Molly Hatchet – Support: Losing Gravity – 03.12.2023, Musiktheater Piano, Dortmund – Konzertbericht

Wenn eine der früher meist verehrtesten Southern Rock-Bands  nach Jahren hier bei uns im Westen und dann auch noch in einem unserer Stammclubs gastiert, ist es natürlich selbst an einem Sonntag Abend, wo danach montags in der Früh der Wecker unbarmherzig zur anstehenden Arbeitswoche klingelt, Pflicht, mit unserem Magazin Präsenz zu zeigen.

Molly Hatchet hatte sich nach einigen eher mäßigen Auftritten in der Vergangenheit im Musiktheater Piano angesagt und es gab eine ausverkaufte Hütte. Mittlerweile mit neuem Sänger, einem neuen Song („Firing Line“) und einem folgenden Album (aufgenommen in den berühmten Abbey Road Studios in London), gab es Grund genug, dem Gig optimistisch entgegen zu sehen.

Apropos Wecker: Die Ankündigung einer Vorband hatte meinem ersten Enthusiasmus erstmal einen Dämpfer verpasst, in der Regel verlängert das meistens nur den Abend und äußerst selten kommt was Lohnenswertes dabei rum. Aber halt, als die deutsche Truppe Losing Gravity mit ihrem texanischen (wie ich später erfuhr) Sänger Chase Wilborn (ich wunderte mich direkt über einen so guten englischen Gesang von einem vermeintlich deutschen Fronter…) schön rockig loslegte, war ich sehr positiv überrascht.

Die jungen Burschen präsentierten mit u. a. „If You Ever Needed“, „Another Day“, Get Loose“, „Long Road“ und „Foundations“ Stücke aus ihren beiden bisherigen Alben, die ein wenig in Richtung, von Bon Jovi (Wilborns Stimme erinnerte mich stark an die von Jon Bon Jovi), Mr. Big, Bryan Adams, etc. gingen. Melodische Rock-Sachen, die einem ja auch als Southern-Fan nicht unbekannt sind. Das kam alles sehr selbstbewusst, erfrischend und sehr sympathisch rüber, es wurde mit dem Publikum interagiert, was dann am Ende auch insgesamt gut ankam und in viel Applaus über die knapp 45 Minuten Spielzeit münzte. Ein guter Auftritt, ohne dass es einem natürlich den Boden unter den Füßen wegzog.

Wie oben bereits erwähnt, sah es so aus, als wenn Bobby Ingram die Wende zum Positiven wieder einläuten würde, neuer Sänger, neues Single, neues Album mit neuen Stücken, das klang doch erstmal alles gut. Allerdings deutete der Haus-und Hof-Tontechniker des Pianos schon vor dem Konzert an, dass Molly Hatchet wieder ihren eigenen Abmischer dabei hätten und dass es sehr laut werden würde, mir schwante Böses…

Und in der Tat gab es wieder den gleichen überlauten Soundbrei, dass es sogar selbst für mich ganz vorne, zunächst schwierig war, die Songs zu identifizieren, da die Stimme von Parker Lee kaum durchdrang und die Pausenmusik scheinbar auch noch im Hintergrund mitlief und nicht eliminiert worden war. Die Keys von John Galvin waren so gut wie garnicht zu hören und wenn, dann nur bei zwei Intros (ohne, dass die Restinstrumente dabei waren). Ich hoffe für die zahlreichen Besucher, dass es nach hinten zumindest nicht ganz so schlimm war. Die gingen allerdings wieder recht gut mit.

Es besserte sich dann erst etwas nach dem Schlagzeugsolo von Shawn Beamer, ab da kam der Gesang vom jungen Fronter Parker Lee, der allerdings sehr motiviert und überdreht inmitten des Altherren-Ensemble wirkte, etwas besser durch. Fairer Weise muss man sagen, dass Bobby Ingram, der mich vor „Beatin‘ The Odds“ per Handschlag begrüßte und sich für unser Kommen kurz bedankte, immer noch ein klasse Gitarrist ist und viele quirlige Soli abfeuerte, zum Teil auch die southern-typischen Twin-Elemente alleine simulierte.

Zu den Highlights zählte sicherlich „Fall Of The Peacemakers“, das mit seiner Mahnung „Stop The Madness“, angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen auf der ganzen Welt, aktueller denn je wirkt. Zur Zugabe hätte ich mir zwar die neue Single „Firing Line“ gewünscht (stand als Option auf der Setlist), es wurde dann aber die zweite, auch sicherlich nicht schlechte Variante mit „Flirtin‘ With Disaster“ als Rausschmeißer gewählt. 

