Ray Johnston Band – #GoesGoodWith – EP-Review

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Herbst im Sounds Of South. Nein, damit meinen wir nicht, dass es, aufgrund des miesen Wetters in den vergangenen Tagen, an der Zeit ist, wieder mal Trübsal zu blasen, noch dass musikalische Tristesse hier eingekehrt wäre. Mit der Ray Johnston Band und dem neuen Album „#GoesGoodWith“ haben wir jetzt schon wieder ein herrliches Werk zum Besprechen, das von Kultproduzent Erik Herbst (Eli Young Band, Sam Riggs, The Eagles, Casey Donahew Band, etc.) unter seiner Regie, in seinem Panhandle House Studio, fabriziert wurde.

Was für ein herrliches Teil! Ray Johnston präsentiert auf seiner neuen EP sechs unglaublich starke, abwechslungsreiche, von ihm, mit diversen Co-Writern wie u. a. Paul Overstreet, Roger Creager und Luke Combs, kreierte (New) Country-Songs, die das Genre-Herz absolut höher schlagen lassen. Der einzige Wermutstropfen ist eigentlich, dass nicht, wie bei seinem ebenfalls tollen Vorgänger „No Bad Days“, als auch nur eine EP geplant war, hier auch ein komplettes Album herausgekommen ist. Man hätte gerne noch weitere Tracks auf diesem Niveau gehört.

Das überaus kurzweilige Kurzwerk beginnt mit dem launigen „Make Mine A Double“, einem satirisch, wie selbst-ironischen Seitenhieb auf die heutige Überfluss-Gesellschaft. Ray berichtet, dass seine Mutter ihn immer zur Maßhaltigkeit erzogen hat, ob sie damit allerdings gemeint hatte, gleich zwei Vögel, mit nur einem Schuss aus der Steinschleuder, zu killen, bleibt dahingestellt… Jedenfalls warnt der mittlerweile geläuterte Bursche in humorvoller Art, dass das Streben nach immer mehr Konsum und Spaß sein dickes am Ende findet, wenn sich dann der zurückschlagende Ärger in vielfachem Maße potenziert.

Das wunderschöne Liebeslied „Beautiful You“ (hallende Orgel, Mandolinengezirpe) hat einen leicht introvertierten Touch, wie man ihn auch von Eric Heatherly kennt. Der Linedance-taugliche Uptempo-Countryheuler „Horses And Hearts“ kommt als schönes Duett mit dem erst 17-jährigen Shooting Star Abbey Cone, die hier gesangs-technisch ihr riesiges Potential mit einbringt. Das Stück erinnert nicht nur aufgrund des flockigen E-Gitarren-Spiels von Will Wails an Sachen von Vince Gill. Mit geschrieben hat das Stück übrigens Kylie Rae Harris, eine ebenfalls in Texas viel gebuchte Sängerin, die hier bei fast allen Tracks ihre perfekten Harmoniegesänge beisteuert.

Der spaßige Tex-Mex-Schunkler „Little Lupe“ macht mit typischem Text-Vokabular sofort Lust auf Tapas-Bar, Tequila und langhaarige, feurige Señoritas. Das mit einer ordentlichen Brise Southern Flair rockende Countrystück „My Liver Don’t Live Here Anmore“ ruft Reminiszenzen an Interpreten wie Travis Tritt oder auch die Pirates Of The Mississippi hervor. Klasse hier die verzahnten E-Gitarren- und Steel-Variationen.

Am Ende gibt es dann mit dem grandiosen „Watching The Lord Turn On The Lights“ noch mal ganz großes Country-Kino, wobei es an der Zeit ist, die großartigen Musiker zu erwähnen, die diese Scheibe famos eingespielt haben. Zum einen lässt Randy Rogers Band-Fiddler Brady Black auf diesem grassigen, in Veranda-Manier performten Klasse-Stück, sein Parade-Instrument ‚heulen‘ und der hier insgesamt überragend in Sachen Pedal Steel agierende Multi-Instrumentalist Milo Deering, dank technischer Möglichkeiten, klirrende Mandolinenklänge und raunzende Dobro in den ausgiebigen Solo-Teilen einfließen. Hinzu kommen noch Rocky Grimbles vorzügliches, klares Akustikgitarrenspiel plus klackerndes Banjo sowie am Ende Bradley Knights leise durchgurgelnde Orgel. Zwischendurch, so meine ich, sind noch als Gag, ein paar kurze krächzende Vogelgeräusche (? – wie von Raben) eingeblendet. Zur finalen Klärung hatte ich bei diesem Review aber leider gerade keinen sachkundigen Ornithologen an meiner Seite.

Wie dem auch sei, ein fantastisches Ende. Die Ray Johnston Band präsentiert auf „#GoesGoodWith“ den (New) Country, der gerade in Nashville wieder viel stärker in den Fokus rücken sollte. Keine Effekthaschereien oder künstlich wirkende Pop-Anbiederungen, wie sie zur Zeit bei vielen Interpreten Usus sind, sondern einfach nur gut und ‚organisch‘ produziertes Handwerk in schönem Sound. Erik Herbst hat es hier nahezu schulmäßig vorgemacht.

Übrigens, sehr zu erwähnen ist auch noch Rays soziales Engagement. Er selbst, der in jungen Jahren mehrfach seine Leukämie-Erkrankung besiegt hatte, setzt sich jetzt auch für Luke’s FastBreaks ein, eine Plattform, gegründet von einem 9-jährigen Jungen, die krebskranken Kindern unter die Arme greift und im Kampf gegen ihr Leiden, Mut machen möchte. Eine tolle Geste, wie wir meinen!

