Allison Moorer – Blood – CD-Review

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Review: Michael Segets

Mit „Blood“ legt Allison Moorer jetzt ihr zehntes Studio-Album vor. Ursprünglich aus der Country-Ecke kommend erhielt sie für ihren Beitrag zum Film-Soundtrack „Der Pferdeflüsterer“ eine Oscar-Nominierung. Bekannt dürfte Moorer vor allem auch durch ihre Kooperationen mit Kid Rock und Steve Earle – mit dem sie einen Sohn hat – sein. Vor zwei Jahren brachte sie „Not Dark Yet“ zusammen mit ihrer älteren Schwester Shelby Lynne heraus. Moorer co-produzierte den Longplayer „What It Is“ von Hayes Carll, den sie vor kurzem heiratete.

Musikalisch und privat führte Allison Moorer ein bewegtes Leben. Dieses verarbeitet sie in ihrem Buch „Blood“, das nahezu zeitgleich mit dem Album erscheint. Prägend war das traumatische Ereignis ihrer Kindheit, als sie und ihre Schwester miterlebten, wie ihr Vater zuerst ihre Mutter und dann sich selbst erschoss.

Als Moorer fühlte, dass sie ihre Erinnerungen und Fragen nicht nur in epischer, sondern auch in lyrischer beziehungsweise musikalischer Form ausdrücken musste, entstanden die meisten Songs parallel zu ihrem Buch. Bis auf „I’m The One To Blame“, das von Shelby Lynne und Franklin Moorer geschrieben wurde, stammen alle Stücke aus der Feder von Allison Moorer. „Cold Cold Earth“ erschien allerdings bereits als Hidden-Track auf ihrem zweiten Album „The Hardest Part“ (2000).

„Blood“ ist insgesamt ein ruhiger Longplayer. Wie bei dem wunderbar sanften Titelstück steht bei der Begleitung meist die akustische Gitarre im Zentrum. Manchmal kommen dezente Streicher zum Einsatz („Set My Soul Free“), bei „Nightlight“ eine melodiöse Trompete. Etwas voller instrumentiert sind „Bad Weather“ und „The Ties That Bind“.

„All I Wanted (Thanks Anyway)“ erhält mit kräftigem Schlagzeug eine rockige Note. Beim kratzigen „The Rock And The Hill“ dreht Moorer richtig auf. Der Roots-Rocker mit eingängigem Refrain setzt einen starken Kontrapunkt zu den Balladen. Nach jeweils drei langsameren Songs sind die beiden Tracks zudem geschickt auf dem Album angeordnet.

Zum Abschluss setzt sich Moorer ans Klavier und begleitet sich bei „Heal“ sehr stimmungsvoll. Diese Instrumentalisierung bringt nochmal Abwechslung, wobei sich der von Mary Gauthier coverfasste Titel nahtlos in die Atmosphäre des Longplayers einfügt.

Auf dem autobiographischen „Blood“ gibt Allison Moorer Einblicke in ihre Gefühls- und Gedankenwelt. In zumeist ruhigen Tönen erzählt sie ihre Geschichten, denen man gerne lauscht. Beim ersten Hören wirken die sorgfältig arrangierten Songs zunächst puristischer als sie sind. Eher als Folkalbum konzipiert überrascht es zudem durch zwei rockige Titel, von denen „The Rock And The Hill“ für Southern-Freunde besonders interessant ist.

Autotelic Records/Thirty Tigers (2019)
Stil: Folk, Americana

Tracks:
01. Bad Weather
02. Cold Cold Earth
03. Nightlight
04. The Rock And The Hill
05. I’m The One To Blame
06. Set My Soul Free
07. The Ties That Bind
08. All I Wanted (Thanks Anyway)
09. Blood
10. Heal

Allison Moorer
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Ben Glover – Shorebound – CD-Review

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Review: Gernot Mangold

Der in Glenarm, Nordirland geborene, aber fast seit Beginn seiner musikalischen Karriere in Nashville, TN, lebende Ben Glover hat mit „Shorebound“ sein mittlerweile 8. Soloalbum herausgebracht.

Der Singer/Songwriter, der nun eine CD im besten Americana-Stil hinlegt, hat aber auch schon für andere Künstler des Genres Songs geschrieben oder bei ihnen mitgewirkt. Zu nennen sei die Zusammenarbeit mit Gretchen Peters beim Titeltrack des 2015er Albums „Blackbird“, der auch für die Americana Awards nominiert war.

Nun aber zum aktuellen Werk Glovers. Eine durchweg schöne Scheibe, die ohne Unterbrechung angehört werden kann. Im Vordergrund steht die angenehm klare Stimme Glovers, wobei er sich zu einigen Songs prominente Verstärkung geholt hat, was sich in feinen Duetts widerspiegelt.

