) am Samstag präsentieren wird und dazu noch als Wettpate neben unserem allseits bekannten Star-Talkmaster (mit seinem ansonsten fürchterlich klischeehaften Musikgeschmack) auf der Couch Platz nehmen kann…

earMUSIC (Edel) (2010)
Stil:  Country Rock

01. Turn It On
02. Ashes Turn To Stone
03. Moon So High
04. Maria Nay
05. Let Me Be The One
06. Top Down
07. Red River
08. Palisades
09. The Way You Love Me
10. Saturday Night
11. All I Want From You

Kevin Costner & Modern West
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Stefanie Fix – Crooked Smile – CD-Review

Bei Stefanie Fix und ihrem aktuellen Album „Crooked Smile“, ist ihr Nachname, zumindest der Bedeutung im hiesigen Volksmund nach, auf gar keinen Fall Programm. Denn die nach Austin zugereiste Singer/Songwriterin frönt auf diesem Silberling überwiegend den recht langsam instrumentierten, nachdenklichen und schwermütigen Tönen.

Der bereits 2007 veröffentlichte Silberling (warum bekommen wir den eigentlich jetzt?), wurde von den Kritikern bisher durchgehend hochgelobt. Produziert wurde die Scheibe von Stephen Doster (Willie Nelson, Nancy Griffith, Dr. John) und Johnny Goudie. Die beteiligten Musiker Dony Wynn (Robert Palmer, Steve Winwood), Brad Houser, Stewart Cochran und John Sanchez liefern eine tadellose Leistung bei der instrumentellen Umsetzung ab, die jedoch in den meisten Fällen recht spartanisch ausfällt.

Die Songs pendeln in Bereichen von ruhigem, rootsigen Indie-Rock bis zu psychedelisch angehauchtem, aber sehr trockenen Pop. Als Eckpunkte sehe ich hier Damen wie Tori Amos und Kate Bush („Let The Sunshine Thru You“, „Holy Shit Ma“) bis zu einer unter Baldrianeinflüssen stehenden Melissa Etheridge („Far From You“, „Don’t Go, Don’t Stay“, „No Reason Now“, „The Secret I Keep“), also recht abenteuerlich und schwer vorstellbar, es kommt aber ungefähr hin.

Das ist Musik, so stelle ich es mir vor meinen geistigen Auge vor, die vielleicht Renate Künast, Jürgen Trittin & Co., spät nachts in der Lounge des Steigenbergers bei einem Gläschen Schampus zum Abschluss gefallen würde, bevor man am nächsten Tag auf dem Grünenparteitag dem Fußvolk der Delegierten mit trüber Oberlehrer-Miene wieder die heilende Wirkung von Müsli und Obstsäften anpreist.

Insgesamt ist „Crooked Smile“ von Stefanie Fix ein sehr spezielles Album, das man aus meiner Sicht nur bei ganz bestimmten Stimmungen und Gelegenheiten auflegen kann. Ein Werk für das intellektuell geprägte, weibliche Geschlecht und passionierte Frauenversteher, was den männlichen Part der Klientel betrifft, zu der ich mich, zugegebener Maßen, eher nicht zähle…

Hand To Mouth Recordings (2007)
Stil:  Singer/Songwriter

01. Let The Sunshine Thru You
02. (Baby) I Know You’re There
03. Far From You
04. Dancing With Ghosts
05. Holy Shit Ma
06. Don’t Go, Don’t Stay
07. No Reason Now
08. Crooked Smile
09. Walking Shoes
10. The Secret I Keep

Stefanie Fix
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Hemifran

Emory Quinn – The Road Company – CD-Review

Auch wenn die Amis ja nicht viel Gutes auf dieser Welt zustande bringen, eines muss man ihnen aber lassen. Musik machen können sie und der Nachwuchs an wirklich talentierten Interpreten scheint, anders als in unseren Gefilden, schier unerschöpflich zu sein. Fast fragt man sich, ob die meisten Kinder nicht schon im Kreissaal mit einem Saiteninstrument in den Händen aus dem Geburtskanal geschossen kommen…

Auch die in San Antonio, Texas ansässigen Emory Quinn sind wieder so eine Truppe. Dort haben sich drei hochbegabte Multiinstrumentalisten zusammengefunden, die im letzten Jahr ihr zweites Werk, „The Road Company“, in Eigenregie veröffentlicht haben, nachdem bereits ihr Debüt „Letting Go“ die Kritiker beeindrucken konnte. Der Bandname setzt sich aus den Mittelnamen der Herren Nathan (Emory) Rigney und Clint (Quinn) Bracher zusammen. Dazu gesellt sich noch als Dritter im Bunde Case Bell.