Eigentlich ist es ganz einfach: Mal für einen etwas leiseren und dafür transparenteren Sound sorgen, und dann könnte bei Molly Hatchet mit der neuen Scheibe im Rücken, vieles wieder in die richtige Richtung laufen.

So begibt man sich am Ende – nochmal die eigens miterlebten grandiosen Gigs von Molly Hatchet in der Essener Grugahalle (1983 damals zusammen mit den Outlaws) und auch den überragenden Auftritt 1996 auf der Lorelei (zusammen mit u. a. Nine Below Zero, The Band und Lynyrd Skynyrd) unter Ingramscher Regentschaft Revue passieren lassend, angesichts der aktuellen Leistungen, dann doch wieder ein wenig wehmütig auf den Heimweg.

Line-up Losing Gravity:
Chase Wilborn  (electric guitar, lead vocals)
Flo Hain  (electric guitar, vocals)
Lucas Urner (keys)
Max Friedrich (drums, vocals)
Lars Palenzatis (bass, vocals)

Line-up Molly Hatchet:
Bobby Ingram (electric guitar, vocals)
Parker Lee (lead vocals, harp)
John Galvin (keys, vocals)
Shawn Beamer (drums)
Tim Lindsey (bass, vocals)

Bilder: Gernot Mangold
Text: Daniel Daus

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Musiktheater Piano, Dortmund

The Georgia Shine Band – Evil – CD-Review

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Review: Michael Segets

Nach dem selbstbetitelten Debütalbum, dessen Review The Georgia Shine Band mit Größen wie Lynyrd Skynyrd, Molly Hatchet, The Allman Brothers und Doc Holliday in eine Linie setzte, steht seit März der dritte Longplayer der Truppe in den Regalen. Seinerzeit als neuer Stern am Southern Rock-Himmel gepriesen, hält die Band mit „Evil“ weiterhin die Südstaatenflagge hoch. Da verwundert es nicht, dass „Pickets Mill“ eine kurze, blutige Schlacht des Sezessionskrieges besingt, die als Sieg der Konföderierten gewertet wird.

Der Riss, der sich immer noch und derzeit wieder deutlich durch die amerikanische Gesellschaft zieht, soll hier nicht weiter thematisiert werden, auch wenn mir diesbezüglich die Aussage von „Second Amendment“ äußerst fragwürdig erscheint. Musikalisch gibt es an dem Song ebenso wie an dem erwähnten Opener allerdings nichts auszusetzen: guitar driven, straight forward gespielter Southern Rock, der dem Vergleich mit den Genregrößen standhält.

Harte Riffs und treibenden Rhythmus liefert The Georgia Shine Band auch bei „Right Where I Belong“ sowie „Six Feet Under“. Ebenso aggressiv wirkt „Down And Dirty“ mit verzerrten Background-Gesang, obwohl die Bandmitglieder Doug Southern, Blake Jones und Merle Sensenig das Tempo hier zurückfahren. Mit dem Titelstück „Evil“ ist eine Southern Rock-Ballade auf dem Longplayer vertreten, die mit einem kraftvollen Gitarrensolo aufwartet. Auch bei den anderen Songs passen sich die Soli gelungen ein und sind an keiner Stelle ausufernd. Die Spielzeit der einzelnen Stücke knackt somit selten die vier Minutenmarke.

Dass die Band zudem die leiseren Töne beherrscht, zeigt sie mit „In The End“, das vom Songwriting an The Bottle Rockets erinnert, und dem Schlusstrack „Look At Me Now“. Bei „Happiness“ kommt ein Klavier zum Einsatz, sodass die Balladen durchaus abwechslungsreich sind. Als textlich sympathisch, aber gesanglich etwas schwülstig, kann „My Grandson“ bezeichnet werden. Doug Southerns Gesang gibt dem eingängigen „Where Does It Go From Here“ hingegen die nötigen Ecken und Kanten mit. Die Midtempo-Nummer ergänzt prima die rockigen Kracher und die Balladen.

Mit „Evil“ bietet The Georgia Shine Band erneut eine Scheibe, die das musikalische Herz für die Südstaaten aufleben lässt. Von starken Rockern über kontrastreiche Midtempo-Tracks bis hin zu sanften Balladen bildet das Album das Southern Rock-Spektrum ab. Dabei lässt Dough Southern mit seinen Mitstreitern keine Fragen offen – außer bei einzelnen Texten.

