Parsons Thibaud – 02.11.2007, Karo, Wesel – Konzertbericht

Mein Gott, wie die Zeit vergeht. Drei Jahre ist es schon wieder her, seit ich das letzte Mal im Karo in Wesel gewesen bin. Ende 2004 gab sich Todd Thibaud mit seiner Band die Ehre, um sein hervorragendes Album „Northern Skies“ vorzustellen. Schon damals erwähnte ich, dass ich gerne wiederkommen werde, wenn sich die Gelegenheit dazu bieten würde. Und was wäre die Welt ohne einen Musik-Redakteur, der nicht sein Wort halten würde?

Als ich erfuhr, dass der gute Todd mit seinem Langzeit-Kumpel Joseph Parsons wieder im Lande ist, zudem mit Terry Lee Hale als Support, somit ¾ des Bestandes von Hardpan, die ich ebenfalls vor einigen Jahren schon beleuchtet hatte, war die Sache klar. Auf nach Wesel, das ja von Rheinberg nur einen Katzensprung entfernt liegt. Das Karo hat sich im Laufe der Zeit eigentlich fast gar nicht verändert. Im Aufenthaltsraum gab es die lecker 0,33l Bierfläschchen zum moderaten Preis, der relativ kleine quadratische Raum mit dem sperrigen Pfeiler vor der Bühne bietet gediegene, dunkle Wohnzimmeratmosphäre, allerdings eher auf Studenten-WG-Basis.

Um 20:45 Uhr betrat der wie immer wuselig und ein wenig hektisch wirkende Teryy Lee Hale die Bühne, öffnete seine Tasche und ordnete wie ein Beamter im Stress seine Mitbringsel (Plektron, Mundharmonika) auf dem bereitgestellten Tisch. Stöpsel in die Akustikgitarre und los ging’s. Hups, wen hat er den da mitgebracht? Ist Diego Maradona zum Entzug seiner Drogenprobleme etwa ausgerechnet ins Musikerfach gewechselt? Nein, der Autor muss wohl mal demnächst zum Optiker, es war der französische Bassist Nicolas Chelly alias ‚Fingerbones‘, der Terry schon seit längerem bei Konzerten begleitet.

Hale (wie später Thibaud und Parsons auch) hatte von Beginn an das Pech, dass zum einen ein recht unerfahrener junger Bursche das Mischpult bediente, zudem noch direkt beim zweiten Stück ein Wackelkontakt im Mikrokabel recht kratzige unharmonische Töne durch die Boxen jagte. Nachdem dieses ausgetauscht wurde, legte er dann aber in seiner gewohnt humoristischen Art los und präsentierte schwerpunktmäßig Stücke aus seinem Album „Shotgun Pillowcase“, wobei mir die Songs im zweiten Teil wie „Big Size“, „Level 20“, „Evergreen“, wo es zum Einsatz von Dobro und teilweise der Mundharmonika kam, am besten gefielen. Die kleine Anekdote über das Weseler Hotel, in dem Hale wieder residieren durfte, obwohl er sich beim letzten Mal mit dem Besitzer in der Wolle hatte, entwickelt sich scheinbar zum Running Gag. Die eingeforderte Zugabe „Cable Ballad Blues“ beendete einen sympathischen Support-Gig.

Nach kurzem Umbauen ließen sich die beiden Hauptakteure dann auf ihren Hockern nieder und bewiesen sofort, wie schön es sein kann, wenn zwei gute Songwriter, Gitarristen und Sänger ohne Eitelkeiten niveauvolle Americana-Musik, diesmal im semi-akustischen Gewand vom Stapel lassen. Keiner drängte sich in den Vordergrund, der Leadgesang wurde im konstanten Wechsel übergeben, der Nichtsingende konzentrierte dann sich auf sein Instrument und die tadellosen, auf den Punkt gebrachten Harmonies, die sich wie ein roter Faden durch das in zwei Sets aufgeteilte Konzert zogen.

Auch Joseph und Todd hatten natürlich ihre neue CD „Parsons Thibaud“ im Gepäck, aus der naturgemäß ein recht hoher Anteil von Liedern performt wurde (u.a. „The Right One“, „Skipping Stone“). Es wurde natürlich auch rumgefrozzelt. Todd merkte vor „My Daddy’s Cadillac“ an, dass sein Vater zu seiner Sturm- und Drangzeit nur einen Volvo fuhr, wonach Joseph mit einem Zwinkern erwiderte, dass dieser aber zumindest einen großen Rückbereich gehabt hätte … Sein Vater hätte dagegen ein sehr enges Coupé besessen. Mein absolutes Lieblingsstück „Louisiana“ von Thibauds toller „Northern Skies“-Scheibe beendete Teil eins der Show und erzeugte Gänsehaut auf dem Rücken.

Nachdem in dem schweißtreibenden Raum einmal durchgelüftet wurde und ein Pils die Zunge befeuchtet hatte, ging es nahtlos zum zweiten Part über. Hier gab es mit „Bury An Angel“ auch ein erstes Stück vom gemeinsamen Hardpan-Album. Highlights waren jedoch die wunderschönen „Anywhere“ und „Dirty World“, das allerdings abrupt unterbrochen wurde, als Thibaud das Akustik-Solo von Parsons mit »on lead guitar Joseph Parsons« würdigte, und damit ein kollektives Gelächter auslöste.

Um 0:10 Uhr ertönte mit dem Simon & Garfunkel-Cover von „The Boxer“ die erste Zugabe. Wieder einmal brillierten die beiden mit perfekten Harmoniegesängen. Danach wurde dann Spaßvogel Terry Lee Hale auf die Bühne geholt und mit „No Disguise“ gab es die ‚Fast-Hardpan-Reunion‘. Bei „Johanna’s Dreams“, dem persönlichen und emotional vorgetragenen Lieblingsstück von Thibaud, konnte man eine Stecknadel fallen hören.

Ein feiner, ruhiger Ausklang! Insgesamt ein brillantes Konzert zweier exzellenter Künstler in herrlicher Atmosphäre. So bleibt mir am Ende nichts weiter, als mich erneut zu wiederholen: Auch beim nächsten Male komme ich gerne wieder! Vielleicht dann wieder mit kompletter Bandbegleitung.