Die drei spielen bis aufs Schlagzeug (da sind dann noch Drummer Adam Littman, Ernie Durawa und Dan Dreben mit involviert) auf dem Album eigentlich so alles, womit man im Roots-/Country-Gewerbe genre-typische Klänge erzeugen kann. Clint Bracher, der auch sämtliche Stücke bis auf eines komponiert hat, bedient dazu mit sanft rauer Stimme das Mikro und erinnert an einen Wade Bowen.

Eine wunderbare Synthese aus Country, Rock, Southern Rock und Bluegrass lässt da mal wieder den Oberbegriff Americana durch den Raum schweben. Klasse Texte, grandiose Melodien und eine filigrane instrumentelle Umsetzung lösen unweigerliche Begeisterung aus. Ein entscheidendes Trademark der Band sind dabei die Stück-intern eingeflochtenen Überraschungseffekte und die Vielseitigkeit in der Songpräsentation, ohne aber den berühmten roten Faden auch nur eine Sekunde aus dem Auge zu verlieren.

So bekommt das eigentlich entspannt verlaufende „Highways Of Gold“ plötzlich eine superschnelles Instrumental-Bridge verpasst, „Ships And Planes“ einen Reggae-Rhythmus integriert (dazu noch ein Mandolinen-Solo und eine Organ-Passage) , „Blue Gone“ und das mit Westernflair behaftete „Idabel“ eine Southern Rock-kompatible E-Gitarrenphase (sogar z.T. mit Double-Leads) und „Dear London“, schon dem Titel entsprechend einen britisch anmutenden Ausklang (dezent U2-mäßig). Dazu wurde noch die einzige Fremdkomposition „Phone Went West“ von der amerikanischen Rockband Mr. Morning Jacket in eine höchst unterhaltsame Bluegrass-Fassung der Extraklasse verwandelt (mit Banjo, Fiddle, Mandoline).

Insgesamt gesehen ist „The Road Company“ von Emory Quinn ein Freudenfest für jeden Liebhaber der Roots- und modernen Country-Schiene. Nach The Band Of Heathens und Driveway für mich mit das beste, was so in letzter Zeit in meinen CD-Player gewandert ist. Man fragt sich danach unweigerlich, warum noch keine Plattenfirma ihre Fühler nach dem Trio ausgestreckt hat. Wäre sicherlich ein idealer Übernahmekandidat für ein auf diesem Gebiet in unserem Lande emsiges und beliebtes Label, das nach einer blaufarbigen, dornigen Pflanze benannt ist…

Eigenproduktion (2008)
Stil:  Americana

01. Highway’s Of Gold
02. Dance With Me
03. Straight Through Me
04. No In Between
05. Ships And Planes
06. Blue Gone
07. Magnolia
08. Devil’s Disguise
09. Idabel
10. Better Next Year
11. Dear London
12. Phone Went West

Shannon Curfman
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Bärchen Records

Radney Foster – Revival – CD-Review

Triumphales neues Werk von Radney Foster! Meisterhafter Roost-/Americana-/Alternate Country-Rock – kernig, knackig, trocken und direkt auf den Punkt produziert (Darrell Brown und Radney Foster). Zu jeder Sekunde weht einem der raue, texanische Staub um die Nase. Und diese Melodik, diese Songqualität (aus dem Fundus dieser neuen Songs werden sich sicher wieder einige der großen Nashville-Acts bedienen), diese Arrangements – wunderbar! Ungeachtet seiner bereits erzielten Erfolge mit dem Duo Foster & Lloyd hat Radney Foster sich auch in eigener Person im letzten Jahrzehnt zu einer der nicht mehr wegzudenkenden Größen der texanischen Musikszene und darüber hinaus entwickelt.