Dog South Records (2021)
Stil: Southern Rock

Tracks:
01. Pickets Mill
02.Where Does It Go From Here
03. Happiness
04. Second Amendment
05. Evil
06. My Grandson
07. Right Where I Belong
08. In The End
09. Six Feet Under
10. Down And Dirty
11. Look At Me Now

The Georgia Shine Band
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Branford Hwy – Same – EP-Review

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Review: Michael Segets

In letzter Zeit drehten sich für SoS meist Silberlinge in meinem CD-Player, die einem ruhigeren Gesamtkonzept folgten. Obwohl einige sehr gute Alben darunter waren, wurde es Zeit für etwas Abwechslung. Nun tönt mit der Debüt-EP von Brandford Hwy mal wieder Rock aus meinen Lautsprechern. Das Trio gibt auf den sechs Tracks Gas, was zu der Abkürzung Hwy, die wahrscheinlich für Highway steht, durchaus passt.

Die Schulfreunde Dewayne Hart (Lead Vocals, Guitar) und James Menezez (Bass) stammen aus Branford, Florida. Beide begeistern sich für den Rock der 70er beziehungsweise 80er Jahre und das hört man der EP auch an. Hart und Menezez hatten sich seit ihrer Jugend nie aus den Augen verloren, verfolgten aber unterschiedliche Bandprojekte, die hierzulande weitgehend unbekannt sind.

Allerdings waren sie auch mit Größen wie Godsmack, Dokken, L.A. Guns und Molly Hatchet unterwegs. Nun fanden sich die beiden Musiker zusammen, um die lang geplante gemeinsame Band Branford Hwy zu verwirklichen. Als Schlagzeuger komplettiert der Kalifornier Marc Myers die Truppe.

Branford Hwy haben eine Affinität zum Hard Rock, was „Hometown USA“ sowie manche Gitarrensoli zeigen. Diese halten sich jedoch im Rahmen und die Songs bleiben durchweg melodiös. Die Songstrukturen sind nicht übermäßig komplex, aber die braucht es auch nicht, um Spaß zu machen.

Das Erstlingswerk steigt stark ein. „Boots On The Ground” rockt aggressiv los und besticht durch einen eingängigen Refrain. „While The World Spins Around” kombiniert Southern-Flair mit Hard Rock-Elementen, was ziemlich gut funktioniert.

Mit dem folgenden „Fade Away“ gelingt Branford Hwy ebenfalls eine runde Rocknummer. In der zweiten Hälfte der EP fällt „Just In Time“ im Vergleich zu den anderen Stücken etwas ab. Das hymnenhafte „Legends“ lässt zum Abschluss der Scheibe den Classic Rock der 80er Jahre in seiner Reinform aufleben. Der Titel wird Nostalgiker besonders ansprechen.

Branford Hwy gibt einen Vorgeschmack auf den für Mitte des kommenden Jahres angekündigten Longplayer. Die selbstbetitelte EP bietet schmissigen Rock, der sich bei unterschiedlichen Stilrichtungen bedient. Da sich derzeit wenige Bands der Mischung aus Hard Rock und Southern Rock widmen, darf man gespannt sein, wie das Trio diese Lücke zukünftig ausfüllt.

Sandhill Studio Productions LLC (2020)
Stil: Rock

Tracks:
01. Boots On The Ground
02. While The World Spins Around
03. Fade Away
04. Hometown USA
05. Just In Time
06. Legends

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Two Side Moon Promotion

Molly Hatchet – 12.12.2018, Turock, Essen – Konzertbericht

MH_haupt

Ich habe lange überlegt, ob ich noch mal ein Molly Hatchet-Konzert aufsuchen soll, der desaströse Auftritt im Sieburger Kubana vor zwei Jahren steckte mir immer noch irgendwie in den Knochen. Da ja mittlerweile aber doch einiges an Wasser den Rhein herunter gelaufen ist und sich jetzt die Gelegenheit, knapp fünf Minuten von meinem Arbeitsplatz entfernt, im Essener Turock wieder ergab, einem Club, mit dem ich bisher immer gute Erinnerungen verbunden habe (zum Beispiel Quireboys, John Waite), habe ich mich dann doch von Gernot ‚weichkochen‘ lassen.

