Bonnie Raitt – Dig In Deep – CD-Review

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Nach Wynonna, die vor kurzem mit ihrer neuen Big Noise Band ein famoses Comeback in Sachen CD-Veröffentlichung hingelegt hatte, hat jetzt mit Bonnie Raitt eine weitere rothaarige Grand Dame der Country-/Blues Rockmusikgeschichte eine saustarke Scheibe herausgebracht. „Dig In Deep“ heißt das neue Werk der 1949 in Burbank, Kalifornien geborenen Musikerin mit den zwei auffallend hellen Strähne im vorderen Haaransatz.

Über Bonnie Raitt muss nicht viel erzählt werden. Mit ihren vielen Veröffentlichungen und Auszeichnungen seit ihrem Debüt 1971 (vom Rolling Stone ist das Mitglied der Rock And Roll und Blues Hall Of Fame in den Sparten Best Singer und Best Guitar Player Of All Time jeweils unter den Top 100 gelistet) ist die politisch engagierte Künstlerin zu einer der meist geachteten Country- und Blues (Rock) Musikerinnen auf dem ganzen Erdball emporgestiegen.

„Dig In Deep“ bietet im Prinzip ähnliche Kost wie der starke Vorgänger „Slipstream“. Gut die Hälfte an Raitt-Eigenkompositionen, mit INXS‘ „Need You Tonight“ (inkl. tollem Slide-, E-Gitarren- und Clavinet-Solo) ein markantes Coverstück, sowie einige stilvoll ausgesuchte Fremdkreationen angesehener Musikerkollegen und Songwriter.

Schon der flockige Opener „Unintended Consequence Of Love“ ist ein eindrucksvoller Hinweis auf die bestens harmonierende Chemie zwischen Bonnie und ihren Mitstreitern George Marinelli (guitars), James Hutchinson (bass), Ricky Fatar (drums, percussion), John Cleary (keys) und Michael Finnegan (hammond B3) im Studio. Klasse Rhythmusgrundlage durch Drums und pumpendem Bass, herrliches E-Piano in Verbindung mit Hammond B3, dazu Marinellis unaufdringliche gute E-Gitarrenarbeit und Bonnies Gesang und Slidekünste in einem lässig groovenden Song. Was will man mehr?

Auf der ruhigeren Seite befinden sich Sachen wie Pat McLaughlins „I Knew“, die schöne Ballade “All Alone With Something To Say“ und mein persönliches Lieblingslied der CD, das großartige, unter die Haut gehende atmosphärische „Undone“ aus der Feder von der, auch bei uns besprochenen Bonnie Bishop (man kann nur hoffen, dass damit auch ein wenig von Mrs. Raitts Glanz auf sie zurückfällt).

Im zügigeren Bereich verbreiten Lieder wie „What You’re Doin‘ To Me“ (HT-Flair, wieder klasse Zusammenspiel von Piano und Orgel), die furiose T-Bone Burnett-Uptempo-Nummer „Shakin‘ Shakin‘ Shakes“ (heulendes Slide-Solo, herrlicher Instrumentalausklang), die mit humorvollem Text gestaltete, rhythmische Single „Gypsy In Me“ über das ‚Unstetigsein‘ und das mit dezentem Stones-Flair versehene „The Comin‘ Round Is Going Through“ (schöner Titel!) gute Laune.

Am Ende gibt es noch zwei sparsame, fast Kammermusik-artig arrangierte Tracks. Zum einen das von filigranen Akustikgitarren und dezenter E-Gitarre umgarnte „You’ve Changed My Mind“ und zum anderen das nur von Bonnie und dem Keyboarder Patrick Warren vorgetragene melancholische „The Ones We Couldn’t Be“.

In Bonnie Raitts neues Werk „Dig In Deep“ lohnt es sich tief einzutauchen und regelrecht zu versinken. Purer Genuss garantiert! Produziert in einem angenehmen Klang hat (bis auf „You’ve Changed My Mind“ – Joe Henry) die Protagonistin selbst, dazu gibt es ein geschmackvolles Cover Artwork mit eingestecktem Booklet, das alle Texte und Infos beinhaltet. Ein Highlight in 2016!

Redwing Records (2016)
Stil: Southern Soul / Country Blues Rock

01. Unintended Consequence Of Love
02. Need You Tonight
03. I Knew
04. All Alone With Something To Say
05. What You’re Doin‘ To Me
06. Shakin‘ Shakin‘ Shakes
07. Undone
08. If You Need Somebody
09. Gypsy In Me
10. The Comin‘ Round Is Going Through
11. You’ve Changed My Mind
12. The Ones We Couldn’t Be

Bonnie Raitt
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Redwing Records
Rattay Music

Michael Lee Firkins – 01.04.2016, Café Steinbruch, Duisburg – Konzertbericht

Historischer Moment! Gestern Abend durften ca. 60 Leute inkl. meiner Wenigkeit erleben, wie der Gitarrenkünstler Michael Lee Firkins im Café Steinbruch zu Duisburg, das erste Mal eine Bühne in Deutschland betrat. Der 1967 geborene, aus Omaha, Nebraska, stammende langmähnige Musiker offerierte dabei sein Können zusammen mit dem ebenfalls langhaarigen und vielbeschäftigten Bassisten Barend Courbois (u.a. Blind Guardian, Mike Tramp, Zakk Wylde), sowie dem Langbartträger (dafür keine Haare auf dem Kopf) Chris Siebken am Schlagzeug.

Das Trio eröffnete pünktlich um 20:30 Uhr mit dem von Gregg Allman komponierten „Dreams“, das sich in der Umsetzung auch an der atmosphärisch/psychedelischen Allman Brothers-Version anlehnte und nicht in der furiosen Hatchet-Abwandlung präsentiert wurde. Junge, Junge. Was man so aus einer Stratocaster oder einer Telecaster/Dobro-Kombi alles an Tönen und Klängen rausholen kann – unglaublich! Ob im Slideform, rockig, country-, southern-, fusion-, jazz-mäßig oder gar hawaianisch – Firkins‘ filigrane Fingerfertigkeit an seinem Arbeitsgerät war schon beeindruckend. Erst recht wenn man sie quasi in zwei Meter Abstand, direkt vor der Nase serviert bekommt, einfach toll.

