Marcus King – 16.03.2023 – Carlswerk Victoria, Köln – Konzertbericht

Um 20:00 Uhr beginnt Leah Blevins den Support für Marcus King mit seiner Band. In einem 30-minütigen Auftritt verkürzt die aus Sandy Hook, Kentucky, stammende, nun in Nashville lebende Sängerin die Wartezeit zum Topact. Mit ihrem Auftritt, den sie solo nur mit der Akustikgitarre spielt, kommt sie beim Publikum gut an, was sich am Applaus nach den Countrysongs zeigt.

Nach einer etwa 30-minütigen Umbaupause ist es soweit. Markus King und seine Musiker betreten unter Applaus die noch abgedunkelte Bühne im Carlswerk, wo sich zwischen 900 und 1000 Besucher in der Halle, in der  das letzte Viertel abgehängt ist, eingefunden haben und so der offene Bereich sehr gut gefüllt ist. Im Vergleich zum letzten King-Konzert ist die Besetzung um einen weiteren Gitarristen und Bläser erweitert, was den Sound noch einmal kraftvoller macht.

Im Zentrum der Bühne steht natürlich der mit Cowboyhut bedeckte King, links von ihm Keyborder und Orgelspieler Mike Runyon, auf der rechten Seite Drew Smithers (Bishop Gun) als zweiter Gitarrist, Bassist Stephen Campbell, während Drummer Jack Ryan und die drei Bläser nach hinten versetzt spielten, wobei die Bläser auf einem Podest stehen und so auch gut zu sehen sind. In dem über zweistündigen Auftritt umspannt King die Bandbreite von Southern Rock, Blues, Country und Soul, sodass den Fans ein sehr abwechslungsreiches Konzert geboten wird.

King zeigt dabei, dass er sowohl ein exzellenter Gitarrist als auch auch ein guter Sänger ist und kann sich bei seiner Soloarbeit voll auf seine Band verlassen, die ihm mit ihrem starken Zusammenspiel den Freiraum gibt, sich zuweilen regelrecht auszutoben. Auch wenn er mittlerweile als Soloartist und nicht mehr als Marcus King Band auftritt, ermöglicht er seinen Musikern genügend Gelegenheiten, in Soloparts ihr Können zu zeigen. Mit Drummer Ryan und Bassist Campbell hat er dabei seine aus der King Band bewährte Rhythmusfraktion dabei, wobei Ryan in einem der letzten Songs mit einem etwa fünfminütigen Drumsolo auf der Bühne allein gelassen wird und dafür Szenenapplaus einheimst.

Mike Runyon sorgt an den Tasten für einen voluminösen Sound, bringt in jammenden Phasen psychedelische Einflüsse und hat in den Songs mehrfach kurze Soloparts. Drew Smithers ist mehr als nur ein zweiter Gitarrist, der insbesondere die Rhythmusarbeit leistet. Einige starke Soli, zum Teil sich mit King duellierend und slidendend, offerieren, dass er eine absolute Bereicherung ist. Die drei Bläser bringen oft souliges Flair in die Tracks und sorgen bei den jammenden Parts für eine besondere Dynamik. In manchen Stücken legen sie aber ihre Blasinstrumente beiseite, um mit verschiedensten Perkussioninstrumenten mit der Rhythmusfraktion für einen gewaltigen Beat zu sorgen. 

Es fällt schwer aus den allesamt starken Songswelche herauszuheben. Ein besonderer Moment war, als die Band „Saturday Night Special“ von Lynyrd Skynyrd ertönen ließ. In den Augen mancher Fans sah man das sprichwörtliche Tränchen im Auge (mit Rossington ist das letzte Alltime-Mitglied der Southern-Legende vor wenigen Tagen verstorben). Dies war dann allerdings ganz schnell Schnee von Gestern, als die Band den Song in die Halle feuert und beweist, dass spätestens jetzt eine neue Epoche im Southern Rock eingeläutet ist, in der Markus King mit Sicherheit eine wichtige Rolle spielen wird. 

