Adam Toms – Where Were You? – CD-Review

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Review: Michael Segets

Adam Toms’ „Where Were You?” schoss in seinem Heimatland Australien auf Platz 9 der itunes-Country-Charts. Dass Toms der Country-Ecke zugeordnet wird, verdankt er wohl hauptsächlich dem Vorgänger „Rich Man“ (2013). Musikalisch ist die überwiegende Anzahl der Songs seines aktuellen Werks stärker am Rock orientiert. Dennoch führt der sozial engagierte Singer/Songwriter als Grenzgänger zwischen Country und Rock einen Weg fort, der bereits auf seinem 2010er Debüt „Holding My Breath“ angelegt ist.

Die beiden Singles „Too Young To Know Better“ und „Josephine“ sowie „Weak Is This Man“ sind stadiontaugliche Rockhymnen, bei denen sich Toms mit seiner Band kräftig ins Zeug legt. Vielleicht ist Adam Toms, als er während der Halbzeit eines Rugby-Spiels vor 10.000 Menschen auftrat, auf den Geschmack gekommen. Bon Jovi lässt jedenfalls auch bei den Rock-Balladen „Where Were You When“ – ebenfalls als Single ausgekoppelt –, „Signs” und „Never Not Ever“ grüßen.

Toms beweist bei seiner Entscheidung, welche Songs er als Single herausbringt ein sicheres Händchen. Als dritte von bislang vieren wählte er das gefühlvolle „Say You Love Me“. Hier legt er am Anfang zerbrechliche Vibes in seine Stimme, die stellenweise an Willie Nile erinnern. Der Song baut, unterstützt von weiblichen Harmoniegesängen, einen schönen Spannungsbogen auf.

Am deutlichsten werden die Country-Einflüsse bei „Too Busy“ und „Something Borrowed“, das ein Backgroundchor deutlich aufwertet. Beide sind in einem gleichförmigen Midtempo gehalten. Ebenfalls in Richtung Country weist „This Old Mandolin“. Sanft und entsprechend des Titels instrumentalisiert entwickelt es einen leicht schwermütigen Zauber, dem man sich kaum entziehen kann. Es steht in einem gelungen Kontrast zu dem locker flockigen „Coffee“. Der Anschlag der Gitarre und der Grundrhythmus, wenn auch etwas langsamer gespielt, ähneln „Count On Me“ von Bruno Mars.

Quasi als Bonus gibt es den live aufgenommenen Blues „Walkin Over Me“ zum Abschluss der CD. Die stärkere Akzentuierung der Rock-Anteile in seinen Songs zahlt sich aus. Adam Toms gelingen eingängige und mitreißende Titel. „Where Were You?”, für das er sich fünf Jahre Zeit gelassen hat, stellt meines Erachtens sein bislang bestes Album dar. Es begeistert wohl eher die Rock- als die Country-Fans, aber die letztgenannten kommen auch nicht zu kurz. Auf der abwechslungsreichen Scheibe dürfte jeder fündig werden und sich die Rosinen nach seinem Geschmack rauspicken. Von denen gibt es einige.

William Osland Consulting (2018)
Stil: Rock, Country Rock

Tracks:
01. Too Young To Know Better
02. Where Were You When
03. Josephine
04. Say You Love Me
05. Too Busy
06. Signs
07. Coffee
08. This Old Mandolin
09. Weak Is This Man
10. Never Not Ever
11. Something Borrowed
12. Walkin Over Me (Live)

Adam Toms
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Eagles – Farewell 1 Tour Live From Melbourne – DVD-Review

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Gott sei Dank haben sich die Eagles durch die Zufügung einer Nummerierung bei ihrer ‚Abschiedstour‘ genügend Spielraum gelassen, uns weiter mit ihrer phantastischen Musik zu beglücken. Es ist zwar kaum denkbar, dass das Geleistete auf dieser seit kurzem käuflich zu erwerbenden DVD noch mal irgendwann zu toppen ist (wahrscheinlich nur noch mit einer völlig aus dem Rahmen fallenden Setlist), aber das hatte man nach „Hell Freezes Over“ wohl auch nicht für möglich gehalten.

Fakt ist, die Mannen um Don Henley und Glenn Frey präsentieren sich selbst im hohen Musikalter stärker denn je und scheinen immer noch voller Ehrgeiz zu stecken, wie auch das abschließende elf Minuten währende Interview (u. a. auch deutsche Untertitel) noch einmal unterstreicht. Ja, dieses an drei Tagen in Melbourne produzierte Dokument ist so mit das Beste, was bisher in meinem Player gelandet ist.

Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass man dieses Teil in den Musikunterricht (gibt es das Fach Musik eigentlich überhaupt noch?) der weiterführenden Schulen einbinden sollte, um so manch ehrgeizigem Jugendlichen in dieser Hinsicht den rechten Weg aufzuzeigen, und vor dem Gang in die sich immer breiter machende Schrägtönerie zu bewahren.

Wie dem auch sei, meine Wenigkeit ist froh, an diesem Event teilnehmen zu dürfen, wenn auch nur im Wohnzimmer. Bildqualität (16:9) – und Tonformat (DTS 5.1 Surround und L-PCM-Stereo) sind exzellent.

Kommen wir zum Inhalt: Nach ein paar Impressionen vor Konzertbeginn geht es dann im ausverkauftem Stadion mit „The Long Run“ (Don Vocals) in die Vollen. Zunächst auffällig, das ungewohnt elegante Auftreten der Herren. Alle in Anzügen, wobei Glenn Frey im pinkfarbenen Hemd unter grauem Zwirn modische Akzente zu setzen weiß. Nicht mehr im Line-Up dabei Gitarrist Don Felder, der allerdings durch den grandios aufspielenden Gastmusiker Steuart Smith mehr als nur ersetzt wurde, früher u. a. für Rodney Crowell tätig.

Die herrlich relaxte Ballade „New Kid In Town“ (Glenn Vocals) lässt dann auch direkt die Paradedisziplin der Adler zum Vorschein treten, die bis in kleinste Detail ausgefeilten Harmoniegesänge, deren Vollendung nur von ganz wenigen Bands annähernd erreicht wurde.

Im Interview wird auf diesen typischen Bestandteil ihrer Songs auch eingegangen. Im so getauften ‚Circle Of Fear‘ checken die vier Veteranen vor jedem Gig accapella-artig ihre Stimmbänder und lassen nicht locker, bis die richtige Balance gefunden wurde. Wenn man bei „Wasted Time“ Don Henley ganz in schwarz gekleidet nur von der Seite angestrahlt sieht, fühlt man sich auch von der Gestik her leicht an Joe Cocker erinnert.