Eigenproduktion (2016)
Stil: (New) Country

01. Make Mine A Double
02. Beautiful You
03. Horses And Hearts
04. Little Lupe
05. My Liver Don’t Live Here Anymore
06. Watching The Lord Turn On The Lights

Ray Johnston Band
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Rob Baird – Wrong Side Of The River – CD-Review

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Drittes, wundervolles, ja geradezu umwerfendes Album des aus Memphis stammenden, heute aber in Texas lebenden Rob Baird. Welch eine Wonne! Hinreißender, genauso prächtig groovender, wie traumhaft melodischer Red Dirt Roots-, Americana- und Countryrock, der zu dem besten gehört, was das Genre zu bieten hat. Die Songs sind fantastisch! Vier Jahre war Rob Baird in sich gekehrt, um sich in seiner typischen Art mit aktuellen Dingen des Lebens wie Trubel, Ausdauer, Einsamkeit, Zurückweisung oder Depression thematisch in seinen neuen Songs auseinander zu setzen und betrieb damit auch ein wenig Selbstfindung in eigener Sache.

„Wrong Side Of The River“ heißt seine neue Scheibe und führt den Weg seiner beiden schon extrem starken Vorgänger konsequent fort. Das Album ist erneut ein zehn Stücke umfassendes, kleines Meisterwerk geworden, das einen von vorne bis hinten mit seiner Magie gefangen hält. Baird hat die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Scott Davis beendet und in Brian Douglas Philipps, einen neuen Multi-Instrumentalisten (guitars, keys, pedal steel, harmony vocals) als kongenialen Partner an seiner Seite gewonnen, der als Mitspieler, Songwriter und Produzent einen erheblichen Beitrag zu dem herausragenden Gesamtergebnis geleistet hat.

Die Musikerriege wurde zu früher komplett ausgetauscht und bewegt sich diesmal mit Jacob Hilddebrand (guitars, banjo), Z Lynch (bass, harmony vocals), Fred Mandujano (drums, percussion) und Jamie Harris (harmony vocals) in einem recht überschaubaren, aber umso kompetenteren Rahmen. Beim Songwriting ist aus älteren Tagen nur Rick Brantley als Co-Writer bei einem bärenstarken „Oklahoma“ übrig geblieben (unglaublich melodischer, dennoch herrlich „gritty“ und mit einem von effektvollen Gitarren- und Keyboard-Klängen und einem tollen Drive nach vorn getriebener, flüssiger Red Dirt Country-/Americana-Rocker), ansonsten assistierten Douglas Philipps und Leute wie Ruston Kelly und Ben Danaher.

Am typischen Rob Baird-Stil, einer dezent melancholisch und introvertiert klingenden Melange aus Country, Red Dirt, Americana und Roots Rock, wurde aber so gut wie nichts verändert. Gut so! Schon das Auftaktstück „Ain’t Nobody Got A Hold On Me“ (unterkühlte Retro Bariton-E-Gitarre, tolles Solo, hallende Orgel-Untermalung) mit seinen atmosphärischen Stimmungs- und Tempowechseln (starker Powerrefrain) lassen einen tief in Bairds Seelenleben eintauchen. Hat irgendwie den Vibe eines jungen Rodney Crowell. Ganz toller Song! Danach „bettelt“ Rob (immer noch so ein bisschen wie ‚Schwiegermutters Liebling‘ aussehend) in der, mit wundervoller Steelguitar verzierten, flockig, flotten Countryrocknummer „Mercy Me“ hingebungsvoll um Verzeihung (tolles Steel-/Bariton-Gitarren-Zusammenspiel, traumhafte Melodie).

Einer der wichtigsten Co-Writer dieses Albums ist der texanische Songwriter Mando Saenz. Der liefert in seiner extravaganten, rootsigen Manier die Ideen und Texte sowohl für das brillante, dezent Rockabilly-umwehte „Pocket Change“ als auch für die edle, ruhige, staubige, dabei wunderschöne Americana-Ballade „Horses“ (tolle Akustikgitarre). Zwei absolute Highlights! Herrlich auch die wunderbare, reduzierte Ballade „Run Of Good Luck“, bei dem sich die Instrumente wie Piano, Steel und Akustikgitarre sehr erhaben miteinander verbinden. Großartig hier zudem der Baird assistierende, texanisch gefärbte Harmonie-Gesang von Jamie Harris.

Der Titeltrack „Wrong Side Of The River“ begeistert mit leicht psychedelischem Teint, in einem klasse, ein wenig an Jason Isbell erinnernden Rootsrock-Ambiente mit kernigen Gitarren und Robs exzellenter Gesangsleistung. Das eingängige, mit einem sehr melodischen Refrain ausgestattete „Mississippi Moon“ wäre wohl eine potentielle Cover-Option für die Eli Young Band. Am Ende sinniert Baird voller Melancholie in „When I Go“, was wohl passieren würde, wenn er fortgeht. Die dritte Fremdkomposition des Werkes „Cowboy Cliche“ (Orgel, E-Gitarren-Fills, dezente Bläser), von dem bei Carnival Music unter Vertrag stehenden Songwriter Peter Hultquist, räumt mit Cowboy-Klischees auf und beendet sehr atmosphärisch und ruhig ein weiteres hervorragendes Baird-Exemplar.

„Wrong Side Of The Rive“ ist eine erneute absolute Glanzleistung des Protagonisten. Möge Rob Baird sich vielleicht in seinem Gefühlsleben auf der ‚falschen Seite des Flusses‘ wähnen, so hat der Texas-Troubadour musikalisch längst den richtigen Weg eingeschlagen. Welch ein beeindruckendes Teil.

Hard Luck Recording Co. (2016)
Stil: Country / Roots Rock

01. Ain’t Nobody Got A Hold On Me
02. Mercy Me
03. Pocket Change
04. Run Of Good Luck
05. Wrong Side Of The River
06. Oklahoma
07. Horses
08. Mississippi Moon
09. When I Go
10. Cowboy Cliche

Rob Baird
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Cooder Graw – Wake Up – CD-Review

CGraw

Wenn es sich eine Band erlaubt, einen der besten Songs des Albums als „hidden-track“ zu bringen, der ohne Übertreibung schon allein das Geld wert ist, zeugt das von einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein. Zu recht, denn mit ihrem dritten Studioalbum „Wake Up“ ist Cooder Graw ein echter Meilenstein im Country/New Country/Alternate Country/Countryrock-Genre mit 14 ebenso prächtigen Liedern, die vor besagtem, nicht in der Tracklist aufgeführtem Bonusstück platziert sind, gelungen, was zu die Vermutung zulässt, dass noch jede Menge kreatives Potential in diesem Quintett schlummert.