Und so spielte sich das Trio durch einige Instrumentals wie „Big Red“ oder „Deja Blues“, weitere gelungene Cover-Versionen von ZZ Tops „Cheap Sunglasses“ und Hendrix‘ „Voodoo Child“ und Stücke wie „Golden Oldie Jam“ und das Southern-rockige „Cajun Boogie“ von Michaels letztem und aktuellen Album „Yep“.

Wie schon auf diesem Werk, bewies er auch live, dass er einen durchaus passablen Sänger abgibt. Der Tieftöner-Workaholic Barend Courbois (spielt laut Michaels Auskunft so ca. 300 Gigs pro Jahr) und der kraftvoll agierende Drummer Chris Siebken bereiteten dem sympathischen Protagonisten stilsicher den passenden Rhythmusteppich für seine vielen quirligen Soli.

Satte zwei Stunden Spielzeit, inklusiv zweier Zugaben, gingen wie im Fluge vorüber. Eine absolut gelungene Deutschland-Premiere von Michael Lee Firkins in der ‚Dunkelkammer‘ Café Steinbruch, der sich über den positiven Zuspruch seiner Audienz auch sichtlich freute. Wer noch nichts Besseres vor hat, sollte die Gelegenheit, bei einem, seiner noch bis zum 7. April währenden Konzerte in unseren Gefilden, am Schopfe packen und hingehen. Es lohnt sich! Michael Lee Firkins – um es mal im Facebook-Jargon auszudrücken – gefällt mir!

Michael Lee Firkins
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Café Steinbruch Duisburg

Brytny Spyrs – Southern Gyrl – CD-Review / Gewinnspiel

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Die aus McComb, Mississippi, stammende 34-jährige Künstlerin war, laut eigener Aussage, von frühster Kindheit an, eigentlich immer Southern Rock-Fan. „Wenn du aus einer Gegend kommst, in der die damalige Skynyrd-Flugzeugabsturz-Tragödie passierte, wirst du praktisch von ganz alleine durch solche Musik in den Bann gezogen. Ich bin mit Skynyrd, Charlie Daniels, der Marshall Tucker Band & Co. groß geworden, zumal diese Mucke dort an jeder Ecke und in jeder Kneipe auch gespielt wurde.“

„Aber was willst du machen, wenn plötzlich alles in eine andere Richtung läuft“, so die hübsche Blondine weiter. „Vor allem, wenn ein Kleinstadtmädel wie ich, plötzlich von Erfolg, Ruhm, Geld, Preisen und Anerkennung regelrecht zugeschüttet wird und dein Management dir komplett das Denken abnimmt. Das hat mich alles letztendlich total überfordert, zumal ich nie die Musik machen konnte, die mir wirklich im Blut liegt und das ist und bleibt der Southern Rock. Hier sind auch die Ursachen zu finden, aus denen meine vielen, nachfolgenden Probleme letztendlich resultierten.“

„Die Idee zu einer Southern-Scheibe kam 2014,“ so die auf dem ‚Walk Of Fame‘ verewigte Multimillionärin, „als ich für drei Tage mit schwarzer Kurzhaar-Perücke und dunkler Sonnenbrille getarnt, für die Mitreisenden inkognito, im VIP-Bereich auf der ‚Simple Man Cruise‘ mitgereist bin. Die beteiligten Musiker und ich hatten großen Spaß zusammen. Selbst der sonst so wortkarge Gary Rossington flachste mit mir rum und wollte sogar ein paar meiner Tanzschritte beigebracht haben. Da kam John ‚Sparky‘ Matejka (früher auch Hot Apple Pie), als er von meiner eigentlichen-Passion erfuhr, mit der Idee rüber, doch, just for fun, mal eine Southern Rock-Scheibe einzuspielen. Er hat dann kurze Zeit später, die Fäden in die Hand genommen und das Werk mit dem Titel „Southern Gyrl“ auch produziert.“

Um potentielle rechtliche Schwierigkeiten von vorne herein auszuschließen, läuft die ganze Geschichte allerdings unter dem Pseudonym Brytny Spyrs. Matejka schrieb in Zusammenarbeit mit Ex-Kumpel Brady Seals ein paar Stücke und trommelte einige der bewährten Nashville-Studiomusiker (u. a. Tom Bukovac, Kenny Greenberg, Greg Morrow, Michael Rhodes, Reese Wynans) zusammen. Auch Gary Rossington, Ehefrau Dale Krantz-Rossington und Johnny Van Zant steuerten mit „One Good Woman“ einen Track zum Album bei. Selbst Joe Bonamassa, der sein „Blues Of Desperation“ im gleichen Studio aufgenommen hatte, ließ es sich nicht nehmen, bei „You Can’t See“ sein virtuoses E-Gitarrenspiel mit einzubringen.

Klasse auch die Neuauflage von „Pure & Simple“ des „1991“-Skynyrd-Werkes, auf der Spyrs wahnsinnig viel Gefühl in ihren Gesang legt. Ein paar ihrer früheren Hits wie „…Baby One More Time“, “Gimme More”, „Womanizer“, “Circus” und „Hold It Against Me“, neu im Southern Rock-Gewand eingespielt, entwickeln plötzlich sogar ihren ganz eigenen Reiz. „Ich habe mich endlich mal in meiner Haut richtig wohlgefühlt, ich bin von meinem Herzen her nun mal ein ‚Southern Girl‘“, so die Sängerin. „Ich werde natürlich versuchen, den einen oder anderen Song, auch in meine Las Vegas-Show einfließen zu lassen.“ Tatsächlich trumpft sie mit einer richtig starken vokalen Performance auf. Und die Musiker haben sich auch spürbar für sie ins Zeug gelegt.