„I Can’t Tell You Why“ gibt dann dem gewohnt zurückhaltenden Timothy B. Schmidt Gelegenheit, seine uns aus Poco-Zeiten bekannte dünne, feine Stimme zu präsentieren. Spaßvogel Joe Walsh steigt dann am Frontmikro mit „One Day At A Time“ ein. Überhaupt glänzt die Band oftmals bei den neuen oder nicht so bekannteren Stücken und beweist, dass auch jenseits der Fünfzig nebst Country und Westcoast noch richtig gerockt werden kann.

Walsh und Smith liefern sich klasse Duelle, spielen Twin-Leads und auch Glenn Frey an der Les Paul macht mächtig Rhythmus-Dampf. Die zwei starken Stücke „Walk Away“ (ein rhythmischer Rocker, tolles E-Solo Joe) und „Sunset Grill“ (moderner Song mit Synthies, Horn-Einlagen und Piano-Fills) beenden einen 19 Lieder umfassenden Set auf DVD 1, der mehr als beeindruckend ist.

Zum Abschluss würdigt dann Glenn Frey verdientermaßen die wirklich hervorragenden Begleitmusiker, wobei neben dem bereits erwähnten Steuart Smith auch noch Al Garth als Mitglied der Horn-Section und auch an der Violine zu glänzen weiß.

Ja, die sonnen-bebrillte Horn-Section (allein schon der Anblick ist herrlich) ist auch eine der positiven Überraschungen des Werkes. Immer bei den dazu passenden Nummern präsent, aber nie aufdringlich. Auch ein Beweis dafür , dass die Eagles immer wieder an neuen Arrangements ihrer Klassiker feilen. Man hat jedenfalls den Eindruck, dass die Truppe wesentlich stärker auftrumpft, als das noch in den Siebziger Jahren der Fall war.

Gerade Joe Walshs Gitarrenspiel scheint immer besser zu werden. Eine weitere Auffälligkeit, dass mittlerweile drei Generationen von Zuschauern an ihrem Repertoire Gefallen gefunden zu haben scheinen, wobei der Seh- und (Hör-)Spaß des männlichen Betrachters der DVD, durch die häufigen Einblendungen recht nett anzusehender Mädels in vorderster Reihe noch zusätzlich aufgepeppt wird.

Der zweite DVD-Set startet dann mit dem großen Auftritt des kauzigen Spaßvogels. Joe, mit einem mit einer Kamera bestücktem Sturzhelm auf dem Kopf, an der Front seine Späße treibend, dazu eine flatternde Stoffhose, die auf der Wühltheke eines jeden Billigmarktes Ihresgleichen suchen dürfte und Cowboystiefel. Ein Anblick zum Piepen. Übrigens hatten Henley und Frey im Verlauf des Konzerts dann doch wieder zu den obligatorischen Baumwollhemden zurückgefunden. Bis zur ersten Zugabe „Hotel California“ legt das Quartett wie bereits erwähnt einen recht rockigen Zwischenspurt ein.

Der wohl bekannteste Hit startet mit einem grandiosen Trompeten-Intro, bis die ersten gesungenen Zeilen Dons „On a dark desert highway…“ dann die Stimmung auf den Siedepunkt bringen. Fulminant die Vorstellung von Steuart Smith an der doppelhalsigen Gitarre und auch die Soli Walshs im Schluss-Instrumentalteil.

Frey hat dann mit „Take It Easy“ noch sein Steckenpferd auf Lager und Henley schließt mit „Desperado“ eine Show ab, die Maßstäbe setzen dürfte. Die Eagles tun es scheinbar gutem Wein nach, je älter desto besser. Man kann nur hoffen, dass die Farewell 2 Tour in einem etwas näher erreichbaren Umkreis stattfinden möge, aber andersherum lohnte es sich sicher auch, damit einen Urlaub zu verbinden.

Für mich persönlich ist diese DVD ein Highlight der Musikgeschichte. Absolut empfehlenswert auch für Nicht-Eagles-Kenner. Eigentlich ein Pflichtkauf für jeden Rockmusik-Fan.

Warner (2005)
Stil: Westcoast / Country Rock

DVD 1:
01. The Long Run
02. New Kid In Town
03. Wasted Time
04. Peaceful Easy Feeling
05. I Can’t Tell You Why
06. One Of These Nights
07. One Day At A Time
08. Lyin‘ Eyes
09. The Boys Of Summer
10. In The City
11. Already Gone
12. Tequila Sunrise
13. Love Will Keep Us Alive
14. No More Cloudy Days
15. Hole In The World
16. Take It To The Limit
17. You Belong To The City
18. Walk Away 19:Sunset Grill

DVD 2:
01. Life’s Been Good
02. Dirty Laundry
03. Funk #49
04. Heartache Tonight
05. Life In The Fast Lane
06. Hotel California
07. Rocky Mountain Way
08. All She Wants To Do Is Dance
09. Take It Easy
10. Desperado
11. Interview

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New Reveille – The Keep – CD Review

Review: Gernot Mangold

Der Bandnahme New Reveille, zu deutsch ‚Neue Offenbarung‘, setzt hohe Erwartungen in das Debütalbum des US-Quintetts. In klassischer Americana-Tradition wird auf irgendwelchen technischen Schickschnack im Studio verzichtet. Durch die Vielfalt der eingesetzten Instrumente und die Fähigkeiten der Musiker ist dies auch gar nicht notwendig.

Im Vordergrund der Songs steht der klare Gesang von Amy Kamm, welcher teilweise an Stevie Nicks erinnert. Die Texte wirken zuweilen dunkel und traurig, erscheinen aber wie persönliche Geschichten.

Der Opener „Hounds“, ein flotter folkiger Countrysong entspricht schon den Erwartungen, welche in die Platte gesetzt werden, wenn vom Rolling Stone New Reveille als eine der besten neuen Bands in Country-Genre gepriesen wird. Neben dem charismatischen Gesang der Fronterin überzeugt das ganze Arrangement mit mehreren Gitarren und Banjo, für welche Daniel Cook und George Hage verantwortlich sind, eine starke Rhythmussektion und die dezent eingesetzten Geigen von Autumn Brand.

Das folgende „The Keep“, stilistisch ähnlich, aber etwas ruhiger, leicht melancholisch daherkommend, lässt die alte Countrymusik mit irischen Folkelementen verschmelzen. Diesen Folkeinschlag, wie auch Delta Blues-Ingredienzien ist insbesondere dem Gitarrenspiel Hages zu verdanken.
Das balladeske „Miracle“ offeriert, wie gefühlvoll die Musiker ihre Instrumente einsetzten und wie virtuos der Gesang Amy Kamms ist.

