Andy Ross – Time To Fight – CD-Review

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Ich muss gestehen, dass selbst mir, als recht gut aufgestelltem Southern Rock-Experten, der Name Andy Ross, bis vor kurzem, nicht geläufig war. Dabei hat der Mann schon zwei CDs veröffentlicht und ist in den US-Staaten bekannt wie ein bunter Hund. Sein Videoclip zu „Cold Dead Hand“ wurde schon fast 120.000 mal angeklickt (bitte anschauen und Kopfschütteln!). Ja, dieser Andy Ross ist ein schlichtes Vermarktungsgenie in eigener Sache, dazu einer dieser typisch unbelehrbaren US-Patrioten, Waffennarr – und natürlich, sich auf die Verfassung berufend, Befürworter, sie tragen zu dürfen. Selbst Hardliner aus seiner Zunft wie Ted Nugent, Charlie Daniels oder Hogjaw dürften gegen ihn blass aussehen.

Ja, so sind ’se halt, die Amis. Andersherum, wenn man an die ganzen Pharisäer in unseren Breitengraden denkt, die angeblich zu unser aller Wohl handeln, wird einem auch nicht besser. Der hiesige Southern Rock-Liebhaber ist einfach gezwungen, so was wirklich ausklammern und irgendwie an das Gute im Menschen zu glauben… In diesem Falle geht es ja letztendlich auch um die Musik, und die ist zweifellos, trotz aller Klischees, richtig klasse.

Besondere Aufmerksamkeit erregte Ross vornehmlich als Gastgeber und Protagonist der Reality-TV-Serie ‚American Archery‘, wo Andy mit Pfeil und High-Tech-Bogen enthusiastisch, von Kameras begleitet, zur Freude aller Gleichgesinnten, durch die gesamte amerikanische Peripherie jagt. Eigentlich habe ich mit dem Burschen in dieser Hinsicht so gut wie nichts gemeinsam, mir läuft es heute noch eiskalt den Rücken runter, wenn ich an meine Zeit bei der Bundeswehr in der Grundausbildung zurückdenke, als ich G-3, Panzerfaust und Flugabwehrraketengeschütz bedienen musste. Die nahm ich übler Weise in Kauf, um dann nach drei Monaten, endlich überwiegend nur noch den Tischtennis-Schläger in der Sportkompanie als Waffe zu verwenden.

Ross hat sein eigenes Label ‚American Rebel‘ kreiert, ist dazu Vermarkter einer Wein-Linie sowie eines Gitarrenherstellers (Krossroad Guitars), und aber auch ein durchaus passabler Sänger, Songwriter und Musiker. Sein aktuelles Werk „Time To Fight“ bietet sogar Southern Rock par excellence. Eigentlich alles, was dem geneigten Verfechter des Genres so richtig Freude bereitet: Jede Menge starker Akustik- und E-Gitarren, ob in Slide-, Twin- oder in herkömmlicher Rhythmus-, Fill- oder Soli-Arbeit dargeboten, Banjo, Dobro, polternde Drums, pumpende Bässe, gurgelnde Orgel, klimperndes Piano, typische weibliche Backgroundgesänge, dazu in einer sehr sauber und klar klingenden, nicht, wie so oft üblich, altbackenen Produktion, abgemischt. Sein Gesang ähnelt dem von Donnie Van Zant, und auch die Musik weist viel Flair und Parallelen zum Wirkungsspektrum der gesamten VZ-Familie auf.

Dazu gesellt sich noch beim Opener „Back On The Back Roads“ das gesamte Line-Up von Little Texas, wobei Ross-Intimus Porter Howell auch Teile des Gesangs mit einbringt. „Like A Bullet From A Gun“ bewegt sich irgendwo zwischen 38 Special zum Ende der 80er und ZZ Tops „Eliminator“-Phase. Songs wie „Hot Lanta“, Chattahoochee“, „Sharp Dressed Man“ oder „Gimme All Your Lovin’“ lassen grüßen. Andy Ross kann es allerdings auch gefühlvoll. Schöne melodische, z. T. balladesk angehauchte Tracks wie „My Father’s Son“, „I Wrote This By Myself“ oder „Heaven Got A Hell Raiser“ bieten auch Southern Rockern die Gelegenheit, ihr eher raues Gemüt mal kurz beiseite zu schieben.

Ansonsten rockt Ross samt seiner Mitstreiter in bester zünftiger Southern Rock-Manier und lässt mit Titeln wie „American Rebel“ (mit schönen Twin-Einlagen), „Playing In The Mud“ (naturgemäß swampig mit Banjo und Dobro gestaltet), „It’s America, Son“ („Gimme Three Steps-Flair) oder dem abschließenden „Big Bad Loud Fast“ (flotter Sprechgesang, tempo-geladen, erinnert an „Last Ride“ von Doc Holliday), kein Zweifel an seiner musikalischen wie politischen Präferenz und Weltanschauung.

Fazit: Blendet man als mündiger Mensch mal alles andere, was nicht mit der Musik zu tun hat, aus, kann man mit der „Time To Fight“-Scheibe von Andy Ross richtig Spaß haben. Schöner Southern Rock für Liebhaber von Bands wie 38 Special, dem Van Zant-Clan allgemein, Hogjaw, dem ‚one CD wonder‘ Rambler, Jackson Stone Band, Rebel Pride, Doc Holliday, Preacher Stone, Montgomery Gentry, Dry County, Travis Tritt & Co. Musikalisch ein echter Insider-Tipp!

Buck Shot Records (2016)
Stil: Southern Rock

01. Back On The Backroads (feat. Little Texas)
02. Like A Bullet From A Gun
03. My Father’s Son
04. American Rebel
05. Heaven Got A Hell Raiser
06. Playing In The Mud
07. I Wrote This One Myself
08. It’s America, Son
09. Ain’t Running Out Of Ammo
10. Big Bad Loud Fast

Andy Ross
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Joe Bonamassa – Blues Of Desperation – CD-Review

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Neues Studioalbum des Blues Rock-Tausendsassas! Wenn es im Genre sowas wie Fleißkärtchen zu verteilen gäbe, stünde der 38-jährige, aus New Hartford stammende Musiker, sicher auch ganz vorne in der Reihe. Der Zögling eines Gitarrengeschäftbesitzers veröffentlicht ja, seit er zur Jahrtausendwende mit seiner Debüt-CD „A New Day Yesterday“ erstmals in Erscheinung trat, in verschiedensten Konstellationen (solo, Black Country Communion, mit Beth Hart) Tonträger fast wie am Fließband ab.