Eine schöne Geste ist, als King Leah Blevins auf die Bühne holt und mit ihr einen ruhigen Countrysong im Duett aufführt. Zum Ende des Konzertes bringt King mit dem hymnischen „Oh Carolina“ einen absoluten Höhepunkt, um nach Zugabeforderungen noch einmal nachzulegen. Mit „Coming Home“, das von einem mehrminütigen Mörderintro eingeleitet wird, verabschiedet Marcus King mit seiner Band die Fans gegen 23:10 Uhr von einem großartigen Abend, in dem der Hauch des Südens das Carlswerk erfasst hatte.

Line-up:
Marcus King – guitars & vocals
Stephen Campbell – bass
Jack Ruyan – drums
Mike Runyon – keyboards
Drew Smithers – guitars
Alex Bradley – trumpet
Chris Spies – sax
Kyle Snuffer – trombone

Text & Bilder: Gernot Mangold

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Leah Blevins
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Carlswerk Victoria
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Various Artists – Highway Butterfly: The Songs Of Neal Casal – CD-Review

Review: Michael Segets

Nicht jeder SoS-Leser besitzt eines der vierzehn Alben von Neal Casal in seiner Sammlung, aber ich würde wetten, dass sich zumindest ein Track, auf dem er mitwirkte, in ihrem jeweiligen Archiv findet.

Casal war Mitglied bei The Cardinals, der Begleitband von Ryan Adams , sowie bei der Chris Robinson Brotherhood. Er spielte bei Beachwood Sparks und GospelbeacH („You Don’t See Me Crying“), Hazy Malaze („Soul Gets Lost“) und Circles Around the Sun („All The Luck In The World”, „Bird With No Name“), die ihn auf dem Tribute würdigen. Auch bei Hard Working Americans – zusammen mit Todd Snider – sowie bei The Skiffle Players war Casal aktiv. Als Sessionmusiker stellte der Multiinstrumentalist seine Fähigkeiten einer Vielzahl von Künstlern zur Verfügung. So arbeitete er unter anderem mit Todd Thibaud , Lucinda Williams, Tift Merritt, Amanda Shires und Willie Nelson zusammen.

Von außen betrachtet, würde man von einer erfüllten Karriere ausgehen. Casal schied allerdings 2019 mit fünfzig Jahren freiwillig aus dem Leben. Sein Freund und Manager Gary Waldman stieß das Tribute-Projekt an. Dave Schools (Widespread Panic) und Jim Scott produzierten das Werk mit, das schnell einen ungeahnten Umfang annahm. Ursprünglich auf achtzehn Songs angelegt, versammelt es in der Endfassung nun 41, die auf drei CDs beziehungsweise fünf LPs festgehalten sind. Als das Vorhaben bekannt wurde, meldeten sich viele Musiker, die mitwirken wollten. Letztlich nahmen 130 an dem Projekt teil.

Darunter sind viele Interpreten vertreten, die bei SoS keine unbekannten sind: Steve Earle & The Dukes („Highway Butterfly“),Shooter Jennings („Maybe California”), Susan Tedeschi & Derek Trucks („Day In The Sun“),Warren Haynes („Free To Go”), The Allman Betts Band („Raining Straight Down”) und Marcus King („No One Above You”).

Daneben steuern viele hierzulande nicht so geläufige Musiker ihre Versionen der Casal-Songs bei und hinterlassen so selbst eine Visitenkarte, um sich mit ihren Werken in Zukunft auseinanderzusetzen. Besonders „Detroit Or Buffalo“, performt von Jonathan Wilson und Hannah Cohen, sticht durch den erdigen Sound auf der ersten CD hervor. Auf der zweiten Scheibe überzeugt das rockige „Willow Jane“, das Britton Buchanan beiträgt, der bei The Voice in Amerika durchstartete. Angie McKenna singt „Fell On Hard Times“, welches in Ergänzung mit dem letzten Stück („I Will Weep No More“ – Robbie Robb) auf der dritten CD die Facetten des Songwritings von Casal eindrucksvoll belegt.

Die Zusammenstellung verdeutlicht Casals Talent. Sein eigener Stil im Bereich harmonischer und melodiöser Americana-Songs scheint auch bei den versammelten Interpretationen der anderen Musiker durch. Einzig der Song „Death Of A Dream“ erhält durch J Mascis (Dinosaur Jr.) eine völlig andere Ausrichtung, indem er ihn in einer Independent Rock-Version präsentiert. Bemerkenswert ist sicherlich auch das Lebenszeichen von Puss N Boots („These Days With You“), dem Alternative Country-Trio mit Nora Jones.