„Heavy Hands“, mit einem schönen Banjopart beginnend, in den die Gitarre einsetzt, bevor Kamm diesmal eher rockig singend das Zepter übernimmt, lässt die Grenzen von Country, Southern und Rockmusik fließend verschwimmen, um im folgenden „Worn Sunglasses“ den Zuhörer mit slidender Gitarre wieder in die Einsamkeit der Prärie oder Berge North Caolinas zurückzuholen. Ein schöner gefühlvoller Countrysong.

„Babylon“ lässt hochschrecken, allerdings im positiven Sinne. Gitarrist Cook gibt als Vorbilder seiner Jugend Lynyrd Skynyrd, Led Zeppelin, Jimmy Hendrix und später Bob Dylan an. Das Songwriting und der Gesangstil erinnern aber stark an die Zeit Fleetwood Macs, als Lindsey Buckingham und Stevie Nicks der Band ihren Stempel aufdrückten. Dabei verlieren New Reveille aber nicht ihre eigene Note, da immer wieder gekonnt Akzente durch Banjo und Geige gesetzt werden.

Wie ein balladeskes Country-Liebeslied kommt anschließend „Way To You“ daher. Neben dem emotionalen Gesangparts überzeugen Geige, Gitarrre und Banjo, die den Song fast schon malerisch einkleiden. Auf Livekonzerten wären früher Feuerzeuge gezündet worden, ach nein, heute eher die Taschenlampenfunktion der Handys aktiviert…

Mit „Convay Shore“ wird es emotional traurig, das Stück handelt von einem todgeweihten Freund und die tieferen Töne stehen im Vordergrund. Wenn man die Augen schließt, kann man sich die Tränen beim Singen in Kamms Augen vorstellen.

„Truth in Life“ startet mit sehr dezent eingesetzten begleitenden Instrumenten. Im zweiten Teil wird durch lautere Instrumentierung Fahrt aufgenommen, um zum Schluss fast verträumt zu enden.

Während „Only Promised Land“ sich durch gut aufeinander abgestimmte Temowechsel auszeichnet, ist Something Worth Saving“ ein etwas rockigerer Track mit leichtem Countrytouch, den man sich als radiotauglich, beziehungsweise für eine breitere Masse vorstellen kann.

„Sandy Rowe“ beginnt mit einem schönen Banjo- und Geigenintro und entwickelt sich zu einem durchaus flotten und tanzbaren Countrysong.
Den Abschluss bildet der für mich stärkste Song in einem durchweg gelungenen Album. „Abide“ eine fast schon anklagende mystische Nummer mit harten Beats, einem indianisch anmutenden Gesang, sowie im Hintergrund treibender Fiddel und Banjo, die zum Teil wie abgehackt wirken.

Zusammengefasst kann gesagt werden, dass New Reveille mit ihrem Debutalbum ein starker Einstieg in die Country-/Folkszene gelungen ist, da es den Bandmitgliedern, auch durch ihre unterschiedliche musikalische Herkunft, gelungen ist, diverse Stile mit einfließen zu lassen und so ein abwechselungsreiches Werk auf hohem Niveau zu präsentieren.

Schön wäre es, wenn eine Agentur den Mut hätte, diese musikalisch auf hohen Niveau arbeitende Band in unsere Breiten zu holen, da ich mir vorstellen kann, dass sich die Emotionalität der Songs live noch viel besser entfaltet und mache instrumentale Soloparts, Raum für schöne Improvisationen lassen.

Line Up:
Amy Kamm – Lead Vocals
Daniel Cook – Banjo, Gitarre
Autumn Brand – Geige
Kaitlin Grady – Cello
George Hage – Gitarre

Loud & Proud Records (2018)
Stil: Country/Bluesgrass/Folk/Americana/Rock

Tracks:

01. Hounds
02. The Keep
03. Miracle
04. Heavy Hands
05. Worn Sunglasses
06. Babylon
07. Way To You
08. Convay Shore
09. Truth In Life
10. Only Promised Land
11. Something Worth Saving
12. Sandy Rowe
13. Abide

New Reveille
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J.P. Harris & The Tough Choices – Support: Miss Tess – 05.11.2018, Krefeld, Kulturrampe – Konzertbericht

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It’s Country-Time again! Zum dritten Mal stand J. P. Harris mit seinen Tough Choices auf der Bühne der Kulturrampe. Wie im Vorjahr brachte er Miss Tess als Support mit.

Das Miss Tess Duo, bestehend aus der Protagonistin und Thomas Bryan Eaton, eröffnete den Abend mit zwei Stücken des Albums „Sweet Talk“ (2014). Sowohl „If You Wanna Be My Man“ als auch „Everybody’s Darling“ kamen mit einer gehörigen Portion Swing daher. Das feine, beinah schon entspannte, E-Gitarrenspiel von Eaton ergänzte die klare Stimme von Miss Tess prima.

Danach folgten „Moonshiner“, eine stimmungsvolle, countryfizierte Ballade, sowie „Little Lola“ mit einem schönen Gitarrensolo von Eaton. Beide Titel stammen von Miss Tess‘ letzten Veröffentlichung „Baby, We All Know“ (2016). Auf ihr nächstes Album soll „The Moon Is An Ashtray“ kommen, das sich anschloss.

Eaton übernahm den Lead Gesang bei dem Stück „Days Will Come“ seiner CD „We All Want To Be Love“ (2014). Er animierte das Publikum zum Mitsingen und der Song lädt sowieso zum Schunkeln ein. Bei den Harmoniegesängen zeigten sich Miss Tess und Eaton durchweg perfekt aufeinander abgestimmt. Zum Abschluss des Sets drückte Miss Tess mit „Ride That Train“ auf die Tube. Ihr Gitarrensolo veredelte den Höhepunkt des Vorprogramms.

Miss Tess bedauerte, dass Sie den Sprung über den Atlantik noch nicht mit Band geschafft hat. Mit der gut halbstündigen Kostprobe ihres Programms hat sie aber auf alle Fälle Werbung für ihre CDs und für mögliche Konzerte in der Zukunft gemacht.