Eigentlich wollte man sich vor sieben Jahren mal nur zu einem gemütlichen Bier treffen und ein wenig jammen, man spürte aber sofort, dass die Geschichte ausbaufähig sein würde. Sänger Matt Martindale eröffnete nach Abschluss des Debütalbums seiner zum zweiten Mal schwanger gewordenen Frau, dass er die Juristerei an den Nagel hängen wolle, und sich vollständig der Musik widmen werde. Ein weiser Entschluss!

Auch Gitarrist Kelly Turner hatte zunächst ausdrücklich nur für einen Gig seine Unterstützung zugesagt, ist mittlerweile aber aus der Band nicht mehr wegzudenken. Ein mit entscheidender Grund der außerordentlichen Beliebtheit von Cooder Graw dürfte auch die ständige Live-Präsenz sein. Man höre und staune: Die Jungs stehen seit sieben Jahren fast jedes Wochenende auf der Bühne, was ihnen in Kritikerkreisen den Spitznamen „Road Warriors“ einbrachte.

Zwei personelle Veränderungen gibt es auf dem aktuellen Album: Nick Worley (Fiddle, Mandoline) und Kelly West (Drums) sind mittlerweile fest im Line-up integriert und stellen eine spürbare Belebung dar. Die Stücke sind allesamt abwechslungsreich, mit vielen instrumentalen Finessen und textlich intelligent verpackt. Eigentlich hätte jedes für sich ein paar Zeilen verdient.

Eine kleine Auswahl: „Clarksdale“, ein knackig kratziger, rootsiger Countryrocker mit sattem Rhythmusteppich, bestehend aus druckvollen Drums, Slidegitarre und Fiddleelementen, heizt direkt mal richtig ein. Sicherlich ein tolles Live-Stück! „Lifetime Stand“, die erste Single, ein melodisches, auf traditionellen Countryelementen basierendes, lockeres New Country-Lied mit netter Akustikgitarrenbegleitung und dezenten Fiddleeinlagen handelt von der oftmals schwierigen Suche einsamer Menschen, den richtigen Partner zu finden. „That Girl Crystal“ ist der absolute Kracher der CD. Der Song wurde von allen Bandmitgliedern zusammen komponiert. Er variiert zwischen Mid- und Uptempobereich, Martindales Stimme pendelt irgendwo relaxt an der Schnittstelle zum Sprechgesang. Granaten-Stratocaster-E- und Slidegitarrenspiel von Kelly Turner, inklusive eines furiosen Abschluss-Solos. Rootsig, staubig, trocken… – Texas Red Dirt Countryrock vom Feinsten!

„Ugly Angel“ ist eine herrliche Ballade, wieder mit wunderbaren Akustik und E-Gitarren, sowie unaufdringlichen Hammond-Einsätzen von Gastmusiker Andy Langham. Ach ja, da war ja noch der eingangs erwähnte „hidden track“ mit dem Titel „Come Pick Me Up“, eine Power-Ballade, die nach bedächtigem Akustik-Intro mit Einsatz von Piano, E-Gitarre, Fiddle und Neil-Young-mäßigem Harmonika-Spiel immer mehr Fahrt aufnimmt. Herrlich! Also bitte ’ne gute Minute nach Stück 14 warten und keinesfalls vorher die Repeat-Taste drücken. Für Cooder-Graw-Neueinsteiger wären z.B. Cross Canadian Ragweed, Django Walker oder Jason Boland & The Stragglers weitere, vergleichbare Orientierungshilfen.

Erwähnenswert vielleicht auch noch das lustige Titelbild (sieht aus wie eine Werbung für Kellogs Cornflakes) vom Bassisten Paul Baker kreiert, der auch das komplette graphische Design übernommen hat. Neben der vermeintlichen Müsli-Schale steht etwas von „Wake up“ (der Titel des Albums), „Net wt. 14 songs“ (eigentlich sind’s ja 15) und „A great way to get thru your day“! In der Tat, mit diesem Album kommt man bestens durch den Tag! Und auch durch den nächsten, den übernächsten…! Insgesamt ein brillantes Team-Work mit einer Spieldauer von weit über einer Stunde, das anregend und entspannend zugleich wirkt. Texas Country/Countryrock von seiner allerbesten Seite!

Smith Entertainment (2004)
Stil: Country Rock

01. Clarksdale
02. Lifetime Stand
03. Wake Up
04. That Girl Crystal
05. He Ain’t Ever Gonna Leave Her
06. Ugly Angel
07. Next To The Truth (Chiclets)
08. Afraid Of The Dark
09. Tomorrow’s Milk
10. How Can I Sleep
11. (Welcome To The) End Of The Road
12. Dirty And Sober
13. I Got Kids
14. Many Moons
15. Come Pick Me Up (Hidden Track)

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Cooder Graw – Love To Live By – EP-Review

Cood

Cooder Graw hatte ich seit ihrer hervorragenden “Wake Up”-Scheibe von 2004 irgendwie überhaupt nicht mehr auf dem Schirm. Ich dachte, die Band aus Lubbock, die ihren Stil seiner Zeit mal als ‚Loud Country‘ bezeichnet hatte, sei irgendwo auf ‚Nie mehr wieder sehen‘ in der texanischen Musik-Versenkung verschwunden.