Dass das Projekt so eine große Resonanz gefunden hat, zeugt von dem Ansehen, das Neal Casal unter seinen Kolleginnen und Kollegen genoss. Möglicherweise spielte auch der Umstand eine Rolle, dass die Erlöse der Neal Casal Music Foundation zugutekommen. Die gemeinnützige Organisation unterstützt unter anderem die musikalische Bildung von Schülerinnen und Schüler in New York und New Jersey.

„Highway Butterfly: The Songs Of Neal Casal“ ist ein liebevoll gestaltetes Juwel geworden. Die Vinyl-Ausgabe enthält viele Extras wie die Songtexte, Aufkleber, Poster und unveröffentlichte Fotos. Casal betätigte sich auch als Fotograph, wobei das 48-seitige Booklet einen Einblick in diese Seite seines Schaffens gibt.

Obwohl Neal Casal zu Lebzeiten der ganz große Durchbruch verwehrt blieb, hinterlässt er ein beeindruckendes Werk, das durch eine Vielzahl von Musikern auf dem Tribute „Highway Butterfly: The Songs Of Neal Casal“ ins Gedächtnis gerufen wird. Ehemalige Weggefährten, Größen der Americana-Szene und Newcomer zollen ihm ihren Respekt und zeigen zugleich Casals Gabe, sensible und melodiöse Songs zu verfassen.

Neal Casal Music Foundation – Royal Potato Family (2021)
Stil: Americana

Tracks:
CD 1
01. Traveling After Dark – Aaron Lee Tasjan
02. Need Shelter – Jaime Wyatt
03. You Don’t See Me Crying – Beachwood Sparks & GospelbeacH
04. No One Above You – Marcus King
05. Feathers For Bakersfield – Fruit Bats
06. All The Luck In The World – Billy Strings & Circles Around the Sun
07. Sweeten The Distance – Dori Freeman & Teddy Thompson
08. Time Down The Wind – Hiss Golden Messenger
09. Me & Queen Sylvia – Johnathan Rice
10. Wisest Of The Wise – Mapache
11. Freeway To The Canyon – Phil Lesh & The Terrapin Family Band
12. Feel No Pain – Leslie Mendelson
13. Detroit Or Buffalo – Jonathan Wilson & Hannah Cohen
14. Day In The Sun – Susan Tedeschi & Derek Trucks

CD 2
01. Bird With No Name – Jimmy Herring & Circles Around The Sun
02. Maybe California – Shooter Jennings
03. White Fence Round House – Vetiver
04. December – Todd Sheaffer
05. Grand Island – Courtney Jaye
06. Superhighway – Oteil Burbridge & Nick Johnson & Steve Kimock & John Morgan Kimock & Duane Trucks
07. Willow Jane – Britton Buchanan
08. Too Much To Ask – Kenny Roby & Amy Helm
09. Time And Trouble – Bob Weir & Jay Lane & Dave Schools
10. Death Of A Dream – J Mascis
11. The Cold And The Darkness – Tim Heidecker
12. Free To Go – Warren Haynes

CD 3
01. So Far Astray – Rachel Dean
02. Highway Butterfly – Steve Earle & The Dukes
03. Angel And You’re Mine – Victoria Reed
04. Pray Me Home – Jason Crosby
05. Lost Satellite – Lauren Barth
06. The Losing End Again – Jesse Aycock
07. These Days With You – Puss N Boots
08. Cold Waves – Tim Bluhm & Kyle Field
09. Best To Bonnie – Zephaniah Ohora & Hazeldine
10. Let It All Begin – The Mattson 2
11. You’ll Miss It When It’s Gone – Cass McCombs & Ross James & Joe Russo & Farmer Dave Scher & Dave Schools
12. Fell On Hard Times – Angie McKenna
13. Raining Straight Down – The Allman Betts Band
14. Soul Gets Lost – Hazy Malaze & Jena Kraus
15. I Will Weep No More – Robbie Robb

Neal Casal
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Royal Potato Family
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Zac Brown Band – The Comeback – CD-Review

Mit dem sich anbahnenden Weihnachtsgeschäft lassen auch die großen Labels so langsam ihre großen Zugpferde aus den Startluken. Warner Music setzt dabei gerade auf einen seiner Dauerabonnementen auf die Country-Alben-Chartspitze, die Zac Brown Band. Von den bisher sechs veröffentlichten Studiowerken schafften es gleich fünf auf Platz 1 (drei davon auch in allgemeinen Billboard Top 100), lediglich das Debüt der Truppe aus Atlanta, Georgia, kam ’nur‘ auf Platz 2.