Als Vorgruppe gab sich King Savage redlich Mühe, die doch ziemlich zahlreich erschienenen Hatchet-Fans mit ihrem Hard-/Heavy Rock auf Betriebstemperatur zu bringen. Ihr Sänger hatte nicht umsonst ein Motörhead-T-Shirt an. Der Stil des Fünfers ging in eine ähnliche Richtung, nur doch eben einige Nummern kleiner. Der Unterschied war hier dann aus meiner Sicht einfach der nicht allzu große Wiedererkennungswert ihrer Stücke wie u. a. „Full Speed Ahead“, „Lonesome Road“, „Wild Life“ oder „Down The Drain“. An ihrem Engagement war allerdings nichts auszusetzen.

21:15 Uhr betraten dann mit Bobby Ingram, Phil McCormack, John Galvin, Shawn Beamer und Tim Lindsay die gewohnten MH-Protagonisten die Bühne des Turocks und wurden von einer von Anfang an begeistert mitgehenden Audienz empfangen. Nachdem der Sound vorne direkt an der Bühne bei den Openern „Whiskey Man“, „Bounty Hunter“ und „Gator Country“ wieder völlig Bass- und Schlagzeuglastig rüberkam, Phils Stimme schwer dagegen anzukämpfen hatte und Bobbys E-Gitarre nur fisselig zu hören war (insgesamt maximal Bootleg-Niveau), habe ich mich dann recht schnell, weit nach hinten begeben.

Dort war es dann wesentlich besser (siehe da, selbst Galvins Piano war plötzlich zu hören) und vor allem die großartige Stimmung unter den Leuten trug erheblich dazu bei, dass Ingram & Co. sich schwer ins Zeug legten. Auch Fronter Phil McCormack zeigte sich an diesem Abend wieder etwas besser in der Spur. Bobby Ingram wechselte unter drei verschiedenen Gitarrenmodellen und bewies, dass er nach wie vor ein toller Gitarrist ist, auch wenn es allein, trotz aller Mühe, natürlich nie richtig gelingt (wie auch?), den Spirit und die Power des einstigen 3er Line-ups einzufangen.

„It’s All Over Now“, „Devil’s Canyon“, „Beatin The Odds“ (mit vorgelagertem Drum-Solo des wieder mit wehenden Haaren trommelnden Shawn Beamer), “One Man’s Pleasure” hießen die üblichen Standardtracks bis zum ersten großen Highlight “Fall Of The Peacemakers”. “Jukin’ City” mit “Layla”-Instrumental-Intermezzo (mit schöner Galvin-Piano-Präsenz) als Übergang zu „Dreams“ (inklusive Vorstelllung der Band) waren dann die Vorboten zu einem furiosen Finish, das mit dem lang hier nicht mehr gespielten „The Journey“, das Bobby dem kürzlich verstorbenen Labelbesitzer, Produzent und Konzertveranstalter Rainer Hänsel widmete, eine echte Überraschung bot.

Skynyrds „Free Bird“ mit starker Ingram-Slide- und Solo-Performance, sowie „Flirtin‘ With Disaster“ als Rausschmeißer ließen das Turock mit den jubelnden und mitsingenden Fans ordentlich beben. Die Musiker schienen von der guten Stimmung regelrecht geflasht zu sein.

Auch wenn der große Glanz der ganz frühen Hatchet-Tage und auch die unter der Ingram-Führung in der Anfangsphase (wir erinnern uns an ihren absolut grandiosen Auftritt auf der Lorelei) aus meiner Sicht sicherlich längst verflogen ist, war dieser Abend im Turock zumindest wieder ein kleiner Schwenk in eine bessere Richtung. Dem überwiegenden Teil der Zuschauer hat es jedenfalls offenkundig gefallen und darauf kommt es letztendlich an.

Danke an Peter Siewert vom Turock für die Akkreditierung.

Line-up:
Bobby Ingram (electric guitar, vocals)
Phil McCormack (lead vocals, harp)
John Galvin (keys, vocals)
Shawn Beamer (drums)
Tim Lindsey (bass, vocals)

Bilder: Gernot Mangold
Text: Daniel Daus

Molly Hatchet
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Turock, Essen

Molly Hatchet – 15.12.2016, Kubana, Siegburg – Konzertbericht

Molly Hatchet

Molly Hatchet zählen in der Southern Rock-Retrospektive zweifellos mit zu den ganz großen und prägenden Acts des Genres. Gerade nach Skynyrds Flugzeugabsturz war die Band um Danny Joe Brown, Dave Hlubek, Duane Roland & Co. eine der neuen und vielversprechenden Hoffnungsträger der damaligen Zeit, die im Großen und Ganzen dann mit einigen starken Alben, zum Teil richtigen Klassikern, sich zu Recht einen Legenden-Status erarbeiteten.

