Will Hoge – Tiny Little Movies – CD-Review

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Review: Michael Segets

Ein Blick in der Interpretenskala von SoS offenbart acht CD-Reviews, einen Konzertbericht und etliche Querverweise zu Will Hoge. Der in Nashville ansässige Mann aus Tennessee dürfte daher kein unbeschriebenes Blatt mehr sein. In den nahezu zwanzig Jahren seiner musikalischen Karriere erlebte er einige Höhen und Tiefen, veröffentlichte aber stetig neues Material. „Tiny Little Movies“ ist sein elfter im Studio eingespielter Longplayer.

Dominierten auf dem vorherigen Album „My American Dream“ die sozialkritischen Töne, sind diese jetzt zwar auch noch gelegentlich vorhanden, aber nicht mehr durchgängig präsent. „The Overthrow“ ist so ein politisches Stück, bei dem Hoge musikalisch eine härtere Gangart vorlegt. Noch eine Spur heftig krachen lässt er es auf „Con Man Blues“. Der Angry Young Man scheint bei den restlichen Kompositionen des 47jährigen eher nicht mehr durch.

Stattdessen präsentiert er sich als ein Mann, der weiß, wo er steht. Dabei aalt er sich nicht in Selbstzufriedenheit, sondern hat einen kritischen Blick auf die Welt und einen realistischen auf sich und seine Möglichkeiten entwickelt. Der Titel „Maybe This Is OK“ bringt das ganz gut zum Ausdruck. Der Song beginnt soulig und bekommt durch die kräftige Hookline der Gitarre später einen schön rockigen Einschlag.

Songtechnisch am meisten ausgefeilt erscheint „My Worst“, das Hoge zusammen mit Dan Baird (The Georgia Satellites) verfasste. In seiner Anfangszeit tourte Hoge mit Baird und noch heute scheinen sie regen Kontakt zu haben. So schrieben die beiden auch „Adilyda“, das sich auf Bairds letzter CD „Screamer“ findet. Hoges Gesang und der Backgroundchor vermitteln ein R&B-Feeling. Hervorragend ist hier auch die Rhythmusarbeit von Allen Jones (Schlagzeug) und Christopher Griffiths (Bass).

Die beiden gehören genauso wie der Gitarrist Thom Donovan zur Tour-Begleitung von Hoge. Den raueren Live-Sound rettet die Band ins Studio rüber. Der kommt vor allem den erdigen Rockstücken („That’s How You Lose Her“, „The Curse“) zugute, die in Richtung Heartland gehen. Hoge macht damit der Musik, die er in seiner Jugend gehört hat, alle Ehre. Dabei sticht der gemeinsam mit Ricky Young (Wild Feathers) komponierte Opener „Midway Motel“ besonders mit seinem Mundharmonika-Intermezzo hervor.

Auf der Scheibe trifft Hoge eine ausgewogene Mischung zwischen rockigen und sanfteren Tönen. Besonders intensiv sind „Is This All You Wanted Me For“ durch die ansteigende Dynamik, sowie das reduzierte „All The Pretty Horses“ mit seinem eingängigen Refrain. Die Americana-Stücke („Even The River Runs Out Of This Town“) haben durch den gelegentlichen Einsatz der Slide-Gitarre („The Likes Of You“) einen leichten Country-Einschlag.

Im Alternative Country verzeichnete Hoge einige Erfolge, sei es mit seinem Duett-Partner Wade Bowen oder mit „Even If It Breaks Your Heart“, das die Eli Young Band coverte und zu einem Hit machte. Insgesamt fährt Hoge auf „Tiny Little Movies“ die Einflüsse dieser Musikrichtung allerdings zurück.

Will Hoge legt mit „Tiny Little Movies“ ein Album vor, das von krachendem Rock über melodischen Heartland bis zu sanften Balladen eine breite Palette der Roots-Musik offeriert. Die Songs wirken unabhängig von der Spielart stets authentisch und ohne große Schnörkel auf den Punkt gebracht. Will Hoge steht für Qualität in Sachen Roots Rock, was er mit der aktuellen Scheibe erneut beweist.