Der siebte Streich des, ähnlich wie Eric Church, für seine Experimentierfreudigkeit bekannten Zac Brown heißt nun „The Comeback“ und beinhaltet satte 15 Tracks. Der Titel erscheint mir statt einer erneuten Wiederkehr zu seinen Roots eher wie eine Kampfansage an Morgen Wallen in dem Sinne interpretiert werden zu müssen, dass dieser, seinen Dauerplatz an der Sonne in diesem Jahr, zumindest temporär, mal schön zu räumen hat.

Brown und seine Band loten zwar auch diesmal wieder einen großen Spielraum aus, den das moderne Country-Genre in Kombination mit anderen Stilen zu bieten hat, diesmal aber ohne bewusst eingeplantes Verärgerungspotential seiner Fans, wie bei den früheren Alben „Jekyll + Hide“ und „The Owl“. 

„The Comeback“ ist demnach ein selbstbewusstes kurzweiliges, abwechslungsreiches und gut zu hörendes New Country-Album geworden, das so gut wie keine Schwachstellen aufweist, und dazu einige echte Highlights bietet. 

Freunde des schwungvollen, dynamischen New Country dürfen sich am rhythmisch-tanzbaren, garnicht langsamen Opener „Slow Burn“, dem euphorisch resümierenden „Us Against The World“ und dem finalen Rausschmeißer „Don’t Let Your Heart“ erfreuen, Traditionalisten bekommen mit „Wild Palomino“ (Midland-Manier), dem Veranda-mäßigen „Same Boat“ und dem Hillbilly-Heuler „Fun Having Fun“ ihre Vorlieben erfüllt.

Southern Rocker erhalten mit dem swampigen „Out In The Middle“ und dem Kracher „GA Clay“ ihren bevorzugten Stoff. Mittendrin der Titelsong, der mal die Petty-, Springsteen-, Mellencamp-Freunde ordentlich aufhorchen lassen wird. Karibisches Party-Feeling à la Jimmy Buffett garantiert „Paradise Lost On Me“.

Für die etwas zarter besaiteten Feingeister erfüllen die folkig-angehauchten „Any Day Now“ und „Love And Sunsets“ ihren Zweck, die Ohrwürmer des Werkes erhält man mit dem herrlich southern-souligen „Old Love Song“ und dem Balladen-Duett „Closer To Heaven“ mit Jazz-, Soul- und Blues-Interpret Gregory Porter.

Last but not least ist der Knaller des Albums die Kooperation mit Jung-Shooting Star Markus King bei „Stubborn Pride“. Allein schon das Akustikgitarren-Intro ist zum Niederknien, die beiden wunderbar divergierenden Stimmen, sowie zwei furios-filigrane King-E-Gitarren-Soli machen diesen 7-Minuten-Track zum krönenden Center-Song dieses Longplayers.

Mit „The Comeback“ finden Zac Brown und seine Mannen eindeutig wieder zurück in die Spur. Die Fans der frühen Jahre sollten dieses Werk erst mal genießen. Wer weiß, nach dem Gesetz der Serie, was der Protagonist als nächstes wieder im Schilde führt…

Warner Music (2021)
Stil: New Country

Tracklist:
01. Slow Burn
02. Out In The Middle
03. Wild Palomino
04. Us Against The World
05. Same Boat
06. Stubborn Pride (feat. Marcus King)
07. Fun Having Fun
08. The Comeback
09. Old Love Song
10. Any Day Now
11. Paradise Lost On Me
12. GA Clay
13. Love And Sunsets
14. Closer To Heaven (feat. Gregory Porter)
15. Don’t Let Your Heart

Zac Brown Band
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Warner Music

Sammy Brue – Crash Test Kid – CD-Review

cover Sammy Brue - Crash Test Kid_300

Review: Gernot Mangold

Sammy Brue ist hierzulande noch ein ziemlich unbeschriebenes Blatt. Nun ist der junge, aus Oregan stammende Musiker auf dem Weg dies zu ändern. Schon im zarten Alter von 10 Jahren begann er selbst Songs zu schreiben und benannte in der Vergangenheit Woody Guthrie als einen Künstler, der ihn sehr beeinflusste.