Diverse Todesfälle, Geschacher um die Namensrechte, diverse Bandumbesetzungen (bis zum Spielen ohne ein einziges Originalmitglied), nachlassende Kreativität und das natürliche biologische Altern, wie bei allen unter uns, ließen mittlerweile aber peu à peu den einstigen Glanz der Band aus Jacksonville, Florida verblassen.

Ich hatte die Truppe damals noch zu ihren Paradezeiten zusammen mit den Outlaws, damals in der Essener Grugahalle, in der Ursprungsbesetzung erlebt, bei ihrem grandiosen Comeback auf der Lorelei unter Ingram-Regie, später nochmal in Dortmund (ist aber auch schon knapp 15 Jahre her), als es mit dem Zauber schon nachzulassen drohte. Alle Auftritte habe ich in absolut guter Erinnerung.

Mit ein bisschen Sentimentalität im Gepäck, die ja in uns Southern Rockern irgendwo verankert ist, entschloss ich mich mit unserem Fotografen Jörg Schneider (für ihn waren MH Premiere), zur Abrundung des Sounds Of South-Jahres,  die Gelegenheit, nach so langer Zeit, noch mal am Schopf zu packen und in Sachen Molly Hatchet, den weiten Weg in das schöne Sieburger Kubana anzutreten, das uns vom Preacher Stone-Auftritt vor gut einem Monat ja in bester Erinnerung geblieben war.

Der südlich von Köln gelegene Ort, nicht unbedingt als die pulsierende Metropole  bekannt (vor allem unter der Woche), war mit knapp 250 Zuschauern diesmal für einen Donnerstag durchaus gut besucht und gefüllt, der Name Molly Hatchet scheint bei den Gleichgesinnten, immer noch einigermaßen zu ziehen.

Was folgte, war leider eine einzige Enttäuschung. Es fing damit an, als nach 20:00 Uhr, dem Zeitpunkt des planmäßigen Beginns, die Mikrofone noch nicht richtig eingestellt waren (und im weiteren Verlauf auch meist nicht). Mir ist völlig schleierhaft, wie man bei dem technischen Know-How und seinen Möglichkeiten von heute, es immer wieder verbockt, einen ausgewogenen und transparenten Klang hinzubekommen, aber vielleicht war das ja auch nicht unbedingt gewollt.

Dann vermisste man Dave Hlubek, der auf allen Terminankündigungen bildlich mitgeführt wurde, dessen mittlerweile korpulente Erscheinung ich gerne mal wieder gesehen hätte. Demnach fehlte ein zweiter Gitarrenspieler, der im weiteren Verlauf selbst von einem starken Gitarristen wie Ingram, allein nicht zu kompensieren war.

Sänger Phil McCormack stellt vom körperlichen Erscheinungsbild und auch vom Gesang her, der größtenteils im überlauten Soundbrei unterging, eine fast bemitleidenswerte Person dar, außer ein paar ‚Hell Yeahs‘ und einem gelungenen Harp-Solo ist da nicht mehr viel an alter Stärke zu vermelden. Auch beim Rest hat das Musikerleben deutliche Spuren hinterlassen, die Rhythmusfraktion, bestehend aus Beamer (übrigens, eine der wenigen Unterhaltsamkeiten war die Windmaschine, die Shawns Haare ständig wehen ließ) und Lindsey, ist aber auch noch ganz gut bei Kräften.

Ingram bewies immerhin, dass er noch ein toller Gitarrist ist, dem aber das Zepter in Sachen würdevollem Fortbestehens/Abtretens dieser Truppe, massiv zu entgleiten droht. Dazu rannte ständig ihr ebenfalls vom Leben gezeichneter Roadie auf der Bühne herum, McCormack verschwand oft im Backstage-Bereich, Ingram musste mehrfach Instruktionen dorthin erteilen. Ach ja und einige Spiel- und Gesangseinsatzpatzer kamen auch noch dazu.

Das Quintett beschränkte sich im Großen und Ganzen auf die beiden ersten Alben der Originalband mit allen typischen Klassikern (u. a. „Whiskey Man“ als Opener, „Bounty Hunter“, „Gator Country“, „One Man’s Pleasure“, „The Creeper“, „Jukin‘ City“, „Dreams I’ll Never See“), huldigte Danny Joe Brown mit einer „Edge Of Sundown“/“Fall Of The Peacemakers“-Kombination (einer der Höhepunkte, zumal John Galvin und McCormack auch mal ganz gut zu hören waren) und Ronnie Dio mit „I’m Gonna Live ‚Til I Die“, dazwischen gab es noch „Beatin‘ The Odds“, vom 3. Album und „Devil’s Canyon“, vom einstigen Klasse-Comeback-Werk unter Bobby Ingrams neuer ‚Federführung‘.