Schon der erste Song “What You Love Will Break Your Heart“, stilistisch in bester Tom Petty-Manier, im Midtempobereich präsentiert, klasse arrangiert mit einsetzender, fast singend wirkender Slideguitar und zweiter Stimme von Amy Speace, setzt einen hohen Erwartungshorizont für den Rest des Longplayers.

Das folgende „A Wound That Seeks The Arrow“, im Duett mit der aus Nashville stammenden Sängerin Angel Snow performt, wirkt fast ein wenig träumerisch und countryesk. Neben Glovers wunderbarem transparenten Gesang, wird wieder mit dezent gespielten Instrumenten, diesmal neben Slide- und Akkustikgitarre, auch mit Violin Cello und Glockenspiel operiert . Ein toll produzierter Song, auch für ruhige Stunden.

Das folkige „Northern Star“, mit Unterstützung der Sänger Malojian and Matt McGinn (wieder in Richtung der ruhigerer Petty-Songs einzuordnen), überrascht in der zweiten Hälfte mit einer Passage, die an Lieder der frühen Neil Young-Phase erinnert. Für mich, als absolutem Fan des Kanadiers, natürlich eines der Highlights des Albums.
„Catbird Seat“ mit Mary Gauthier (deren „Rifles & Rosary Beads“ gilt als ein Kandidat für das beste Americana-Album 2018), begleitet im Vordergrund mit akustischer Gitarre, zuerst untermalt mit slidender Gitarre, ist ein Stück in bester Songwriter-Manier, wobei Gauthiers Stimme meist eher unterstützend den zweiten Gesang darstellt. Ein einfaches schönes Lied.

Bei „Dancing With The Beast“ ist o. a. Gretchen Peters am Start. In diesem Song sind beide Vokalisten gleichberechtigt und agieren fast durchweg zweistimmig, nicht wie bei den meisten Duetts, wo sich die Partner abwechseln. Das Lied wirkt von der Stimmung her auch eher etwas düsterer als die meisten anderen Stücke des Albums.  Hier dominiert das Piano in weiten Strecken. Der stimmungsvolle, im mittleren Tempo arrangierte Song, ist trotz seiner Traurigkeit, welche über ihm mitschwingt, einer der Highlights.

Das ruhige „Kindmess“, eines der von Glover allein besungenen Tracks,  ist ein solider American-folkiger Song. Mit dem folgenden „Ride The River“ mit Kim Richery wird wieder etwas Fahrt aufgenommen und es gibt erneut einige Parallelen zur Petty-Ära, als Jeff Lynne mitproduzierte. Ein ganz starkes gefühlvolles Lied. In eine ähnliche Kerbe schlägt  „Song For The Fighting“ mit Neilson Hubbard . Besonders schön in dieser Ballade ist hier die prägnante Violine.

Der Titelsong „Shorebound“, folkig mit Countrytupfern und einem claptonesken E-Gitarren-Intro, kommt eher langsam und ruhig und, wie die meisten Sachen, sehr gefühlvoll.

Das etwas lebhaftere „Wildfire“ unter Assistenz von Ricky Ross, liegt irgendwo zwischen Tom Petty, George Harrison und den Traveling Willburys. Ein Stück mit einer absoluten Fülle, Tempowechseln, ohne chaotisch zu wirken und leicht orchestralen Anklängen.

„My Shipwrecked Friends“ (mit Anthony Timer), wieder mit einer Country-Folk-Note, dazu passender Slide-Gitarre, neben der immer wieder eingesetzten akustischen Gitarre, und das abschließende „Keeper Of My Heart“ (feat. Robert Vincent), bilden einen ruhigen Ausklang.

Fazit: „Shorebound“ kann als durchweg gelungenes Album für Freunde aus dem Metier Folk und Americana gesehen werden. Trotz der durchweg eher im mittleren oder langsamen Tempo gespielten Songs auf diesem, durchweg hörenswerten Werk, gibt es keine unerwünschten Längen.

Die Gastinterpreten mit ihren unterschiedlichen Stimmen sorgen hier für die entsprechende Abwechslung. Interessant wird es sein, wie Glover diese Songs auf der Bühne präsentiert. Er sollte sich zumindest eine Mitsängerin parat halten, da sonst viele Stärken des Albums live verloren gehen könnten.