Mittlerweile schien dem bekennenden Rory Gallagher-Fan wohl die Zeit reif, wieder ein Solo-Album zu veröffentlichen. „Blues Of Desperation“ heißt das neue Werk und wurde, wie schon der Vorgänger „Different Shades Of Blue“ in Nashville samt Involvierung dortiger Musiker (u. a. Greg Morrow, Reese Wynans, Michael Rhodes) und Songwriter (Tom Hambridge, Jerry Flowers, Gary Nicholson, Jeffrey Steele) eingespielt. Für den Sound waren ebenfalls erneut Kevin Shirley und Roy Weisman verantwortlich.

Von Verzweiflung ist, bis auf den Titel, hier eigentlich nichts zu spüren. Bonamassa präsentiert sich, mit kleinen Abstrichen, in prächtiger Form und kann auf das Gesamtergebnis durchaus stolz sein. Sicherlich eine seiner stärksten Veröffentlichungen überhaupt! Schon der Opener „This Train“ brettert unter Führung von Morrows Polterdrums und Joes filigraner E-Gitarrenkunst wie ein wuchtiger Hochgeschwindigkeitszug durch den Raum. Reese Wynans grandioses Pianogeklimper und die herrlichen Backgroundvocals, von den auch im weiteren Verlauf immer wieder bestechend eingesetzten Sängerinnen Mahalia Barnes, Jade McRae und Juanita Tippins, bilden hier das Sahnehäubchen.

Der Song offeriert allerdings auch eine der kleinen Schwächen des Silberlings und zwar die Stimme des Protagonisten. Immer wenn er gegen kräftigere Soundgefüge ansingen muss, wirkt sein vokales Organ doch ein wenig dünnwandig und hölzern. Bei ruhigeren Tracks wie zum Beispiel dem wunderbar atmosphärischen, bestens als Untermalung für ein Roadmovie geeigneten „Drive“ (mit Peter Green-Flair Richtung „Albatross“/“Slabo Day“), dem grandiosen Slow Blues „No Good Place For The Lonely“ (könnte fast als eine Hommage an Gary Moores „Still Got The Blues“ durchgehen) oder dem dezent Country-angehauchten „The Valley Runs Low“ (klasse Akustikgitarre, soulige Harmoniegesänge) passt sie eigentlich dagegen sogar ganz gut.

Ein weiteres kleines Manko ist sein phasenweise zu dick aufgetragenes Gitarrenkönnen. Hallo Herr Bonamassa, wir wissen, dass Sie ein Saitenvirtuose sind! In manchen Stücken, sind mir persönlich die Soli zu übertrieben, zu lang, bzw. zu improvisationsfreudig geraten. Das mag vielen Leuten zwar besonders gefallen, im Studio finde ich es besser, wenn man Sachen einigermaßen kompakt auf den Punkt bringt. Gerade in Nashville, kennt man sich da doch bestens aus, wie man große Klasse auch ohne größeres Maß an Selbstdarstellung beweisen kann (die Herren Bukovac, Greenberg oder Mason mal als Referenzen angeführt). Aber im Blues Rock-Genre scheint es wohl ein unabdingbares Muss zu sein…

Bestes Beispiel der Titelsong: Aus ihm hätte man (wenn man die orientalischen Zwischenklänge weggelassen hätte) einen schönen straighten (Southern) Rocker machen können, der mit psychedelischem Flair überzogene Track wirkt aber mit mehreren ausgedehnten Frickel-Solo-Passagen jetzt insgesamt völlig überladen. „You Left Nothin‘ But The Bill And The Blues“ im Stile des guten alten Albert Collins dürfte den traditionelleren Blues-Anhängern Freude bereiten, während „How Deep This River Runs“ eher den Vertretern der jungen wilden Generation (Richtung Davy Knowles‘ Back Door Slam) zusagen dürfte.

Am Ende rücken bei „Livin‘ Easy“ und „What I’ve Known For A Long Time“ plötzlich bis dato nicht vorhandene Bläsereinlagen verstärkt in den Fokus des Geschehens. In Erstbenanntem versuchen E-Gitarre und Piano sich gegen ein ziemlich dominantes Saxophon zu stemmen, Letztgenanntes erscheint wie ein modernes (bläserbetontes) Update des guten alten „Stormy Monday Blues“. Hier kann Bonamassas Stimme (sh. Einwände oben) die Röhre eines Gregg Allman, die wunderbar auch zu diesem Track gepasst hätte, leider nicht kompensieren. Trotzdem ein stimmungsvoller Abschluss.

Meine (z. T. negativ klingenden) Anmerkungen sollen aber keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass „Blues Of Desperation“ wirklich von beeindruckendem Können geprägt ist und durchaus vielseitige und abwechslungsreiche Unterhaltung auf sehr hohem Niveau bietet. Also, keine Verzweiflung oder Panik, liebe Blues Rock-Gemeinde. Ihr dürft euren Joe (berechtigterweise) auch weiterhin in den Himmel heben!

Zur weiteren Einstimmung hier der Trailer zum Album, das am 25.03.2016 veröffentlicht wird.

Mascot Label Group (2016)
Stil: Blues Rock

01. This Train
02. Mountain Climbing
03. Drive
04. No Good Place For The Lonely
05. Blues Of Desperation
06. The Valley Runs Low
07. You Left Nothin‘ But The Bill And The Blues
08. Distant Lonesome Train
09. How Deep This River Runs
10. Livin‘ Easy
11. What I’ve Known For A Very Long Time

Joe Bonamassa
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Netinfect Promotion

Will Hoge, 15.03.2016, Studio 672, Köln, Konzertbericht

Verkehrte Welt in Köln. Während solche Schnösel wie Philipp Dittberner und AnnenMayKantereit es in der Domstadt problemlos schaffen, mit, von ziemlich überschaubarem Wert gehaltener Musik, die mittelgroßen Hallen wie Palladium oder Live Music Hall bis zum Bersten zu füllen, muss ein amerikanischer Weltklasse-Singer/Songwriter sich zunächst damit abfinden, dass vielleicht um die 60 Leute (darunter, inklusive mir, gerade mal zwei nebenberufliche Journalisten) im kleinen, aber feinen Studio 672 Präsenz zeigten. Das wirft wirklich kein gutes Licht auf den Musikgeschmack in unseren Breitengraden!