Todd Thibaud
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Karo Wesel

Sand Rubies – 06.12.2007 Karo, Wesel – Konzertbericht

Mein langjähriger Schreibkollege Manni Hüther hatte mir mit seinen euphorischen Reviews zu den Sand Rubies, den früheren Sidewinders, den Mund derartig wässrig gemacht, dass der Gig im benachbarten Wesel (übrigens der einzige in NRW) für mich als arbeitenden Menschen auch innerhalb der Woche zur Pflichtveranstaltung mutierte.

Als Vorband hatten Why Amnesia aus Herne den Abend eröffnet. Nach einer knappen Viertelstunde Umbaupause, trat dann der kultumwobene Desert-Rocker aus Tuscon, Rich Hopkins, mit seinen Mannen ins Rampenlicht. Die Sand Rubies legten mit „What Am I Supposed To Do“, das noch von soundtechnischen Problemen begleitet war (Sänger Davis Slutes war viel zu leise ausgesteuert), sofort den Grundstein für eine schweißtreibende, mitreißende Tour durch ihr Songrepertoire und die kräftezehrenden Ausschweifungen ihres brillant aufgelegten Gitarrenkünstlers.

Natürlich wurde der Fokus dann auch auf das von mir mit gemischten Gefühlen aufgenommene „Mas Cuacha“ gerichtet: Mit „Satellite Radio“, „Can’t Change That“ (mein Lieblingssong vom Album), „Showcase 89“ und „Ferment“ (hier bewies Hopkins auch seine Gesangsqualitäten) wurden gleich vier Stücke im ersten Part abgewickelt. Mein Gefühl, dass die Stücke ‚im echten Leben‘ wesentlich besser zum Tragen kommen, bestätigte sich nachhaltig, selbst meine Frau Renate geriet ins Schwärmen.

David Slutes ist auch nach meinen Live-Eindrücken kein Übervokalist, lässt dies aber durch eine ungemein sympathische Bühnenpräsenz und flottem E-Rhythmusspiel in Vergessenheit geraten, zumal man als Sänger bei dieser geballten Instrumentalkraft kaum für Glanzlichter sorgen kann. Der kauzige Bassist Ken Andree (äußerlich mit seinem langen Kinnbart an Catweazle erinnernd) und Rasta-Drummer Winston Watson (was für eine satte Performance, klasse!) wussten nicht nur am Ende des ersten Teils (bei „Train Of Love“?) mit zwei aufeinanderfolgenden Soloeinlagen zu überzeugen. Rich Hopkins spielte sich auf seiner Gibson bei seinen umfassenden Ausflügen teilweise in regelrechte Rage.

Ein kurzer Akustikset wurde humorvoll als Gelegenheit zur Pinkelpause für die Zuschauer offeriert, danach krachte es in einer Tour hintereinander weg. Vom aktuellen Longplayer gab es noch „See You In September“, und nach zwei, vom wie immer angenehmen Weseler Publikum, eingeforderten Zugaben, wurde der fast zweistündige Gig mit viel Applaus beendet.

Mein Fazit: Auch wenn die Sand Rubies ja aus dem staubigen Amiland kommen, klangen sie für mich doch wie vier Briten, die in einem texanischen Wüsten-Geisterkaff mit dem Auftrag ausgesetzt wurden, die dortigen Toten mit knallhartem Rock’n’Roll wieder zum Leben zu erwecken. Diese Musik geht wirklich durch Mark und Bein.

Danke an Manni für einen tollen Tipp!

Rich Hopkins
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Karo Wesel

Mark Selby – 04.06.2010, Kulturrampe, Krefeld – Konzertbericht

»Am Tag als FC Schalke starb, und alle Essener sangen, was für eine schöner Tag«, hallte es jahrzehntelang durch das alt ehrwürdige Georg-Melches-Stadion, einst Deutschlands modernste Fußball-Arena, heute dank der Stadt Essen und seiner oberen Belegschaft eine marode, teilabgerissene Ruine, in Anspielung auf den Bundesliga-Bestechungsskandal, dessen Leidtragender damals Rot-Weiss Essen war und aus der 1. Bundesliga absteigen musste, ohne zu wissen, wie ihm geschah.

Der Verein, dessen Spieler Helmut Rahn mit seinem Siegtor im Endspiel bei der WM in Bern dafür sorgte, dass Deutschland und sein DFB (die Frankfurter Mafia) wieder eine angesehene Adresse im internationalen Fußballsport und gemeinen Leben wurde. Der Verein, der einzigartige Stürmer wie Willi ‚Ente‘ Lippens, Manfred Burgsmüller, Frank Mill, die ‚Cobra‘ Jürgen Wegmann oder das ‚Kopfball-Ungeheuer‘ Horst Hrubesch (Schütze des Siegtores im Endspiel der EM 1980) herausbrachte und salonfähig machte.

Der Arbeiterverein der sechst-größten Stadt Deutschlands, der nun von der angeblichen Arbeiterpartei SPD mittels ihres Oberbürgermeisters und ihrem medialen Sprachrohr, der WAZ, in einer, wie es scheint, schon lang geplanten Schmierenposse (vermutlich sogar noch mit dem Vorstand zusammen) fallengelassen und von seinen milliardenschweren, ansässigen Firmen sträflich im Stich gelassen wurde, heute Insolvenz anmeldete und endgültig in die sportliche Bedeutungslosigkeit abstürzen wird, am Tag, an dem ich mir Mark Selby zum ersten Mal in meinem Leben live anschaute.

Was für Gegensätze! Auf der einen Seite fast vier Dekaden Stümperhaftigkeit und Dilettantismus in allen Bereichen, die ihres Gleichen sucht; wobei natürlich auch die Frage im Raume steht, was es bringt, dem heute bestehenden, ausnahmslos profitorientierten Sport-Söldnertum auch nur eine Träne nachzuweinen. Trotzdem wird hier ohne Zweifel zigtausenden, einfachen Menschen ein Lebensinhalt weggerissen, während andere ebenfalls hoch-defizitäre Bereiche in dieser Stadt zum Wohle seiner besser Betuchten weiter millionschwer subventioniert werden. Auch der Autor dieses Berichtes, seinerzeit viele Jahre ein recht erfolgreicher Leistungsballsportler, kann sich trotz aller Wenns und Abers eine kleine Träne der Trauer nicht verdrücken. Zu viele mitreißende Partien in südländischer Gänsehautatmosphäre hat er dort erlebt und viele nette Menschen kennengelernt, die nicht dem üblichen Klischee des Fußballproletenfans entsprechen.