Line-Up:
Miss Tess (lead vocals, electric guitar, vocals)
Thomas Bryan Eaton (lead vocals, electric guitar, vocals)

Die circa fünfzig Gäste der Kulturrampe hielten während des Support-Acts einen deutlichen Abstand zur Bühne und auch als J. P. Harris mit seinen Tough Choises, zu denen Miss Tess und Eaton dazu stießen, die Bühne betrat, rückten sie nur etwas näher. Die Kulturrampe glich daher nicht dem Hexenkessel der „Southern“-Woche. Die Stimmung vor und auf der Bühne war aber dennoch gut. Harris zollte den Besuchern durchaus Respekt, da er selbst montags nie aus ginge. Allerdings sei er ja auch 7000 Meilen angereist …

Bereits zu Beginn zeigte J. P. seinen Sinn für Humor. Dem sympathischen Mann mit der beeindruckenden Gesichtsbehaarung sitzt der Schalk im Nacken. Während des Konzerts erzählte er einige Anekdoten aus seinem bewegten Leben und kommentierte viele Songs. Bei der ausführlichen Bandvorstellung vermischten sich wohl Wahrheit und Legende.

Die Setlist unterschied sich dadurch erheblich von denen der beiden vorangegangenen Konzerte in der Rampe, dass er mit „Sometimes Dogs Bark At Nothing“ ein brandaktuelles Album am Start hat. Die Titel des Albums, für das er sich vier Jahre Zeit ließ, machten mehr als die Hälfte des Konzerts aus.

J. P. Harris greift zudem gerne in die Schatzkiste seiner geliebten Country-Musik und streute daher einzelne Coverversionen, wie vom Vorreiter des Outlaw- oder Alternative-Genres Terry Allen, ein. Gerahmt wurde das Konzert von David Allan Coes „California Turnarounds“ und Mickey Newburys „Why You Been Gone So Long“, das Harris als Zugabe spielte.

Nach „Two For The Road“ und „South Oklahoma“ von seinen ersten beiden Alben, standen dann bis zum fulminanten Abschluss des Hauptsets durch „Gear Jammin‘ Daddy“ durchweg seine neuen Eigenkompositionen im Fokus.

Nach seinem autobiographisch beeinflussten „When I Quit Drinking“ setzte der wuchtige Einstieg und das kräftige Schlagzeug von Ryan Elwell bei „JP’s Florida Blues #1“ ein erstes Ausrufezeichen. Danach folgten einige ruhigere Stücke. Bei „Badly Bent“ harmonierte das Zusammenspiel von wimmernder Pedal Steel, die von Thomas Bryan Eaton gezupft wurde, und der viel Twang transportierenden E-Gitarre von Justin Mahoney. Beide sorgten während des Konzerts durchgängig für den richtigen Country-Flair.

Als Feminist entpuppte sich Harris mit „Lady In The Spotlight“. Miss Tess, die sonst als Bassistin agierte, griff hier zur akustischen Gitarre und Elwell unterlegte den Song zusätzlich mit stimmungsvoller Percussion. Für „I Only Drink Alone“ wechselte Eaton zu den Keys. Gänsehautfeeling erzeugte der harmonische Begleitgesang von Miss Tess bei „Runaway“.

Die Balladen unterschieden sich durch die abwechslungsreiche Instrumentalisierung deutlich voneinander, sodass Monotonie – wie sie dem Country gelegentlich angelastet wird – nicht aufkam.

Hervorragend performte Harris das Titelstück des neuen Albums „Sometimes Dogs Bark At Nothing“. Seine tiefe Stimme wurde zunächst nur von der klagenden Pedal Steel Eatons untermalt, später setzte Mahoney mit seiner E-Gitarre dezent ein. Die Rhythmusgruppe konnte dabei pausieren und Kraft für das temporeiche Finale schöpfen. „Hard Road“, „Jimmy’s Dead And Gone“ sowie das schon erwähnte „Gear Jammin‘ Daddy“ haben mein Country-Rock-Herz höher schlagen lassen.

Nach gut achtzig Minuten verließen J. P. Harris und seine Tough Choices das Podest und ließen den Abend gemütlich im Plausch mit den Gästen ausklingen, bevor es für die Truppe in Richtung Holland und England ging.

Line-up:
JP Harris (lead vocals, electric guitar)
Justin Mahoney (electric guitar, vocals)
Miss Tess (bass, acoustic guitar, vocals)
Ryan Elwell (drums, percussion)
Thomas Bryan Eaton (pedal steel, keys, vocals)

Text und Bilder: Michael Segets

J.P. Harris & The Tough Choices
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Miss Tess
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Kulturrampe Krefeld

Patricia Vonne – 24.10.2018, Krefeld, Kulturrampe – Konzertbericht

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In der Southern-Woche der Kulturrampe jagte ein hochkarätiger Act der Szene den nächsten. Am Vortag gab es mit Hogjaw etwas auf die Ohren, am folgenden Abend beehrten Robert Jon & The Wreck den Krefelder Großmarkt. Zwischen die gewichtigen Bartträger reihte sich die grazile Patricia Vonne aus San Antonio, Texas, ein. „Pille“ Peerlings zeigte sich bei der Begrüßung über die Resonanz dieser kompakten Südstaaten-Serie begeistert. Alle Veranstaltungen bescherten der Rampe ein (nahezu) ausverkauftes Haus.

Patricia Vonne erarbeitete sich durch ihre Touren hierzulande eine treue Fanbasis. T-Shirts mit ihrem Konterfei waren zu erspähen, Kastagnettenklappern sowie niederländische Stimmen zu vernehmen. Einige Wiederholungstäter erkannte Patricia Vonne von vorangegangenen Konzerten. Auch die Krefelder Kulturrampe hatte sie von ihrem Auftritt 2017 in frischer Erinnerung.

Die Begeisterung für Musik, die Vonne versprüht, schwappte bereits mit „This Cat‘s In The Doghouse“ auf das Publikum über. Bei vielen Stücken streute sie kurze persönlichen Bemerkungen ein und schuf dadurch eine besondere Nähe zu den Zuhörern. Ohne Berührungsängste trat sie mit ihnen in Kontakt – beispielsweise als sie von der Bühne stieg und ein Bad in der Menge nahm.

Im Verlauf der beiden Sets wechselte Vonne zwischen englisch und spanisch gesungenen Titel. Bei den Songs mit englischem Text traf Vonne eine rockige Auswahl. Von ihrem aktuellen Album „Top Of The Mountain“ spielte sie sämtliche Uptempo-Nummern. „City Is Alive“ leitete Bassist Harmen de Bresser sehr gelungen mit wuchtige Rückkopplungen ein. Im ersten Set folgten noch „Lekker Ding“ und „Lil‘ Lobo“, im zweiten „Citadel“ und „Graceland Trip“, bei dem sich Vonne an der E-Gitarre austobte.