Vor ca. zwei Wochen dann die Überraschung, es gibt wieder neue Musik der Truppe, die sich ursprünglich mal Coup de Grâce nannte und dann ihren Namen in die texanische Version Cooder Graw abänderte. So mailte ich ihnen ganz unverbindlich eine Review-Anfrage zu und schon kurze Zeit später lag die neue EP „Love To Live By“ in meinem Briefkasten. Vorbildlich, man merkt halt, dass Leute wie Bandleader Matt Martindale und Gitarrist Kelly Turner, im Gegensatz zu vielen anderen Musikern, zwischenzeitlich auch im ‚richtigen Leben‘ Fuß gefasst haben…

Auch die Rhythmusfraktion, bestehend aus Bass-Bediener Paul Baker und Drummer Kelly Test ist noch an Board. Neu im Line-up sind Carmen Acciaioli (mandolin, fiddle) und Danny Crelin an der Pedal Steel Gitarre. Dazu haben sich auf „Love To Live By“ mit dem Akkordeonspieler Joel Guzman, dem Gitarristen Brian Beken, dem Multinstrumentalisten Marty Muse, Stefan Intelisano (u. a. BoDeans, Patty Griffin, David Grissom – mittlerweile Mitglied in der neuen Supergruppe Big Cat mit Malford Milligan) und der starken Sängerin Leeann Atherton einige klingende Gäste der Texas Music Scene eingefunden.

Produziert hat der ebenfalls umtriebige Rich Brotherton (u. a. Robert Earl Keen, Rich O’Toole, Texas Renegade), der die schöne klare Produktion übernommen hat und sich auch instrumentell einbringt.

Die sechs Songs des neuen Werkes begleiten einen quasi von der Hölle bis ins Paradies. Vom Opener „Hello From Hell“ (entspannter texanisch gefärbter Country-Schwofer mit Akkordeon, Bariton-E-Gitarre und kurzem ’spanischem‘ Akustikgitarrensolo – Rich O’Toole-Flair) bis zum abschließenden „Adam And Eve“ (entspanntes Barroom-Relax-Feeling – richtig paradiesisch, pfeifende Steel, schön bluesige E-Solo-Parts mit Wah Wah-Komponente) präsentiert sich das Sextett in bestechender, ja, fast himmlischer Form.

Die darin eingebetteten und perfekt angeordneten vier anderen Stücke „Virgina Slims & Little Kings“ (schön southern rockig, starke Harmoniegesänge von Atherton, E-Gitarren-/Fiddle-Solo Kombi – ungewöhnlich: mit diesen beiden Instrumenten teilweise in Twin –Form), der Piano- und Steel-getränkte Country-Schleicher „Love To Live By“, der Akkordeon-trächtige, tolle „Mexican Blues“ und das flockige „Heart Of Breaking Up“ (erinnert irgendwie an Radney Foster) bieten extrem niveauvolle musikalische Unterhaltung.

Nicht zu vergessen Matt Martindales unverwechselbare Wohlfühlstimme, die den Songs ihr einzigartiges Esprit vermittelt. Der durch eine Bruderschaft mit Schauspieler Matthew McConnaughy verbundene Frontmann, der zwischenzeitlich auch mit seiner eigenen Matt Martinsdale Band immer wieder tätig war, hat alle sechs Tracks dieses tollen Silberlings komponiert.

Schade, dass es nicht für eine ganze CD gereicht hat. Stücke dieser abwechslungsreichen und kurzweiligen Art hätte ich gerne noch, in gleicher Anzahl oder mehr, so weiter hören können. Wie dem auch sei, hier liegt in der Kürze eindeutig die Würze. „Love To Live By“ erweist sich als tolle Rückmeldung von Cooder Graw. Sicherlich eine der ganz unverhofften Überraschungen dieses Jahres. Großartig!

Loud Country Records (2016)
Stil: Country Rock

01. Hello From Hell
02. Virginia Slims & Little Kings
03. Love To Live By
04. Mexican Blues
05. Heart of Breaking Up
06. Adam And Eve

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Will Hoge – Solo & Live – CD-Review

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Dass Will Hoge, wie ich bereits im Vorfeld schon vermutete, ein netter und sympathischer Typ ist, bestätigte sich, als ich nach seinem starken Auftritt im Kölner Studio 672, kurz die Gelegenheit hatte, mit ihm ein paar Sätze zu wechseln. Im Anschluss überreichte er mir dann noch das vorliegende Werk zur Besprechung.

Wenn ich seine Ausführungen gegen Ende der CD richtig interpretiert habe, wurde im Dezember 2015 ein Konzert in Jackson, Mississippi, im Rahmen seiner Solo & Live Tour mitgeschnitten und auf diesem Silberling veröffentlicht, sowie, begleitend zu seinen Auftritten, jetzt in Europa mit vertrieben. Für mich eine schöne Gelegenheit, den gerade frisch erlebten Gig in Ruhe nachträglich reflektieren und verarbeiten zu können, auch wenn sich die beiden Setlisten doch ein wenig unterscheiden.

Will eröffnete hier mit dem knackigen „Too Old To Die Young“ (in Köln nicht gespielt) und servierte seiner Anhängerschaft in den Staaten im folgenden Verlauf eine bunte Mixtur von Songs aus seinen vielen diversen Studio-Veröffentlichungen, mal mit Akustik- oder E-Gitarre, Piano in Kombination mit einigen Harp-Einlagen. Dabei macht er, wie zum Beispiel an „Times Are Not Changing“ bestens zu erkennen, keinen Hehl daraus, dass er ein Faible für die großen Songwriter der Endsechziger/siebziger Jahre besitzt.

Deutlich vernehmbar immer wieder das anprangernde, attackierende Moment in seiner Stimme, wie es auch für die Dylans, Guthries oder Seegers & Co. typisch war. Klasse vor allem auch die herrlich kauzige Version von „Jesus Came To Tennessee“. Toll für mich persönlich, dass ich jetzt auch eine Fassung vom großartigen „Still A Southern Man“ in meiner Tonträger-Sammlung besitze. Die eingängigen Sachen wie „Middle Of America“ und „Even If It Breaks Your Heart“ sind natürlich auch präsent.

Beim vorletzten, seiner Frau Julia gewidmeten Stück, „Damn Spotlight (Julia’s Song)“, erzählt Will, wie auch in Köln, ein paar Details über die Entstehung des Liedes: Kurze Zeit nach Geburt seines Sohnes musste er seine Familie wieder für eine neun Wochen andauernde Tour verlassen. Von Sehnsucht getrieben in einem Hotelflur in Kansas City während eines Schneesturms, ließ er dann spontan seine Emotionen freien Lauf und verarbeitete sie in diesem schönen melancholischen Song.

