Melissa Etheridge – 23.04.2015, Live Music Hall, Köln – Konzertbericht

 

Es war gestern beim Melissa Etheridge-Gig in der Domstadt irgendwie nicht mein Tag. Lange Schicht auf der Arbeit, danach unglaubliche 2½ Stunden Fahrtzeit von Essen nach Köln, dank Bahnstreik und einer Baustelle auf der A3. Das relativ späte Eintreffen an der Live Music Hall war aufgrund der Akkreditierung mit Fotopass (danke nochmal dafür an Mark Dehler von Netinfect) kein Problem, da ich mit den anderen Fotografen per Security separat zur Bühne geleitet wurde. Der sonst übliche Fotograben war hier zu einer Fotozelle umfunktioniert worden. Das Gatter war so dicht an die Bühne gepfercht worden, dass man sich, mit quasi null Bewegungsfreiheit, wie eines der bemitleidenswerten Tiere in der Massenhaltung vorgekommen ist (wenn auch nur für knapp vier Minuten). Jeder Schwerverbrecher hätte unter diesen Bedingungen wahrscheinlich sofort Amnesty International auf den Plan gerufen…

Dazu wurde nur die Erlaubnis erteilt, beim Opener „Ain’t It Heavy“ zu fotografieren. Für mich also unter diesen allürenhaften Bedingungen bei etwas größeren Events, zumal ich eh nicht der große Kameraprofi bin, Stress pur. War nicht so schön. Nach dem Abgeben der Ausrüstung durfte man sich dann wieder von hinten durch die fast voll besetzte Halle halbwegs nach vorne schlängeln. Danach die nächste Enttäuschung: Ich war in der Annahme zum Konzert gereist, die Kalifornierin mit Band zu sehen zu bekommen, da ich sie vor Jahren schon mal bei ihrer „Live And Alone“-Tour solo erlebt habe. Aber nix da. Melissa also wieder ‚leibhaftig und allein‘.

Na ja, zumindest hatte ich beim Studieren ihrer Setlists von 2015 die leise Hoffnung, dass sie wenigstens ihr neues Album „This Is M.E. ausführlich präsentieren würde, aber auch dem war leider nicht so. Später mehr dazu. Aber gut, genug gemeckert jetzt, kommen wir zu den erwähnenswerten Dingen des Abends. Die Live Music Hall war mit geschätzten 1300 Besuchern ziemlich gut gefüllt und als Hetero den Massenauflauf von vornehmlich gleichgeschlechtlichen weiblichen Paaren zu beobachten, war natürlich für den Bewohner einer mittelgroßen Kleinstadt wie mich, der den Christopher Street Day nur aus dem Fernsehen kennt, schon wieder etwas Besonderes (allerdings war ich durch den damaligen Konzertbesuch schon innerlich darauf vorbereitet).

Nach dem bereits erwähnten Eröffnungsstück ging es über „Chrome Plated Heart“ zu „Enough Of You“, wo die Etheridge kurz eine Anekdote, wie sie mal vor geraumer Zeit in den Kölner Karneval geriet, zum Besten gab. Mit „Take My Number“ gab es das erste Stück vom neuen Album. Auffällig, dass diese Tracks, und auch ein paar andere, immer wieder von Melissa durch eine Loop Machine (dazu schlug sie meist ein paar Mal auf eine Handpauke und einen Schellenring) playbackartig in Sachen Rhythmik unterstützt wurden, was den Ablauf zumindest nicht ganz so eintönig machte.