Weitere Ohrwürmer aus der Backlist waren „Mudpies and Gasoline“ sowie „Rattle My Cage“. Dadurch, dass die Live-Varianten geerdet und weniger fein arrangiert erschienen als die Aufnahmen aus dem Studio, bekamen sie eine stärkere Roots-Rock-Note, die mir sehr gut gefiel. Auch die langsameren Titel „Top Of The Mountain“ und „Tidal Wave“ standen den Albumversionen in nichts nach. Ein besonderes Schmankerl war das countryfizierte „Love Is A Bounty“. Es ist der erste Song, den Vonne geschrieben hat.

Nicht nur das mitreißende Auftreten von Patricia Vonne, sondern auch die Qualität der genannten Songs machten das Konzert zu einem besonderen Vergnügen. Vor allem bei den lateinamerikanischen Rhythmen holte Vonne ihre Kastagnetten hervor und wirbelte über die Bühne. Der Titel „Guitarras Y Castañuelas” war dabei Programm. Vonne ließ es sich nicht nehmen, dem entsprechend ausgerüsteten Teilen des Publikums eine kurze Einführung in Grundtechniken des Kastagnettenspiels zu geben.

Die spanisch gesungenen Songs wie „Traeme Paz“, „Mexicali De Chispa“, „Fuente Vaqueros“ oder „Illuminaria“ liegen musikalisch zwar nicht direkt auf meiner Linie, wurden aber von Vonne so temperamentvoll und mit großen Posen dargeboten, dass sie hervorragend unterhielten. Gerade die Kombination von unterschiedlichen Musikstilen, mit denen Patricia Vonne im Grenzgebiet der USA und Mexiko aufgewachsen ist, prägen ihr eigenes Werk. Ohne diese würde ihren Konzerten ein charakteristisches Moment fehlen.

Ob mit Percussion, akustischer oder elektrischer Gitarre, Vonne war ständig in Bewegung. Das texanische Energiebündel löste bei der Zugabe „The House Is Rockin‘“ Bernhard Weichinger am Schlagzeug ab und überließ dem Gitarristen Ulrich Ellison die Lead Vocals. Mit dem Cover von Stevie Ray Vaughan steuerte ein explosives Konzert seinem Ende zu.

Das Publikum war mit der musikalischen und visuellen Darbietung hoch zufrieden. Auch Patricia Vonne schien Spaß an dem Konzert in Krefeld zu haben. Sie gab anschließend zahlreiche Autogramme, führte Gespräche mit Fans, posierte für Fotos und war froh, dass ein Ring wieder aufgetaucht ist, den sie während der Umkleide auf der Damentoilette verloren hatte.

Mit ihrer enormen Bühnenpräsenz machte die sympathische Texanerin mächtig Werbung für ihre Live-Auftritte. Es wundert daher nicht, dass sie die Herzen ihres Publikums erobert. Sollte sie erneut nach Deutschland kommen, bleibt zu hoffen, dass sie sich an die tolle Stimmung erinnert und der Rampe treu bleibt.

Line-up:
Patricia Vonne (lead vocals, electric guitar, acoustic guitar, drums, percussion)
Ulrich Ellison (electric guitar, acoustic guitar, vocals, lead vocals „The House Is Rockin’“)
Harmen de Bresser (bass, vocals)
Bernhard Weichinger (drums)

Bilder und Text: Michael Segets

Patricia Vonne
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Kulturrampe Krefeld

Marc Broussard – Support: Batomae – 12.10.2018, Pitcher, Düsseldorf – Konzertbericht

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Es war unser aller erster Besuch im Pitcher in Düsseldorf, daraus resultierend ergab sich in dem dicht besiedelten Stadtteil Oberbilk für uns eine recht schwierige Parkplatzsuche, die wir dann aber mit etwas Glück noch in einigermaßen erträglicher Distanz zum Ort des Geschehens lösen konnten.

Dadurch bedingt verpassten wir allerdings die Anfangsminuten des Voracts Batomae, an diesem Abend mit David Müller (ehemaliger Luxuslärm-Bassist) und seinem Bruder Florian im Duo agierend. Die (Indie-) Deutsch-Pop-Szene der Marke Clueso, Benzko, Annen May Kantereit & Co. erfreut sich ja gerade bei jungen Leuten immer größer werdender Beliebtheit und vermutlich auch das Hinterlassen der Visitenkarte von Marc Broussard an gleicher Stelle vor drei Jahren, werden dazu beigetragen haben, dass diese ungewöhnliche Mischung, mit nahezu 150 Leuten, für ein ausverkauftes Haus sorgte.

Die beiden Müllers boten dann auch den Stoff, den ich so aus der Szene vom Radio her kenne, falls ich mal meinen USB-Stick vergessen habe. Melodische Lieder, mit teilweise hintergründigen Texten und Botschaften, wobei in diesem Fall bei „Schweigen Ändert Nichts“ und „Unvergleichlich“, die Beziehung des Protagonisten David zu seiner Managerin Jana Crämer, die an einer Essstörung namens Binge Eating leidet, eines der Songthemen darstellte.

In einer kurzweiligen knappen Dreiviertelstunde boten die beiden noch weitere Stücke wie u. a. „Kein Wort“, „In Gedanken“ oder „Urlaub“ und wurden mit viel Applaus verabschiedet.

Während der recht zügigen Umbaupause hatten wir uns in dem langen ‚Schlauch‘ nach vorne durchkämpfen können, um dem Hauptanliegen unseres Besuchs, Marc Broussard, dann quasi ‚Auge in Auge‘ gegenüberzustehen. Der hatte ja vor kurzem wieder eine schöne, natürlich auch von uns beleuchtete CD namens „Easy To Love“ mit dabei, aus der der melancholische Opener „Leave The Light On“ auch hier zur Einstimmung genutzt wurde.

Nach dem ebenfalls noch recht ruhigen „Wounded Hearts“, offerierte der Louisiana-Musiker, erstmals standesgemäß seine Soul- und Groove-Qualitäten in Verbindung mit seiner grandiosen Stimme, mit den drei in einander überlaufenden Tracks „Try Me“, „Fire In The Bayou“ und „Love And Happiness“, wobei Joe Stark, seinem Nachnamen mit tollen E-Gitarrensoli, alle Ehre erwies.

Schon früh zeigten sich auch die Qualitäten aller beteiligten Musiker in den perfekt sitzenden Harmoniegesängen (auch beim folgenden „Memory Of You“), die sich wie ein roter Faden durch das (zur großen Fotografenfreude von SoS-Kollege Gernot…) fast durchgehend in rote Scheinwerferlichter gehüllte Pitcher zogen.

Bärenstark war dann auch das tolle Titelstück des neuen Longplayers „Easy To Love“ und mein absoluter Favorit des Silberlings als auch des Abends, das wunderbare Frankie Miller-Cover „Baton Rouge“, auf das ich mich besonders gefreut hatte.