Den Rausschmeißer gibt auf diesem Werk das flockig rockende „Til I Do It Again“. Insgesamt ist Will Hoges „Solo & Live-Scheibe, wie bereits oben erwähnt, eine schöne Ergänzung zum erlebten Konzert. Für alle, die es nicht geschafft haben, seinen drei Auftritten hier beizuwohnen, ein schöner Ersatz, für das, was sie verpasst haben.

Wie ich von Will und auch der Vertreterin seiner Konzertagentur erfuhr, stehen die Chancen recht gut, dass er sich zeitnah wieder in unserem Lande blicken lässt. Die Krönung wäre es dann natürlich, wenn er noch ein paar Könner aus Nashville mit im Schlepptau hätte und im Bandgefüge performen würde. Wie dem auch sei, es gibt zumindest schon mal einen Grund zur Vorfreude…

Eigenproduktion (2016)
Stil: Singer/Songwriter

01. Too Old To Die Young
02. Doesn’t Have To Be That Way
03. When I Can’t Afford To Lose
04. Times Are Not Changing
05. (Pretty Sure) I’m Over You
06. Jesus Came To Tennessee
07. Little Bitty Dreams
08. When I Get My Wings
09. Through Missing You
10. Trying To Be A Man
11. Middle Of America
12. Woman Be Strong
13. Still A Southern Man
14. Even If It Breaks Your heart
16. Damn Spotlight (Julia’s Song)
17. Til I Do It Again

Will Hoge
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Adam Eckersley Band – The Second Album – CD-Review

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Die Adam Eckersley Band aus Australien nennt die Dinge klar beim Namen. Einfach und konkret. Bei den Jungs, weiß man, woran man ist. So hieß ihr Debüt „The First Album“ und das hier zu besprechende Zweitwerk „The Second Album“. Mit der Beantwortung der (hochspekulativen) Frage nach dem Titel des nächsten Silberlings der Musiker, dürften selbst heutige deutsche Abiturienten mit Leistungsfach Englisch nicht überfordert sein…

Übrigens, Vollbart tragen ist als Mitglied der Band absolute Pflicht. Ob sich der, neu zum bisherigen Line-up, bestehend aus Frontmann Adam Eckersley (lead vocals, lead guitar), Scotty Greenaway (bass), Drummer Benny Elliot, und “Arizona” Dan Biederman (hammond organ, keys), dazu gekommene Duncan Toombs (guitar, banjo), einen wachsen lassen musste, konnte die Recherche final nicht klären.

Nicht unerwähnt bleiben darf auch, dass Adam mit Brooke McClymont verheiratet ist, die sich hier auf diesem Werk mit guten Harmoniegesängen als klare Belebung erweist und beim Neil Young-Klassiker „Comes A Time“ auch im Duett überzeugt. Sie ist Part der McClymonts (eine von drei Schwestern), die bei uns auch schon besprochen wurden.

Produziert hat Nick DiDia (Bruce Springsteen, The Wallflowers, Kasey Chambers, Powderfinger), der die Musiker teilweise ohne ihr Mitwissen mitschnitt, um auf diesem Werk das spielerisch toll harmonierende Bandgefüge herauszuarbeiten und stärker ins Rampenlicht zustellen.

Der Opener des Albums „Live On“ wird durch eine sakral hallende Orgel eingeläutet und mündet dann in einen atmosphärischen Rocksong mit dezent progressivem Einschlag Richtung Mike & The Mechanics, wobei Eckersleys Stimme auch fortwährend so ein wenig was von der angenehmen Aura eines Paul Carracks verströmt.

Das shufflige „Talk About Love“ erinnert an die Art der Dirty Guv’nahs, eine gurgelnde Orgel, Harp-Solo und slidende E-Gitarre
drücken diesem starken Song den Stempel auf. Von „Devils Lullaby“ (Akustikgitarrenuntermalung, schöne Twin-Parts) bis „Freedom“ (folkige Note, Banjo, angenehme E-Gitarren) wird eine etwas ruhigere Phase eingeläutet.

Das großartige, in Bakersfield-Manier abgehende „Mocha“ geht durch Mark und Bein (eine herrliche ‚Plapper‘-Gesangseinlage von Eckersley als Zwischenbridge inbegriffen), das quirlige E-Gitarrensolo hätte ein Vince Gill nicht besser spielen können. Mein persönliches Highlight! Die Black Crowes könnten beim psychedelisch rotzig groovenden „Good Night“ Pate gestanden haben. Klasse Harmonies von Brooke McClymont und fett kreischende E-Gitarren zu polternden Drums und hallender Orgel geben dem energiegeladenen Track ihre Würze.

Die piano-getränkte Ballade „Lost Time“ (famose Orgelglucker-Passage, herrliches atmosphärisches Southern E-Solo),und das, noch unter Eindruck der Geburt der Tochter stehende „Hey Little Daughter“ bieten nochmal Zeit zum Durchatmen und Entspannen, bevor das furiose 7:18 Minuten währende „Took That Woman“ erneut das Southern Rock-Gen (à la Zach Williams & The Reformation) des Quintetts zum Abschluss mit großartigen E-Gitarren eindrucksvoll freilegt.

Das zweite Album der Adam Eckersley Band beweist, dass man auch in Australien richtig guten, facettenreichen Southern Rock zu performen weiß. Die, auch im Studio, überzeugend dargebotene Spielfreude, dürfte live sogar noch besser zur Geltung kommen. Umso schöner, dass die Burschen um Adam Eckersley im Herbst auch in unseren Gefilden zu sehen sein werden. Hingehen absolute Pflicht!