Die einzige Zugabe nach vorheriger Vorstellung der Band wurde mit „Flirtin‘ With Disaster“ in einer grauenvoll gespielten und gesungenen Version abgewickelt, nicht einmal Ingrams Paradestück „The Journey“ wurde zum Besten gegeben. Ich war zutiefst enttäuscht, deprimiert und geknickt, das hatte teilweise was von einer Selbstdemontage. So habe ich mir ein Wiedersehen wahrlich nicht vorgestellt. Man kann eigentlich nur hoffen, dass die Band einfach nur einen schlechten Abend erwischt hatte, was ich allerdings nicht glaube.

Es steht mir sicher nicht zu, irgendwelche Ratschläge zu erteilen, zumal ja hier auch ganz sicher Existenzen dahinter stehen und zu berücksichtigen sind. Trotzdem halte ich ein Fortführen dieses Projekts in dieser Form für nicht mehr lange tragfähig. Vielleicht sollten sich alle Beteiligten neu orientieren oder Molly Hatchet drastisch verändern, ruhen lassen oder evtl. ganz ad acta legen. Gerade der immer noch agile Bobby Ingram könnte sich evtl. mal mit jungen talentierten, kreativen und hungrigen Musikern (ich denke, da gibt es im Süden der USA ja wohl genug) als Bobby Ingram Band oder, wie auch immer, ganz neu ausrichten.

Das traurige Fazit des Abends lautet jedenfalls: Es war die Enttäuschung im Sounds Of South-Konzertjahr schlechthin! Bei Weiterführung in dieser Konstellation flirtet Molly Hatchet zur Zeit ganz kräftig mit einem gewaltig großen Desaster in eigener Sache!

Vielen Dank trotzdem wieder an Jürgen Hoffmann vom tollen Kubana für die Akkreditierung. Der Club hat wirklich bessere Auftritte verdient.

Line-up:
Bobby Ingram (electric guitar, vocals)
Phil McCormack (lead vocals, harp)
John Galvin (keys, vocals)
Shawn Beamer (drums)
Tim Lindsey (bass, vocals)

Bilder: Jörg Schneider
Text: Daniel Daus

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Molly Hatchet – Live in Hamburg – CD/DVD-Review

Ich verfolge den Werdegang Molly Hatchets eigentlich, seit ich 1978 als 15-jähriger Spund von einem damaligen Tischtennis-Mannschaftskollegen, der glücklicherweise Plattenhändler war, ihre Debüt-LP in die Hand gedrückt bekam. Es war die Zeit als man noch unter dem Schock des Flugzeugabsturzes von Lynyrd Skynyrd stand, und nach dem Tode von Ronnie Van Zant kaum eine Vorstellung hatte, wie es mit dem Southern Rock weiter gehen sollte.
Und da waren sie plötzlich, die Burschen um Dave Hlubek, Duane Roland und Danny Joe Brown, die mit ihrem harten, gradlinigen Southern-Rock soviel Pep in die Szene brachten. Auch der Wechsel zum schwergewichtigen Lead-Sänger Jimmy Farrar für zwei Alben, trübte die Freude überhaupt nicht, Danny Joe Brown kehrte ja im Anschluss wieder zum Line-Up zurück.

Es folgte das tolle Live-Album mit der wohl bis heute unerreichten Fassung von „Boogie No More“, das starke „No Guts… No Glory“ Album, und die erstmalige Gelegenheit, die Truppe live in Deutschland bewundern zu können. Im Kartenverkauf die Tickets besorgt, ab nach Düsseldorf zur Philipshalle, um dann mit langem Gesicht wieder die Heimreise anzutreten. Gig wegen Erkrankung des Sängers der Vorgruppe Blue Öyster Cult abgesagt. Na Klasse! Der Informationsfluss zu jener Zeit war halt noch etwas behäbiger. Es gab ja noch keine Online-Magazine.