Na ja, zumindest konnte man wenigstens froh sein, dass nicht gleichzeitig in der darüber liegenden Location, dem Stadtgarten, ein Abi-Feier geplant war…

Pünktlich um 20:30 Uhr eröffneten Someday Jacob als Support in reduziertem Line-up. Bandleader Jörn Schlüter und Gitarrist Uli Kringler hinterließen zur Einstimmung mit ihrem folkig angehauchten Americana-Stoff von der Weser einen durchaus qualifizierten und sympathischen Eindruck.

Nach recht fixer Umbaupause betrat dann der Protagonist sein gemütlich ‚improvisiertes Wohnzimmer‘, bestehend aus Keyboard, Tisch für Getränke und Harp-Utensilien, gepolstertem Stuhl/Mikro für seine mit E-Gitarrenparts bestückten Lieder, sowie Stand-Mikro für die, naturgemäß, in stehender Form performten Tracks.

Zum Einstieg wählte Will „Silver Or Gold“ vom „Draw The Curtains“-Werk und verströmte direkt sein außergewöhnliches Charisma. Das zu meiner Überraschung insgesamt recht junge Publikum (ich gehörte mit meinen knapp über 50 Lenzen schon eindeutig zum alten Eisen) zog direkt von Anfang an mit, was Hoge auch sofort spürte.

Nach den weiteren, per Akustikgitarre (z. T. mit Harp-Ergänzung) gebrachten „Secondhand Heart“, „Growing Up Around Here“, „Still Got You On My Mind“, ließ Hoge sich für „When I Can’t Afford To Lose“ zum ersten Mal an den Tasten nieder und betonte in vielen kleinen Anekdoten vor den Songs, dass er als bekennender Familienmensch doch immer ein wenig daran zu knacken hat, wenn er aufgrund seines Tourens von Frau und Kindern zu Hause getrennt ist.

Seine aufrichtige Abneigung gegen faule, unfähige, nur an sich selbst denkende Politiker, formulierte er mittels der dylanesken Abwandlung „The Times They Are Not Changin’“ (hier spricht er auch mir aus der Seele). Als weiterer Bruder im Geiste erwies er sich bei meinem Favoriten des Abends „Still A Southern Man“.

Wenn er die Telecaster schulterte, rockte Will meist zünftig wie zu guten Zeiten mit seinem früheren Kumpel Dan Baird. „Long Gone“ und „Pocket Full Of Change“ seien hier genannt.

Ganz klasse natürlich auch seine Paradestücke wie das höchst-emotionale „When I Get My Wings“, das flockige „In The Middle Of America“ oder sein, von der Eli Young Band mit großem Erfolg gecovertes „Even If It Breaks Your Heart“. Für „Goognight / Goodbye“ holte sich Will eine junge Dame aus dem Publikum als Gesangs-Unterstützung. Die machte ihre Sache richtig gut und wurde von den anwesenden Zuschauern auch mit viel Applaus belohnt.

Mit „Til I Do It Again“ endete gegen 23:00 Uhr ein abwechslungsreicher und starker Hauptteil. Die nicht auf sich warten lassenden Zugabe-Rufe, befriedigte Will in recht melancholischer Manier mit den beiden unter die Haut gehenden „Hey Tonight“ und (dem seiner Frau gewidmeten) „Damn Spotlight (Julia’s Song)“. Großartig!

Welche Lehren ziehe ich nun aus diesem Abend? Für Ami-Künstler aus dem Südstaaten Rock-, New Country-, Roots- und Americana-Bereich ist aller Anfang in unseren Gefilden zunächst ziemlich schwer. Solange sie uns allerdings mit solch grandiosen Abenden beglücken, wie es gestern Will Hoge getan hat, werde ich meinen langjährigen Missionarsdienst nach besten Kräften, im Sinne der Sache, auch weiterführen. Danke an Will Hoge für dieses einzigartige Erlebnis.

Will Hoge
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Peter Rieger Konzertagentur
Prime Entertainment
Studio 672

Blackfoot Gypsies – Handle It – CD-Review

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Junge, Junge. Eigentlich bin ich ja von Interpreten aus Nashville recht feinfühlige, in der Regel perfekt eingespielte und produzierte Kost gewöhnt. Aber wie die Blackfoot Gypsies einem ihren brachialen Sound regelrecht um die Ohren plästern, sucht in Music City wohl seines Gleichen. Die Insassen irgendeines berüchtigten Südstaaten-Gefängnisses kriegen bei der Essensausgabe ihren Haferschleim vermutlich deutlich liebevoller vor den Latz geknallt!

Der Vierer, bestehend aus den, lange im Duo aufgetretenen Bandleadern Matthew Page (Lead vocals, guitars) und Zack Murphy (Drums), sowie den jetzt mit integrierten Dylan Whitlow (Bass) und Ollie Dogg (Harmonica), stellt den gediegenen Hörer wie mich, auf ihrem aktuellen Werk „Handle It“ auf eine harte Probe.

Ihr Stil ist recht schwierig zu charakterisieren. Eine Mischung aus klassischem Rock’n’Roll, gepaart mit Country-, Roots- und Southern Rock-Zutaten sowie Punk- und psychedelischen Eingaben der Seventies dürfte das Ganze einigermaßen annähernd beschreiben.

Pages anhaltend kreischende, rotzige Stimme, die mich ganz entfernt an die von Gordy Quist (The Band Of Heathens) erinnert (sorry Gordy…), sein meist schrammliges und surrendes (wenn der Bottleneck übergestreift wurde) E-Gitarrenspiel und Doggs quäkende Mundharmonika sind dabei in der Regel die Ton angebenden Elemente. Whitlow und Murphy entfachen mit pumpenden Bass und polternden Drums fast immer einen in Richtung Punk gehenden Rhythmusteppich.