Universal Australia (2015)
Stil: Roots/Southern Rock

01. Live On
02. Talk About Love
03. Devils Lullaby
04. Wheels
05. Comes A Time
06. For You
07. Mocha
08. Good Night
09. Lost Time
10. Hey Little Daughter
11. Took That Woman

Adam Eckersley Band
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Teenage Head Music

Stevie Nimmo – Sky Won’t Fall – CD-Review

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Nachdem ich, wie vor kurzem beschrieben, die beiden Nimmo-Brüder, was ihre Bühnenaktivitäten betrifft, schon recht ausführlich unter die Lupe genommen habe, ist es mir jetzt vergönnt, auch mal einen musikalischen Datenträger zu beleuchten.

Stevie Nimmo war nach fast sechs Jahren Abstinenz mal wieder im Studio und präsentiert uns auf seiner neuen CD „Sky Won’t Fall“ ein weiteres gelungenes Werk, nachdem er ja schon auf seinem Debüt „The Wynds Of Life“ eine überaus starke Leistung abgeliefert hatte. Der Silberling beinhaltet neun neue Eigenkompositionen von Stevie, die er zum Teil auch schon bei seinem Auftritt im Dortmunder Blue Notez vorgestellt hatte, plus einem gelungen Allman Brothers-Cover von „Gambler’s Roll“ von der damaligen „Seven Turns“-Platte.

Sämtliche Tracks sind dazu im Cover-Artwork mit kleinen ganz interessant zu lesenden Anekdoten zur Entstehung/Intention von ihm beschrieben. Der Opener „Chains Of Hope“ beginnt nach ein paar kurzen Instrumentalspielereien mit einem krachenden E-Gitarrenintro. Ein toller schwerer Southern Blues Rocker mit starkem Strat-Solo. Zu dem spricht er mir mit diesem Song aus der Seele, er hinterfragt die unsägliche I-Phone-Hysterie, mit all ihren negativen Begleiterscheinungen.

Das mit einem zum Titel passenden rollenden E-Lick geführte „Roll The Dice Again“ (toll auch das zweite Wah-Wah-E-Solo) verbreitet die einfache Message, das man das, was man gerne macht, auch weitertun sollte, weil es irgendwie doch immer in einem steckt. Das relativ soulig dahingleitende „Change“ wird gegen Ende von einem nahezu dramatischen E-Solo durchbrochen, das es in sich hat. Starke Nummer.

„Running Back To You“ ist der obligatorische Slow-Blues, der auf ein Blues Rock-gefärbtes Album einfach draufgehört. Stark besungen und mit langen E-Gitarrenpassagen durchzogen. Klasse! Wenn eine Texas-‚Steel-Ikone‘ wie Lloyd Maines seine Dienste einem europäischen Künstler zur Verfügung stellt, kommt das einem musikalischen Ritterschlag nahezu gleich. So geschehen auf „Walk The Thin Line“, naturgemäß ein Lied mit Countrynote.

Das schön eingängige „I’ll Pray For You“ erinnert in seiner Melodik fast an Sachen der legendären Brit-Melodic Rocker FM. Auch sehr angenehmer Stoff. Mit dem satt stampfenden „Still Hungry“ geht es ein wenig in Richtung Storyville, eine Band der Stevie ja auch bekanntermaßen sehr zugetan ist. Auch hier gibt es wieder deftige E-Gitarrenkost (inkl. Wah-Wah-Solo) zu belauschen.

„Gambler‘s Roll“ ist sehr stark gespielt, kann dem Original aber nicht ganz das Wasser reichen, da hier die Einspielung im Trio (nur mit Matt Beable und Craig Bacon) im Vergleich zum umfangreichen ABB-Line-up, etwas zu limitiert erscheint. Mir fehlen hier Piano und Orgel, auch die verlebte stimmliche Aura von Gregg Allman (obwohl Nimmo ja ebenfalls ein guter Sänger ist) ist einfach nicht transformabel. Das Ganze ist bildlich gesehen fast so, als wenn Stevies Partick Thistle-Kicker mit drei Mann weniger gegen den FC Barcelona bestehen müssten. So ein Kunststück wäre auf dieser Welt, wenn überhaupt, nur einem Verein wie Rot-Weiss Essen zuzutrauen…!

Das wieder mit einer dezenten Countrynote und Harmoniegesängen beschwingt dahingroovende „Lovin‘ Might Do Us Good“ sowie das sehr persönliche „Love You More Tonight“ (rein akustisch gehalten, schöne Slide-Einlage) lassen „Sky Won’t Fall“ angenehm ausklingen.

Fazit: Ein rundum gelungenes Werk, das mit recht einfachen Mitteln ein hohes Maß an Ertrag offeriert. Ein paar evtl. Tasten- und Bläsereinlagen, sowie auch weibliche Harmoniegesänge würden sicherlich mehr Volumen und Abwechslung ins Spiel bringen, als die klassische, konsequent durchgezogene Blues-Trio-Linie. Trotzdem: Solange es weiter solch grundehrliche und authentische Leute wie Stevie Nimmo gibt, wird uns der musikalische Himmel noch lange nicht auf den Kopf fallen!

Manhaton Records (2016)
Stil: Blues Rock

01. Chains Of Hope
02. Roll The Dice Again
03. Change
04. Running On Back To You
05. Walk The Thin Line
06. I’ll Pray For You
07. Still Hungry
08. Gambler’s Roll
09. Lovin’ Might Do Us Good
10. Love You More Tonight

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Jimmy Cornett And The Deadmen – 16.10.2015, Zentrum Altenberg, Oberhausen – Konzertbericht

Der zugezogene Hamburger, der tatsächlich aussieht, als ob er aus einer düsteren Hafenspelunke entsprungen wäre, und seine toten Männer gaben am 16.10.2015 im Zentrum Altenberg ein authentisches Stelldichein, nachdem zuvor die sympathischen Silverettes den Gig als Support eröffnet hatten.