Nach einem Medley mit der Einbindung von Klassikern wie u. a. „Sex Machine“, ging es mit dem fett gerockten „Dyin‘ Man“ (zwei klasse Soli von Joe Stark) schon in die Schlussphase, die nach, wie schon zuvor, vier gereichten ‚Jack Daniels Shots‘, mit dem abwechslungsreichen „Home“ und dem Solomon Burke-Cover „Cry To Me“, großen Anklang im Publikum fand.

Ohne Zugabe wollte Marc dann doch nicht von der Bühne weichen und schloss mit einer Solovorstellung von „Send Me A Sign“ den Kreis der Präsentation seiner neuen Scheibe. Ich persönlich hätte zwar gerne auch noch Stücke wie „Lonely Night In Georgia“ oder das countrylastige „When It’s Good“ mal gehört, aber man ja nicht alles haben.

Nach dem Gig waren dann alle Musiker draußen vor der Kneipe für die obligatorischen Smalltalks, Autogramme und Bilder zur Stelle, wobei Marc und ’seine‘ Mitstreiter, als auch David Müller, sich als sehr sympathische Personen entpuppten. Klar war somit, dass dann alle noch für unser Foto für die VIP-Galerie posierten.

Eine absolut gelungene Vorstellung. Trotz viel toller Musik, so gut wie keine Längen, hat richtig Spaß gemacht. Danke an das Pitcher-Team und Maren Kumpe von Musik Matters für den perfekt organisierten Abend.

Line-up Batomae:
David Müller (lead vocals, acoustic guitar)
Florian Müller (electric guitar, vocals)

Line-up Marc Broussard:
Marc Broussard (lead vocals, electric guitar)
Chad Gilmore (drums, vocals)
David Raymond jr. (bass, vocals)
Joe Stark (electric lead guitar, vocals)

Bilder: Gernot Mangold
Text: Daniel Daus

Marc Broussard
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Pitcher Düsseldorf
Music Matters

Rachel Wise – Southern Life – CD-Review

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Ich muss in der Tat doch ein wenig überlegen, welche Southern Rock-Acts durch weibliche Personen dominiert werden. Spontan fallen mir da eigentlich nur Damen wie natürlich Dale Krantz-Rossington (Rossington Collins Band, Rossington), Carol Chase (solo) oder Susan Marshall (vor vielen Jahren bei The Motherstation) ein, alles Backgroundsängerinnen aus dem Lynyrd Skynyrd-Dunstkreis, die dann auch mal in eigener Sache etwas Werbung betreiben konnten.

Die meisten wie u. a. Gretchen Wilson, Stacie Collins & Co., die man im weitesten Sinne vielleicht dem Genre noch wage zuordnen kann, haben aber eher dann doch den Blick schwerpunktmäßig in Richtung Nashville gerichtet. Viele talentierte Damen suchen ihr Glück meist auch in der zeitgenössischen Blues Rock-Sparte.

Zu eine der wenigen Ausnahmen, die ihren Fokus tatsächlich auf unsere beliebte Gattung gelegt hat, zählt Rachel Wise, aus Mississippi stammend, deren Debüt (schon 2015 erstmalig veröffentlicht) zwecks Besprechung jetzt vor kurzem zu mir gelangt ist.

Wie so oft ist auch diese junge Interpretin von frühster Kindheit an, im familiären Kreis und Umfeld musikalisch groß gezogen worden. Dynamik kam jedoch erst in Leben, als sie sich der Szene in Memphis zuwendete und mit Steve Corbett und Bernard De Seck als Songwriting-Team begann, zusammen zu arbeiten.

Für ihr Debüt konnten sie schließlich noch den bekannten Producer Jim Gaines (Santana, Journey, Devon Allman, George Thorogood, u.v.m.) gewinnen. Oben angeführte Susan Marshall partipiziert übrigens auf diesem Werk als Backgroundsängerin.

Der autobiografische Opener und Titelstück zugleich, „Southern Life“ gibt dann mit zünftigem Southern Rock und typischen E-Gitarren (tolle Arbeit von Steve Corbett auch insgesamt) die Marschroute des Albums vor. Natürlich erhält auch eine gewisse Countrynote Einzug in den weiteren Verlauf, der in erster Linie durch eine sägende Fiddle von Tommy Burroughs (auch an der Mandoline – klasse bei „Shoulda Known Better“) und jammernde Steel-Einlagen von Richard Ford (dazu auch Banjo) zum Ausdruck kommt. Alles aber sehr rootsig und natürlich eingeflochten.

Klasse ist es immer, wenn bei Stücken wie „American Dream“, „Come On Home“, „Dreams“ oder „Washed“ das südstaatliche Rockflair deutlich Überhand gewinnt, nicht zuletzt, weil Steve Corbett seine E-Gitarre in typischer Manier jaulen lässt und auch Adam Heart Memphis seine B3 Orgel sehr variabel ins Spiel bringt.

Dass Rachel es auch gefühlvoll kann, legt sie überzeugend beim Countryschwofer „Bye Bye Bye“ in Manier der großen Szene-Diven dar und auch beim kammermusikartig gebrachten, Gänsehaut erzeugenden „Unknown Stranger“. Das gospelige Schlusstück „Above The Clouds“ mit choralen gospeligen Gesängen zollt dann noch ihrem dortig typischen, fest verankerten Glauben an den lieben Gott Tribut.

Ob die Entscheidung von Rachel Wise, sich zunächst dem Southern Rock zu widmen, von Weisheit geprägt war, wird sich noch zeigen. Eine mutige ist es in jedem Fall und drauf hat sie es. Eine unbekümmerte, frische Bereicherung für’s Genre, ohne jeden Zweifel! Da diese Scheibe ja aus 2015 stammt, könnte eigentlich jetzt bald mal die Zeit für neuen Stoff gekommen sein. Wir sind jedenfalls ziemlich gespannt, wie und ob das musikalische ‚Southern Life‘ von Rachel Wise weitergeht.

Eigenproduktion (2015)
Stil: Southern Rock / Country

01. Southern Life
02. Shoulda Known Better
03. American Dream
04. Come On Home
05. Crazy Over Him
06. Dreams
07. Baby Bye Bye
08. Unknown Stranger
09. Washed
10. Above The Clouds

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Glass Onyon PR

J.P. Harris – Sometimes Dogs Bark At Nothing – CD-Review

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Review. Michael Segets

J.P. Harris sagte einmal, er mache Countrymusik – nicht mehr und nicht weniger. Mit diesem Statement grenzt sich Harris gegen diejenigen ab, die im Country mehr sehen wollen als Musik. Selbstbewusst wendet er sich aber auch gegen diejenigen, die versuchen, dem Country – da er unter dem Generalverdacht steht, wenig originell zu sein – eine besondere künstlerische Note zu geben.

