Ryan Bingham And The Texas Gentleman – Live At Red Rocks – Digital-Album-Review

Review: Michael Segets

2024 sind einige bemerkenswerte Live-Alben erschienen. Willie Nile, Jason Isbell und Steve Earle legten vor und nun reiht sich Ryan Bingham mit „Live At Red Rocks“ in die Liste ein. Digital ist das Konzert vom 25. Juni dieses Jahres bereits seit letzter Woche verfügbar. Vinyl und Silberlinge sind für den 22. November angekündigt. Dass das Publikum im restlos ausverkauften Red Rocks Amphitheatre leidenschaftlich mitging, lässt die Aufnahme erahnen. Jedenfalls fängt sie den frenetischen Jubel und die textsichere Begleitung – durchgängig bei „Nobody Knows My Trouble“ – des Hauptakteurs ein, der sich in sehr guter Form präsentiert.

Mit den beiden rockigen Stücken „Nothin Holds Me Down“ und „Jingle And Go“ von seinem letzten Longplayer „American Love Song“ (2019) nimmt Bingham das Auditorium vom Start an mit. Sehr stark ist das folgende „Top Shelf Drug”, das für mich neben „Hallelujah“ – eine Eigenkomposition von Bingham und kein Cover von Leonard Cohen – zu den Höhepunkten des durchweg überzeugenden Auftritts gehört. Neun Songs von seinem Debüt „Mescalito“ (2007) stehen auf der Setlist, wobei meine Favoriten „The Other Side“ und „Hard Times“ vertreten sind.

Natürlich darf auch sein mehrfach prämierter Hit „The Weary Kind“, der als Soundtrack zu „Crazy Heart“ bekannt wurde, nicht fehlen. Im Mittelteil des Konzerts setzt Bingham auf seine sanfteren, eher ein gemäßigtes Tempo anschlagenden Stücke. Hervorzuheben ist hier das Intro zu „Southside Of Heaven”, das er mit einer Mundharmonika bestreitet. Seine Spanisch-Kenntnisse lässt der in New Mexico geborene Songwriter bei „Boracho Station“ aufblitzen. Expressiver geht es zwischendurch bei dem zehnminütigen „Bluebird“ zu, bei dem einer gitarrendominierten Instrumentalpassage viel Raum gegeben wird. Zum Abschluss schlägt Bingham nochmal einen Bogen zurück zum rockigen Einstieg („Sunshine“, Bread & Water“).

Bingham legt bei seinen Studioveröffentlichungen keine besonders hohe Schlagzahl vor. Zurzeit ist er auf Konzerttour mit einem Tribute für The Last Walz von The Band und Robbie Robertson unterwegs. Mit von der Partie ist unter anderem Lukas Nelson. Bingham hat neben der Musik aber auch genug andere Betätigungsfelder für sich entdeckt. So besteht ein Dauerengagement bei der Fernsehserie „Yellowstone“, deren zweiter Teil der fünften Staffel gerade in Amerika anläuft. Darüber hinaus wirft er seine eigene Whiskey-Marke auf den Markt. Der Bourbon wird in Texas mit regionalen Zutaten produziert, ist dennoch in Zeiten des Online-Handles quasi weltweit zu erhalten. Aber auch ohne den edlen Tropfen lässt sich „Live At Red Rocks“ genießen.

Die Dopplung einiger Titel, die bereits auf seinem offiziellen Live-Album aus dem Jahr 2016 vertreten sind, mindert nicht die Qualität des aktuellen Auftritts von Ryan Bingham im Red Rocks Amphitheatre. Vielleicht hätte er seine neueren Stücke stärker berücksichtigen können, wie „What Would I’ve Become“ von seinem letzten Longplayer. Aber auch so bekommt man von einem souverän aufspielenden Songwriter eine Aufnahme, die die Konzertatmosphäre ohne Abstriche einfängt.

The Bingham Recording Company – Thirty Tigers/Membran (2024)
Stil: Americana, Roots Rock

Tracks:
01. Nothin Holds Me Down
02. Jingle And Go
03. Top Shelf Drug
04. The Other Side
05. Long Way From Georgia
06. Ghost Of Travelin’ Jones
07. Bluebird
08. Sunrise
09. Hard Times
10. Hallelujah
11. The Weary Kind
12. Southside Of Heaven
13. Boracho Station
14. Nobody Knows My Trouble
15. Sunshine
16. Bread & Water

Ryan Bingham
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

The Weight Band – World Gone Mad – CD-Review

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Review: Michael Segets

The Weight Band erinnert an The Band und das will sie auch. So ist der Tonträger den verstorbenen Gründungsmitgliedern von The Band – Levon Helm, Rick Danko und Richard Manuel – gewidmet. Dabei versteht sich The Weight Band nicht als Cover- oder Tribute-Band, sondern will den Geist der legendären Formation weitertragen.