Auf der anderen Seite dann abends ein Weltklasse-Könner wie Mark ‚Otis‘ Selby (erstmal sorry, dich in einen Kontext mit solchen Versagern zu setzen), der zu moderaten Eintrittspreisen, hautnah mit seinen beiden sympathischen Mitstreitern Charles ‚Chopper‘ Anderson und Darryl ‚DB‘ Burgess eine grandiose Blues Rock-Show ablieferte, obwohl er noch tags zuvor in Kassel durch eine Erkältung ziemlich stark angeschlagen war. Ein super-sympathischer Profi ohne Allüren und einer Einstellung halt und vor allem mit einem Gespür für seine Fans (gab z.B. nach dem Konzert viele Autogramme und war für jeden ansprechbereit). Er gibt, so hat man direkt den Eindruck, immer alles.

Die Kulturrampe in Krefeld, sehr gut versteckt liegend, ließ in der Überschaubarkeit seiner Räumlichkeit, mit seiner notgedrungen dreieckig verlaufenden Bühne an diesem ersten heißen Sommerabend angesichts der zu erwartenden schweißtreibenden Selby-Musik saunaartige Verhältnisse befürchten, was sich aber bei gut gekühltem Bier als Trugschluss erweisen sollte. Die eingesetzten Ventilatoren leisteten zudem einen zufriedenstellenden Dienst.

Das Trio eröffnete mit einem starken „Don’t Throw That Mojo On Me“, wobei Mark die Finger über seine schon recht abgenutzte Stratocaster fliegen ließ. Herrlich rockige Stücke wie „Unforgiven“, der Hit „Blue Or Black“, „Leveler, Reveler“ oder das überragende, stoneske „She’s Like Mercury“ gaben sich die Klinke mit einigen Balladen wie „Guitar In The Rain“, „Baby I Do“ oder dem herrlichen „You’re So Beautiful“ in die Hand, das auch die Gesangskünste des glänzend aufgelegten Drummers Darryl Burgess (von Selby zurecht als der »Groover from Vancouver« angepriesen, ansonsten auch ein brillanter Singer/Songwriter) offerierte. Phänomenal bei diesem Stück auch Marks gefühlvolle Slideeinlagen.

Mark Selby Dazu gesellten sich einige Coversongs wie das berühmte „The Beat Goes On“, bei dem das gut aufgelegte Krefelder Publikum auch einer durch Mark eingeforderten Finger-Mitschnipperei ohne zu Zögern mit Bravour nachkam. Das in Blues Rock-Kreisen scheinbar unverzichtbare „Crossroads“ wurde mit viel Drive und viel Improvisationsfreude abgewickelt.

Grandios im Zugabenteil der Band-Klassiker „The Weight“, bei dem dann alle Beteiligten des Trios noch mal am Mikro wirkten, vor allem die whiskeygetränkte Röhre von Chopper kam da klasse. Den letzten Song des Abends, „Sometimes I Feel Like I’m Goin‘ Home“, absolvierte Mark dann mit seiner Stratocaster solo und ließ einen über die gesamte Spieldauer frenetisch umjubelten Gig recht melancholisch ausklingen, der dann bei mir wieder unweigerlich diesen Kloß in den Hals beförderte, an diesem lauen Sommertag, als Rot-Weiss Essen starb…

Bilder: Gudi Bodenstein

Mark Selby
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Kulturrampe Krefeld

Todd Thibaud – 27.03.2009, Karo, Wesel – Konzertbericht

Einen Tag zuvor bei Steve Lukathers Gitarrenkünsten auf Weltniveau in Bochum, bei prall gefüllter Location auf mittelgroßer Ebene noch beigewohnt, galt es am darauf folgenden Abend den inneren musikalischen Hebel wieder umzuschalten. Angesagt war eine Mischung aus Singer/Songwriter-Stoff und melodischem Roots Rock in intimer Wohnzimmeratmosphäre.

Einer meiner Lieblingskünstler auf dem Gebiet war einmal mehr in Wesel zu Gast, Todd Thibaud. Der hatte seine vor geraumer Zeit erschienene und von mir beleuchtete CD „Broken“ mit im Gepäck, die es hier und heuer vorzustellen galt. Es ist meine bis dato vierte Live-Begegnung mit dem sympathischen Songwriter (einmal als Part von Hardpan, einmal mit Joseph Parsons im Duo, zweimal mit Begleitband) und, um es vorwegzunehmen, es sollte die eindeutig stärkste Vorstellung werden. Der gewichtstechnisch im Vergleich zu den Vorjahren etwas ‚robuster‘ wirkende Thibaud (mit Pepita-Hütchen als Kopfverzierung), kam nach meinem subjektivem Empfinden vom Wesen und seiner Körpersprache deutlich lockerer rüber als bei den erlebten Vorveranstaltungen, da konnte er den Hauch des dezent introvertierten nachdenklichen Intellektuellen nie so ganz abstreifen (was aber seine sympathische Note nie übertünchte).

Vermutlich lag es an seinen Mitstreitern (scherzhaft von Todd bei der Vorstellung als ‚Sleeping Dogs‘ betituliert, also aus seiner Sicht Todd Thibaud & The Sleeping Dogs), die gut gelaunt und spielfreudig ihren Frontmann zu Bestleistungen animierten. Thibauds samtweiches, glasklares Stimmorgan verströmte eine einzigartige, wohlige Wärme, sein präzises Akustikgitarrenspiel gab den Takt vor; der wie eine tapezierte Fahrradspeiche anmutende, hagere Sean Staples und der Holzfäller-Typ, Thomas Juliano (von Seven Mary Three), zeigten sich für die solistischen Glanzlichter verantwortlich. Erstgenannter ließ wieder ein Mandolinengezwitscher vom feinsten vom Staples, ähm vom Stapel, das ihn in freier Natur vermutlich ins Fadenkreuz so manches Ornithologen geraten lassen würde, Juliano beeindruckte mit variabler E-Gitarrenkunst. Und er war es auch der diesen Thibaud-Auftritt zu meinem Favorit werden ließ.