Proper Records (2018)
Stil: Roots/Singer/Songwriter

01. What You Love Will Break Your Heart
02. A Wound That Seeks the Arrow
03. Northern Stars
04. Catbird Seat
05. Dancing With The Beast
06. Kindness
07. Ride The River
08. Song for the Fighting
09. Shorebound
10. Wildfire
11. My Shipwrecked Friend
12. Keeper Of My Heart

Ben Glover
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Mary Gauthier – Rifles & Rosary Beads – CD-Review

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Puh, schwermütiger Stoff. Die hoch angesehene Singer/Songwriterin Mary Gauthier (von der Los Angeles Times mittlerweile auf eine Stufe mit Musikern wie Kris Kristofferson, John Prine und Bob Dylan gehievt) hat sich mit auserwählten Kriegsveteranen zusammengefunden und sie, zwecks Aufbereitung ihrer Traumata, an den Liedern ihres neuen Werkes „Rifles & Rosary Beads“ mitarbeiten lassen, um quasi ihren Schicksalen und Erlebnissen eine Stimme zu verleihen. In der Intention zunächst mal sehr ehrenrührig und sicherlich wichtig.  Irgendwo hält sich, ehrlich gesagt, mein Mitleid für Berufssoldaten allerdings auch in Grenzen.

Gut, ich, der Dank seiner Aufnahme in die Sportkompanie, damals wie heute, unser Land eher mit dem Tischtennis-Schläger hätte verteidigen können (ich musste aber halt auch in den drei Monaten Grundausbildung mit Pistole, G3 und Panzerfaust hantieren und als Kanonier on top mit Flugabwehrraketen schießen – allerdings mit äußerstem Unbehagen), kann leicht reden. Trotzdem war dank dieser Erfahrungen recht schnell klar, dass sich meine nachfolgenden Kampfeinsätze, höchstens noch auf ungeliebte Insekten in den eigenen heimischen vier Wänden beschränken würden. Immerhin war es aus der Retrospektive irgendwo eine heilsame, als auch abhärtende Erfahrung.

Aber Menschen, die das Soldatentum zu ihrer Berufspassion machen und dann noch aus einem Land kommen, das sich als der Welt größter Kriegstreiber und Destabilisator gibt, brauchen sich dann im Prinzip nicht zu wundern, wenn es nicht bei Orientierungsmärschen in den Rocky Mountains bleibt, sondern zwecks monitärer und geopolitischer Interessenvertretung ihrer sogenannten Eliten, an den Hindukusch, in den Irak, nach Mali oder sonstige unkalkulierbare Krisengebiete geht, um den Kopf, mit all den potentiellen schlimmen Folgen (hier in den Songs schwerpunktmäßig thematisiert), hin zu halten. Ok, am Ende ist man immer schlauer.

Das elf Stücke umfassende Werk ist ein relativ schwermütiges Konglomerat aus allerdings sehr einfühlsam und fein instrumentierten (E-, Akustikgitarren, Fiddle, Cello, Harp, Piano, Akkordeon, Mandoline) sowie emotional besungenen Stücken geworden, die sich zwischen Singer/Songwriter-, Country- und Folk-Stoff, meist in bedrückender Form, gekonnt ihren Weg bahnen.

Wahrlich kein Stoff, der aufmuntert. Mehr was für innerlich stabile oder rein musikalisch interessierte Leute. Depressiv veranlagte Menschen, sollten, zumindest meiner Ansicht nach, gerade in diesen düsteren und ungemütlichen Tagen, wohl besser eine andere Musik wählen.

Eigentlich hat das Werk aus meiner Sicht eher präventiven, anklagenden Charakter und dient mehr als Wasser auf die Mühlen von intellektuellen Mahnern, Pazifisten, Friedensaktivisten & Co., die dem globalen Treiben ihres Landes (zurecht) kritisch gegenüberstehen.

So bleibt Mary Gauthiers „Rifles & Rosary Beads“ (produziert von Singer/Songwriter-Kollege Neilson Hubbard) ein gut gemeinter und auch durchaus richtiger Fingerzeig an Leute, die mit dem Gedanken spielen, aus verklärtem Patriotismus, sich in entsprechende Gefilde zu begeben, sowie als etwas Seelenmassage für die hier Involvierten, samt der unzähligen sonstigen betroffenen Leidensgenossen. Ändern muss sich allerdings in erster Linie vor allem die Politik und Selbsteinschätzung ihres Landes. In diesem Sinne – make music and love, not war!

Thirty Tigers (2018)
Stil: Singer/Songwriter

01. Soldering One
02. Got Your Six
03. The War After The war
04. Still On The Ride
05. Bullet Holes In The Sky
06. Brothers
07. Rifles And Rosary Beads
08. Morphine 1-2
09. It’s Her Love
10. Iraq
11. Stronger Together

Mary Gauthier
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