„Southern Gyrl“ von Brytny Spyrs ist nicht im öffentlichen Handel zu erwerben und wurde nur in einer limitierten Auflage produziert. Einigen ausgewählten Journalisten, die sich seit vielen Jahren um den Southern Rock verdient gemacht haben, wurden Exemplare für ein Review zur Verfügung gestellt. Dank meiner guten Kontakte zu Skynyrd-Background-Sängerin Carol Chase konnte ich drei Exemplare für eine Verlosung ergattern. Die ersten E-Mail-Einsendungen (bitte an: dan@sounds-of-south.de) mit der richtigen Beantwortung der Frage ‚Wer verbirgt sich hinter dem Pseudonym Brytny Spyrs?‘ werden umgehend benachrichtigt und erhalten je ein Exemplar der Scheibe!

Walk Of Fame Records (2016)
Stil: Southern Rock

01. Gimme More
02. One Good Woman
03. I Love Southern Rock
04. Pure & Simple
05. Womanizer
06. Home Is Where My Heart Is
07. You Can’t See
08. …Baby One More Time
09. Hold It Against Me
10. Ramblin’ Woman
11. Circus
12. Lonesome Guitar Girl

Randy Houser – Fired Up – CD-Review

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Klasse, neues Album von Randy Houser. „Fired Up“ heißt sein Werk, das bisher vierte in seiner, seit 2008 anlaufenden Karriere, was im übertragenen Sinne ja sowas wie ‚hoch motiviert‘ bedeutet. Nach einer, für einen passionierten Songwriter wie Houser (schrieb ja unter anderem auch Trace Adkins‘ „Honky Tonk Badonkadonk“), schon fast unendlich lang erscheinenden Pause seit seiner letzten CD „How Country Feels“, von drei Jahren, merkt man ihm den hohen ‚Motivationsgrad‘ auch regelrecht an. Randy feuert nahezu eine Salve mit satten 17 neuen Songs ab, unter anderem auch seinen aktuellen Riesenhit „We Went“ (eingängiger, rhythmischer, sogar durchaus tanzbarer New Country), der in den Country Airplay-Charts auch sofort auf den ersten Platz geschossen ist.

Randy selbst war in fünf Tracks kompositorisch involviert und beweist auf „Chasing Down A Good Time“ (geschrieben zusammen mit Jeffrey Steele und Anthony Smith, markanter euphorischer Refrain, klasse Tempowechsel), „Senior Year“ (Akustikgitarrenuntermalung, Steel-Tupfer, Powerrefrain), „Lucky Me“ (tolle Melodie, Bariton-E-Gitarre, Steel-, Orgelfills, Slide-Solo, hitverdächtig), dem knackig rockenden „Before Midnight“ (Jason Aldean-Stil) und dem wahrhaften Lovesong „True“ (voller Emotionen, hinreißendes E-Solo), seine außergewöhnlichen Songwriter-Skills. Auch der Rest der Stücke wurde natürlich vom Who-Is-Who der Nashville-Schreiber kreiert (u. a. Dallas Davidson, Ben Hayslip, Rhett Akins, Craig Wiseman, Shane Minor, Brice Long, Michael Dulaney, Tony Martin, Ashley Gorley). Der 2. als Single vorgesehene „Song Number 7“ (hier demnach auch an siebter Stelle platziert, melodischer Midtempotrack, mitgeschrieben von Jungstar Chris Janson) dürfte aufgrund der markanten und leicht merkbaren/nachsingbaren Refrainzeile ebenfalls beste Aussichten auf Charterfolg haben.

Toll natürlich auch der Titelsong „Fired Up“ (Steel, Orgel, Southern E-Solo) mit seiner starken E-Hook und Housers zündendem Gesang (insgesamt auch sehr flexible und starke Leistung). Die wunderbare Southern Soul-Ballade „Little Bit Older“, mit dezentem „Knockin‘ On Heaven‘s Flair” bereitet unweigerlich Gänsehaut (inkl. fulminantem E-Solo). Highlight! Aus der Feder der Warren Brothers stammt der, mit ihrem eigenwilligen Humor, inszenierte Titel „Hot Beer And Cold Women“. Der in Nashville sich ‚in aller Munde‘ befindliche Chris Stapelton ist auf der Blockbuster-tauglichen Powerballade (Streicher, Piano, dramatisches E-Solo) sowohl kompositorisch als auch mit Background-Gesang involviert. Das zum Abschluss schön swampig, in Redneck-Manier groovende „Whiskeysippi River“ (erneut starkes E-Solo) hätte Trace Adkins auch wieder gut zu Gesicht gestanden und wird von Houser ebenso mit Bravour gemeistert. Ein tolles Ende eines bärenstarken Albums, das, gemessen an der hohen Anzahl der Lieder, eine ‚Hitdichte‘ aufweist, die ihresgleichen sucht.

Dabei gelingt Randy Houser und seinem Produzent Derek George ein fast perfekter Spagat zwischen kommerziellem Anspruch und musikalischem Ethos. Denn anders wie viele seiner Kollegen Bryan, Rhett & Co. in letzter Zeit, lässt Randy seine Country Roots weiterhin maßgeblich in seine Musik einfließen und nicht als reine Alibi-Funktion verkümmern. Das Werk erinnert in seiner Art ein wenig an Justin Moores starken Longplayer „Off The Beaten Path“. Der Mann aus Jackson, Mississippi (mittlerweile ja beim Broken Bow Unterlabel Stoney Creek Records beheimatet und sich wohl fühlend) hat sich somit längst zu Recht fest in der Elite Nashvilles etabliert, was „Fired Up“ sicher noch einmal deutlich untermauern wird. Starker Country-/New Country-Stoff, der in diesem Jahr in allen Belangen noch für viel Furore sorgen wird!