Die Brandbreite reichte vom sattem Rhythmusspiel, über klassische E-Soli bis zu atmosphärischen Bariton-Klängen, sowie letztendlich einer surrenden Slide-Performance beim den Hauptset abschließenden „You & Me“. Sprich, Thomas Juliano machte den Unterschied! Der in drei Teile gesplittete Abend (Set 1 von 21:15 – 22:00 Uhr, Set 2 22:20 – 23:10 Uhr, Zugaben 23:15 – 23:30 Uhr) umfasste 25 Stücke, die im Großen und Ganzen ein Best Of seiner vier Studioalben „Little Mystery“ (u.a. großartig das Titelstück und das mandolinenverzierte „Anywhere“), „Squash“ (u.a. „Is It Love?“, das flockig dargebotene „St. Cecilia“), „Northern Skies“ (u.a. mein Thibaud-Lieblingsstück „Louisiana“, das rockige „Three Words“, das rhythmische „On My Own Again“ mit fetzigem E-Solo) und dem aktuellen Silberling „Broken“, der natürlich den Schwerpunkt bildete (bis auf vier Tracks alles, wobei das atmosphärische „Simple Man“, die countryeske Ballade „Man That I Am“, das mit Honkytonk-Flair behaftete „Stone I Can’t Roll“ und das Slide-trächtige „You & Me“ besonders zu gefallen wussten). Drei Stücke (enthalten auf einem Blue-Rose-Bootleg: „Give Back My Heart“, „That Wasn’t Me“ und „Sweet Destiny“) waren mir bisher nicht bekannt, überzeugten aber allesamt.

Der vom recht sachlichen Publikum eingeforderte Zugabenteil umfasste insgesamt fünf Songs. Darunter ein balladeskes Tom Waits-Cover und „Johanna’s Dreams“, das Todd recht intim, solo, und mit eigens gespielter Harp-Ergänzung performte. Das am Ende noch mal richtig mit kompletter Band abrockende „Finding Out“ von Thibauds damaligem Debüt beendete einen starken, intensiven, instrumentell anspruchsvollen und sehr melodiebetonten Abend. Todd Thibaud & Band sind von daher immer einen Konzertbesuch wert. Auch beim nächsten Mal werde ich sicherlich wieder mit von der Partie sein. Großartiger Live-Stoff!

Todd Thibaud
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Blue Rose Records
Karo Wesel

Grainne Duffy – 27.10.2015, topos, Leverkusen – Konzertbericht

Normalerweise hat mich die Stadt Leverkusen in meinem bisherigen Leben nur zu Spielen meiner geliebten Versagertruppe Rot-Weiss Essen gegen die heimische Werkself (wohlbemerkt natürlich nur gegen deren Amateurvertretung…) begrüßen dürfen. Obwohl ich ja fast Zeit meines Lebens auch im Rheinland wohne, fühlte ich mich eigentlich, nicht nur wegen meiner genetisch bedingten Fußballabnormität, doch eher zum Ruhrgebiet hingezogen. Nun fuhr ich an diesem herbstlichen Dienstagabend zum ersten Mal in musikalischer Angelegenheit in das aus vier Ortschaften zusammengewürfelte Pillendorf und mischte mich in der urigen und geschichtsumwobenen Kneipe topos zum Grainne Duffy-Gig unter die gleichgesinnten, überwiegenden rheinischen Frohnaturen.

Das topos ist ein ganz kleiner Raum, muss man fast schon sagen, bei dem der Thekenbereich auch noch fast die Hälfte der Örtlichkeit einnimmt. Wenn hier 80 Leute drin sind, kommt man sich vermutlich wie in einem indischen Überlandbus vor. An diesem Abend waren dann, inklusive mir, so ca. 30 Leute zugegen. Die sollten ihr Kommen auch nicht bereuen, denn sie erlebten einen tollen stimmungsvollen Gig, mit einer irischen Band, die sich voller Spielfreude und in Bestform präsentierte. Bandleaderin Grainne Duffy (lead vocals, guitars) und ihre Jungs (Paul Sherry – guitars, vocals; Eamon Ferris – drums; Paul McCabe – bass) spielten den Blues Rock ganz nach meiner Façon: Überwiegend modern und melodisch rockig, dazu immer mal wieder mit einem dezent unterschwelligen Country- und Southern Rock-Touch. Dazu kommt die tolle Stimme der hübschen Frontdame, ein Umstand, den ich bei den meisten Vertretern der Zunft oft vermisse.

Die zeigte sich vokal extrem variabel in Sphären von einer Sheryl Crow bis hin zu einer Röhre Marke Sass Jordan. Klasse! Was mir besonders gefiel, war das ebenfalls breit gefächerte Zusammenspiel sowie das Kombinieren von Paul Sherrys Stratocaster und Grainnes Gibson Les Paul. Dazu wechselten beide manchmal je nach Bedarf zur Akustikgitarre. Die Band präsentierte neben ein paar anderen Sachen natürlich so einige Stücke vom aktuellen „Live“-Album, hängen blieben vor allem die beiden fulminanten ‚Slow Bluese‘ „Good Love Had To Die“ und ihr unter die Haut gehendes Paradelied, das Etta James-Cover „I’d Rather Go Blind“, sowie das herrlich rhythmisch shuffelnde „Mountain To Climb“ (mein Favorit des Abends). Als Country- und Southern Rock- Fan kamen mir natürlich Tracks wie „Test Of Time“ und das fantastische „Time Is Not Enough“ bestens entgegen, gerade beim letztgenannten Lied kam man sich vor wie zur einstigen Rossington Collins Band-Zeit.

Angenehm auch das mit einem Reggae-Teint versehene „Sweet Sweet Baby“, knochentrocken dahin gerockt gegen Ende des zweiten Sets „Bad To Worse“. Der zierliche und schon doch ein wenig betagt wirkende topos-Besitzer Wolfgang Orth (eine echte Legende und Institution im Ort, wie ich aus Zeitungsberichten an der Außenwand-Vitrine des Gebäudes vernehmen konnte), war nach dem Ende des Hauptteils von Grainnes Performance so angetan, dass er sich bei Grainne mit einer Schar von Handküssen bedankte und auf die Bühne trat, um die Zuschauer zu noch stärkeren Zugabe-Rufen zu animieren. Fast völlig außer Kontrolle geraten, offenbarte er seine anhaltende Gänsehaut und geriet dabei so ins Schwärmen, dass sein Atem immer schwerer wurde. Man muss da fast von Glück sprechen, dass da gerade keine Viagra in unmittelbarer Griffbereitschaft lagen, aber seine geliebte Frau Ingrid war ja letztendlich auch noch zugegen… So blieb es dann doch nur bei einem liebevollen Zitieren der Protagonistin auf die Bühne.

