Molly Hatchet – Live in Hamburg – CD/DVD-Review

Ich verfolge den Werdegang Molly Hatchets eigentlich, seit ich 1978 als 15-jähriger Spund von einem damaligen Tischtennis-Mannschaftskollegen, der glücklicherweise Plattenhändler war, ihre Debüt-LP in die Hand gedrückt bekam. Es war die Zeit als man noch unter dem Schock des Flugzeugabsturzes von Lynyrd Skynyrd stand, und nach dem Tode von Ronnie Van Zant kaum eine Vorstellung hatte, wie es mit dem Southern Rock weiter gehen sollte.
Und da waren sie plötzlich, die Burschen um Dave Hlubek, Duane Roland und Danny Joe Brown, die mit ihrem harten, gradlinigen Southern-Rock soviel Pep in die Szene brachten. Auch der Wechsel zum schwergewichtigen Lead-Sänger Jimmy Farrar für zwei Alben, trübte die Freude überhaupt nicht, Danny Joe Brown kehrte ja im Anschluss wieder zum Line-Up zurück.

Es folgte das tolle Live-Album mit der wohl bis heute unerreichten Fassung von „Boogie No More“, das starke „No Guts… No Glory“ Album, und die erstmalige Gelegenheit, die Truppe live in Deutschland bewundern zu können. Im Kartenverkauf die Tickets besorgt, ab nach Düsseldorf zur Philipshalle, um dann mit langem Gesicht wieder die Heimreise anzutreten. Gig wegen Erkrankung des Sängers der Vorgruppe Blue Öyster Cult abgesagt. Na Klasse! Der Informationsfluss zu jener Zeit war halt noch etwas behäbiger. Es gab ja noch keine Online-Magazine.

Egal, die Karten behielten ihre Gültigkeit, und man wurde auch mit einem ganz besonderem Bonbon entschädigt. Molly Hatchet spielte mit den Outlaws als Vorgruppe in der Essener Grugahalle. Mein Gott was für ein Erlebnis damals! Klarer knackiger Sound, die furchteinflößenden Musiker-Persönlichkeiten auf der Bühne, Danny Joe sang sich die Seele aus dem Leib, und nahm auch noch die Gelegenheit wahr, einen Schluck aus der Whiskey-befüllten Feldflasche zu nehmen, die auf die Bühne geflogen war. Mann, waren das noch Zeiten!

Spätestens als man auf die Schnapsidee kam, sich mit „The Deed Is Done“ dem Mainstream-orientiertem Sound der Achtziger anzupassen, ein etatmäßiger, allerdings keineswegs schlechter Keyboarder mit John Galvin, dazu genommen wurde, begann der schleichende Abstieg der Truppe, was auch das um Schadensbegrenzung bemühte Werk „Lightning Strikes Twice“ nicht wirklich verhindern konnte. Mittlerweile war Bobby Ingram, der heutige Mastermind Hatchet’s, mit an Bord, er hatte ja schon in Bands wie Rum Creek und der Danny Joe Brown Band zusammen mit Danny gewirkt. Danny Joe Brown musste seinem exzessiven Leben so langsam Tribut zollen, Diabetes, Schlaganfall und sein Tod vor einiger Zeit als letzte Konsequenz. Die Band fiel auseinander, ein erbitterter Streit um Namens- und Spielrechte entbrannte.

Der Sieger hieß Bobby Ingram, der plötzlich nur noch mit Galvin Molly Hatchet sein sollte? Unvorstellbar. Doch der zauberte mit seinem neuen Line-Up, Sänger jetzt der bis dato unbekannte Phil McCormack, mit „Devil’s Canyon“ ein Ass aus dem Ärmel, dass sämtliche Kritiker verstummen ließ. Beim hochkarätig besetzten Lorelei-Festival zu Ehren von Rory Gallagher (u. a. The Band, Nine Below Zero, Lynyrd Skynyrd) stahl man allen die Show. Mein eigentlich einziges Bildmaterial (auf Video-Kassette) bis zum heutigen Tage.

Das Konzert wurde ja wenig später im Rockpalast ausgestrahlt, auf dem ich sogar zweimal selbst bei Publikumseinblendungen mit meiner Gattin verewigt bin. Der Nachfolge-Silberling hatte schon so was wie ein Klon-Charakter, dennoch ein solides Werk. Hatchet sah ich diesmal in Dortmund, Vorgruppe die mir nahestehende deutsche Newcomer Band Street Survivors, für deren gleichnamiges Stück ich den Text beigesteuert hatte. Eine weitere Studio-CD und ihre Live Doppel-CD „Locked And Loaded“ folgten. Dann in diesem Jahr die Tour, bevor das aktuelle Album fertig wurde, Dave Hlubek wurde als zurückgekehrtes Bandmitglied angepriesen.

Der Gig in der Bochumer Zeche, war für mich eine der Enttäuschungen überhaupt. Von Hlubek keine Spur, Galvin fehlte, stattdessen ein unscheinbarer Keyboarder und ein Mitglied der Road Crew als Ersatz. Breiiger, viel zu lauter Sound. Im Prinzip alles nichtsagende Musiker um die beiden Hauptakteure versammelt, die ihr Soloprogramm gnadenlos durchzogen. Der Stimmung in der Location tat es allerdings keinen Abbruch. Die Leute freuten sich einfach, dass die Jungs mal wieder im Westen aufspielten. Geraume Zeit später folgte ihr Studioalbum „Warriors Of The Rainbow Bridge“, dass recht ordentlich geworden ist, und sich mehr dem Hardrock zuwendet.