Ob als Songlieferant für unzählige Kollegen (u.a. Dixie Chicks, Wade Bowen, Jack Ingram, Keith Urban, Kenny Chesney), als Produzent (er verhalf u.a. der Randy Rogers Band mit ihren beiden letzten Major-Werken zum Einstieg in die Country(rock)-Welt über die texanischen Grenzen hinaus) oder natürlich als Solo-Interpret, wo er in regelmäßigen Abständen exzellente Alben abliefert, hat man bei der Anschaffung von Material mit Foster-Beteiligung immer so etwas wie eine automatische Qualitätsgarantie. Was der Mann anpackt, hat einfach Stil und Klasse.

So natürlich auch sein famoses, neustes Album „Revival“, das er jetzt als Nachfolger des 2006 erschienen, ebenfalls sehr starken „This World We Live In“ präsentiert. Doch Foster hat immer noch neue Trümpfe im Ärmel, steckt voller neuer Songideen und sprüht vor immer währender Frische. Die rockigen Sachen von „Revival“, und davon gibt es eine ganze Menge, strotzen nur so vor Dynamik und grandiosen Melodien. Radney hat das aktuelle Werk, im Unterschied zum letzen Mal, heuer schwerpunktmäßig mit einer etatmässigen Begleitband „The Confessions“ eingespielt (dazu gehören u.a. der Gitarrenvirtuose Eric Borash und die durchaus bekannte und hoch geschätzte Background-Sängerin Georgia Middleman), darüber hinaus aber auch mit Leuten wie Adam Shoenfeld, Craig Kampf, Yonathan Yudkin, Tammy Rogers, Jon Randall, Darius Rucker (Hootie & The Blowfish) und Dierks Bentley noch ein illustres Gästeteam mit an Bord. Als zentrales Moment serviert der aus Del Rio stammende Texaner in leichter Abwandlung zum Albumtitel den Song „A Little Revival“ in gleich zwei Versionen. Zum einen direkt zu Beginn als straight rockenden, dynamischen Uptempo Americana-/Countryrocker (herrlich fett instrumentiert, klasse E-Gitarren-Passagen, knackiges, trockenes Drumming), zum anderen am Ende als um die erste Strophe gekürzte „Reprise“Fassung, die dank der furios agierenden Jon Randall (exquisites Mandolinenspiel, klasse Harmonies) und Tammy Rogers (tolle Fiddleperformance, Background Gesang) einen herrlichen „Bluegrass-Teint“ verpasst bekommt.

Die zum Mitsingen animierenden Refrainzeilen des Songs sind derartig markant, dass man sie noch Tage später mit sich im Gedächtnis herumträgt. Das seinem im letzten Jahr verstorbenem Vater gewidmete Album (besonders dokumentiert in dem sehr bewegend gebrachten „I Know You Can Hear Me“) besticht durch viel Abwechslung. Es gibt auch mal eine spirituelle Note („Shed A Little Light“ – Foster singt im Stile eines Hohenpriesters, Middleman und Co. halten mit Gospel-kompatible „Backs“ dagegen), sowie Fosters typisch introvertiert wirkende Stücke, die mit soviel, Gefühl, Wärme und Harmonie vorgetrahen werden, aber auch voller bewegender Texte stecken („Angel flight“, „Suitcase“, „I made peace with God“ – allesamt sehr fein instrumentiert) und, wie gesagt, eine ordentliche Anzahl abgehender Roots-/Countryrocker (bärenstark beispielsweise das fulminante „Until it’s gone“, das zusammen mit Jack Ingram komponierte „Trouble Tonight“ – sehr rhythmisch, retro, groovig, mit einer Portion Southern-Soul, E-Gitarren- und Pianosolo -, das melodische „Second Chances“ und das sich kernig in unsere Gehörgänge grabende „Life is hard“).

Alles in allem ein Werk von beeindruckender Qualität, ohne jeden Ausfall. Die Aufmachung des Digipacks besticht zudem durch eine sehr gelungene, geschmackvolle und farbenfrohe Gestaltung, inklusive eines schönen, 16-seitigen Booklets mit allen texten und vielen Infos. Foster, der erst vor kurzem 50 geworden ist, liefert mit „Revival“, ohne seine vielen starken Vorgänger entscheidend abwerten zu wollen, sein vielleicht bestes Album der letzten Jahre ab. Texas-Americana-/Roots-/Alternate Country vom Allerfeinsten! „This record is absolutely a triumph“, heißt es in einem U.S.-Review… – wie wahr!