Egal, die Karten behielten ihre Gültigkeit, und man wurde auch mit einem ganz besonderem Bonbon entschädigt. Molly Hatchet spielte mit den Outlaws als Vorgruppe in der Essener Grugahalle. Mein Gott was für ein Erlebnis damals! Klarer knackiger Sound, die furchteinflößenden Musiker-Persönlichkeiten auf der Bühne, Danny Joe sang sich die Seele aus dem Leib, und nahm auch noch die Gelegenheit wahr, einen Schluck aus der Whiskey-befüllten Feldflasche zu nehmen, die auf die Bühne geflogen war. Mann, waren das noch Zeiten!

Spätestens als man auf die Schnapsidee kam, sich mit „The Deed Is Done“ dem Mainstream-orientiertem Sound der Achtziger anzupassen, ein etatmäßiger, allerdings keineswegs schlechter Keyboarder mit John Galvin, dazu genommen wurde, begann der schleichende Abstieg der Truppe, was auch das um Schadensbegrenzung bemühte Werk „Lightning Strikes Twice“ nicht wirklich verhindern konnte. Mittlerweile war Bobby Ingram, der heutige Mastermind Hatchet’s, mit an Bord, er hatte ja schon in Bands wie Rum Creek und der Danny Joe Brown Band zusammen mit Danny gewirkt. Danny Joe Brown musste seinem exzessiven Leben so langsam Tribut zollen, Diabetes, Schlaganfall und sein Tod vor einiger Zeit als letzte Konsequenz. Die Band fiel auseinander, ein erbitterter Streit um Namens- und Spielrechte entbrannte.

Der Sieger hieß Bobby Ingram, der plötzlich nur noch mit Galvin Molly Hatchet sein sollte? Unvorstellbar. Doch der zauberte mit seinem neuen Line-Up, Sänger jetzt der bis dato unbekannte Phil McCormack, mit „Devil’s Canyon“ ein Ass aus dem Ärmel, dass sämtliche Kritiker verstummen ließ. Beim hochkarätig besetzten Lorelei-Festival zu Ehren von Rory Gallagher (u. a. The Band, Nine Below Zero, Lynyrd Skynyrd) stahl man allen die Show. Mein eigentlich einziges Bildmaterial (auf Video-Kassette) bis zum heutigen Tage.

Das Konzert wurde ja wenig später im Rockpalast ausgestrahlt, auf dem ich sogar zweimal selbst bei Publikumseinblendungen mit meiner Gattin verewigt bin. Der Nachfolge-Silberling hatte schon so was wie ein Klon-Charakter, dennoch ein solides Werk. Hatchet sah ich diesmal in Dortmund, Vorgruppe die mir nahestehende deutsche Newcomer Band Street Survivors, für deren gleichnamiges Stück ich den Text beigesteuert hatte. Eine weitere Studio-CD und ihre Live Doppel-CD „Locked And Loaded“ folgten. Dann in diesem Jahr die Tour, bevor das aktuelle Album fertig wurde, Dave Hlubek wurde als zurückgekehrtes Bandmitglied angepriesen.

Der Gig in der Bochumer Zeche, war für mich eine der Enttäuschungen überhaupt. Von Hlubek keine Spur, Galvin fehlte, stattdessen ein unscheinbarer Keyboarder und ein Mitglied der Road Crew als Ersatz. Breiiger, viel zu lauter Sound. Im Prinzip alles nichtsagende Musiker um die beiden Hauptakteure versammelt, die ihr Soloprogramm gnadenlos durchzogen. Der Stimmung in der Location tat es allerdings keinen Abbruch. Die Leute freuten sich einfach, dass die Jungs mal wieder im Westen aufspielten. Geraume Zeit später folgte ihr Studioalbum „Warriors Of The Rainbow Bridge“, dass recht ordentlich geworden ist, und sich mehr dem Hardrock zuwendet.

Mittlerweile hat Molly Hatchet auch den Sprung ins DVD-Zeitalter überstanden. Jetzt liegt mir ihr Live-Dokument aus dem Jahre 2004 vor, aufgenommen bei den Harley-Davidson-Tagen in Hamburg, dass uns SPV dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat. Ein Kombiteil, bestehend aus DVD, und für die Autofahrer unter uns, noch eine CD, die allerdings um vier Stücke verkürzt ist. Wenn ich ehrlich bin, bin ich auch über diese Live-Aufnahme, nicht so richtig glücklich.

Das Programm deckt sich im wesentlichen mit dem, was man auf der diesjährigen Tour zu sehen bekommen hat. Einzige Unterschiede, John Galvin ist als Keyboarder an Bord, die zweite Marionette an der Gitarre, gibt diesmal ein gewisser Jake Ruttler ab. Mehr als ein paar Mal die Gitarren mitschwenken war auch für ihn nicht drin, und der hatte wohl dann auch danach den Kaffee auf, und wurde ja durch Jimbo Manion ersetzt.