Mittlerweile hat Molly Hatchet auch den Sprung ins DVD-Zeitalter überstanden. Jetzt liegt mir ihr Live-Dokument aus dem Jahre 2004 vor, aufgenommen bei den Harley-Davidson-Tagen in Hamburg, dass uns SPV dankenswerterweise zur Verfügung gestellt hat. Ein Kombiteil, bestehend aus DVD, und für die Autofahrer unter uns, noch eine CD, die allerdings um vier Stücke verkürzt ist. Wenn ich ehrlich bin, bin ich auch über diese Live-Aufnahme, nicht so richtig glücklich.

Das Programm deckt sich im wesentlichen mit dem, was man auf der diesjährigen Tour zu sehen bekommen hat. Einzige Unterschiede, John Galvin ist als Keyboarder an Bord, die zweite Marionette an der Gitarre, gibt diesmal ein gewisser Jake Ruttler ab. Mehr als ein paar Mal die Gitarren mitschwenken war auch für ihn nicht drin, und der hatte wohl dann auch danach den Kaffee auf, und wurde ja durch Jimbo Manion ersetzt.

McCormack übertüncht seine relativ unvariable Stimme geschickt mit seinen Entertainerqualitäten, Ingram zieht seine Gitarrenshow ohne Pardon durch. Ich finde so was wenig ‚gentlemanlike‘. Meiner Meinung nach bricht er sich keinen Zacken aus der Krone, wenn auch sein anderer Angestellter an der Klampfe angesichts der Vielzahl mal 5 oder 6 Soli vom Leder lassen kann. Da hoffe ich nur, dass durch Dave Hlubek, wenn wir ihn denn noch erleben dürfen, für ein anderes Kräfteverhältnis gesorgt wird. Nichts desto trotz ist Bobby natürlich ein Klassegitarrist, und das weiß auch eigentlich mittlerweile jeder.

Die Songs kennt jeder Southern-Fan in- und auswendig; interessant hier vielleicht die Live-Umsetzungen der aktuellen Studio-CD, bei Stücken wie „Moonlight Dancin‘ On A Bayou“, „Son Of The South“, „The Rainbow Bridge“ (Widmung für Bobbies verstorbene Frau) oder „Gone In 60 Seconds“. Für mich die Höhepunkte „Fall Of The Peacemakers“, wo Mr. Alleinunterhalter auch mal die Akustikgitarre bedient, dazu der schöne Übergang zum atmosphärischen „Devil’s Canyon“. Der Kracher natürlich „The Journey“, bei dem Bobby wie immer seine geniale Fingerfertigkeit ausgiebig beweist. Der Song ist leider auf der CD nicht mit drauf.

Erwähnenswert beim Bonusmaterial die Impressionen vom Schaulaufen der Harley-Davidson- Besitzer, wo es jede Menge urige Typen zu bewundern gibt. Das Interview mit Bobby wird in Johnny-Van-Zant-typischer Manier runtergespult. Nichts was dem Southern-Hardliner nicht eh schon bekannt ist, und natürlich alles Friede, Freude Eierkuchen.

Bobby ist mit den meisten Ex-Mitgliedern dick befreundet, ein paar Statements zum Cover-Künstler, ein paar Anekdötchen aus seinem Tourleben. Interessant eigentlich nur, als die Frage gestellt wird, ob Bobby es sich vorstellen könnte, mal wieder mit drei Gitarristen aufzulaufen. Das wird recht geschickt durch ihn relativiert, indem er konstatiert, dass ein guter Keyboarder wie John Galvin im Prinzip den dritten Mann an den Saiten überflüssig macht. Naja, mittlerweile hat Molly Hatchet laut eigener Homepage mit Manion und Hlubek zumindest nominal wieder ein Guitar-Trio.

Fazit:  „Live In Hamburg“ ist für den Southern-Sammler allein aus Vollständigkeitsgründen ein Muss, interessant vielleicht auch für die Liebhaber der jüngeren Generation, die nicht so ganz mit der Hintergrund-Geschichte der Band vertraut sind, und für Hardrockfans, die nicht abgeneigt sind, sich einen Einblick ins Southern-Genre zu verschaffen.

Ich persönlich hätte mir eher ein DVD-Dokument von einem Gig in einem ausverkauften US-Stadion vor enthusiastischen Fans mit einer Gitarrenschlacht wie einst gewünscht, statt eine vorhersehbare Vorstellung vor unterkühltem norddeutschen Publikum. Vielleicht ist man aber auch als Musikkritiker über die Jahre angesichts der Vielzahl zu besprechender Veröffentlichungen nur extrem anspruchsvoll geworden. Wer weiß, in der knapp 30-jährigen Geschichte von Molly Hatchet ist so viel passiert, schaun wir mal , was noch so kommt…

SPV (Steamhammer (2005)
Stil. Southern Rock

01. Intro
02. Whiskey Man
03. Bounty Hunter
04. Gator Country
05. Moonlight Dancin‘ On A Bayou
06. Fall Of The Peacemakers
07. Devil’s Canyon
08. Drum Solo
09. Beatin‘ The Odds
10. Son Of The South
11. The Creeper
12. The Rainbow Bridge
13. Keyboard Solo
14. Instrumental
15. Guitar Solo
16. Dreams I’ll Never See

Bonustracks (nur auf DVD):
17. The Journey
18. Gone In 60 Seconds
19. Jukin‘ City
20. Flirtin‘ With Disaster

Molly Hatchet
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Bärchen Records

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