Aus meinem Spektrum fallen mir als Vergleichsgrößen im weitesten Sinne Acts wie Delta Saints, die Black Crowes, Sachen aus dem Dan Baird-Dunstkreis („Pork Rind“ mal als Beispiel-Clip) oder Jackson Taylor & The Sinners & Co. ein. Am besten gefällt es mir, wenn wie bei „Spent All My Money“ (mit Akustikgitarre und Fiddle) oder „Dead On The Road“ so ein Hauch von Country durchschimmert.

Die meisten Stücke sind für jemanden meines Alters in den heimischen vier Wänden, angesichts des im trashigen Garagensound produzierten Ganzen und der fortwährenden ‚Wibbligkeit‘, doch ziemlich nervenzehrend, gipfelnd in dem wild zusammen geschusterten Abschlusstrack „Call Me After Midnight“. Lobenswert, die durchgehend vermittelte Authentizität, der selbstironische Teint und das gnadenlose Durchziehen ihres Konzeptes ohne kommerzielle Hintergedanken – für Nashville purer Horror.

Ich assoziiere bei „Handle It“ der Blackfoot Gypsies z. B. Bier-intensive Männer-Grillabende, um evtl. verhasste Nachbarn zu später Stunde zu ärgern (Polizeibesuch garantiert!) oder trunkenreiche Junggesellenabschiede, also alles Dinge, wo eine gehörige Portion alkoholischer Getränke bedingungslose Begleiterscheinungen sind. Am ehesten dürfte dieser Stoff live in beschriebenem Zustand seine Wirkung entfalten (die Band wird übrigens im Mai/Juni auch in unseren Gefilden auftreten). Wie du dieses Werk letztendlich händelst, steht aber natürlich auf einem anderen Blatt Papier…

Plowboy Records (2015)
Stil: Southern Rock’n’Roll

01. Scream My Name
02. Pork Rind
03. Under My Skin
04. Too Bad
05. Spent All My Money
06. In Your Mind
07. Dead on The Road
08. Snake Charmer
09. So Be It
10. Call Me After Midnight

Blackfoot Gypsies
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Teenage Head Music

King King, 03.03.2016, Musiktheater Piano, Dortmund – Konzertbilder

Line-up:
Alan Nimmo (Lead vocals, electric guitar)
Lindsay Coulson (Bass)
Wayne Proctor (Drums, backing vocals)
Bob Fridzema (Keys, backing vocals)

Konzertbericht bei unseren Freunden auf
Soundanalyse

King King
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Musiktheater Piano
3Dog Entertainment

Sister Hazel – Lighter In The Dark – CD-Review

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Absolut stark – Sister Hazel auf Nashville-Pfaden! Aber nicht auf den ‚üblichen‘, oft so überproduzierten Mainstream Country-Pfaden, sondern vielmehr mit einer hinreißenden, klassischen Countryrock-Vorstellung, bei einigen Stücken frappierend an die Großtaten der Eagles erinnernd. Nach einer für Sister Hazel-Verhältnisse ungewöhnlich langen Kreativpause ist das Quintett aus Florida jetzt mit „Lighter In The Dark“ nach knapp fünf Jahren endlich wieder mit einer brandneuen CD am Start. Und nach den beiden eher unspektakuläreren Vorgängern „Release“ und „Heartland Highway“ (obwohl auch die immer noch sehr gut gelungen waren), kehren sie jetzt stärker denn je zurück.

„Lighter In The Dark“ ist ein absolutes Klasse-Album geworden. Die tollen Melodien, samt der starken Gesangsleistungen und flockigen Gitarrenläufe sprudeln wieder nur so aus ihnen heraus. Im Hinblick, dass der Begriff ‚Konstanz‘ das wohl am besten passende Attribut zur Umschreibung des Bandfünfers, der jetzt mittlerweile seit 1993 mit Ken Block, Drew Copeland, Ryan Newell, Jett Beres und Mark Trojanowski in unveränderter Formation besteht, ist, erscheint der bewusste Schwenk zum Countryrock zunächst doch ein wenig überraschend. Auffällig dabei die gute Planung: Es wurden einige der erfahrenen und erfolgreichen Songwriter aus Nashville, wie u.a. Ashley Gorley, Chris de Stefano, Tom Douglas, Hillary Lindsay, Gordie Sampson angeheuert und mit dem Steel-Virtuosen Steve Hinson, Barry Dean, Darius Rucker, Jillian Jaqueline Nashville-erprobte Musikerkollegen mit eingebunden.

Bandmitglied und Multiinstrumentalist Ryan Newell (Lead guitar, acoustic guitar, banjo, mandolin, dobro) hat eh alle spielerischen Voraussetzungen und die Stimmen von Ken Block und Drew Copeland (auffällig: mittlerweile sind sie fast gleichberechtigt singend) sind als Allrounder in nahezu allen Genres höchst ansprechend einsetzbar. Somit konnte eigentlich kaum etwas schief gehen. Selbstredend, dass sich natürlich auch die gewohnten Westcoast-, Southern Rock-, Pop-, Folk- und Rootsrock-Elemente in den Songs partiell immer wieder finden. Die Gesamtmischung passt einfach ideal. Produzent Chip Matthews hat darüber hinaus mit den Musikern ein äußerst angenehmes, warmes Soundambiente geschaffen. Mit 14 neuen Liedern wurde zudem auch nicht auf Sparflamme gefahren. Schon der herrlich, mit wundervoller, surrender Slide durchzogene Opener „Fall Off The Map“ lässt es dem etatmäßigen Sister Hazel-Fan richtig warm ums Herz werden. Was für eine knackige, traumhaft melodische Hammer Countryrock-Nummer. Da sind wieder Blocks markante Stimme, die tollen Harmoniegesänge im Zusammenschluss mit einer herrlich flockigen Instrumentierung und diesem unwiderstehlichen Ohrwurm-Charakter.