Der ausgiebige Zugabenteil bestand dann u. a. aus einer interessanten Interpretation von Bob Dylans „I Shall Be Released“ und einer brandneuen rockigen Nummer namens „Black And White“. Nach über zwei Stunden Spielzeit ging ein begeisternder Gig zu Ende (übrigens auch bei toll und genau richtig abgemischten Sound), bei dem nur restlos zufriedene Zuschauer zurückblieben, die es sich danach natürlich nicht nehmen ließen, sich mit den mitgebrachten Merchandise-Artikeln einzudecken und diese von Grainne signieren zu lassen. Ich hatte dann noch die Gelegenheit, bei einem Bierchen an der Theke, ein paar Worte mit Paul Sherry zu wechseln.

Fazit: Das Grainne Duffy-Konzert an diesem Abend in Wohnzimmeratmosphäre zählt neben dem King King-Auftritt im Yard Club eindeutig zu meinen persönlichen Highlights des Jahres 2015. Diese sympathische Dame und ihre tolle Band werde ich sicherlich nicht zum letzten Mal live gesehen haben!

Grainne Duffy
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Topos Leverkusen

The Freeway Revival – 12.12.2015, Kulturrampe, Krefeld – Konzertbericht

Manchmal hat man halt so seine Eingebungen. Eigentlich hatte ich nur mal auf der Homepage der Kulturrampe geschaut, was so läuft und wurde auf die mir bis dato unbekannte Band The Freeway Revival aus North Carolina aufmerksam. Als ‚Cool Organic Hippie Rock‘ mit Bezügen zum Southern Rock wurde ihr Stil beschrieben, also live zumindest für mich durchaus interessant. Ich hörte dann mal kurz in Soundfiles ihrer beiden bisher veröffentlichten CDs „Songs From Home“ und „Over The Mountain“ hinein und war mir immer noch unsicher, da mir die Stimme ihres Sängers Adam Clayton doch etwas zu dünn ausfiel. Der Umstand meiner positiven Entscheidung ihres Besuchs wurde jedoch durch mein neues Auto beeinflusst, das mich so ein wenig in die musikalische Neuzeit hineinkatapultiert hat.  The Freeway Revival – 12.12.2015, Kulturrampe, Krefeld – Konzertbericht weiterlesen

Melissa Etheridge – 23.04.2015, Live Music Hall, Köln – Konzertbericht

 

Es war gestern beim Melissa Etheridge-Gig in der Domstadt irgendwie nicht mein Tag. Lange Schicht auf der Arbeit, danach unglaubliche 2½ Stunden Fahrtzeit von Essen nach Köln, dank Bahnstreik und einer Baustelle auf der A3. Das relativ späte Eintreffen an der Live Music Hall war aufgrund der Akkreditierung mit Fotopass (danke nochmal dafür an Mark Dehler von Netinfect) kein Problem, da ich mit den anderen Fotografen per Security separat zur Bühne geleitet wurde. Der sonst übliche Fotograben war hier zu einer Fotozelle umfunktioniert worden. Das Gatter war so dicht an die Bühne gepfercht worden, dass man sich, mit quasi null Bewegungsfreiheit, wie eines der bemitleidenswerten Tiere in der Massenhaltung vorgekommen ist (wenn auch nur für knapp vier Minuten). Jeder Schwerverbrecher hätte unter diesen Bedingungen wahrscheinlich sofort Amnesty International auf den Plan gerufen…

Dazu wurde nur die Erlaubnis erteilt, beim Opener „Ain’t It Heavy“ zu fotografieren. Für mich also unter diesen allürenhaften Bedingungen bei etwas größeren Events, zumal ich eh nicht der große Kameraprofi bin, Stress pur. War nicht so schön. Nach dem Abgeben der Ausrüstung durfte man sich dann wieder von hinten durch die fast voll besetzte Halle halbwegs nach vorne schlängeln. Danach die nächste Enttäuschung: Ich war in der Annahme zum Konzert gereist, die Kalifornierin mit Band zu sehen zu bekommen, da ich sie vor Jahren schon mal bei ihrer „Live And Alone“-Tour solo erlebt habe. Aber nix da. Melissa also wieder ‚leibhaftig und allein‘.

Na ja, zumindest hatte ich beim Studieren ihrer Setlists von 2015 die leise Hoffnung, dass sie wenigstens ihr neues Album „This Is M.E. ausführlich präsentieren würde, aber auch dem war leider nicht so. Später mehr dazu. Aber gut, genug gemeckert jetzt, kommen wir zu den erwähnenswerten Dingen des Abends. Die Live Music Hall war mit geschätzten 1300 Besuchern ziemlich gut gefüllt und als Hetero den Massenauflauf von vornehmlich gleichgeschlechtlichen weiblichen Paaren zu beobachten, war natürlich für den Bewohner einer mittelgroßen Kleinstadt wie mich, der den Christopher Street Day nur aus dem Fernsehen kennt, schon wieder etwas Besonderes (allerdings war ich durch den damaligen Konzertbesuch schon innerlich darauf vorbereitet).

Nach dem bereits erwähnten Eröffnungsstück ging es über „Chrome Plated Heart“ zu „Enough Of You“, wo die Etheridge kurz eine Anekdote, wie sie mal vor geraumer Zeit in den Kölner Karneval geriet, zum Besten gab. Mit „Take My Number“ gab es das erste Stück vom neuen Album. Auffällig, dass diese Tracks, und auch ein paar andere, immer wieder von Melissa durch eine Loop Machine (dazu schlug sie meist ein paar Mal auf eine Handpauke und einen Schellenring) playbackartig in Sachen Rhythmik unterstützt wurden, was den Ablauf zumindest nicht ganz so eintönig machte.