Stoney Creek Records (2016)
Stil: New Country

01. Back
02. We Went
03. Chasing Down A Good Time
04. Senior Year
05. Mine Tonight
06. Lucky Me
07. Song Number 7
08. Before Midnight
09. True
10. Yesterday’s Whiskey
11. Fired Up
12. Little Bit Older
13. Gotta Get You Home
14. Hot Beer And Cold Women
15. Same Ole Saturday Night
16. One Way (Bonus Track)
17. Whiskeysippi River

Randy Houser
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Bärchen Records

Sweetkiss Momma, 24.03.2016, Kulturrampe, Krefeld, Konzertbericht

Die Southern Roots Rocker Sweetkiss Momma im Rahmen ihrer Europatournee zum zweiten Mal in Krefeld in der Kulturrampe! Das Quintett brachte ihre brandneue EP „What You’ve Got“ mit, leider aber nicht die bei uns auch hoch angesehenen und besprochenen Moss Brothers, die ja bei der Einspielung des Werkes tatkräftig mitgewirkt hatten. Bandleader Jeff Hamel (lead vocals, guitar, harp) hatte aber mit Paul Beadry (bass), Kevin ‚Kubby‘ White (drums), Skylar Mehal (lead guitar) und Keyboarder Ray Hayden, noch rechtzeitig zur Tour, adäquaten Ersatz gefunden.

So gerne, wie ich immer wieder in die Kulturrampe gehe, als Rezensent und Fotograf in einer Person, sind gerade bei ausverkaufter Hütte, die beengten Gegebenheiten und schwierig abzubildenden Lichtverhältnisse (dazu kommt dann noch immer auch noch schöner Dampf aus einer Rauchmaschine…), bei Bands, die man eher nur oberflächlich kennt, Stress pur. So richtig vom Konzert hat man da leider als Berichterstatter eher weniger was. Von Sweetkiss Momma besitze ich nur das Erstwerk, in die Soundfiles ihrer neuen EP hatte ich zur Vorbereitung zumindest mal reingeschnuppert.

Als sie um ca. 21:15 Uhr mit dem krachenden „Hot Mess“ aus diesem Werk loslegten, wurde auch schon klar die musikalische Richtung des Abends vorgegeben. Es wurde eher Seattle-mäßig abgerockt, als zu den Temperaturen im Raume passend, schwülen Südstaaten-Groove mit seinen musikalischen Facetten in den Fokus zu rücken. Lead-Gitarrist Skylar Mehal gab sich zwar mit einigen quirligen Soli ordentlich Mühe, aber das typische Südstaaten-Flair, wie es die Moss Brothers sicher eingeflochten hätten, wurde eher nur marginal verbreitet. Auch die typischen Twin-Einlagen waren eher rar gesät. Es ging doch recht konstant in die Vollen, Zeit zum Durchatmen gab es, soweit ich mich erinnere, kaum. Die Leute, hatten zur Freude der Band, aber viel Spaß am Gebotenen. Die Stimmung war von vorne bis hinten prächtig.

Aufgrund o. a. Gegebenheiten, hatten für mich persönlich natürlich Stücke wie „Ready To Go“, „Son Of The Mountain“ und „Rocket Ride“
den höchsten Wiedererkennungswert. Wenn mich nicht alles täuscht, wurde aber auch das neue Werk (besteht ja auch nur aus fünf Titeln) komplett ‚abgearbeitet‘, „Like You Mean It“ inklusiv einer Basseinlage von Beadry. Frontmann Hamel ist mit seinem Rauschebart, der kräftigen Statur, seinem barschen Stimmorgan und Art zu Performen, durchaus ein gewisses Charisma zu attestieren. Er steuerte sein frisch aufgestelltes Quintett bis zum, den Hauptteil abschließenden „Mercy Love“, sicher durch den Abend. Ach ja eine „Another Brick In The Wall“-Einlage gab es kurz zuvor auch noch, muss ich bei solchen Bands aber eigentlich nicht haben. Den Leuten gefiel es.

Die stürmischen Zugabeforderungen wurden dann aufgrund der guten Stimmung nochmal mit vollem Einsatz befriedigt. „Dirty Uncle Deezer“, ein instrumentales „La Grange“-Intermezzo (damit Hamel noch schnell an der Theke hinten ein Bierchen trinken konnte), das endlich mal ruhige „Same Old Stories“ und eine recht gelungene Version vom Stones-Klassiker „Gimme Shelter“ (mit schönem Slide Solo von Mehal) machten dann satte zwei Stunden mit Sweetkiss Momma-Musik ‚voll‘.
Fazit: Ein launiger Abend mit einer sympathischen Truppe, bei dem der Southern Rock, wie ich ihn liebe, aufgrund der kurzfristigen Personal-Rochaden, verständlicherweise etwas zu kurz kam. Trotzdem eine Band, die man bei Auftritten hier in unserem Land immer unterstützen sollte.

SweetKiss Momma
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Kulturrampe
Black Pike Favorites

Will Hoge – Solo & Live – CD-Review

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Dass Will Hoge, wie ich bereits im Vorfeld schon vermutete, ein netter und sympathischer Typ ist, bestätigte sich, als ich nach seinem starken Auftritt im Kölner Studio 672, kurz die Gelegenheit hatte, mit ihm ein paar Sätze zu wechseln. Im Anschluss überreichte er mir dann noch das vorliegende Werk zur Besprechung.

Wenn ich seine Ausführungen gegen Ende der CD richtig interpretiert habe, wurde im Dezember 2015 ein Konzert in Jackson, Mississippi, im Rahmen seiner Solo & Live Tour mitgeschnitten und auf diesem Silberling veröffentlicht, sowie, begleitend zu seinen Auftritten, jetzt in Europa mit vertrieben. Für mich eine schöne Gelegenheit, den gerade frisch erlebten Gig in Ruhe nachträglich reflektieren und verarbeiten zu können, auch wenn sich die beiden Setlisten doch ein wenig unterscheiden.

Will eröffnete hier mit dem knackigen „Too Old To Die Young“ (in Köln nicht gespielt) und servierte seiner Anhängerschaft in den Staaten im folgenden Verlauf eine bunte Mixtur von Songs aus seinen vielen diversen Studio-Veröffentlichungen, mal mit Akustik- oder E-Gitarre, Piano in Kombination mit einigen Harp-Einlagen. Dabei macht er, wie zum Beispiel an „Times Are Not Changing“ bestens zu erkennen, keinen Hehl daraus, dass er ein Faible für die großen Songwriter der Endsechziger/siebziger Jahre besitzt.