Auch das folgende, von Drew Copeland und Ken zusammen vorgetragene „That Kind Of Beautiful“ (mit zwei starken E-Gitarren-Soli) steht dem Vorgänger in nichts nach. Richtig hitverdächtig ist der „Karaoke Song“, bei dem Darius Rucker (einstiger Frontmann der Sister Hazel durchaus verwandten Band Hootie & The Blowfish, mittlerweile solo selbst ein Star der Szene) und Ken Block ein Duett der Extra-Klasse abliefern. Ein eingängiger, fröhlicher „Sing-A-Long“-Track, der gerade im Sommer auf keiner Party (ob mit oder ohne Karaoke-Darbietungen) fehlen sollte. So richtig countrylastig wird es bei „Kiss Me Without Whikey“. Block kannf sich mit launigem Sprechgesang zu flotten, Retro-beschwingten E-Gitarren und klimperndem Piano so ein wenig in Bakersfield-Sphären beweisen. Drew Copeland darf sein Faible für Piano-Herz/Schmerz- Balladen auf „Almost Broken“ ausleben. Unterstützung erhält er dabei von der bezaubernd singenden Jillian Jaqueline. Das waltzartige „Take It With Me“ hat ein wenig Ähnlichkeit mit Blackberry Smokes schönem Countryschwofer „One Horse Town“.

Die erste Single „We Got It All Tonight“ (komponiert vom Nashville-Erfolgsautorentrio Chris DeStefano, Ashley Gorley und Rodney Clawson) ist dagegen ein wenig auf die Bedürfnisse der Charts zugeschnitten, aber richtig klasse. Vermutlich ein erster Test, wie Sister Hazel vom Nashville-Markt angenommen werden. „Danger Is Real“ wird von einer großartigen Mandoline untermalt, mit „Prettiest Girl At The Dance“ folgt ein grandioser Ohrwurm in allerbester Eagles-Manier, und zwar zu deren besten Zeiten, zudem auch an der Schnittstelle zur Marshall Tucker Band und den Outlaws zu „Hurry Sundown„-Zeiten gelegen. Toll!! Ein wenig früheres Poco-Flair verbreitet das mit Mandoline und Dobro versehene „Thoroughbread Heart“, das wieder ganz in Zeichen Newells instrumentellen Könnens steht, während das mit großartigem Banjo unterlegte „Run Highway Run“ als so etwas wie der legitime Nachfolger des einstigen Eagles-Klassikers „Already Gone“ durchgeht. Herrlich!

„Back To Me“, von einer markanten E-Gitarren-Hook sowie Hinsons weinender Steel umgarnt, bietet dann zu Blocks einzigartiger Stimme typisches Sister Hazel-„Wellness-Programm“. Am Ende überzeugt das dezent keltisch gewürzte, von einer sirenenartigen Fiddle angeführte „Ten Candle Days“ aus der Feder von Jett Beres schließlich in Sachen „Team-Spirit“. Die Country-typischen Saiteninstrumenten musizieren und es hört sich so an, als wenn hier auch Newell und Beres gesangstechnisch mit eingebunden wären. Typischer Front Porch- oder lagerfeuertauglicher, schön traditionell gehaltener Country.

Insgesamt ein ganz exzellentes Album von Sister Hazel. Man wünscht dem Quintett von ganzem Herzen, dass „Lighter In The Dark“ auch von entsprechendem kommerziellen Erfolg gekrönt sein wird. Das hätten sie wirklich verdient. Ein äußerst geschmackvolles Cover-Artwork mit allen Texten rundet dieses einfach wunderschöne Werk in passendem Rahmen ab. Gratulation Sister Hazel! Ein echter Lichtstreifen an Nashvilles Counttryrock-Horizont!

Rock Ridge Music/Croakin‘ Poet Records (2016)
Stil: New Country

01. Fall Off The Map
02. That Kind Of Beautiful
03. Karaoke Song (feat. Darius Rucker)
04. Something To Believe In
05. Kiss Me Without Whiskey
06. Almost Broken (feat. Jillian Jacqueline)
07. Take It With Me
08. We Got It All Tonight
09. Danger Is Real
10. Prettiest Girl At The Dance
11. Thoroughbred Heart
12. Run Highway Run
13. Back To Me
14. Ten Candle Days

Sister Hazel
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Bärchen Records

Dianna Corcoran – In America – CD-Review

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In Australien ist die aus Parkes, New South Wales stammende 35-jährige, mit zwei „Golden Guitars“ bei den Country Music Awards of Australia (CMAA) und zig weiteren Auszeichnungen bedachte Blondine Dianna Corcoran längst ein bekannter Country-Star. Jetzt tut sie es, ähnlich ihrem berühmten männlichen Pendant, Keith Urban, gleich, und versucht mit ihrem neuen Album „In America“ auch in den Staaten, im Mekka der Countrymusik, Fuß zu fassen.

Die fünf Oktaven beherrschende Sängerin (trifft auch in höheren Gefilden sicher jeden Ton) geht dabei nicht unvorbereitet, sondern sogar überaus plan- und zielvoll zur Sache. Zum einen hat sie sich mit Nashville-erfahrenen Leuten wie Rebecca Lynn Howard, Sugarlands Kristian Bush (hat diverse Lieder mitgeschrieben, eins produziert und singt markante Harmonies auf „Hold On Lover“) sowie Gary Burr (Ex Pure Prairie League-Mitglied, Songschreiber für unzählige Größen wie Tim McGraw, Billy Ray Cyrus, Garth Brooks, LeAnn Rimes, Joe Cocker, Lynyrd Skynyrd – schönes Duett auf „Not Ready To Lose“ mit ihm) umgeben, die wissen, ‚wie der Hase in „Music City“ läuft‘.

Zum anderen fährt sie mit ihrer Musik, ähnlich wie Carrie Underwood, direkt zweigleisig und blickt dabei auch schon über den ‚Country-Tellerrand‘ hinaus, ohne die Country-Roots allerdings je zu verleugnen. Mit dem Banjo-unterlegten Opener und der zugleich ersten Single „God Did Good“ dürfte sie im tief religiös verwurzelten Amerika zudem mit offenen Armen aufgenommen werden. Ein klug gewählter Einstieg. Im weiteren Verlauf bewegt sich die Musikerin überwiegend in leicht poppig angehauchten Sphären des New Country, teils mit schönen Neunziger-Referenzen, wobei ihre variable Stimme (äußerst frisch, jung, z. T. sehr hell) deutlich im Mittelpunkt steht.