The Band muss hier wohl nicht eigens vorgestellt werden. Mit ihrer stilprägenden Verbindung des Rocks mit Country-Elementen, mit ihrer Begleitung von Bob Dylan und mit ihrem Konzert(-film) „The Last Walz“ hat sie sich ein Denkmal in der Rockgeschichte gesetzt.

Mit ihrem Debüt erweist sich The Weight Band für würdig, in die Fußstapften der Urväter der Kombination von Roots Rock und Americana zu treten. Sie zeigt sich The Band mindestens ebenbürtig – vor allem, wenn man deren Veröffentlichungen in den 1990er-Jahren in die Kalkulation einbezieht.

Entstanden ist The Weight Band 2013 durch die Initiative von Jim Weider, der selbst noch in der späten The Band gespielt hatte. In wechselnder Besetzung tourte The Weight Band mit den Stücken von The Band, Levon Helm und Colin Linden durch die Staaten. Auf „World Gone Mad“ finden sich dann auch je zwei Tracks, die Jim Weider zusammen mit Levon Helm beziehungsweise Colin Linden geschrieben hat. Mit Ausnahme von Bob Dylans „Day Of The Locusts“ und „Deal“ von The Grateful Dead sind die anderen Kompositionen Erstveröffentlichungen, die zumeist von den Bandmitgliedern stammen.

Die Songs des Albums sind durchweg stark. Es gibt keine Durchhänger oder Ausfälle. Bereits mit dem Titeltrack „World Gone Mad“ beweist „The Weight Band“ ein Händchen für schöne Melodien – gepaart mit einem Gespür für den richtigen Drive. Jim Weiders Mandoline ist dabei das i-Tüpfelchen auf dem Song.

Locker aber sehr markant ist „Fire In The Hole“. Komposition und Gesang ähneln manchen Werken von John Hiatt. Da die Lead-Sänger wechseln, drängen sich unterschiedliche Vergleiche auf. Die Ballade „Wish You Were Here Tonight“ weckt beispielsweise Assoziationen zu Jackson Browne, der Live-Bonus-Track „Remedy“ hat eine Prise von Bob Seger.

Schön erdig rollt „Common Man“ unterstützt von Bar-Piano-Klängen – für die Marty Gebb und Brian Mitchell an den Keys verantwortlich sind – und der Mundharmonika von Michael Bram. Michael Bram sorgt darüber hinaus am Schlagzeug zusammen mit Albert Rogers am Bass für den Rhythmus auf der Scheibe.

Für zwei Stücke, so auf dem – mit sehr schön nöliger Stimme vorgetragenen – Midtempo-Rocker „Big Legged Sadie“, wurde Ex-The-Band-Drummer Randy Ciarlante rekrutiert. Bei der Nummer mit eingängigem Refrain streut Weider ein kurzes E-Gitarrensolo ein. Ein etwas längeres liefert er auf „Every Step Of The Way“, bei dem die Keys für einen satten Klangteppich – ganz im Stil der frühen The Band – sorgen.

Die Songs sind insgesamt sehr abwechslungsreich instrumentiert: Beispielsweise steuert Gastmusiker Jackie Greene (Trigger Happy, The Black Crowes) eine Slide Guitar zu dem Robert Hunter/Jerome Garcia-Titel „Deal” bei und Horns – von Marty Grebb gespielt – kommen auf „Heat Of The Moment“ zum Einsatz. Den letztgenannten Song, in dem die Lead-Sänger wechseln, umweht ein herrlicher Southern-Wind.

Mit „You’re Never Too Old (To Rock ’N Roll)“ rockt die Truppe ganz gemäß des Titels. Die meisten Stücke sind allerdings im Midtempo-Bereich zu verorten. Die Herausforderung dabei ist, einen Spannungsbogen aufrechtzuerhalten. Dies gelingt der Band mit Bravour. Tolles Songmaterial mit Schmackes und Leidenschaft gespielt, wechselnder Front-Gesang – mehrmals mit mehrstimmigen Passagen – und Variationen beim Einsatz der Instrumente machen die Scheibe zu einem kurzweiligen Vergnügen.

Wer befürchtet, dass sich The Weight Band mit ihrer Orientierung an The Band verhebt, liegt gänzlich falsch. Das Album „World Gone Mad“ ist nicht retro, sondern bietet einfach gute, zeitlose Musik.

Must Have Music/Continental Record Service/ H’art (2018)
Stil: Roots Rock/Americana

Tracks:
01. World Gone Mad
02. Fire In The Hole
03. Deal
04. I Wish You Were Here Tonight
05. Common Man
06. Heat Of The Moment
07. You’re Never Too Old (To Rock ’N Roll)
08. Big Legged Sadie
09. Day Of The Locusts
10. Every Step Of The Way
11. Remedy (live bonus track)

The Weight Band
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H’art Musikvertrieb