Deutlich vernehmbar immer wieder das anprangernde, attackierende Moment in seiner Stimme, wie es auch für die Dylans, Guthries oder Seegers & Co. typisch war. Klasse vor allem auch die herrlich kauzige Version von „Jesus Came To Tennessee“. Toll für mich persönlich, dass ich jetzt auch eine Fassung vom großartigen „Still A Southern Man“ in meiner Tonträger-Sammlung besitze. Die eingängigen Sachen wie „Middle Of America“ und „Even If It Breaks Your Heart“ sind natürlich auch präsent.

Beim vorletzten, seiner Frau Julia gewidmeten Stück, „Damn Spotlight (Julia’s Song)“, erzählt Will, wie auch in Köln, ein paar Details über die Entstehung des Liedes: Kurze Zeit nach Geburt seines Sohnes musste er seine Familie wieder für eine neun Wochen andauernde Tour verlassen. Von Sehnsucht getrieben in einem Hotelflur in Kansas City während eines Schneesturms, ließ er dann spontan seine Emotionen freien Lauf und verarbeitete sie in diesem schönen melancholischen Song.

Den Rausschmeißer gibt auf diesem Werk das flockig rockende „Til I Do It Again“. Insgesamt ist Will Hoges „Solo & Live-Scheibe, wie bereits oben erwähnt, eine schöne Ergänzung zum erlebten Konzert. Für alle, die es nicht geschafft haben, seinen drei Auftritten hier beizuwohnen, ein schöner Ersatz, für das, was sie verpasst haben.

Wie ich von Will und auch der Vertreterin seiner Konzertagentur erfuhr, stehen die Chancen recht gut, dass er sich zeitnah wieder in unserem Lande blicken lässt. Die Krönung wäre es dann natürlich, wenn er noch ein paar Könner aus Nashville mit im Schlepptau hätte und im Bandgefüge performen würde. Wie dem auch sei, es gibt zumindest schon mal einen Grund zur Vorfreude…

Eigenproduktion (2016)
Stil: Singer/Songwriter

01. Too Old To Die Young
02. Doesn’t Have To Be That Way
03. When I Can’t Afford To Lose
04. Times Are Not Changing
05. (Pretty Sure) I’m Over You
06. Jesus Came To Tennessee
07. Little Bitty Dreams
08. When I Get My Wings
09. Through Missing You
10. Trying To Be A Man
11. Middle Of America
12. Woman Be Strong
13. Still A Southern Man
14. Even If It Breaks Your heart
16. Damn Spotlight (Julia’s Song)
17. Til I Do It Again

Will Hoge
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Adam Eckersley Band – The Second Album – CD-Review

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Die Adam Eckersley Band aus Australien nennt die Dinge klar beim Namen. Einfach und konkret. Bei den Jungs, weiß man, woran man ist. So hieß ihr Debüt „The First Album“ und das hier zu besprechende Zweitwerk „The Second Album“. Mit der Beantwortung der (hochspekulativen) Frage nach dem Titel des nächsten Silberlings der Musiker, dürften selbst heutige deutsche Abiturienten mit Leistungsfach Englisch nicht überfordert sein…

Übrigens, Vollbart tragen ist als Mitglied der Band absolute Pflicht. Ob sich der, neu zum bisherigen Line-up, bestehend aus Frontmann Adam Eckersley (lead vocals, lead guitar), Scotty Greenaway (bass), Drummer Benny Elliot, und “Arizona” Dan Biederman (hammond organ, keys), dazu gekommene Duncan Toombs (guitar, banjo), einen wachsen lassen musste, konnte die Recherche final nicht klären.

Nicht unerwähnt bleiben darf auch, dass Adam mit Brooke McClymont verheiratet ist, die sich hier auf diesem Werk mit guten Harmoniegesängen als klare Belebung erweist und beim Neil Young-Klassiker „Comes A Time“ auch im Duett überzeugt. Sie ist Part der McClymonts (eine von drei Schwestern), die bei uns auch schon besprochen wurden.

Produziert hat Nick DiDia (Bruce Springsteen, The Wallflowers, Kasey Chambers, Powderfinger), der die Musiker teilweise ohne ihr Mitwissen mitschnitt, um auf diesem Werk das spielerisch toll harmonierende Bandgefüge herauszuarbeiten und stärker ins Rampenlicht zustellen.

Der Opener des Albums „Live On“ wird durch eine sakral hallende Orgel eingeläutet und mündet dann in einen atmosphärischen Rocksong mit dezent progressivem Einschlag Richtung Mike & The Mechanics, wobei Eckersleys Stimme auch fortwährend so ein wenig was von der angenehmen Aura eines Paul Carracks verströmt.

Das shufflige „Talk About Love“ erinnert an die Art der Dirty Guv’nahs, eine gurgelnde Orgel, Harp-Solo und slidende E-Gitarre
drücken diesem starken Song den Stempel auf. Von „Devils Lullaby“ (Akustikgitarrenuntermalung, schöne Twin-Parts) bis „Freedom“ (folkige Note, Banjo, angenehme E-Gitarren) wird eine etwas ruhigere Phase eingeläutet.

Das großartige, in Bakersfield-Manier abgehende „Mocha“ geht durch Mark und Bein (eine herrliche ‚Plapper‘-Gesangseinlage von Eckersley als Zwischenbridge inbegriffen), das quirlige E-Gitarrensolo hätte ein Vince Gill nicht besser spielen können. Mein persönliches Highlight! Die Black Crowes könnten beim psychedelisch rotzig groovenden „Good Night“ Pate gestanden haben. Klasse Harmonies von Brooke McClymont und fett kreischende E-Gitarren zu polternden Drums und hallender Orgel geben dem energiegeladenen Track ihre Würze.