Selbstironisches wie „Thank You For Cheating Me“, autobiografisches mit „When The Wheels Hit Tennessee“ und eingängige, sehr viel gute Laune verbreitende Tracks wie „Therapy“, „Feels Like Hollywood“ oder das zuckersüße, beschwingte „Sugar“ geben sich dabei abwechslungsreich die Klinke in die Hand. Ihre stärksten Momente hat die Australierin allerdings bei den sparsam arrangierten Stücken, wie dem oben bereits angeführten „Not Ready To Lose“ (nur sie und Burr singend zu Akustikgitarrenbegleitung; beide auch mit sehr schönen Harmoniegesängen), der unter die Haut gehenden Pianoballade „Other Side Of Letting Go“ (famos gespieltes Klavier von Blake Bollinger) oder dem recht authentisch nach traditionellem „Veranda-Country“-klingenden, mit einer schön knarzigen Akustikgitarre unterlegten Schlusslied „A Better Me“ (und die Credits belegen auch tatsächlich, dass es auf einer Hinter-Veranda eingespielt wurde). Hier kann sich ihre feine, klare, manchmal fast elfenhafte Stimme noch besser entfalten.

Die hübsche Blondine beweist auf „In America“, dass sie sich mit den Mechanismen des Marktes bereits bestens auskennt und gewährt (nicht nur auf dem Coverbild…) erste tiefe und umfangreiche Einblicke in ihr verheißungsvolles Schaffensvermögen. Sie zeigt sich dabei äußerst flexibel und talentiert (hat sämtliche Songs mitkomponiert und auch schon die Produktion fast im Alleingang gestemmt). Potentielle, qualitativ sehr ansprechende Konkurrenz für Vertreterinnen wie Carrie Underwood, Kellie Pickler, Lauren Alaina, Kacey Musgraves, Jana Kramer & Co. Willkommen in Amerika, Miss Corcoran!

Krian Music Group (Universal) (2016)
Stil: New Country

01. God Did Good
02. Thank You For Cheating On Me
03. Blame Carolina
04. Therapy
05. When These Wheels Hit Tennessee
06. Not Ready To Lose (feat. Gary Burr)
07. Hold On Lover
08. Feels Like Hollywood
09. Other Side Of Letting Go
10. Ghost In The Passenger Side
11. Sugar
12. A Better Me (Raw Recording)

Dianna Corcoran
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Bärchen Records

Sam Riggs – Breathless – CD-Review

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Der Sounds Of South-Geheimtipp:

Sam Riggs war 2013 mit seiner Begleitband The Night People und ihrem grandiosen Debütalbum „Outrun The Sun“ wie aus dem Nichts in die Phalanx der texanischen Red Dirt Bands eingebrochen, bei denen einem schon nach den ersten Akkorden sofort klar wird, welch immenses Potential sich hier in vielerlei Hinsichten offenbart.

Mittlerweile ist mit „Breathless“ der Nachfolger fertiggestellt und hier spricht der Titel bereits Bände, was die musikalische Entwicklung und Zukunftsperspektive dieses jungen Mannes angeht. Marketing-technisch hat man sofort reagiert und das ‚And The Night People‘ zugunsten einer einfacheren und memorableren Identität des Protagonisten weggelassen.

Dies ist in diesem Fall auch mehr als legitim, denn Riggs ist als Sänger, Co-Songwriter (in alle Tracks involviert), Musiker und Co-Produzent (wieder zusammen mit Erik Herbst) auf dieser CD nun mal der unumstrittene Mittelpunkt.

Das Werk startet direkt mit der ersten Single „The Lucky Ones“. Ein atmosphärisches E-Gitarrenführungsriff eröffnet und ummantelt einen, mit starken Lyrics versehenen Song (es geht um von der Herkunft nicht bevorzugte Menschen, die sich im Leben alles erkämpfen müssen), das perkussiv unterlegte Ende mit fast kriegerisch gestalteten ‚Ohohoh‘-Gesängen schwenkt in fast epische Gefilde über.

„Gravity“ (auch mit starkem Text) und das wunderbar melodische „Heartbraak Girl“ zeigen Riggs auf Augenhöhe mit Acts wie der Eli Young Band oder No Justice. Ob sich der Texaner im doch stark religiös verwurzelten Amerika bei „Wake The Dead“ mit pietätlos anmutenden Zeilen wie „… shake the ground until you wake the dead…“ viel Freunde machen wird, kann bezweifelt werden.

Fest steht, dass der Bursche scheinbar ‚kein Blatt vorm Mund‘ nimmt. Das Lied ist auch vom flotten Tempo, dem Rap-artigen Sprechgesangsstil und  der recht harschen Instrumentierung (blecherndes Banjo, Fiddle, raunzende E-Gitarre) her, einer der besonders herausstechenden Momente. Erinnert ein wenig an Hilljacks damaliges „Throw-Down, Hoe-Down“.

Der Titelsong und das in zwei Versionen gebrachte „Second Hand Smoke“ (am Ende in einer schönen reduzierten Akustikversion) bieten wieder eingängigen und melodischen Midtempo-Red Dirt.
Beim rhythmischen „Burn Me Down“ (kratzige Akustikgitarre, herrlich leierige Steel – gespielt von Milo Deering, Bariton-E-Fills, hallende Orgel, klasse E-Solo) kommt unweigerlich die Fußwippe in Gang. Der Song hat leichtes Lonestar-Flair, und Sams Stimme weist ja dezente Ähnlichkeit zu deren Fronter Richie McDonald auf.

Der wohl stärkste Track des Albums ist „High On A Country Song“. Ein Banjo-lastiger Countryrock-Kracher mit viel Redneck-Attitüde, stilistisch zwischen Interpreten wie Hilljack oder Little Texas angesiedelt. Dürfte ganz sicher auch die Southern Rock-Klientel berauschen!