Mit „Crash Test Kid“ bringt er nun das dritte Album seiner noch jungen Karriere heraus, durfte sich aber im Frühjahr schon dem europäischen Publikum im Vorprogramm von Marcus King beweisen. Ich war selbst beim Konzert in der Kölner Kantine, kurz vor dem Coronacrash vor Ort und durfte erleben, wie Sammy Brue alleine, nur mit Akustikgitarre den Fans vor dem Marcus King-Gig, die Zeit mit einem erfrischenden Auftritt verkürzte.

Der eigentliche Höhepunkt für ihn, was auch seine Qualität untermalt, war, dass Marcus King ihn zum Neil Young-Klassiker „Down By The River“ im Zugabenteil mit auf die Bühne holte und sich dort auch Gesangparts mit ihm teilte.

Brue_ColNun aber zum neuen Album „Crash Test Kid“. Brue legt ein 11 Stücke umfassendes Werk vor, in welchem Americana- und Folk-Elemente überwiegen. Diese bringt der junge Musiker, passend zum Titel des Albums, mit jugendlicher Unbeschwertheit,  crashend und dynamisch auf die Platte. Schon den ersten Song „Gravity“ präsentiert locker, fast erzählend mit peppigen Zwischenpassagen. Ein einfacher schöner Folksong, in dem die Stimme und die akustische Gitarre in Vordergrund stehen.

Mit „Die Before You Live“ nimmt die Platte dann Fahrt auf. Stilistisch bleibt er auf seiner Grundlage Americana/Folk. Ein sehr einprägsames Songwriting begeistert, wobei es mich zuweilen an die alten Waterboys erinnert, was ich in dem Zusammenhang als Kompliment sehe.

Ähnlich geht es zunächst bei „Teenage Mayhem“ weiter, wobei schon nach kurzer Zeit auch durch die einsetzenden Begleitinstrumente richtig Schwung in den Song kommt. Ein furioser dynamischer Track, der zuweilen auch mit punkigem Einschlag rüberkommt. Für mich als Fan der alten New Model Army einer der Highlights des Albums, der live die Fans zum Tanzen bringen wird.

Mit „True Believer“ wird es in der Art alter amerikanischer Songwriter wieder ruhiger. „Pendulum Thieves“, wieder etwas schneller gespielt, zeugt auch davon, wie der junge Sammy Brue alle Instrumente harmonisch vereint und es ihm gelingt, eingängige Harmoniestrukturen zu erzeugen.

In „Crash Test Kid“, dem Titelsong, erzählt er eine Geschichte, wo er in den meisten Zeit nur vom Piano beleitet wird und durch später einsetzende Streichinstrumente ein fast schon orchestraler Sound erreicht wird, der auch in eine Rockoper passen würde. „Megawatt“ ist ein eingängiger gut tanzbarer leicht poppiger Folkrocksong.

„Fishfood“ ist erneut ein punkig angehaucht, der stimmlich fast anklagend daherkommt und je weiter er voranschreitet, an Dynamik zunimmt.
In „Skatepark Doomsday Blues“ ist das Grundelement passend zum Titel, der Blues, der in einigen Passagen Erinnerungen an „House Of The Rising Sun“ weckt. Ein tolles Songwriting, wo, ob bewusst oder unbewusst, auch auf Traditionelles zurückgegriffen wird, was für mich aber in keinen Fall einen Makel darstellt.

Auch bei „What You Give“ kann man zuweilen im Unterton „My Generation“ raushören. Der Song erinnert mich in weiten Passagen an damalige britische Größen aus der Zeit der Kinks oder The Who, transferiert in das heutige Americana. Zum Ende der Platte malt Sammy Brue mit „Paint It Blue“ noch einmal einen einfühlsames Folklied, um sein neues Werk eher bedächtig abzuschließen.