Die piano-getränkte Ballade „Lost Time“ (famose Orgelglucker-Passage, herrliches atmosphärisches Southern E-Solo),und das, noch unter Eindruck der Geburt der Tochter stehende „Hey Little Daughter“ bieten nochmal Zeit zum Durchatmen und Entspannen, bevor das furiose 7:18 Minuten währende „Took That Woman“ erneut das Southern Rock-Gen (à la Zach Williams & The Reformation) des Quintetts zum Abschluss mit großartigen E-Gitarren eindrucksvoll freilegt.

Das zweite Album der Adam Eckersley Band beweist, dass man auch in Australien richtig guten, facettenreichen Southern Rock zu performen weiß. Die, auch im Studio, überzeugend dargebotene Spielfreude, dürfte live sogar noch besser zur Geltung kommen. Umso schöner, dass die Burschen um Adam Eckersley im Herbst auch in unseren Gefilden zu sehen sein werden. Hingehen absolute Pflicht!

Universal Australia (2015)
Stil: Roots/Southern Rock

01. Live On
02. Talk About Love
03. Devils Lullaby
04. Wheels
05. Comes A Time
06. For You
07. Mocha
08. Good Night
09. Lost Time
10. Hey Little Daughter
11. Took That Woman

Adam Eckersley Band
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Teenage Head Music

Andy Ross – Time To Fight – CD-Review

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Ich muss gestehen, dass selbst mir, als recht gut aufgestelltem Southern Rock-Experten, der Name Andy Ross, bis vor kurzem, nicht geläufig war. Dabei hat der Mann schon zwei CDs veröffentlicht und ist in den US-Staaten bekannt wie ein bunter Hund. Sein Videoclip zu „Cold Dead Hand“ wurde schon fast 120.000 mal angeklickt (bitte anschauen und Kopfschütteln!). Ja, dieser Andy Ross ist ein schlichtes Vermarktungsgenie in eigener Sache, dazu einer dieser typisch unbelehrbaren US-Patrioten, Waffennarr – und natürlich, sich auf die Verfassung berufend, Befürworter, sie tragen zu dürfen. Selbst Hardliner aus seiner Zunft wie Ted Nugent, Charlie Daniels oder Hogjaw dürften gegen ihn blass aussehen.

Ja, so sind ’se halt, die Amis. Andersherum, wenn man an die ganzen Pharisäer in unseren Breitengraden denkt, die angeblich zu unser aller Wohl handeln, wird einem auch nicht besser. Der hiesige Southern Rock-Liebhaber ist einfach gezwungen, so was wirklich ausklammern und irgendwie an das Gute im Menschen zu glauben… In diesem Falle geht es ja letztendlich auch um die Musik, und die ist zweifellos, trotz aller Klischees, richtig klasse.

Besondere Aufmerksamkeit erregte Ross vornehmlich als Gastgeber und Protagonist der Reality-TV-Serie ‚American Archery‘, wo Andy mit Pfeil und High-Tech-Bogen enthusiastisch, von Kameras begleitet, zur Freude aller Gleichgesinnten, durch die gesamte amerikanische Peripherie jagt. Eigentlich habe ich mit dem Burschen in dieser Hinsicht so gut wie nichts gemeinsam, mir läuft es heute noch eiskalt den Rücken runter, wenn ich an meine Zeit bei der Bundeswehr in der Grundausbildung zurückdenke, als ich G-3, Panzerfaust und Flugabwehrraketengeschütz bedienen musste. Die nahm ich übler Weise in Kauf, um dann nach drei Monaten, endlich überwiegend nur noch den Tischtennis-Schläger in der Sportkompanie als Waffe zu verwenden.

Ross hat sein eigenes Label ‚American Rebel‘ kreiert, ist dazu Vermarkter einer Wein-Linie sowie eines Gitarrenherstellers (Krossroad Guitars), und aber auch ein durchaus passabler Sänger, Songwriter und Musiker. Sein aktuelles Werk „Time To Fight“ bietet sogar Southern Rock par excellence. Eigentlich alles, was dem geneigten Verfechter des Genres so richtig Freude bereitet: Jede Menge starker Akustik- und E-Gitarren, ob in Slide-, Twin- oder in herkömmlicher Rhythmus-, Fill- oder Soli-Arbeit dargeboten, Banjo, Dobro, polternde Drums, pumpende Bässe, gurgelnde Orgel, klimperndes Piano, typische weibliche Backgroundgesänge, dazu in einer sehr sauber und klar klingenden, nicht, wie so oft üblich, altbackenen Produktion, abgemischt. Sein Gesang ähnelt dem von Donnie Van Zant, und auch die Musik weist viel Flair und Parallelen zum Wirkungsspektrum der gesamten VZ-Familie auf.

Dazu gesellt sich noch beim Opener „Back On The Back Roads“ das gesamte Line-Up von Little Texas, wobei Ross-Intimus Porter Howell auch Teile des Gesangs mit einbringt. „Like A Bullet From A Gun“ bewegt sich irgendwo zwischen 38 Special zum Ende der 80er und ZZ Tops „Eliminator“-Phase. Songs wie „Hot Lanta“, Chattahoochee“, „Sharp Dressed Man“ oder „Gimme All Your Lovin’“ lassen grüßen. Andy Ross kann es allerdings auch gefühlvoll. Schöne melodische, z. T. balladesk angehauchte Tracks wie „My Father’s Son“, „I Wrote This By Myself“ oder „Heaven Got A Hell Raiser“ bieten auch Southern Rockern die Gelegenheit, ihr eher raues Gemüt mal kurz beiseite zu schieben.

Ansonsten rockt Ross samt seiner Mitstreiter in bester zünftiger Southern Rock-Manier und lässt mit Titeln wie „American Rebel“ (mit schönen Twin-Einlagen), „Playing In The Mud“ (naturgemäß swampig mit Banjo und Dobro gestaltet), „It’s America, Son“ („Gimme Three Steps-Flair) oder dem abschließenden „Big Bad Loud Fast“ (flotter Sprechgesang, tempo-geladen, erinnert an „Last Ride“ von Doc Holliday), kein Zweifel an seiner musikalischen wie politischen Präferenz und Weltanschauung.