Festzuhalten bleibt: Per se ist Country weder moralisch noch musikalisch minderwertig. J.P. Harris spielt Country und das macht er auf „Sometimes Dogs Bark At Nothing“ wieder konsequent und gut.

Mit dem Titelstück zelebriert J.P. Harris – der hier streckenweise eine gehörige Portion Vibration in seine Stimme legt – eine akustische Country-Ballade, die im wesentlichen vom Slide einer Pedal-Steel getragen wird. Auf „Miss Jeanne-Marie“ geben kräftige Klavier-Akkorde den Rhythmus vor. Der Track ist ziemlich stark, aber das akzentuierte Schlagzeug, die kurzen Gitarrenpassagen und die harmonische weibliche Begleitstimme machen das rootsige „Runaway“ zu meinem Favoriten unter den langsameren Songs.

Hier lässt Harris, der als Jugendlicher von zuhause fortgelaufen ist, autobiographische Erfahrungen einfließen. Diese scheinen auch bei „When I Quit Drinking” und „I Only Drink Alone” durch. Der zweitgenannte Titel versetzt atmosphärisch ebenso wie „Long Ways Back“ in einen Nachtclub, in dem die letzten Gäste in den frühen Morgenstunden über den Lauf der Dinge sinnieren.

Westcoast-Feeling versprüht „Lady In The Spotlight“. Dabei rechnet Harris im Text mit den Teilen der Musikindustrie ab, die vor allem bei Frauen mehr Wert auf Äußerlichkeiten legen als auf musikalisches Talent.

Harris_VIPNeben den unterschiedlich angelegten Balladen finden sich drei Country Rock-Songs auf dem Longplayer, die zusätzlich für Abwechslung sorgen. So startet das Album mit „JP’s Florida Blues #1“. Das Video zeigt, dass eine gute Idee und kein großer Aufwand oder High-Tech benötigt wird, damit es unterhaltsam ist. In der Mitte der CD nimmt „Hard Road“ Fahrt auf. Den Schlusspunkt des Werks setzt das rumpelnde „Jimmy’s Dead And Gone“. Alle drei Stücke stellen sehr gelungene Genrebeiträge dar.

Musikalisch bleibt sich J.P. Harris treu. Allerdings ging er bei der Produktion von „Sometimes Dogs Bark At Nothing“ neue Wege. Er spielte das Album nicht mit seiner Begleitband The Tough Choices ein, sondern schickte ausgewählten Musikern Demo-Tapes mit der Bitte, ihre Ideen bis zum Studiobesuch für sich zu behalten.

Erst im Studio trafen die Musiker aufeinander und dort entstanden dann die vorliegenden Versionen ohne große Probenzeit. Obwohl manche Songs schon etwas älter sind – der letzte Longplayer von J.P. Harris wurde vor vier Jahre veröffentlicht – entwickelten sie sich bei der Aufnahme spontan.

J.P. Harris steht in der Tradition des Country und sein aktueller Tonträger beweist, dass es lohnt, diese fortzuführen. Nicht auf Hochglanz poliert, sondern ehrlich und ungeschliffen wirkt auch sein Auftreten.

Er geht mit „Sometimes Dogs Bark At Nothing” auf Tour und kommt für drei Konzerte nach Deutschland. Nach den umjubelten Auftritten in der Kulturrampe in den beiden vergangenen Jahren besucht Harris die Krefelder Kultstätte erneut am 05.11. In Hamburg und Altlandsberg steht er am 23. und 24. November auf der Bühne.

Free Dirt Records/Galileo Music (2018)
Stil: Country

Tracks:
01. JP’s Florida Blues #1
02. Lady in the Spotlight
03. When I Quit Drinking
04. Long Ways Back
05. Sometimes Dogs Bark at Nothing
06. Hard Road
07. I Only Drink Alone
08. Runaway
09. Miss Jeanne-Marie
10. Jimmy’s Dead and Gone

J. P. Harris
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Free Dirt Records

Dirt River Radio – 21.09.2018, Krefeld, Kulturrampe – Konzertbericht

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Die australische Band Dirt River Radio spielte nach ihrem furiosen 2016er-Auftritt in diesem Jahr wieder in der sehr gut gefüllten Kulturrampe. Im Gepäck hatten sie den gerade erschienen Longplayer „Just For Kicks“. Nicht dabei allerdings Sänger und Gitarrist Danger Alexander und Sängerin Sarah Fagan, was im Vorfeld aber schon bekannt war.

Es kann vorab aber schon gesagt werden, dass der Rest der Band das Fehlen der beiden Protagonisten sehr gut kompensierte. Da die Gesangsparts auf alle Vier verteilt wurden, gab es  in dieser Hinsicht sehr viel Abwechslungsreichtum zu vermelden. Die zweite Gitarre wurde natürlich etwas vermisst und hätte den Sound etwas komplexer machen können.

Mit der akademischen Viertelstunde Verspätung stellte Pille Peerlings die Band kurz vor und um 21.15 begann der erste Set mit „Chase The Sun“ vom 2010er Werk „Beer Bottle Poetry“, das zusammen mit den aktuellen Album „Just For Kicks“ die meisten Songs stellte. Das Quartett nahm mit dieser rasanten Country-Rock’n’Roll-Nummer direkt das Publikum mit.

Heath Brady moderierte nun fast jeden Song mit einer kleinen Anekdote an, wobei sich aber auch die anderen Bandmitglieder immer wieder humorvoll einbrachten. Zur Belustigung des Publikums machte Sarah Fagan öfters mal mit einem Augenblinzeln eine Bemerkung in seine Richtung, dass er nur Geschichten erzählt.

Mit „Kill Everyone In The Room“ folgte dann direkt der Opener des aktuellen Albums, wobei der Titel auch als Metapher für das Konzert gesehen werden konnte, zumindest, wenn was die Dynamik der Songs angeht.

Im folgenden reichten sich Country-umwehte Midtempotracks wie „Broken English Girs“ oder „Blackhearted“ mit southernlastigen Songs wie „Devil On The Road“ und Stücken wie „I’ll Be The One“, bei dem durchaus zu erkennen war, dass CCR zu den Bands gehört, welche die Musik von Dirt River Radio beeinflussen, die Klinke in die Hand. Mit dem rockenden „Dangerous“, auch vom neuen Silberling, wurde dann der erste knapp 50 minütige Set unter dem Applaus der Anwesenden beendet.