Edlo Rec. – Thirty Tigers/Membran (2020)
Stil: Roots Rock

Tracks:
01. Midway Motel
02. The Overthrow
03. Maybe This Is Ok
04. Even The River Runs Out Of This Town
05. My Worst
06. That’s How You Lose Her
07. Con Man Blues
08. Is This All You Wanted Me For
09. The Likes Of You
10. The Curse
11. All The Pretty Horses

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Thirty Tigers
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Will Hoge – My American Dream – CD-Review

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Review: Stephan Skolarski

In Zeiten weitgehender sozialer Umwälzungen in den USA hat die Auseinandersetzung mit der politischen Ausrichtung des Landes auch in der Musikszene Einzug gehalten. Protestsongs gegen Donald Trump von Eminem („Campaign Speech“), Bruce Springsteen & Joe Grushecky („That’s What Makes Us Great“) oder Ryan Adams („Doomsday“) sind auch in den Charts erfolgreich.

Die zum Teil konservativ geprägte Country-Szene hielt sich bislang aus dem Politikfeld eher zurück. Will Hoge hingegen, ist einer der wenigen Stars des Country-Business, die immer wieder ihre politische Meinung auf Platten und im Social Media-Bereich zum Ausdruck bringen. Grund genug für Hoge in turbulenten Zeiten jetzt eine neue Scheibe zu veröffentlichen.

Auslöser für die Produktion dieses Longplayers war das Schulmassaker von Parkland, Florida. Als Vater von zwei Kindern war Hoge besonders von diesem Amoklauf betroffen und wollte seine Kritik gegenüber den bestehenden Waffengesetzen auch öffentlich äußern. Die Angst und die Sorge um seine Söhne (11 und 7 Jahre alt) und seine Ehefrau, die als Lehrerin arbeitet, trieb Hoge zum Schreiben.

Die Themen dieses Protest-Albums, mit denen Hoge sich auf „My American Dream“ auseinandersetzt, sind aber vielschichtiger und betreffen nicht nur die unzureichenden Waffengesetzte, sondern auch die Arbeit der Grenzpolizei, die Korruption in der Politik, die Armut breiter Bevölkerungsteile und das vernachlässigte Bildungssystem. Themen, die regelmäßig in den USA u.a. von Neil Young, Rich Hopkins oder Billy Bragg in England aufgegriffen werden.

Die schöne Akustik-Ballade „Thoughts and Prayers“ war der erste Song, den er fertiggestellt hatte und der als Vorab-Single erfolgreich war. Der Opener-Track „Gilded Walls“ ist mit klaren Vorwürfen und Aufforderungen an die Politik gespickt: “It’s clear you don’t care about the folks down here. Indside your Gilded Walls.“ Auf „Stupid Kids“ unterstützt er die Parkland Schüler-Bewegung, die sich gegen die laschen Waffengesetze richtet („Keep your feet marching. Raise up your voice don’t quit. Keep doin‘ what you’re doin‘. Keep being stupid kids“).

„Still A Southern Man“ ist ein nachdenklicher Song über seine Kindheit, als er in der Schule regelmäßig mit Rassismus konfrontiert wurde. In den Stücken „My American Dream“ und „The Illegal Line“ befasst sich Will Hoge mit der Einwanderungsproblematik und den Arbeitsverhältnissen in den USA und versetzt sich in die Charaktere von Betroffenen, ähnlich wie es Bruce Springsteen 1995 auf „Ghost Of Tom Joad“ getan hatte.

Der „Wut-Track“ auf der Platte ist der letzte Song „Nikki’s A Republican Now“, der durch seinen aufwühlenden Sound nachwirkt und von der Machart an den Musik-Aktivisten Tom Morello erinnert.

Das Album verkörpert Hoges Trauer und Wut über die bestehenden sozialen und politischen Verhältnisse in den Vereinigten Staaten. Immer wieder singt er sich den Frust und seine Unzufriedenheit von der Seele und adressiert seine Lieder an Politik und Regierung. „My American Dream“ ist daher nicht nur ein musikalisches Ausrufezeichen, sondern vielmehr auch ein politisches Statement eines besorgten und engagierten Künstlers.

EDLO Records (2018)
Stil: Alternative Country / Southern Rock

01. Gilded Walls
02. Stupid Kids
03. Still A Southern Man
04. Oh Mr. Barnum
05. Thoughts & Prayers
06. My American Dream
07. The Illegal Line
08. Nikki’s A Republican Now

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