Recht ruhig, aber unglaublich melodisch und klasse instrumentiert, verläuft die Zielgerade mit „To Save Someone You Love“ (Steel- und Fiddle-betont) und “One More Chance To Stay“ (sehr markantes Dobrospiel inkl. Solo vom überragend agierenden Milo Deering), bevor das bereits o. a. Unplugged-Stück (gekoppelt mit einer weiteren Akustikversion von „The Lucky Ones“ als Hiddentrack, beginnend nach 6:14 Minuten) in recht melancholischer Singer/Songwriter-Manier den Hörer final gefangen nimmt.

Mit „Breathless“ präsentiert Sam Riggs einen unglaublich starken Nachfolger, der ihn weit über Texas hinaus bekannt machen dürfte. Auch in Nashville wird vermutlich schon der eine oder andere Major-Vertreter, den Bleistift gespitzt haben. Wenn es überhaupt etwas zu mäkeln gibt , ist es vielleicht die Auswahl der Single (da gibt es zwei, drei deutlich massenkompatiblere Tracks) und vielleicht die Anordnung der Lieder (man hätte besser das flotte „High On A Country Song“ als vorletztes Stück platziert), um das recht ruhige Ende noch ein wenig aufzulockern. Das ist dann aber Jammern auf ganz hohem Niveau.

Sam Riggs hat aus unserer Sicht mit seinem „Breathless“ einen weiteren starken Akzent in seiner noch jungen Karriere gesetzt und das hohe Level seines Debüts gehalten, wenn nicht übertroffen. Von dem Burschen ist ganz sicher noch einiges zu erwarten. Dazu eine nahezu ideale Gelegenheit um das Vakuum, das die Eli Young Band, No Justice, Bart Crow, Wade Bowen & Co. bis zu ihren neuen Kreationen hinterlassen haben, bestens zu überbrücken. Einfach atemberaubend gut!

P.S.
Zum Schmunzeln übrigens ein Kommentar im Netz zum Protagonisten, nach dem Motto „…lege Sam Riggs bei der nächsten Party auf und die Mädels gehören alle dir“!
Müsste man glatt mal ausprobieren…

Deep Creek Records (2016)
Stil: Red Dirt

01. The Lucky Ones
02. Gravity
03. The Heartbreak Girl
04. Wake The Dead
05. Breathless
06. Second Hand Smoke
07. Burn Me Down
08. High On A Country Song
09. To Save Something You Love
10. One More Chance To Stay
11. Second Hand Smoke (Acoustic)

Sam Riggs
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RPR Media
Bärchen Records

Wynonna & The Big Noise – Same – CD-Review

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Packendes, fantastisches Album von Wynonna mit ihrer neuen Begleitband „The Big Noise“! Eine geradezu magische, erdige, knackige, höchst anspruchsvolle Mischung aus Country, Roots, Americana, Blues, Soul und Rock. Gut dreizehn Jahre sind seit „What The World Needs Now Is Love“ nun schon wieder vergangen. Jetzt ist die Zeit des Wartens allerdings endlich vorbei. Wynonna beglückt uns wieder mit einem „echten“ Longplayer mit eigenständigem Material. Und es ist eine kraftvolle, energiegeladene und selbstbewusste Rückkehr, wie es der Name Wynonna & The Big Noise und auch das Titelbild der CD (Wynonna in Schreipose mit weit aufgerissenem Mund, nach dem Motto „Hallo Leute, hier bin ich wieder“) schon suggerieren.

Die mittlerweile 51-jährige, die ihre verheißungsvolle Karriere zunächst im Duo mit ihrer Mutter Naomi als The Judds begann und ab 1992 dann im Alleingang mit noch größerem Erfolg fortsetzte, hat für dieses Werk eine tolle Truppe von Musikern um sich versammelt, die von ihrem Ehemann Cactus Moser angeführt wird, der als Musiker (Drums, percussion, background vocals), Produzent und Songschreiber hier neben der unangefochtenen Protagonistin auch eine tragende Rolle einnimmt. Des weiteren breiten hier noch Dow Tomlin (Bass), Justin Weaver (Guitars), Tommy „Johnny Diamond“ Hannum (Pedal Steel – erinnert sich eigentlich noch jemand an die begnadete Countryrock-Band Rosslyn Mountain Boys aus den späten Siebzigern und frühen Achtzigern, deren Mitglied er seinerzeit war…) und Peter King (Keyboards), sowie einige weitere Studioakteure der Hauptdarstellerin den musikalischen „roten Teppich“ aus, auf dem sich ihre unnachahmlichen Gesangskünste dann voll entfalten können.

Nicht zu vergessen natürlich auch die gut gewählten markanten Gäste, die für weiteren Glanz auf diesem Silberling sorgen. Genial schon der knarzige, Slide-getränkte Opener „Ain’t No Thing“ (aus der Feder des jetzt Grammy-prämierten Chris Stapelton), bei dem Susan Tedeschi der Stimmgewalt des langmähnigen Rotschopfes eine einfühlsame ergänzende Zusatznote vermittelt. Jason Isbell „harmoniert“ auf der semi-akustisch gehaltenen, feinen Countryballade „Things That I Lean On“ (nur Akustikgitarre, Mandoline, dezente Fiddle, Percussion). Tedeschi Ehemann Derek Trucks liefert sein perfekten Slideguitar-Künste auf dem recht düsteren „Keeps Me Alive“ ab, das auch gut als Hintergrundmusik für einen Tarrantino-Western geeignet wäre.

Absolut großartig auch ihr Zusammenschluss mit Ex-Poco-/Eagles-Bassist Timothy B. Schmit, bei dem die beiden mit „I Can See Everthing“ eine alte, wunderschöne Nummer aus dessen früherer Poco-Zeit (das Original stammt von dem grandiosen Poco-Album „A Good Feeling To Know“ aus dem Jahre 1972) wieder aufleben lassen. Das bluesige, shufflige, perkussive, megacool im Schlepptau der wuchtigen Sängerin (klasse auch die hallende Orgel und das E-Gitarren-Solo) groovende „Cool Ya“, das wieder bluesig swampende „You Make My Heart Beat Too Fast“ (herrlich raue Gitarren), die soulige Retro-Nummer „Staying In Love“ und das religiös motivierte Country-Kleinod „Jesus And A Jukebox“ (Judds-Flair, schöne Steelbegleitung, inkl. Solo) sprechen für die stilistische Bandbreite, die auf diesem Silberling abgebildet wird.