Devil River Records (2009)
Stil:  Country Rock

01. A Little Revival
02. Forgiveness
03. Until It’s Gone
04. Second Chances
05. I Know You Can Hear Me
06. Angel Flight
07. Trouble Tonight
08. Shed A Little Light
09. I Made Peace With God
10. Life Is Hard (Love Is Easy)
11. If You Want To Be Loved
12. Suitcase
13. A Little Revival (Reprise)

Radney Foster
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Bärchen Records

Radney Foster – Everything I Should Have Said – CD-Review

Radney Foster, ex Foster & Lloyd, gilt heute ohne jeden Zweifel als einer der einflussreichsten und bedeutendsten Künstler der Texas Roots-, Americana-, und Country(rock)-Szene. 5 Jahre nach seinem famosen Werk „Revival“ veröffentlicht dieser exzellente Sänger, Songwriter, Gitarrist und Produzent, nachdem er sich zuvor mit der Unplugged-Neueinspielung seines Debütwertkes „Del Rio, TX 1959“ ein edles Acoustic-Intermezzo gegönnt hatte, mit „Everything I Should Have Said“ nun wieder ein Album mit vollkommen neuen, eigenen Stücken – und es ist ein herausragendes Teil geworden.

Der Mann hat einfach Stil und Klasse und es macht einfach Spaß, sowohl seinen intelligenten und authentisch gesungenen Texten, als auch der wie immer herrlich dazu passenden instrumentellen Umsetzung beizuwohnen. Stark direkt zum Auftakt die introvertiert gestrickte, nachdenkliche Ballade „Whose Heart You Wreck (Ode To The Muse)“, die sich fast schmerzvoll mit atmosphärischen Orgel- und Pianotönen sowie stechender Slidegitarre von Gastmusiker Mike Zito (Royal Southern Brotherhood) voranschleppt. Um nicht weiter aufs Gemüt zu drücken, folgt mit „Hard Light Of Day“ (geschrieben mit Fosters Angelkumpel Jack Clementi, der mit „Lie About Loving Me“ noch ein weiteres Lied ähnlicher Art beisteuert) ein erster locker dahingleitender, aber durchaus knackiger Americana-Track (klasse E- Gitarren, gurgelnde Orgel).

Dieses Wechselspiel von langsameren Stücken und roostig angerockten, melodischen Tracks zieht sich dann auch wie ein roter Faden durch die gesamte CD. Wunderbar auch wieder das textlich hervorragend gestaltete „California“, wo sich zwei auf der Suche befindliche Menschen auf dem Weg nach Kalifornien für eine Nacht zusammenfinden, um dann aber wieder getrennt ihr Glück zu versuchen. Stark hier die Harmoniegesänge von Kacey Musgraves und die wimmernde Steel, gespielt von Richard Corneaux. Ein weiterer Song, der von einer starken Damenbeteiligung getragen wird (ebenfalls Steel-haltig), ist das überragende „Mine Until The Morning“, bei dem Patty Griffin mit ihrer markanten Stimme ein geniales Gespann mit Foster bildet. Großartig auch die mit einem tollen Akustikgitarrenriff geführte Countryballade „The Man You Want“ (genial hier die B3-Klänge und die nadelstichartig gestzten E-Gitarrenfills).