McCormack übertüncht seine relativ unvariable Stimme geschickt mit seinen Entertainerqualitäten, Ingram zieht seine Gitarrenshow ohne Pardon durch. Ich finde so was wenig ‚gentlemanlike‘. Meiner Meinung nach bricht er sich keinen Zacken aus der Krone, wenn auch sein anderer Angestellter an der Klampfe angesichts der Vielzahl mal 5 oder 6 Soli vom Leder lassen kann. Da hoffe ich nur, dass durch Dave Hlubek, wenn wir ihn denn noch erleben dürfen, für ein anderes Kräfteverhältnis gesorgt wird. Nichts desto trotz ist Bobby natürlich ein Klassegitarrist, und das weiß auch eigentlich mittlerweile jeder.

Die Songs kennt jeder Southern-Fan in- und auswendig; interessant hier vielleicht die Live-Umsetzungen der aktuellen Studio-CD, bei Stücken wie „Moonlight Dancin‘ On A Bayou“, „Son Of The South“, „The Rainbow Bridge“ (Widmung für Bobbies verstorbene Frau) oder „Gone In 60 Seconds“. Für mich die Höhepunkte „Fall Of The Peacemakers“, wo Mr. Alleinunterhalter auch mal die Akustikgitarre bedient, dazu der schöne Übergang zum atmosphärischen „Devil’s Canyon“. Der Kracher natürlich „The Journey“, bei dem Bobby wie immer seine geniale Fingerfertigkeit ausgiebig beweist. Der Song ist leider auf der CD nicht mit drauf.

Erwähnenswert beim Bonusmaterial die Impressionen vom Schaulaufen der Harley-Davidson- Besitzer, wo es jede Menge urige Typen zu bewundern gibt. Das Interview mit Bobby wird in Johnny-Van-Zant-typischer Manier runtergespult. Nichts was dem Southern-Hardliner nicht eh schon bekannt ist, und natürlich alles Friede, Freude Eierkuchen.

Bobby ist mit den meisten Ex-Mitgliedern dick befreundet, ein paar Statements zum Cover-Künstler, ein paar Anekdötchen aus seinem Tourleben. Interessant eigentlich nur, als die Frage gestellt wird, ob Bobby es sich vorstellen könnte, mal wieder mit drei Gitarristen aufzulaufen. Das wird recht geschickt durch ihn relativiert, indem er konstatiert, dass ein guter Keyboarder wie John Galvin im Prinzip den dritten Mann an den Saiten überflüssig macht. Naja, mittlerweile hat Molly Hatchet laut eigener Homepage mit Manion und Hlubek zumindest nominal wieder ein Guitar-Trio.

Fazit:  „Live In Hamburg“ ist für den Southern-Sammler allein aus Vollständigkeitsgründen ein Muss, interessant vielleicht auch für die Liebhaber der jüngeren Generation, die nicht so ganz mit der Hintergrund-Geschichte der Band vertraut sind, und für Hardrockfans, die nicht abgeneigt sind, sich einen Einblick ins Southern-Genre zu verschaffen.

Ich persönlich hätte mir eher ein DVD-Dokument von einem Gig in einem ausverkauften US-Stadion vor enthusiastischen Fans mit einer Gitarrenschlacht wie einst gewünscht, statt eine vorhersehbare Vorstellung vor unterkühltem norddeutschen Publikum. Vielleicht ist man aber auch als Musikkritiker über die Jahre angesichts der Vielzahl zu besprechender Veröffentlichungen nur extrem anspruchsvoll geworden. Wer weiß, in der knapp 30-jährigen Geschichte von Molly Hatchet ist so viel passiert, schaun wir mal , was noch so kommt…

SPV (Steamhammer (2005)
Stil. Southern Rock

01. Intro
02. Whiskey Man
03. Bounty Hunter
04. Gator Country
05. Moonlight Dancin‘ On A Bayou
06. Fall Of The Peacemakers
07. Devil’s Canyon
08. Drum Solo
09. Beatin‘ The Odds
10. Son Of The South
11. The Creeper
12. The Rainbow Bridge
13. Keyboard Solo
14. Instrumental
15. Guitar Solo
16. Dreams I’ll Never See

Bonustracks (nur auf DVD):
17. The Journey
18. Gone In 60 Seconds
19. Jukin‘ City
20. Flirtin‘ With Disaster

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