Vermutlich dem typisch norddeutschen Sauwetter mit strömendem Dauerregen geschuldet, fanden sich in der Oberhausener Industrie-Kultstätte nur knapp 100 Leute ein. Im Gepäck hatte der Vierer, bestehend aus Jimmy Cornett (Lead vocals, acoustic guitar), Dennis Adamus (Lead guitar), Thomas Raabe (Drums) und Frank Jäger (Upright bass) sein neues Werk „The Ride“, aus dem dann auch schwerpunktmäßig Tracks wie „Devil Got My Soul“, „For The Ride“, „Guardian Light“, „Raise The Dust“ sowie einige gelungene Coverversionen (klasse: „One Horse Town“ von Blackberry Smoke) vorgestellt wurden.

Dem äußerst trink-, tanz- und feier-freudigen Publikum wurde ein unterhaltsamer rauer und erdiger Abend voller Country, Rock, Southern Rock sowie dezenten Rockabilly-Zutaten geboten, bei dem das Quartett um seinen charismatischen Fronter Jimmy Cornett vollends überzeugte.

Jimmy Cornett And The Deadmen sollte man live gesehen haben!

Jimmy Cornett And The Deadmen
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Zentrum Altenberg

Thorbjorn Risager & The Black Tornado – 12.11.2015, Piano, Dortmund – Konzertbericht

Auf diesen Abend hatte ich mich schon richtig gefreut. Zum Einen, weil ich im schönen Dortmunder Piano-Musiktheater, in dem ich bis jetzt immer tolle Konzerte erlebt habe und mich auch sonst pudelwohl fühle, schon längere Zeit nicht mehr gewesen bin, und nicht zuletzt wegen der zwei tollen Videoclips von Thorbjørn Risager, von dessem aktuellen CD/DVD-Package aus der Ruf-“Songs From The Road Reihe“, die auf der Piano-HP zur Event-Beschreibung im Vorfeld präsent und einem den Mund schon richtig wässrig gemacht hatten.

Des Weiteren hatte ich meinen gerade vierzig Jahre alt gewordenen, wesentlich jüngeren Bruder angesichts dieses Ehrentages zu einem erstmaligen gemeinsamen Konzertbesuch eingeladen, um seinem verschrobenen, von Grunge-Geschrammel geprägten und versauten Musikgeschmack, mal etwas Entwicklungshilfe zu leisten. Der musste aber letztendlich seinem anstrengenden Leben zwischen Zelluloid-Ballspiel in der Schweiz, ständig beruflich bedingter Asienreisen sowie Vater-Kind-Laterne-Bastel-Schul-Abenden und sonstigen gesellschaftlichen Zwängen, die bedauernswerten heutigen Väter von Frauen Marke Manuela Schleswig aufoktroyiert werden (um auch noch deren letzten Funken Würde und Selbstbewusstsein zu zerstören), Tribut zollen, und aufgrund eines immer noch nicht ganz auskurierten und sich wieder meldenden Bandscheibenvorfalls, kurzfristig das Handtuch werfen. Auch von den üblichen Verdächtigen aus meinem Bekanntenkreis, die auf solchen Gigs normalerweise auftauchen, leider keine Spur. So durfte ich diesen starken Risager-Abend mit den restlichen angenehmen Leuten, die sich für den Besuch an diesem Donnerstag entschieden hatten, ‚alleine‘ erleben.

Das Piano war recht gut gefüllt, aber es war überall noch gut Luft zum ‚Atmen‘ um Einen herum. Der Bandleader samt der weiteren Mitstreiter Peter Skjerning, Kasper Wagner, Peter Kehl, Søren Bøjgaard, Emil Balsgaard sowie Martin Seidelin begrüßte um 20:05 Uhr seine Audienz in gebrochenem Deutsch. Das Septett heizte mit dem, von einem typischen Quo-Riff getragenen „If You Wanna Leave“ sofort mächtig ein. Es folgte (in der Nachbetrachtung) direkt mein persönliches Highlight dieses Gigs, der schön soulige Schwofer „Burning Up“, durchzogen immer wieder von perfekter Fill-Arbeit der auch im gesamten Verlauf des Abends vielbeschäftigten Bläser-Section.

Über „Paradise“, „Drowning“ und dem retrobehafteten „The Straight And Narrow Line“ (mit HT-Pianoeinlagen) folgten dann bei „Train“ die ersten country-lastigeren Klänge, wobei Peter Skjerning den Bottleneck über die Saiten streifen ließ. Weiter ging’s mit „Im Tired“ im klassischen Blues-Schema. Toll auch die sehr atmosphärisch dargebotene Ballade „China Gate“. Das poltrige „Rock’N’Roll Ride“ bot erste Mitsing-Gelegenheit fürs Publikum und beendete einen launigen ersten Setteil gegen 21:00 Uhr. Nach ca. einer halben Stunde Pause und der Möglichkeit, den Flüssigkeitshaushalt wieder zu stabilisieren, fegten Risager und seine Jungs dann mit dem stonesken „High Rolling“ los. Eine starke Nummer, auch wenn mir hier als Gegenpart zu Risagers Röhre die Backgroundsängerinnen doch gefehlt haben, für die ich generell ja auch ein Faible besitze.

Das Slide-lastige „Too Many Roads“ ließ das Herz des berichtenden Country- und Southern Rock-Liebhabers natürlich höher schlagen. Saustarke Nummer. Erheiternd immer wieder die deutschen Ansagen zu den Songs der einzelnen Bandmitglieder. Gerade in unseren ‚integrations-bemühten‘ Zeiten eine tolle Geste an das hiesige Publikum. In diesem Fall leitete Drummer Martin Seidelin das herrlich groovende und funkende „Precious Time“ ein. „The Long Forgotten Track“ mit schöner E-Bariton-Gitarre verbreitete wieder gediegenen Country-Charme, klasse die gefühlvoll dazu plusternden Kehl und Wagner.