Vor „I Want To Come Over“ berichtete sie kurz von ihrem nahenden Auftritt in der NDR-Talkshow „3 nach9“, wo wohl ein Song von ihr mit dem ebenfalls anwesenden Howard Carpendale im Duett als Überraschung geplant sei. Und tatsächlich, neben „Monster“, sang sie am Ende mit diesem Springsteens „Dancing In The Dark“, das schonungslos offenbarte, dass der mutige, aber gesanglich hoffnungslos unterlegene Howie wohl besser seinem Schlagergenre beiwohnen bleiben sollte. Zu einem von ihr bisher unveröffentlichen Stück, „Ready To Love“ (das sie einem europäischen Superfan widmete, der angeblich über zehn Jahre fast alle Gigs von ihr im hiesigen Raume besucht haben soll), besetzte sie zum ersten Mal das Piano, das sie dann auch für das angenehme Joan Armatrading -Cover „The Weakness In Me“ später nochmals frequentierte. Schön auch ein weiterer aktueller Song „Like A Preacher“.

Nach „Must Be Crazy For Me“ brachte das in der Zuschauergunst recht hoch angesiedelte „Come To My Window“ erstmalig spürbare Emotionen in die Halle. Ein sehr schöner Song! Klasse, als sie für „Ain’t That Bad“ vom neuen Album mal eine schwarze Gibson Les Paul schulterte und das mit einer Mischung aus E-Gitarre und Dobro gespielte großartige „Monster“ bewies, dass sie auch richtig gut Alarm auf diesen Teilen machen kann. Hier bevorzugte sie die Slide-Variante und obendrauf gab es auch noch ein deftiges Harp-Solo. Ein Highlight! Das war es dann aber auch mit den neuen Sachen. Meine Favoriten „Do It Again“ und „All The Way Home“ blieben leider außen vor. Über „I’m The Only One“ ging es dann schon auf die Zielgerade. Das übliche und routiniert von ihr runtergespulte „Bring Me Some Water“ vom Debüt sollte dann nach knapp 1½ Stunden Spielzeit den Hauptteil beenden.

Klar war, dass als Zugabe dann nur noch „Like The Way I Do“ folgen konnte. Eigentlich bin ich ja nicht so der Fan von Stücken, die immer wieder im Radio gedudelt werden und über die Künstler von der gemeinen Masse meist ausnahmslos definiert werden. Aber was Melissa bei diesem Stück, in einer um die acht Minuten währenden Fassung, zum textsicheren Mitgesang des Publikums vom Stapel ließ, war schon sehens- und hörenswert, ja atemberaubend. Nach dieser bravourösen Darbietung konnte man das Ende des Gigs ohne weitere Lieder kritiklos hinnehmen.

Fazit: Die Etheridge ist auch heute noch zu jeder Zeit in der Lage, eine Location alleine zu rocken, trotzdem wäre ein Auftritt mit kompletter Band (zumindest aus meiner Sicht) trotz aller gegebener Mühe sicherlich deutlich interessanter und abwechslungsreicher gewesen. Die Foto-Geschichte von zu Anfang mit nur einem Lied, in Zeiten, wo alle eh mit dem Handy ständig zugange sind, halte ich unter den genannten Bedingungen, für völlig daneben. Irgendwie ist mir die intime Atmosphäre bei kleinen Clubkonzerten in weniger abgehobener Atmosphäre dann doch etwas lieber. Für mich persönlich gilt in Zukunft, was M. E. angeht, deshalb nur noch live, wenn ’not alone‘!

Line-up:
Melissa Etheridge (vocals, guitars, piano, harp, percussion)

Melissa Etheridge
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Netinfect Marketing&Promotion
Live Music Hall Köln

HER – Gold – CD-Review

Einen Tag vor Beginn meiner Abreise in den verdienten Urlaub kam noch die neue Scheibe von der mir liebgewonnen Monique Staffile und ihren Kumpanen ins heimatliche Haus getrudelt. „Gold“ heißt das neue Werk und es hat sich ein bisschen was geändert. Aus dem Kollektivnamen Her & Kings County ist nur noch HER übrig, was eine noch stärkere Fokussierung auf die attraktive Frontfrau impliziert. Auch der Musikstil wurde zugunsten einer etwas jüngeren Zielgruppe deutlich mehr in die Breite modifiziert.

So wie ich es den Begleitinformationen entnehme, sind aber ihre gewohnten Mitstreiter auch weiterhin mit an Bord, vor allem Caleb Sherman, der heimliche Chef der Band, hat beim Songwriting (alle zehn Stücke von ihm und Monique kreiert), der Einspielung (sein prägnantes Banjo- und Akustikgitarrenspiel ist ebenfalls gut vernehmbar) und der transparenten Produktion (er alleine) erneut eine tragende Rolle. Monique singt wieder in ihrer frechen, angriffslustigen, fast rotzigen Art und Weise.

Einige Lieder wie das swampige Titelstück „Gold“, den lasziven Barroomschwofer „Seperately“ und das country-poppige, etwas an die JaneDear Girls erinnernde „Addicted“ hatte sie ja bereits Anfang des Jahres vorab bei ihrem unterhaltsamen Konzert in Köln zum Besten gegeben.

Mit dem New Country-/Southern-Rock affinen Raise A Little Hell-Vorgängeralbum sind wohl noch am ehesten Tracks wie das launige „Tramp Stamp“ (es geht um ein etwas vorschnell getätigtes ‚Arschgeweih’…), das einem ‚Bad Boy‘ gewidmete „Jimmy Jones“ (schöner Country Rock mit Banjo und E-Gitarre), das Big & Rich-verwandte „Betty Ford“ sowie die in Faith Hill-Manier gebrachte Powerballade „Alive“ kompatibel.

Das retro-poppige Auftaktstück „Mine All Mine“, das dezent punkig angehauchte „(Come On) America“ und das mit schon fast kindlichen Gesangsbridges durchzogene „Ring“ fallen ziemlich aus der Rolle, auch wenn hier ab und zu durchaus country-typische Zutaten wie Banjo oder Steel auftauchen. Fast durchgehend eingeflochtene Soundeffekte wie Drum-Loops, Synthies (z. T. simulierte Bläser- und Streichereinlagen), Voicebox, Girlie-Gesang, Hip Hop-Einlagen sowie überdrehte Harmonie-Gesänge und Lead vocals erzeugen eine ständige Unruhe, ja schon fast ‚Hibbeligkeit‘, die für Musikhörer meiner Generation im Ganzen dann doch ziemlich anstrengend ist. Und die zieht sich konsequent wie ein roter Faden durch die gesamte CD.

