Aoife O’Donovan – Bull Frogs (And Other Croons) – CD-Review

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Review: Michael Segets

„Call My Name” wurde von der Grammy-Jury im Januar als bester American-Roots-Song 2020 ausgezeichnet. Er stammt von dem Trio I’m With Her, das sich aus Aoife O’Donovan, Sarah Jarosz und Sara Watkins (Nickel Creek) zusammensetzt. Weder die Band noch die Namen der Damen sagten mir bis dato etwas. Aber immerhin weckte dieser Umstand das Interesse an der neuen EP „Bull Frogs (And Other Croons” von Aoife O’Donovan.

Die studierte Sängerin und Songwriterin war in der ersten Dekade dieses Jahrhunderts in den Bands Crooked Still und Sometymes Why aktiv. Seit zehn Jahren wandelt sie auf Solopfaden und schaut auf vier Veröffentlichungen zurück. In ihrer Karriere hat sie sich mehreren Musikstilen zugewandt. Familienbedingt besteht eine Affinität zum Irish Folk, aber auch im Country und Jazz war sie unterwegs. Zurzeit lebt sie in Brooklyn, wo sie auch die fünf Tracks der aktuellen EP aufnahm.

„Bull Frogs (And Other Croons)” ist ein durchkonzeptioniertes Werk. Die ersten drei Titel basieren auf Gedichten des 2017 verstorbenen Lyrikers Peter H. Sears. Diese verarbeitete O’Donovan gemeinsam mit dem Mitproduzenten Jeremy Kittel und Teddy Abrams. Alle Aufnahme spielte die Sängerin, die sich auf der akustischen Gitarre begleitet, mit einem Streicher-Quartett im Studio ein.

Obwohl die Songs als Folkstücke durchgehen, bekommen sie durch die Streicher einen orchestralen Anstrich. Die ersten drei Tracks sind zwar gesplittet, aber ineinander gespielt und ergeben so ein schon fast klassisches Opus. Dabei steigert sich die Scheibe kontinuierlich.

Beim etwas sperrigen Einstieg „Night Fishing“ singt O’Donovan in manchen Passagen sehr hoch, was nicht mein Fall ist. Die aufgekratzten Läufe der Geige bei „The Darkness“ sind vielleicht stimmungsabhängig, trüben aber etwas den Eindruck des durchaus guten Songs, der stellenweise an die frühe Suzanne Vega erinnert. Ruhigere Töne schlägt da „Valentine“ an, wobei auch hier die Streicher einen dominierenden Part einnehmen. Aus einer Textzeile ist der Titel der Veröffentlichung entnommen.

Könnte bis hierhin noch die Frage gestellt werden, warum die Scheibe bei SoS besprochen wird, nehmen die letzten beiden Stücke die Zweifel. Die Ballade „Lakes Of Pontchartrain” passt atmosphärisch genau in den Süden. Die Begleitung durch die Streicher ist hier wesentlich dezenter. Das Geigenintermezzo nimmt die klassischen Elemente zurück und rückt eher in die Nähe einer Fidel aus den Southlands. Beim abschließende „Pretty Birds“ kommen einem die Spirituals in den Sinn, während vor dem inneren Auge die Abendsonne hinter den Feldern verschwindet.

Aoife O’Donovans „Bull Frogs (And Other Croons)” bringt einen innovativen Sound in ihre Folksongs ein. Die eine Einheit bildendenden erste drei Titel entfernen sich dabei mit der übermächtigen Begleitung durch das Streicher-Quartett ein Stück zu weit von den gewohnten, genretypischen Klangarrangements. Die letzten beiden hingegen können als Bereicherung der oftmals ausgetretenen Wege des Folks angesehen werden. Jedenfalls macht die EP neugierig auf den Backkatalog der Sängerin und ihrer Bands.