Fazit: Dem jungen Amerikaner Sammy Brue ist mit „Crash Test Kid“ ein starkes Folk-Americana Album gelungen, was bestätigt, dass mit ihm ein neuer Stern in diesem Musikgenre aufgegangen sein könnte. Man darf gespannt sein, wie es mit der Karriere des jungen Künstlers, auch in Europa, weitergeht. Im Frühjahr bewies er, dass er es auch live kann. Schön wäre, wenn er in absehbarer Zeit die Möglichkeit bekommt, sich dann mit Begleitband auf den hiesigen Bühnen zu präsentieren.

New West Records (2020)
Stil: Folk, Rock, Americana

Tracklist:
01: Gravity
02: Die Before You Live
03: Teenage Mayhem
04: True Believer
05: Pendulum Thieves
06: Crash Test Kid
07: Megawatt
08: Fishfood
09: Skatepark Doomsday Blue
10: What You Give
11: Paint It Blue

Sammy Brue
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Marcus King – El Dorado – CD-Review

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Gerade mal Anfang Zwanzig, bringt der aus Greenville, South Carolina, stammende Marcus King mit „El Dorado“, bereits schon das vierte Album auf den Markt.

Neu ist, dass er hier jetzt ganz unter eigener Fahne firmiert und die Musik noch stärker auf seine Vorstellungen fixiert zu haben scheint.

Dafür hat er sich mit dem Songwriter, Sänger und Gitarrist von The Black Keys, Dan Auerbach, zusammengetan, der die neuen zwölf Stücke in seinem eigenen Studio in Nashville, mit eingespielt und produziert hat. Auch mit dabei prominente Musiker wie u. a. Gene Chrisman (drums) und Bobby Woods (keys).

Im Prinzip, soweit ich die beiden anderen bisher hier reviewten Alben noch im Sinn habe, ist der größte Unterschied das Weglassen der Bläserelemente. Die Musik bewegt sich wieder in einem breiten Rahmen aus Country-, (Southern) Soul-, Gospel, R &B, Blues- und Rock-Ingredienzien, allerdings harmonisch ineinander greifend, umwittert meistens von ein gewissen Retro-Charme.

Getragen wird sie von Kings eigenwilliger, hell-raspeliger Stimme und seinem feinen Gibson-ES-E-Gitarrenspiel. Bei den countresken Sachen wie u. a. „Young Man Dream“, „Sweet Marionna“ , „Beautiful Stranger“ oder „Too Much Whiskey“ (ziemlich unverhohlen abgekupfert bei Charlie Daniels‘ „Trudy“) hört man die Pedal Steel wimmern, bei letztgenanntem kommt auch eine Harp zum Einsatz. Zuweilen finden auch retromäßige Streicher in ausgewählte Tracks („Break Me“, „No Pain“).

Ansonsten spielen (E-) Piano und Organ für die atmosphärische Note eine große Rolle, die Backgroundsängerinnen sorgen für einiges an Gospel- und Soul-Flair.

Richtig gerockt wird beim stampfenden „The Well“ (erinnert an die Band Of Heathens), „Say You Will“ (psychedelische Note, saustarkes E-Gitarrensolo) und „Turn It Up“ (hat was von den alten Free).

Mein persönlicher Favorit des Werks ist der wunderbare Blues-Schwofer „Wildflowers & Wine„.

Wie bereits erwähnt, passt alles sehr gut zusammen. Trotzdem hat man auf „El Dorado“ bei Marcus King, wie einst bei den Jägern nach dem Goldland in Südamerika,  noch den Eindruck eines Suchenden nach dem richtigen Weg.

Fest steht aber schon jetzt, dass ihm angesichts seines außerordentlichen Talents, eine goldene musikalische Zukunft bevorsteht. Wir werden ihn live demnächst in der Kölner Kantine anchecken, wo er am 05. März auftreten wird.

Fantasy Records (2020)
Stil: Blues Rock, Southern Rock, Country, Soul

01. Young Man Dream
02. The Well
03. Wildflowers & Wine
04. One Day She Is Here
05. Sweet Mariona
06. Beautiful Stranger
07. Break
08. Say You Will
09. Turn It Up
10. Too Much Whiskey
11. Love Song
12. No Pain

The Marcus King Band
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