Der Swamp-Blues „On My Way“, kam meinen Präferenzen erneut entgegen, das fetzige von Gitarrist Skjerning angesagte„All I Want“ (fulminantes Risager-E-Solo) und das bläserlastige „Baby Please Don’t Go“ kamen im gleichen Dreier-Pack wie auf der aktuellen DVD. Risager lobte wieder in bemühtem Deutsch das ‚beste Publikum der Welt‘ und die schönste Location, in der er je gespielt hatte, wohl wissend, dass er diesen Spruch vermutlich schon bei zig anderen Auftritten losgelassen hatte. Welch ein Schelm, aber im Prinzip kommt er der Wahrheit, was das Piano betrifft, ja auch ziemlich nahe! Und so war dann heftige Swing Time beim furiosen Retroschunkler „Let The Good Times Roll“ angesagt, das dann auch einen richtig gelungen 2. Set abschloss. Die stürmisch eingeforderte Zugabe wurde dann mit dem zünftigen und vom Titel für diesen Anlass skurril anmutenden „Opener“ befriedigt.

Ein tolles Finish um 22:25 Uhr. Das Kommen zu Thorbjørn Risager und seinen Black Tornado hatte sich in allen Belangen gelohnt. Vielen Dank natürlich auch an Jennifer von 3Dog Entertainment für die abermals nette Zusammenarbeit!

Thorbjørn Risager & The Black Tornado
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Musiktheater Piano
3Dog Entertainment

Madison Violet – 24.04.2009, Karo, Wesel – Konzertbericht

Das war für mich irgendwie ein ganz seltsamer Abend. Gefahren bin ich an diesem Freitag in mein geliebtes Weseler Karo wegen Madison Violet. Empfohlen hatte mir das Duo Karo-Leiter Mathias Schüller schon vor einigen Monaten beim Band Of Heathens-Konzert. Danach vergingen Wochen, ohne dass ich einen weiteren Gedanken an die kanadischen Mädels verschwendete (welch blöder Ausdruck…). Dann erreichte mich plötzlich ein Newsletter von der Promo-Agentur, die das neue MV-Album „No Fool For Trying“ ankündigte.

Ich mailte die Agentur an und bat um eine Akkreditierung für das Weseler Konzert und gleichzeitig um ein Rezensionsexemplar der CD – man möchte ja schließlich nicht unvorbereitet zu solch einem Gig. Prompt hatte ich zwei Tage später das Teil im Briefkasten. Der Konzerttermin war in meinem Kalender auf der Arbeit vermerkt. Unglücklicherweise brach ich mir vor 14 Tagen den Zeh meines rechten Fußes und überlegte, ob ich den Gig angesichts der zu erwartenden Standzeiten wahrnehmen sollte, zumal noch keine Akkreditierungszusage vorlag. Aber siehe da, die Agentur hatte sich bereits um alles gekümmert. Also hieß es doch auf die Zähne zu beißen.

Damit komme ich jetzt zum eigentlichen Anliegen des Abends, Madison Violet, alias Brenley MacEachern und Lisa MacIsaac, zwei hübsche und musikalisch sehr beschlagene Kanadierinnen. Die präsentierten ihr neues Werk „No Fool For Trying“, das auch schon im Studio recht sparsam (aber dafür umso exzellenter und filigraner) instrumentiert war, als reines Duo und reduzierten ihre Songs demnach vom Gehalt her auf ein Minimum, was der äußerst charmanten, sympathischen und humorvollen Performance aber keinen Abbruch tat.

Im Gegenteil, dem Zuschauer/Zuhörer wurde gerade deshalb ein konzentrierter Blick auf ihr umfassendes Können geboten. Beide zeichneten sich durch ihren hervorragenden Einzel-Gesang (federführend hier hauptsächlich die mit ihren geflochtenen Zöpfen superhübsch und countrygirlmäßig rüberkommende Brenley MacEachern) aus, der Knaller an sich waren aber die wirklich auf den Punkt gebrachten und fast schlafwandlerisch sicher sitzenden Harmoniegesänge (klasse hier Lisa McIsaac).

Nicht zu unterschlagen natürlich auch ihre instrumentellen Fertigkeiten in Sachen Akustikgitarren- (beide), Fiddle-, Mandoline- (Lisa) und Harp-Spiel (Brenley). Der Vortrag begann wie auf der CD mit dem wunderbar atmosphärischen „The Ransom“, über „Best Part Of Your Love“, gefolgt von Brenleys kurz skizzierter und in einem Song verfassten Abkehr von materiellen Werten bei „The Skylight“. Dem Titelsong ihres Silberlings „No Fool For Trying“ wurde Brenleys ‚Suche nach dem perfekten Schnitzel in Deutschland‘-Anekdote (süß ihr Akzent bei der deutschen Aussprache) vorgeschoben. Eine engagierte Zuschauerin überreichte ihr daraufhin Recherchematerial diesbezüglich… oder eine Speisekarte, was letztendlich nicht aufklärend zu erkennen war.

Die gesangstechnische Einbindung des Publikums entpuppte sich beim allerdings auch recht schwierig mitzusingenden „Men Who Love Women“ als gut gemeinter Vorsatz. Der wohl emotionalste Moment des Abends war, als die beiden das MacEacherns getötetem Bruder gewidmete „The Woodshop“ vortrugen, bei dem man Brenley deutlich den Kloß im Hals in der sichtlich berührten Gesangspräsentation anmerkte. Der Song ging unter die Haut.
Das berühmt berüchtigte Simon & Garfunkel-Cover „Mrs. Robinson“ (ich hasse Simon & Garfunkel…) und mein persönliches Lieblingsstück des aktuellen Albums, das flotte „Lauralee“ (herrlich hier einmal mehr die brillanten Harmonies) beendeten eine kurzweiliges Programm, das mit der Zugabe „Sore Heart“, einer Gemeinschaftsarbeit der beiden mit Ron Sexsmith, eine Spielzeit von einer guten Stunde erreichte.

Beide Mädels überzeugten als musikalisch glänzendes und harmonisches Team, die angenehme Optik gab’s noch obendrauf. Einem weiteren Besuch meinerseits (hoffentlich dann mal mit kompletter Bandunterstützung) steht demnach nichts im Wege, zumal weitere, zukünftige Auftritte in Wesel, angesichts der offensichtlichen Wohlbekundungen der beiden ‚Macs‘, als wahrscheinlich gelten dürften. Ich freu mich drauf!

Madison Violet
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