Das erneut von schwermütiger Melancholie getragene „Holding Back“ zählt ebenfalls zu diesee Kategorie. Mit-Produzent Justin Tocket sorgte aber, wie bereits angedeutet, mit vielen recht flockigen Nummern für eine sehr schön ausgewogene Balance. Das aus der Feder von Foster mit Gordie Sampson und Jim McCormick stammende „Talk Myself Out Of Falling“ ist sogar durchaus Nashville-kompatibel, könnte aber auch zu einem heißen Cover-Aspiranten für Acts wie die Eli Young Band & Co. avancieren. Das gleiche Songwriter-Trio zeichnet sich auch für die humorvolle Liebeserklärung „Noise“ (schöne Heartland E-Gitarre, B3-/Pianotupfer) verantwortlich. „Unh,Unh,Unh“ ist ein feiner, auf den Punkt gebrachter Honky Tonker, den man sicherlich am besten in Bierlaune genießen kann. Sarah Buxton streut bei dieser Nummer ein paar sehr schöne „Backs“ ein. Der wohl wuchtigste Track ist das southernrockige „Not In My House“ (klasse E-Gitarren inkl. Genre-kompatiblen Zwischen- und Endsolo), das ebenfalls durch seinen amerikanisch untypischen, kritischen Text aufhorchen lässt (diese sind in beigefügtem Booklet zum toll in Südstaatenflair gestalteten DigiPak beigefügt – phantastisch vor allem das Titelbild, das Foster fast ehrfurchtsvoll immitten einer beeindruckend hohen Baumgruppe eines südstaatlichen Anwesens abbildet).

Das wieder voller Selbstreflektion und in Mollpianotönen gehaltene Titelstück zum Abschluss, lädt dann nochmal regelrecht zu emotionalem Mitgefühl an Fosters entschuldigendem Gesang ein. Ein unter die Haut gehender, packender Ausklang! Fazit. 12 wundervolle Nummern zwischen Rootsrock, Americana, und Texas Countryrock, eingespielt mit einer vorzüglichen Band (unter anderem mit dem aus der Louisiana-Szene bekannten Meistergitarrist Joe Stark an Bord, dazu kommen noch Klasse-Leute wie John Lancaster, Justin Tocket und Keith Brogdon), geradezu perfekt zusammengestellt aus atmosphärischen, überaus zeitgemäss arrangierten Midetmpo-Songs, knackigen, kernigen, dabei sehr melodischen Roots-, und Countryrockern, sowie der ein oder anderen vorzüglichen Ballade. Eine wahre Glanzvorstellung des Texaners!

Devils River Records (2014)
Stil:  Country Rock

01. Whose Heart You Wreck (Ode To The Muse)
02. Hard Light Of Day
03. California
04. Taking Myself Out Of Falling
05. Mine Until The Morning
06. Unh, Unh, Unh
07. Not In My House
08. The Man You Want
09. Lie About Loving Me
10. Holding Back
11. Noise
12. Everything I Should’ve Said

Radney Foster
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Bärchen Records

Radney Foster – This World We Live In – CD-Review

Vier Jahre sind bereits wieder ins Land gezogen, seitdem uns die eine Hälfte des einst in Nashville so erfolgreichen Duos Foster & Lloyd mit dem tollen „Another Way To Go“ so begeistert hatte. Untätig war ein Mann dieses musikalischen Formates in der jüngeren Vergangenheit allerdings nicht. So produzierte er beispielsweise die Randy Rodgers Band, schrieb Songs für Größen wie u. a. Keith Urban, die Dixie Chicks oder Kenny Chesney, und, und, und!

Hier ist sie nun endlich, die neue, einmal mehr ganz hervorragende Scheibe des ohne Zweifel zu den besten texanischen Songwritern zählenden Radney Foster. Wunderbarer, rootsiger Texas-Country/Alternate Country/Countryrock/Americana vom Allerfeinsten mit einem tollen, schön trockenen, auf den Punkt genau produzierten, angerauten, „gritty“ Sound! Zehn neue Stücke, alle aus seiner Feder, zum Teil in Kooperation mit exzellenten Co-Writern, wie Blue Dogs-Frontmann Bobby Houck, Jack Ingram oder Darrell Brown, mit dem er sich auch die Produktionsarbeit teilte.