Nach etwa 20 Minuten Pause begann dann das zweite Set mit dem ruhigen country-southern-mäßigen „Black Eyed Mondays“ vom 17er-Album „Sun City White“. Brady trug nun seine Mähne für ein paar Songs offen und hätte so auch in die Hippie-Woodstock-Ära gepasst. Mit „Kiss Of The Year“ gab es eine brandneue Nummer.

Nachdem Brady sich über die fragwürdige Qualität amerikanischen Biers ausgelassen hatte, folgte selbstredend die  Ballade „American Beer“, einer der stärksten Songs des Konzertes, wobei es schwer fällt, einen explizit hervorzuheben, da es keinen, nennen wir es einmal so, unnötigen Lückenfüller gab.

Nach „The River“ erzählte Brady von einem Erlebnis im Himalaya und Freundschaften, die auch zu Ende gehen können, um dies in der Countryballade „All My Friends“ dann entsprechend charismatisch zu vertonen. Nachdem er im Anschluss seine Neutralität in Sachen Fußball zur Sprache gebracht hatte, präsentierten die Vier das starke „Public Bar“.

Kurz danach kam dann bei einer zunächst sehr slow beginnenden Version von „Proud Mary“ der große Auftritt von Kellie Fernando, die stimmgewaltig das dann immer rasanter werdende Stück intonierte.

Mit „Coooksucking Blues“, einem Hard Rock-Song, in dem Elemente von AC/DC und Led Zeppelin zu erkennen waren, beendeten Dirt River Radio in furioser Manier das Konzert, um nach kurzer Zeit für zwei Zugaben die Bühne wieder zu betreten (welche sie aber eigentlich gar nicht richtig verlassen hatten).

Eine dieser war das schmalzige, mit viel Humor gebotenen Cover „Unchained Melody“ von den Righteous Brothers. Nach knapp zwei Stunden war dann der Gig, aber nicht der Arbeitstag der Band endgültig vorbei, denn die vier Australier nahmen sich noch ausgiebig Zeit,  mit den Fans in der Kneipe der Kulturrampe Smalltalk zu halten.

Ein Dank geht wie immer an das freundliche Team der Rampe, aber auch an Manny Montana von Teenage Head Music, der diese Band wieder nach Krefeld gebracht hat und es sich nicht nehmen ließ einer seiner Lieblingslocations einen Besuch abzustatten.

Wer eine authentische Band mit Rock-, Country- und Southern-Einflüssen erleben will, wird bei einem Dirt River Radio-Konzert mit Sicherheit auf seine Kosten kommen.

Line-up:
Heath Brady – Vocals, Guitar
Matt Bray – Drums, Vocals
Anthony Casey – Bass, Vocals
Kellie Fernando – Vocals, Percussion

Text und Bilder: Gernot Mangold

Dirt River Radio
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Teenage Head Music
Kulturrampe Krefeld

Louderdales – En El Valle De Los Perdidos – CD-Review

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Review: Michael Segets

Kaum aus dem Spanien-Urlaub zurück flattert die neue CD der Louderdales „En El Valle De Los Perdidos“ ins Haus, die auf dem spanischen Label Sleazy Records erschienen ist. Bei ihren Touren durch Europa knüpfte die Aachener Band anscheinend Kontakte zu den Iberern. Aufgenommen wurde das Album allerdings in den Fantasy Island Studios ihrer Heimatstadt.

Das Quintett verschreibt sich konsequent dem bereits auf „Songs Of No Return“ (2015) eingeschlagenen Country-Pfad, wobei die rockigen Anteile gegenüber ihrem Debüt etwas in den Hintergrund treten.

Einen durchweg gelungenen Einstieg bildet „A Bad One“. Joe Da Hoe hat für den staubtrockenen Country-Song die passende Stimme und Tommy Greed lässt diesen mit stimmungsvoller Percussion ausklingen.

Mit „Hard Times“ und „Glory Days“, bei dem Gitarrist Thomas Slowborn die Lead Vocals übernimmt, finden sich schnellere Nummern ebenso auf der Scheibe wie lockere Midtempo-Stücke. Zu diesen zählen „No Need To Complain“ und „Bad News From Home“.

Der genretypische Rhythmus wird von Doc Nic am Upright Bass und Tommy Greed am Schlagzeug beigesteuert. Die Gitarre von Oeli Cave könnte vom Sound auf „Going Home” auch Johnny Cash begleiten. Mit „Gotta Go“ weichen die Louderdales von den klassischen Country-Klängen ab und geben dem Track einen leichten Punk-Anstrich.

Auch die Songs, die sehr gut in das amerikanisch-mexikanische Grenzgebiet passen, sorgen für Abwechslung auf dem kurzweiligen Album. Hier ist vor allem „Slow Jack Greedo“ hervorzuheben, das mit galoppierendem Rhythmus, klirrender Gitarre und Backgroundgesang den Soundtrack zu einem Italo-Western liefern könnte.

Gleiches gilt für das kurze und knackige Instrumentalstück „Saludos De La Cueva Moca“. Oeli Caves Gitarrenintro leitet das von ihm komponierte Duett „When I Fall Asleep“ ein. Die helle Stimme von Jenny Don’t (Jenny Connors) steht dabei in einem interessanten Kontrast zu der von Joe Da Hoe.

Die überwiegende Zahl der Titel wurde von den Bandmitgliedern verfasst, wobei Thomas Slowborn die meisten Stücke beisteuerte. Die Louderdales covern „Just Like California“ von Old 97’s und Steve Earles „Outlaw’s Honeymoon”. Beim letztgenannten Song packt Joe Da Hoe ebenso wie bei fetzigen „Truckstop Butterfly” seine Mundharmonika aus, was nochmal besondere Akzente setzt.

Country aus deutschen Landen hat ja mit einigen Vorurteilen zu kämpfen. Die Begeisterung der Louderdales für diese Musikrichtung schwappt beim Hören des Longplayers über. Besonders dort, wo die Band Facetten jenseits der gängigen Trucker-Rhythmen zeigt, überzeugt sie. Die Texte drehen sich oft um Outlaws und dem Leben fern von zuhause und greifen damit genretypische Themen auf. Dabei stehen sie den Beiträgen aus dem Heimatland des Country in nichts nach.

Sleazy Records (2018)
Stil: Country

01. A Bad One
02. Hard Times
03. Just Like California
04. Going Home
05. Gotta Go
06. Glory Days
07. Outlaws Honeymoon
08. Slow Jack Greedo
09. When I Fall Asleep
10. No Need To Complain
11. Saludos De La Cueva Moca
12. Bad News From Home
13. Truckstop Butterfly

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