Fazit: Blendet man als mündiger Mensch mal alles andere, was nicht mit der Musik zu tun hat, aus, kann man mit der „Time To Fight“-Scheibe von Andy Ross richtig Spaß haben. Schöner Southern Rock für Liebhaber von Bands wie 38 Special, dem Van Zant-Clan allgemein, Hogjaw, dem ‚one CD wonder‘ Rambler, Jackson Stone Band, Rebel Pride, Doc Holliday, Preacher Stone, Montgomery Gentry, Dry County, Travis Tritt & Co. Musikalisch ein echter Insider-Tipp!

Buck Shot Records (2016)
Stil: Southern Rock

01. Back On The Backroads (feat. Little Texas)
02. Like A Bullet From A Gun
03. My Father’s Son
04. American Rebel
05. Heaven Got A Hell Raiser
06. Playing In The Mud
07. I Wrote This One Myself
08. It’s America, Son
09. Ain’t Running Out Of Ammo
10. Big Bad Loud Fast

Andy Ross
Andy Ross bei Facebook

Joe Bonamassa – Blues Of Desperation – CD-Review

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Neues Studioalbum des Blues Rock-Tausendsassas! Wenn es im Genre sowas wie Fleißkärtchen zu verteilen gäbe, stünde der 38-jährige, aus New Hartford stammende Musiker, sicher auch ganz vorne in der Reihe. Der Zögling eines Gitarrengeschäftbesitzers veröffentlicht ja, seit er zur Jahrtausendwende mit seiner Debüt-CD „A New Day Yesterday“ erstmals in Erscheinung trat, in verschiedensten Konstellationen (solo, Black Country Communion, mit Beth Hart) Tonträger fast wie am Fließband ab.

Mittlerweile schien dem bekennenden Rory Gallagher-Fan wohl die Zeit reif, wieder ein Solo-Album zu veröffentlichen. „Blues Of Desperation“ heißt das neue Werk und wurde, wie schon der Vorgänger „Different Shades Of Blue“ in Nashville samt Involvierung dortiger Musiker (u. a. Greg Morrow, Reese Wynans, Michael Rhodes) und Songwriter (Tom Hambridge, Jerry Flowers, Gary Nicholson, Jeffrey Steele) eingespielt. Für den Sound waren ebenfalls erneut Kevin Shirley und Roy Weisman verantwortlich.

Von Verzweiflung ist, bis auf den Titel, hier eigentlich nichts zu spüren. Bonamassa präsentiert sich, mit kleinen Abstrichen, in prächtiger Form und kann auf das Gesamtergebnis durchaus stolz sein. Sicherlich eine seiner stärksten Veröffentlichungen überhaupt! Schon der Opener „This Train“ brettert unter Führung von Morrows Polterdrums und Joes filigraner E-Gitarrenkunst wie ein wuchtiger Hochgeschwindigkeitszug durch den Raum. Reese Wynans grandioses Pianogeklimper und die herrlichen Backgroundvocals, von den auch im weiteren Verlauf immer wieder bestechend eingesetzten Sängerinnen Mahalia Barnes, Jade McRae und Juanita Tippins, bilden hier das Sahnehäubchen.

Der Song offeriert allerdings auch eine der kleinen Schwächen des Silberlings und zwar die Stimme des Protagonisten. Immer wenn er gegen kräftigere Soundgefüge ansingen muss, wirkt sein vokales Organ doch ein wenig dünnwandig und hölzern. Bei ruhigeren Tracks wie zum Beispiel dem wunderbar atmosphärischen, bestens als Untermalung für ein Roadmovie geeigneten „Drive“ (mit Peter Green-Flair Richtung „Albatross“/“Slabo Day“), dem grandiosen Slow Blues „No Good Place For The Lonely“ (könnte fast als eine Hommage an Gary Moores „Still Got The Blues“ durchgehen) oder dem dezent Country-angehauchten „The Valley Runs Low“ (klasse Akustikgitarre, soulige Harmoniegesänge) passt sie eigentlich dagegen sogar ganz gut.

Ein weiteres kleines Manko ist sein phasenweise zu dick aufgetragenes Gitarrenkönnen. Hallo Herr Bonamassa, wir wissen, dass Sie ein Saitenvirtuose sind! In manchen Stücken, sind mir persönlich die Soli zu übertrieben, zu lang, bzw. zu improvisationsfreudig geraten. Das mag vielen Leuten zwar besonders gefallen, im Studio finde ich es besser, wenn man Sachen einigermaßen kompakt auf den Punkt bringt. Gerade in Nashville, kennt man sich da doch bestens aus, wie man große Klasse auch ohne größeres Maß an Selbstdarstellung beweisen kann (die Herren Bukovac, Greenberg oder Mason mal als Referenzen angeführt). Aber im Blues Rock-Genre scheint es wohl ein unabdingbares Muss zu sein…

Bestes Beispiel der Titelsong: Aus ihm hätte man (wenn man die orientalischen Zwischenklänge weggelassen hätte) einen schönen straighten (Southern) Rocker machen können, der mit psychedelischem Flair überzogene Track wirkt aber mit mehreren ausgedehnten Frickel-Solo-Passagen jetzt insgesamt völlig überladen. „You Left Nothin‘ But The Bill And The Blues“ im Stile des guten alten Albert Collins dürfte den traditionelleren Blues-Anhängern Freude bereiten, während „How Deep This River Runs“ eher den Vertretern der jungen wilden Generation (Richtung Davy Knowles‘ Back Door Slam) zusagen dürfte.

Am Ende rücken bei „Livin‘ Easy“ und „What I’ve Known For A Long Time“ plötzlich bis dato nicht vorhandene Bläsereinlagen verstärkt in den Fokus des Geschehens. In Erstbenanntem versuchen E-Gitarre und Piano sich gegen ein ziemlich dominantes Saxophon zu stemmen, Letztgenanntes erscheint wie ein modernes (bläserbetontes) Update des guten alten „Stormy Monday Blues“. Hier kann Bonamassas Stimme (sh. Einwände oben) die Röhre eines Gregg Allman, die wunderbar auch zu diesem Track gepasst hätte, leider nicht kompensieren. Trotzdem ein stimmungsvoller Abschluss.