Bediente er sich bei seiner letzten Scheibe noch einer Menge Begleitmusiker aus dem schier unerschöpflichen „Nashville-Pool“, so versammelte er diesmal eine tolle, namhafte Band langjähriger Freunde um sich, wie Drummer Charlie Drayton und den „alten“ Westcoast-Haudegen Waddy Wachtel (Linda Ronstadt; Warren Zevon, James Taylor, John David Souther, Ronin, Bob Dylan) an der E-Gitarre (beide haben schon auf Keith Richard’s Solo-Alben zusammen gearbeitet), Session Bass-Veteran Bob Glaub (u.a. Jackson Browne) und dem Keyboarder Rami Jaffe, vielen sicher nicht nur als Mitglied der Wallflowers ein Begriff. Mit an Bord sind auch wieder der starke Slide-Gitarrist Mike McAdam und ein weiterer Klassemann an der E-Gitarre, Adam Shoenveld, der etatmäßig bei Big & Rich die Saiten bedient.

Und um es nochmal klar herauszustellen. Radney Foster ist schlichtweg wieder ein Sahneteil gelungen. Dem leicht Stones-infizierten, Slide-angerockten, rootsigen, trockenen „Drunk On Love“ folgt mit „Sweet And Wild“ ein wunderbar melodischer Americana-Midtemposong. Bei beiden Songs glänzt neben der starken instrumentellen Umsetzung Sarah Buxton mit ihrer klasse Stimme im Background, die gegen Ende der Stücke mit in den Vordergrund tritt. Die Ballade „The Kindness Of Strangers“ lebt von Foster’s starker Akustikgitarrenarbeit, toller atmosphärischer Cello-Untermalung und einem bewegend geschriebenem und gesungenem Text. Ganz große Klasse!

Der anschließende, exzellente, forsche Retro Country-Rocker „Big Idea“ (erinnert stark an alte Foster & Lloyd-Hits) reißt einen regelrecht aus der poetischen Welt des Vorsongs, und bildet den gelungenen Vorläufer zum Center-Song des Gesamtalbums, „Half Of My Mistakes“. Was für eine herrliche Melodie! Auch hier wieder ein toller Text, der Menschen dazu ermutigt, viele Dinge im Leben einfach zu riskieren, auch wenn mal etwas schief laufen sollte.

Der Lerneffekt und viele positive Dinge, die sich trotzdem daraus entwickeln, sind laut Foster nicht zu unterschätzen. Den gleichen Song hat vor geraumer Zeit fast ebenso gut Jace Everett auf seinem Erstling, allerdings etwas mainstreamiger, interpretiert. Bei Radney Foster wirkt das Stück etwas kantiger, zurückhaltender und einen Schuss introvertierter. Starke Slide-Arbeit hier vom bereits erwähnten Mike McAdam. „New Zip Code“ (mehr balladesk) und „Prove Me Right“ (wäre auch durchaus von der Randy Rogers Band oder Chris Knight coverbar) liefern wieder etwas leichter verdauliche, überaus melodische Gute Laune-Kost, letzteres in durchaus Nashville-kompatibler, radiotauglicher, wenn auch leicht rootsiger Country-Manier, voller Hooklines, die ein wenig an Radney’s Frühwerke erinnern. Stark hier die angenehmen Fiddle-Fills. Eine weitere „Killer“-Ballade folgt mit „Fools That Dream“.

Im Background diesmal die zauberhafte Kim Richey, die auch beim Vorgänger schon ihre Stimme zur Verfügung gestellt hat. Zum Abschluss folgt dann noch mal ein herrlich locker dahinfließender, super-melodischer Alternate Country-/Roots-/Americana-Song, den Foster zusammen mit Jack Ingram komponiert hat. Neben dem eingängigen Rhythmus und den lässigen Drums stechen hier die immer wieder eingestreuten und punktgenauen Stratocaster- und Slide-Fills im harmonischen Wechselspiel heraus. Klasse Orgelarbeit auch vom Rami Jaffe. Das Stück hält einen noch Minuten nach Ende der CD regelrecht gefangen. Ein würdiger Abschluss eines wieder einmal großen Albums!

„This World We Live In“ etabliert und festigt Radney Fosters Platz in die Riege der heutigen, wichtigen, ganz großen texanischen Singer-Songwriter im Country-/Americana-Bereich nachhaltig. Durch und durch beeindruckende und fesselnde Musik!