Das kann man in Dosierung bei ihrem netten Anblick live sicherlich mal verschmerzen, im heimischen Wohnzimmer ist mir das am Stück – auch wenn der Silberling nur eine knappe halbe Stunde dauert – ‚too much‘. Damit kommen vielleicht Baseballcaps-verkehrtrum-tragende Jungspunde der heutigen Zeit ganz gut zurecht, der Cowboyhut-gewohnte Southern-Countryrock-Liebhaber möchte es dann doch musikalisch etwas gediegener und Gitarren-orientierter.

Alles in Allem liefert HER, alias Monique Staffile mit „Gold“ trotzdem eine sympathische und durchaus authentische Platte ab, die eben eher auf jüngere Käuferschichten zielt. Das ist ja auch völlig legitim. Mir persönlich gefällt es aus o. a. Gründen leider nicht so gut. Wenn es nach mir ginge, beim nächsten Mal bitte ein bisschen weniger auf hartes Edelmetall in der Tasche abzielen, aber gerne dafür wieder etwas mehr „Raise A Little Hell“ in die musikalische Waagschale werfen.

India Records (2015)
Stil: Countrypop & More

01. Mine All Mine
02. Tramp Stamp
03. Gold
04. Seperately
05. (Come On) America
06. Ring
07. Jimmy Jones
08. Addicted
09. Betty Ford
10. Alive

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India Media Group

JESS! PR

Molly Hatchet – Live in Hamburg – CD/DVD-Review

Ich verfolge den Werdegang Molly Hatchets eigentlich, seit ich 1978 als 15-jähriger Spund von einem damaligen Tischtennis-Mannschaftskollegen, der glücklicherweise Plattenhändler war, ihre Debüt-LP in die Hand gedrückt bekam. Es war die Zeit als man noch unter dem Schock des Flugzeugabsturzes von Lynyrd Skynyrd stand, und nach dem Tode von Ronnie Van Zant kaum eine Vorstellung hatte, wie es mit dem Southern Rock weiter gehen sollte.
Und da waren sie plötzlich, die Burschen um Dave Hlubek, Duane Roland und Danny Joe Brown, die mit ihrem harten, gradlinigen Southern-Rock soviel Pep in die Szene brachten. Auch der Wechsel zum schwergewichtigen Lead-Sänger Jimmy Farrar für zwei Alben, trübte die Freude überhaupt nicht, Danny Joe Brown kehrte ja im Anschluss wieder zum Line-Up zurück.

Es folgte das tolle Live-Album mit der wohl bis heute unerreichten Fassung von „Boogie No More“, das starke „No Guts… No Glory“ Album, und die erstmalige Gelegenheit, die Truppe live in Deutschland bewundern zu können. Im Kartenverkauf die Tickets besorgt, ab nach Düsseldorf zur Philipshalle, um dann mit langem Gesicht wieder die Heimreise anzutreten. Gig wegen Erkrankung des Sängers der Vorgruppe Blue Öyster Cult abgesagt. Na Klasse! Der Informationsfluss zu jener Zeit war halt noch etwas behäbiger. Es gab ja noch keine Online-Magazine.

Egal, die Karten behielten ihre Gültigkeit, und man wurde auch mit einem ganz besonderem Bonbon entschädigt. Molly Hatchet spielte mit den Outlaws als Vorgruppe in der Essener Grugahalle. Mein Gott was für ein Erlebnis damals! Klarer knackiger Sound, die furchteinflößenden Musiker-Persönlichkeiten auf der Bühne, Danny Joe sang sich die Seele aus dem Leib, und nahm auch noch die Gelegenheit wahr, einen Schluck aus der Whiskey-befüllten Feldflasche zu nehmen, die auf die Bühne geflogen war. Mann, waren das noch Zeiten!

Spätestens als man auf die Schnapsidee kam, sich mit „The Deed Is Done“ dem Mainstream-orientiertem Sound der Achtziger anzupassen, ein etatmäßiger, allerdings keineswegs schlechter Keyboarder mit John Galvin, dazu genommen wurde, begann der schleichende Abstieg der Truppe, was auch das um Schadensbegrenzung bemühte Werk „Lightning Strikes Twice“ nicht wirklich verhindern konnte. Mittlerweile war Bobby Ingram, der heutige Mastermind Hatchet’s, mit an Bord, er hatte ja schon in Bands wie Rum Creek und der Danny Joe Brown Band zusammen mit Danny gewirkt. Danny Joe Brown musste seinem exzessiven Leben so langsam Tribut zollen, Diabetes, Schlaganfall und sein Tod vor einiger Zeit als letzte Konsequenz. Die Band fiel auseinander, ein erbitterter Streit um Namens- und Spielrechte entbrannte.

Der Sieger hieß Bobby Ingram, der plötzlich nur noch mit Galvin Molly Hatchet sein sollte? Unvorstellbar. Doch der zauberte mit seinem neuen Line-Up, Sänger jetzt der bis dato unbekannte Phil McCormack, mit „Devil’s Canyon“ ein Ass aus dem Ärmel, dass sämtliche Kritiker verstummen ließ. Beim hochkarätig besetzten Lorelei-Festival zu Ehren von Rory Gallagher (u. a. The Band, Nine Below Zero, Lynyrd Skynyrd) stahl man allen die Show. Mein eigentlich einziges Bildmaterial (auf Video-Kassette) bis zum heutigen Tage.

Das Konzert wurde ja wenig später im Rockpalast ausgestrahlt, auf dem ich sogar zweimal selbst bei Publikumseinblendungen mit meiner Gattin verewigt bin. Der Nachfolge-Silberling hatte schon so was wie ein Klon-Charakter, dennoch ein solides Werk. Hatchet sah ich diesmal in Dortmund, Vorgruppe die mir nahestehende deutsche Newcomer Band Street Survivors, für deren gleichnamiges Stück ich den Text beigesteuert hatte. Eine weitere Studio-CD und ihre Live Doppel-CD „Locked And Loaded“ folgten. Dann in diesem Jahr die Tour, bevor das aktuelle Album fertig wurde, Dave Hlubek wurde als zurückgekehrtes Bandmitglied angepriesen.

