Grainne Duffy – 27.10.2015, topos, Leverkusen – Konzertbericht

Normalerweise hat mich die Stadt Leverkusen in meinem bisherigen Leben nur zu Spielen meiner geliebten Versagertruppe Rot-Weiss Essen gegen die heimische Werkself (wohlbemerkt natürlich nur gegen deren Amateurvertretung…) begrüßen dürfen. Obwohl ich ja fast Zeit meines Lebens auch im Rheinland wohne, fühlte ich mich eigentlich, nicht nur wegen meiner genetisch bedingten Fußballabnormität, doch eher zum Ruhrgebiet hingezogen. Nun fuhr ich an diesem herbstlichen Dienstagabend zum ersten Mal in musikalischer Angelegenheit in das aus vier Ortschaften zusammengewürfelte Pillendorf und mischte mich in der urigen und geschichtsumwobenen Kneipe topos zum Grainne Duffy-Gig unter die gleichgesinnten, überwiegenden rheinischen Frohnaturen.

Das topos ist ein ganz kleiner Raum, muss man fast schon sagen, bei dem der Thekenbereich auch noch fast die Hälfte der Örtlichkeit einnimmt. Wenn hier 80 Leute drin sind, kommt man sich vermutlich wie in einem indischen Überlandbus vor. An diesem Abend waren dann, inklusive mir, so ca. 30 Leute zugegen. Die sollten ihr Kommen auch nicht bereuen, denn sie erlebten einen tollen stimmungsvollen Gig, mit einer irischen Band, die sich voller Spielfreude und in Bestform präsentierte. Bandleaderin Grainne Duffy (lead vocals, guitars) und ihre Jungs (Paul Sherry – guitars, vocals; Eamon Ferris – drums; Paul McCabe – bass) spielten den Blues Rock ganz nach meiner Façon: Überwiegend modern und melodisch rockig, dazu immer mal wieder mit einem dezent unterschwelligen Country- und Southern Rock-Touch. Dazu kommt die tolle Stimme der hübschen Frontdame, ein Umstand, den ich bei den meisten Vertretern der Zunft oft vermisse.

Die zeigte sich vokal extrem variabel in Sphären von einer Sheryl Crow bis hin zu einer Röhre Marke Sass Jordan. Klasse! Was mir besonders gefiel, war das ebenfalls breit gefächerte Zusammenspiel sowie das Kombinieren von Paul Sherrys Stratocaster und Grainnes Gibson Les Paul. Dazu wechselten beide manchmal je nach Bedarf zur Akustikgitarre. Die Band präsentierte neben ein paar anderen Sachen natürlich so einige Stücke vom aktuellen „Live“-Album, hängen blieben vor allem die beiden fulminanten ‚Slow Bluese‘ „Good Love Had To Die“ und ihr unter die Haut gehendes Paradelied, das Etta James-Cover „I’d Rather Go Blind“, sowie das herrlich rhythmisch shuffelnde „Mountain To Climb“ (mein Favorit des Abends). Als Country- und Southern Rock- Fan kamen mir natürlich Tracks wie „Test Of Time“ und das fantastische „Time Is Not Enough“ bestens entgegen, gerade beim letztgenannten Lied kam man sich vor wie zur einstigen Rossington Collins Band-Zeit.

Angenehm auch das mit einem Reggae-Teint versehene „Sweet Sweet Baby“, knochentrocken dahin gerockt gegen Ende des zweiten Sets „Bad To Worse“. Der zierliche und schon doch ein wenig betagt wirkende topos-Besitzer Wolfgang Orth (eine echte Legende und Institution im Ort, wie ich aus Zeitungsberichten an der Außenwand-Vitrine des Gebäudes vernehmen konnte), war nach dem Ende des Hauptteils von Grainnes Performance so angetan, dass er sich bei Grainne mit einer Schar von Handküssen bedankte und auf die Bühne trat, um die Zuschauer zu noch stärkeren Zugabe-Rufen zu animieren. Fast völlig außer Kontrolle geraten, offenbarte er seine anhaltende Gänsehaut und geriet dabei so ins Schwärmen, dass sein Atem immer schwerer wurde. Man muss da fast von Glück sprechen, dass da gerade keine Viagra in unmittelbarer Griffbereitschaft lagen, aber seine geliebte Frau Ingrid war ja letztendlich auch noch zugegen… So blieb es dann doch nur bei einem liebevollen Zitieren der Protagonistin auf die Bühne.

Der ausgiebige Zugabenteil bestand dann u. a. aus einer interessanten Interpretation von Bob Dylans „I Shall Be Released“ und einer brandneuen rockigen Nummer namens „Black And White“. Nach über zwei Stunden Spielzeit ging ein begeisternder Gig zu Ende (übrigens auch bei toll und genau richtig abgemischten Sound), bei dem nur restlos zufriedene Zuschauer zurückblieben, die es sich danach natürlich nicht nehmen ließen, sich mit den mitgebrachten Merchandise-Artikeln einzudecken und diese von Grainne signieren zu lassen. Ich hatte dann noch die Gelegenheit, bei einem Bierchen an der Theke, ein paar Worte mit Paul Sherry zu wechseln.

Fazit: Das Grainne Duffy-Konzert an diesem Abend in Wohnzimmeratmosphäre zählt neben dem King King-Auftritt im Yard Club eindeutig zu meinen persönlichen Highlights des Jahres 2015. Diese sympathische Dame und ihre tolle Band werde ich sicherlich nicht zum letzten Mal live gesehen haben!

Grainne Duffy
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Topos Leverkusen