Sony Music, Dualtone Music Group (2007)
Stil:  Country Rock

01. Drunk On Love
02. Sweet And Wild
03. The Kindness Of Strangers
04. Big Idea
05. Half Of My Mistakes
06. New Zip Code
07. I Won’t Lie To You
08. Prove Me Right
09. Fools That Dream
10. Never Gonna Fly

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Radney Foster – Another Way To Go – CD-Review

Ich bin immer wieder erstaunt und frage mich oft, wie viele gute Musiker und Songwriter dieses Land Amerika noch aus dem Zylinder zaubert.
Okay, der Name Radney Foster ist nicht gerade neu im Musikbusiness, aber ich kannte ihn bis jetzt nur als Autor von Liedern, die von Interpreten wie z.B. The Kinleys, Dixie Chicks oder Hootie & The Blowfish gecovert wurden.

Seiner Biographie entnehme ich, dass dies die erste Solo-CD seit vier Jahren ist, nachdem er in früheren Tagen auch als Duo mit seinem Partner Bill Lloyd schon einige Achtungserfolge errang. Beim ersten Reinschnuppern fand ich die Scheibe, die man sicherlich nicht als typisch New-Country charakterisieren kann, noch ziemlich unspektakulär. So nach und nach hat sie sich aber immer mehr in mein Herz geschlichen.

Vielleicht ähnlich wie Lee Roy Parnell zuletzt mit „Tell The Truth“, hat Foster zu den traditionellen („Scary Old World“ / „Disappointing You“) und modernen („Real Fine Place To Start“ / „Sure Feels Right“) Countryparts auch Bluesrock- („I Got What You Need“), Americana- („Tired Of Pretending“), Westcoast- („Again“ / „Love Had Something To Say About It“ / „What Are We Doing Here Tonight“) und ein paar leichte Gospelelemente („What It Is That You Do“) miteingebracht.

In ein festes Schema kann man dieses Werk sicherlich nicht fassen. Und so ist der Titelsong „Another Way To Go“ (ein wahres Killerstück) auch eine perfekte Umschreibung des Ganzen. Zitat Radney Foster. ‚Mir wurde mal gesagt, dass man einer bestimmten Formel folgen sollte, um Erfolg zu haben. Aber es ist genau umgekehrt. Die Regeln zu brechen, bringt meistens die kreativste Art von Musik zum Vorschein!‘ In seinem Fall kann ich dies nur bejahen.

Trotz der wechselnden Stile sind die Übergänge beim Erzählen seiner Geschichten fließend und kaum merkbar. Hier passt ein Zahnrädchen ins andere. Die Melodien der einzelnen Stücke sind durchgehend auf hohem Niveau. „Another Way To Go“ ist für mich eine der stärksten CDs des Jahres und Leute, die Lee Roy Parnell, Pat Green, John Hiatt, Trace Adkins, ruhige Bottle Rockets oder Jackson Browne mögen, sollten hier ganz schnell zugreifen.

Sony Music, Dualtone Music Group (2002)
Stil:  Country Rock

01. Real Fine Place To Start
02. Everday Angel
03. Again
04. Sure Feels Right
05. Disappointing You
06. I Got What You Need
07. Tired Of Pretending
08. What It Is That You Do
09. Scary Old World
10. Love Had Something To Say About It
11. What Are We Doing Here Tonight
12. Just Sit Still
13. Another Way To Go

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Radney Foster / Del Rio Texas: Revisited Unplugged & Lonesome – CD-Review

Zwanzig Jahre nach seinem Solo-Debüt „Del Rio. Texas 1959“ hat Radney Foster auf vielfachen Wunsch seiner Fangemeinde, das Album in einer Unplugged-Version neu eingespielt. Zuvor hatte er als Part des Duos Foster & Lloyd bereits Erfolge erzielt, sich aber 1990 von seinem Partner getrennt (übrigens haben er und Bill Lloyd letztes Jahr auch ein recht schönes Comeback-Werk veröffentlicht).

Radney Foster hat sich seit jener Zeit prächtig entwickelt. Mittlerweile ist er in den Staaten ein hochangesehener Interpret, Songwriter und auch Produzent, der für Qualitätsprodukte garantiert. Viele Kollegen wie z. B. Keith Urban, Dixie Chicks, Sara Evans oder Darius Rucker (Hootie & The Blowfish) wurden durch ihn inspiriert und coverten seine Songs. Hier bei uns in Deutschland ist er aber ein immer noch viel zu wenig beachteter Künstler. Ähnlich wie bei Keith Urban, darf ich mir auf die Fahne schreiben, ihn schon relativ frühzeitig mit seiner CD Another Way To Go mal bei uns vorgestellt zu haben.