Yep Roc Records/Redeye Worldwide (2020)
Stil: Folk

Tracks:
01. Night Fishing
02. The Darkness
03. Valentine
04. Lakes Of Pontchartrain
05. Pretty Birds

Aoife O’Donovan
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Yep Roc Records
Redeye Worldwide

I’m With Her – See You Around – CD-Review

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Hinter dem (schon recht merkwürdigen) Bandnamen I’m With Her verbirgt sich nichts anderes als drei Koryphäen der Bluegrass-Szene, nämlich Nickel Creek-Initiatorin Sara Watkins, die mehrfache Grammy-Gewinnerin Sarah Jarosz und die Musik-Cosmopolitin Aoife O’Donavan.

Klar, dass sich bei einem Zusammenschluss dreier solch illustrer Damen die intellektuelle Musikkritikerschaft gerne zu Superlativen hinreißen lässt, wie z.B. die der New York Times inform von Aussagen wie: „Wenn diese drei Frauen miteinander singen, werden ihre Stimmen zu einem einzigen Instrument. Sie teilen jeden einzigen Atemzug.“

Da die Klientel dieses Magazins wie auch meine, eher proletarisch gestrickte Natur, es wohl überwiegend etwas weniger feinfühlig mag, und vermutlich auch nicht so zum ‚Hineininterpretieren von Dingen‘ neigt, sondern das reine Hörergebnis ‚betrachtet‘, ist die erste Kollaboration „See You Around“ des besagten Trios, aus meiner Sicht, von Gleichgesinnten mit gesunder Vorsicht zu genießen. Also vorab bitte erst mal antesten.

Helle Gesänge, oft in Harmonien übergehend, Akustikgitarren, sägende Violine, dezente E-Gitarren und Mandolinen, vereinzelte Dobro- und Banjo-Klänge, aus Musikersicht vielleicht intelligent als auch filigran eingesungen (viele Satzgesänge), perfekt ineinander greifend gespielt und im Bluegrass, Country- und Siebziger-umwehten Folk zusammengeführt, können  auf jeden Fall  das Prädikat der  Nichtalltäglichkeit für sich  in Anspruch nehmen. Zumindest bei mir persönlich, wollen sie jedoch meist nicht zur Freisetzung von Dopaminen beitragen.

Mit viel Wohlwollen kann ich Tracks wie „Ain’t That Fine“, dem im weitesten Sinne Heart-angelehnten „I-89“, „Wild One“, dem unterschwellig bluesigen „Ryland (Under The Apple Tree)“, dem noch melodischsten „Overland“ (mein Favorit) und „Crescent City“, einen Hauch von Sympathie entgegen bringen, aber in solchen Gefilden sind mir letztendlich Interpreten wie z. B. Madison Violet aufgrund der höheren Eingängigkeit doch wesentlich lieber. Das ganze Wirken des Trios ist mir insgesamt auf die Dauer auch zu reduziert dargeboten.

Die Krönung in entgegen gesetzter Richtung sind Tracks wie „Game To Lose“ (die piepsigen Gesänge – uaah…), das regelrecht nervtötende, kammermusikartige Instrumental „Waitsfield“ oder auch das Gilliam Welch-Cover „Hundred Miles“ (vor allem die Introphase) am Ende der CD.

Mein persönliches Fazit daher zu I’m With Her’s „See You Around“: I’m not with them – eine überaus harte Probe für meine mentale Belastbarkeit. Wenn auch sicher musikalisch anspruchsvoll in Szene gesetzt, trotzdem nicht für meine Gehörgänge geschaffen. Aus meiner Sicht eher überwiegend ein großer musikalischer Katzenjammer.

Rounder Records/ Universal Music (2018)
Stil: Bluegrass/Folk

01. See You Around
02. Game To Lose
03. Ain’t That Fine
04. Pangaea
05. I-89
06. Wild One
07. Waitsfield
08. Ryland (Under The Apple Tree)
09. Overland
10. Crescent City
11. Close It Down
12. Hundred Miles

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