Ja, man kann fast sagen, dass hier so ein wenig Wynonnas gesamtes Spektrum, das sie über die vielen Jahre ihres Wirkens offerierte, auf diesem Werk zusammengefasst und mit neuen Inhalten versehen wurde. Atmosphärisch, fast progressiv geht es auf „Something You Can’t Live Without“ zu, während der superb besungene Slow Blues „You Are So Beautiful“ (klasse Orgelakzente und markante E-Gitarre) einfach nur Gänsehaut erzeugt. Very beautiful! Das auf dem Fuß folgende „Everyday (Is A New Beginning)“ verbreitet ein wenig claptoneskes „Unplugged-Feeling“, beim abschließenden, kühl mit Piano Moll-Klängen, trocken pumpendem Bass und surrender Slide dahin schleichenden „Choose To Believe“ entwickelt sich fast eine experimentelle, an frühere Steely Dan-Zeiten erinnernde Atmosphäre.

Cactus Moser hat mit dem rauen, aber klaren, zum großen Teil live im Studio eingespielten Vintage-Sound einen kongenialen Konterpart zur immer noch beeindruckend voluminösen Stimmgewalt Wynonnas erzeugt. Es kommt einem fast so vor, als wenn sich die mutmaßliche Magie während der Aufnahmen mit ins heimische Wohnzimmer überträgt. Famos. Wynonna kehrt mit ihren Big Noise-Musikern wuchtig, rau und stimmgewaltig wie eh und je auf die musikalische Bühne zurück. Nie war sie abwechslungsreicher und besser. Chapeau einer wahren „Grande Dame“, nicht nur des Country, sondern auch der gesamten Rootsmusik.

Curb Records (2016)
Stil: New Country & More

01. Ain’t No Thing
02. Cool Ya‘
03. Things That I Lean On
04. You Make My Heart Beat Too Fast
05. Staying In Love
06. Keeps Me Alive
07. Jesus And A Jukebox
08. I Can See Everything
09. Something You Can’t Live Without
10. You Are So Beautiful
11. Every Ending (Is A New Beginning)
12. Choose To Believe

Wynonna & The Big Noise
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Bärchen Records

Green River Ordinance – Fiveteen – CD-Review

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Grandioses, neues Album der aus Fort Worth stammenden Texaner! Die Bandmitglieder der Green River Ordinance befinden sich seit Teenager-Zeiten mittlerweile im 15. Jahr ihres Bestehens, was macht also besser Sinn, als ihr neues Werk voller Stolz demnach auch „Fifteen“ zu benennen. Der Fünfer hat sich von CD zu CD kontinuierlich gesteigert, der neue Silberling zeigt die Band eindeutig im Zenit ihrer bisherigen Schaffensphase.

Sämtliche elf Tracks wurden wie so oft im Kollektiv kreiert, dazu hat man sich wieder in eine alte Holzhütte am Caney Fork River zurückgezogen, wo man laut Frontmann Josh Jenkins fernab von Handyempfang und dem üblichen Stress, einfach mal völlig relaxt in den Fluss springen kann. An diesem für die Band, bestehend aus den weiteren Mitgliedern Denton Hunker (Drums, percussion), Geoff Ice (Bass, Harmonica, bg vocals), Jamey Ice (Lead guitar, banjo, mandolin) und Joshua Wilkerson (Electric guitar, mandolin, piano, bg vocals), heiligen Ort, kommen ihnen die wesentlichen Ideen für ihre so fein konstruierten Songs, wie der Bandleader weiter ausführt.

Schon der Auftakt ist bestechend. Der überragende Opener „Keep Your Cool“ stampft herrlich lässig in Country Rock-Manier mit quäkender Harmonica, hallender Orgel sowie satten Southern Rock-E-Gitarren vor sich hin, um letztendlich in ein kräftiges, an die Dirty Guv’nahs/Rolling Stones erinnerndes Finish überzugleiten. Ein wirklich cooler Song direkt zu Beginn. Das mit einem wunderbar trockenen, relaxten Banjo unterlegte, flockige, traumhaft melodische, flüssige „Red Fire Night“ erscheint, dank einer dominierenden Fiddle, in einem tollen Country-/Americana-Ambiente. Irgendwie kommen einem Blue Rodeo mit einem leichten Red Dirt-Flair in den Sinn.

Und so pendeln Green River Ordinance auch im weiteren Verlauf immer wieder zwischen Roots-/Folk-/Countryrock-/Country-beeinflussten, fein instrumentierten (sehr viele kleine eingeflochtene Hinhörer) Tracks wie „Simple Life“, „You, Me & The Sea“, „Endlessly“ (fein akzuentierte Mandoline, klasse Pedal Steel-Gastauftritt von Milo Deering), dem retrobehaften“„Life In The Wind“ (hier gibt eine slidende Dobro den Ton an) und eher rockig arrangierten Nummern wie „Maybe It’s Time (Gravity)“, „Tallahassee“ (tolles Southern-/Outlaws-Flair) oder „God Only Knows“ hin und her. Am Ende lässt die Band ihr Werk mit dem verletzlich gespielten, für ihre Verhältnisse recht sparsam angelegten „Keep My Heart Open“ sanft-melancholisch ausklingen.

Mit „Fifteen“ präsentiert das Quintett ein bärenstarkes neues Album, das damit den nächsten Schritt zum ganz großen Durchbruch macht. 11 herrliche Songs voller traumhafter Melodien, irgendwo an der Schnittstelle zwischen der frühen Eli Young Band, den kanadischen Blue Rodeo (mit deren countryorientierteren Songs), der Zac Brown Band, Will Hoge, der Josh Abbott Band, Rob Baird und ähnlicher Seelenverwandter. Eine geradezu perfekte Mischung aus Country, Countryrock, dezentem Red Dirt und Americana. Einfach umwerfend!

Residence Music (2016)
Stil: Country Rock / Americana

01. Keep Your Cool
02. Red Fire Night
03. Maybe It’s Time (Gravity)
04. Simple Life
05. Tallahassee
07. Always Love Her
08. Endlessly
09. Only God Knows
10. Life In The Wind
11. Keep My Heart Open

Green River Ordinance
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