Wenn man so ein Projekt bespricht, bietet es sich quasi an, beide Werke zu vergleichen, obwohl dies nach so vielen Jahren hier eher wenig bringt, zumal das eine elektrisch und das andere richtig ‚naturbelassen‘ eingespielt wurde. Fosters Erstling wirkt – kurz zusammengefasst – in der Nachbetrachtung viel mehr retro (teilweise wie im Jukebox-Sound der 60er) und mit einem deutlich höheren Honkytonk-, und Dancehall-Flair behaftet.

Was in jedem Fall aber deutlich erkennbar ist, ist der spürbare Reifeprozess, den Foster im Laufe der Zeit durchlebt hat, und vor allem das Zulegen an Charisma, das durch seine angenehme Stimme heute deutlich offenbart wird. Für die Unplugged-Version hat Radney einen edlen Kreis an Musikern (Marty McGuire, Jon Randall Stewart, Steve Fishell, Brady Black von der Randy Rodgers Band, Michael Ramos, Matt Borer und Glenn Fukunaga) und Backgroundsängern (Dan Baird, Jack Ingram, Marc Broussard) und -sängerinnen (Jessi Alexander, Ashley Arrison, Georgia Middleman) im Kreise versammelt und alles an einem Wochenende ohne jeglichen technischen Firlefanz eingespielt. Sicherlich beneidenswert, wer diese magisch anmutende Arbeit, live im Studio verfolgen durfte.

Die Trackliste wurde zum Debüt variiert, dazu gibt es mit „Me And John R.“ noch einen herrlichen neuen Track, der sich im Gesamtgefüge einordnet, als hätte er immer schon dazugehört. Aus den herbeigeschafften Saiteninstrumenten (Akustikgitarre, Mandoline, Dobro, Weisenborn, Shuitar, Fiddle, Cello, Upright Bass) wird wirklich so alles herausgeholt, was möglich ist. Hier klingt, surrt, zirpt, quietscht und leiert es an allen Ecken und Enden, dass es eine Freude ist. Dazu kommen noch wohlige, grandios unterstützende Wurlitzer-, Akkordeon- und dezente (Pinsel-) Drum- und Percussion-Zutaten.

Steve Fishell, der das Debüt damals produziert hatte, mit seiner filigranen Dobro-Arbeit und die Fiddler McGuire und Black sowie natürlich Foster mit seinem hervorragenden, trockenen, teilweise introvertiert klingenden Gesang hinterlassen dabei, den bleibendsten Eindruck. Auch die süßen Harmonies der o. a. Damen (ihre männlichen viel prominenteren Pendants bleiben dagegen eher unauffällig) bereiten dem Rezensenten süffisanten Genuss. Eine, was diese Musik betrifft, zugetane Arbeitskollegin von mir, war auch direkt nach nur wenigen Klängen vom klaren und reduzierten Sound fasziniert. OT:  „Da kann man ja fast jeden String einzeln hören.“

Insgesamt betrachtet ist Radney Fosters „Del Rio. Texas Revisited Unplugged & Lonesome“ die perfekte Umsetzung einer tollen Idee. Hier macht es Spaß sich zurückzulehnen und relaxt dem Gebotenen zu lauschen und dabei natürlich viel feines musikalisches Fingerspitzengefühl und Können zu entdecken. Teilweise kommt es einem vor, als wenn man mit dabei säße. Ich bin jetzt schon gespannt (falls Radney und meine Wenigkeit es hoffentlich noch erleben sollten…) was dieser sympathische Musiker aus Del Rio sich im Jahre 2032 zu dieser Platte einfallen lassen wird…

Devil’s River Records (2012)
Stil: Country

01. Just Call Me Lonesome
02. Don’t Say Goodbye
03. Easier Said Than Done
04. A Fine Line
05. Me And John R.
06. Nobody Wins
07. Old Silver
08. Louisiana Blue
09. Closing Time
10. Hammer And Nails
11. Went For A Ride

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