Der Gig in der Bochumer Zeche, war für mich eine der Enttäuschungen überhaupt. Von Hlubek keine Spur, Galvin fehlte, stattdessen ein unscheinbarer Keyboarder und ein Mitglied der Road Crew als Ersatz. Breiiger, viel zu lauter Sound. Im Prinzip alles nichtsagende Musiker um die beiden Hauptakteure versammelt, die ihr Soloprogramm gnadenlos durchzogen. Der Stimmung in der Location tat es allerdings keinen Abbruch. Die Leute freuten sich einfach, dass die Jungs mal wieder im Westen aufspielten. Geraume Zeit später folgte ihr Studioalbum „Warriors Of The Rainbow Bridge“, dass recht ordentlich geworden ist, und sich mehr dem Hardrock zuwendet.

Mittlerweile hat Molly Hatchet auch den Sprung ins DVD-Zeitalter überstanden. Jetzt liegt mir ihr Live-Dokument aus dem Jahre 2004 vor, aufgenommen bei den Harley-Davidson-Tagen in Hamburg, dass uns SPV dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat. Ein Kombiteil, bestehend aus DVD, und für die Autofahrer unter uns, noch eine CD, die allerdings um vier Stücke verkürzt ist. Wenn ich ehrlich bin, bin ich auch über diese Live-Aufnahme, nicht so richtig glücklich.

Das Programm deckt sich im wesentlichen mit dem, was man auf der diesjährigen Tour zu sehen bekommen hat. Einzige Unterschiede, John Galvin ist als Keyboarder an Bord, die zweite Marionette an der Gitarre, gibt diesmal ein gewisser Jake Ruttler ab. Mehr als ein paar Mal die Gitarren mitschwenken war auch für ihn nicht drin, und der hatte wohl dann auch danach den Kaffee auf, und wurde ja durch Jimbo Manion ersetzt.

McCormack übertüncht seine relativ unvariable Stimme geschickt mit seinen Entertainerqualitäten, Ingram zieht seine Gitarrenshow ohne Pardon durch. Ich finde so was wenig ‚gentlemanlike‘. Meiner Meinung nach bricht er sich keinen Zacken aus der Krone, wenn auch sein anderer Angestellter an der Klampfe angesichts der Vielzahl mal 5 oder 6 Soli vom Leder lassen kann. Da hoffe ich nur, dass durch Dave Hlubek, wenn wir ihn denn noch erleben dürfen, für ein anderes Kräfteverhältnis gesorgt wird. Nichts desto trotz ist Bobby natürlich ein Klassegitarrist, und das weiß auch eigentlich mittlerweile jeder.

Die Songs kennt jeder Southern-Fan in- und auswendig; interessant hier vielleicht die Live-Umsetzungen der aktuellen Studio-CD, bei Stücken wie „Moonlight Dancin‘ On A Bayou“, „Son Of The South“, „The Rainbow Bridge“ (Widmung für Bobbies verstorbene Frau) oder „Gone In 60 Seconds“. Für mich die Höhepunkte „Fall Of The Peacemakers“, wo Mr. Alleinunterhalter auch mal die Akustikgitarre bedient, dazu der schöne Übergang zum atmosphärischen „Devil’s Canyon“. Der Kracher natürlich „The Journey“, bei dem Bobby wie immer seine geniale Fingerfertigkeit ausgiebig beweist. Der Song ist leider auf der CD nicht mit drauf.

Erwähnenswert beim Bonusmaterial die Impressionen vom Schaulaufen der Harley-Davidson- Besitzer, wo es jede Menge urige Typen zu bewundern gibt. Das Interview mit Bobby wird in Johnny-Van-Zant-typischer Manier runtergespult. Nichts was dem Southern-Hardliner nicht eh schon bekannt ist, und natürlich alles Friede, Freude Eierkuchen.

Bobby ist mit den meisten Ex-Mitgliedern dick befreundet, ein paar Statements zum Cover-Künstler, ein paar Anekdötchen aus seinem Tourleben. Interessant eigentlich nur, als die Frage gestellt wird, ob Bobby es sich vorstellen könnte, mal wieder mit drei Gitarristen aufzulaufen. Das wird recht geschickt durch ihn relativiert, indem er konstatiert, dass ein guter Keyboarder wie John Galvin im Prinzip den dritten Mann an den Saiten überflüssig macht. Naja, mittlerweile hat Molly Hatchet laut eigener Homepage mit Manion und Hlubek zumindest nominal wieder ein Guitar-Trio.

Fazit:  „Live In Hamburg“ ist für den Southern-Sammler allein aus Vollständigkeitsgründen ein Muss, interessant vielleicht auch für die Liebhaber der jüngeren Generation, die nicht so ganz mit der Hintergrund-Geschichte der Band vertraut sind, und für Hardrockfans, die nicht abgeneigt sind, sich einen Einblick ins Southern-Genre zu verschaffen.

Ich persönlich hätte mir eher ein DVD-Dokument von einem Gig in einem ausverkauften US-Stadion vor enthusiastischen Fans mit einer Gitarrenschlacht wie einst gewünscht, statt eine vorhersehbare Vorstellung vor unterkühltem norddeutschen Publikum. Vielleicht ist man aber auch als Musikkritiker über die Jahre angesichts der Vielzahl zu besprechender Veröffentlichungen nur extrem anspruchsvoll geworden. Wer weiß, in der knapp 30-jährigen Geschichte von Molly Hatchet ist so viel passiert, schaun wir mal , was noch so kommt…

SPV (Steamhammer (2005)
Stil. Southern Rock

01. Intro
02. Whiskey Man
03. Bounty Hunter
04. Gator Country
05. Moonlight Dancin‘ On A Bayou
06. Fall Of The Peacemakers
07. Devil’s Canyon
08. Drum Solo
09. Beatin‘ The Odds
10. Son Of The South
11. The Creeper
12. The Rainbow Bridge
13. Keyboard Solo
14. Instrumental
15. Guitar Solo
16. Dreams I’ll Never See

Bonustracks (nur auf DVD):
17. The Journey
18. Gone In 60 Seconds
19. Jukin‘ City
20. Flirtin‘ With Disaster

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Bärchen Records