Meine (z. T. negativ klingenden) Anmerkungen sollen aber keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass „Blues Of Desperation“ wirklich von beeindruckendem Können geprägt ist und durchaus vielseitige und abwechslungsreiche Unterhaltung auf sehr hohem Niveau bietet. Also, keine Verzweiflung oder Panik, liebe Blues Rock-Gemeinde. Ihr dürft euren Joe (berechtigterweise) auch weiterhin in den Himmel heben!

Zur weiteren Einstimmung hier der Trailer zum Album, das am 25.03.2016 veröffentlicht wird.

Mascot Label Group (2016)
Stil: Blues Rock

01. This Train
02. Mountain Climbing
03. Drive
04. No Good Place For The Lonely
05. Blues Of Desperation
06. The Valley Runs Low
07. You Left Nothin‘ But The Bill And The Blues
08. Distant Lonesome Train
09. How Deep This River Runs
10. Livin‘ Easy
11. What I’ve Known For A Very Long Time

Joe Bonamassa
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Will Hoge, 15.03.2016, Studio 672, Köln, Konzertbericht

Verkehrte Welt in Köln. Während solche Schnösel wie Philipp Dittberner und AnnenMayKantereit es in der Domstadt problemlos schaffen, mit, von ziemlich überschaubarem Wert gehaltener Musik, die mittelgroßen Hallen wie Palladium oder Live Music Hall bis zum Bersten zu füllen, muss ein amerikanischer Weltklasse-Singer/Songwriter sich zunächst damit abfinden, dass vielleicht um die 60 Leute (darunter, inklusive mir, gerade mal zwei nebenberufliche Journalisten) im kleinen, aber feinen Studio 672 Präsenz zeigten. Das wirft wirklich kein gutes Licht auf den Musikgeschmack in unseren Breitengraden!

Na ja, zumindest konnte man wenigstens froh sein, dass nicht gleichzeitig in der darüber liegenden Location, dem Stadtgarten, ein Abi-Feier geplant war…

Pünktlich um 20:30 Uhr eröffneten Someday Jacob als Support in reduziertem Line-up. Bandleader Jörn Schlüter und Gitarrist Uli Kringler hinterließen zur Einstimmung mit ihrem folkig angehauchten Americana-Stoff von der Weser einen durchaus qualifizierten und sympathischen Eindruck.

Nach recht fixer Umbaupause betrat dann der Protagonist sein gemütlich ‚improvisiertes Wohnzimmer‘, bestehend aus Keyboard, Tisch für Getränke und Harp-Utensilien, gepolstertem Stuhl/Mikro für seine mit E-Gitarrenparts bestückten Lieder, sowie Stand-Mikro für die, naturgemäß, in stehender Form performten Tracks.

Zum Einstieg wählte Will „Silver Or Gold“ vom „Draw The Curtains“-Werk und verströmte direkt sein außergewöhnliches Charisma. Das zu meiner Überraschung insgesamt recht junge Publikum (ich gehörte mit meinen knapp über 50 Lenzen schon eindeutig zum alten Eisen) zog direkt von Anfang an mit, was Hoge auch sofort spürte.

Nach den weiteren, per Akustikgitarre (z. T. mit Harp-Ergänzung) gebrachten „Secondhand Heart“, „Growing Up Around Here“, „Still Got You On My Mind“, ließ Hoge sich für „When I Can’t Afford To Lose“ zum ersten Mal an den Tasten nieder und betonte in vielen kleinen Anekdoten vor den Songs, dass er als bekennender Familienmensch doch immer ein wenig daran zu knacken hat, wenn er aufgrund seines Tourens von Frau und Kindern zu Hause getrennt ist.

Seine aufrichtige Abneigung gegen faule, unfähige, nur an sich selbst denkende Politiker, formulierte er mittels der dylanesken Abwandlung „The Times They Are Not Changin’“ (hier spricht er auch mir aus der Seele). Als weiterer Bruder im Geiste erwies er sich bei meinem Favoriten des Abends „Still A Southern Man“.

Wenn er die Telecaster schulterte, rockte Will meist zünftig wie zu guten Zeiten mit seinem früheren Kumpel Dan Baird. „Long Gone“ und „Pocket Full Of Change“ seien hier genannt.

Ganz klasse natürlich auch seine Paradestücke wie das höchst-emotionale „When I Get My Wings“, das flockige „In The Middle Of America“ oder sein, von der Eli Young Band mit großem Erfolg gecovertes „Even If It Breaks Your Heart“. Für „Goognight / Goodbye“ holte sich Will eine junge Dame aus dem Publikum als Gesangs-Unterstützung. Die machte ihre Sache richtig gut und wurde von den anwesenden Zuschauern auch mit viel Applaus belohnt.

Mit „Til I Do It Again“ endete gegen 23:00 Uhr ein abwechslungsreicher und starker Hauptteil. Die nicht auf sich warten lassenden Zugabe-Rufe, befriedigte Will in recht melancholischer Manier mit den beiden unter die Haut gehenden „Hey Tonight“ und (dem seiner Frau gewidmeten) „Damn Spotlight (Julia’s Song)“. Großartig!

Welche Lehren ziehe ich nun aus diesem Abend? Für Ami-Künstler aus dem Südstaaten Rock-, New Country-, Roots- und Americana-Bereich ist aller Anfang in unseren Gefilden zunächst ziemlich schwer. Solange sie uns allerdings mit solch grandiosen Abenden beglücken, wie es gestern Will Hoge getan hat, werde ich meinen langjährigen Missionarsdienst nach besten Kräften, im Sinne der Sache, auch weiterführen. Danke an Will Hoge für dieses einzigartige Erlebnis.

Will Hoge
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