Vor „I Want To Come Over“ berichtete sie kurz von ihrem nahenden Auftritt in der NDR-Talkshow „3 nach9“, wo wohl ein Song von ihr mit dem ebenfalls anwesenden Howard Carpendale im Duett als Überraschung geplant sei. Und tatsächlich, neben „Monster“, sang sie am Ende mit diesem Springsteens „Dancing In The Dark“, das schonungslos offenbarte, dass der mutige, aber gesanglich hoffnungslos unterlegene Howie wohl besser seinem Schlagergenre beiwohnen bleiben sollte. Zu einem von ihr bisher unveröffentlichen Stück, „Ready To Love“ (das sie einem europäischen Superfan widmete, der angeblich über zehn Jahre fast alle Gigs von ihr im hiesigen Raume besucht haben soll), besetzte sie zum ersten Mal das Piano, das sie dann auch für das angenehme Joan Armatrading -Cover „The Weakness In Me“ später nochmals frequentierte. Schön auch ein weiterer aktueller Song „Like A Preacher“.

Nach „Must Be Crazy For Me“ brachte das in der Zuschauergunst recht hoch angesiedelte „Come To My Window“ erstmalig spürbare Emotionen in die Halle. Ein sehr schöner Song! Klasse, als sie für „Ain’t That Bad“ vom neuen Album mal eine schwarze Gibson Les Paul schulterte und das mit einer Mischung aus E-Gitarre und Dobro gespielte großartige „Monster“ bewies, dass sie auch richtig gut Alarm auf diesen Teilen machen kann. Hier bevorzugte sie die Slide-Variante und obendrauf gab es auch noch ein deftiges Harp-Solo. Ein Highlight! Das war es dann aber auch mit den neuen Sachen. Meine Favoriten „Do It Again“ und „All The Way Home“ blieben leider außen vor. Über „I’m The Only One“ ging es dann schon auf die Zielgerade. Das übliche und routiniert von ihr runtergespulte „Bring Me Some Water“ vom Debüt sollte dann nach knapp 1½ Stunden Spielzeit den Hauptteil beenden.

Klar war, dass als Zugabe dann nur noch „Like The Way I Do“ folgen konnte. Eigentlich bin ich ja nicht so der Fan von Stücken, die immer wieder im Radio gedudelt werden und über die Künstler von der gemeinen Masse meist ausnahmslos definiert werden. Aber was Melissa bei diesem Stück, in einer um die acht Minuten währenden Fassung, zum textsicheren Mitgesang des Publikums vom Stapel ließ, war schon sehens- und hörenswert, ja atemberaubend. Nach dieser bravourösen Darbietung konnte man das Ende des Gigs ohne weitere Lieder kritiklos hinnehmen.

Fazit: Die Etheridge ist auch heute noch zu jeder Zeit in der Lage, eine Location alleine zu rocken, trotzdem wäre ein Auftritt mit kompletter Band (zumindest aus meiner Sicht) trotz aller gegebener Mühe sicherlich deutlich interessanter und abwechslungsreicher gewesen. Die Foto-Geschichte von zu Anfang mit nur einem Lied, in Zeiten, wo alle eh mit dem Handy ständig zugange sind, halte ich unter den genannten Bedingungen, für völlig daneben. Irgendwie ist mir die intime Atmosphäre bei kleinen Clubkonzerten in weniger abgehobener Atmosphäre dann doch etwas lieber. Für mich persönlich gilt in Zukunft, was M. E. angeht, deshalb nur noch live, wenn ’not alone‘!

Line-up:
Melissa Etheridge (vocals, guitars, piano, harp, percussion)

Melissa Etheridge
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Live Music Hall Köln

Melanie Dekker – 30.05.2009, ABC-Keller, Kamp-Lintfort – Konzertbericht

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Dinge gibt es! Da muss man erst rein zufällig ein Review über eine bis dato mir völlig unbekannte kanadische Künstlerin schreiben, um mit der Nase auf einen tollen Club gestoßen zu werden, der quasi nur einen Katzensprung von der heimatlichen Wohnung entfernt liegt.
Und so war es halt auch im Falle Melanie Dekker. Da lag vor längerer Zeit ihr letztes Werk „Acoustic Ride“ ohne vorherige Order im Briefkasten. Die Scheibe gefiel mir von Anfang an sehr gut und bekam demnach auch die verdient löbliche Kritik. Umso schöner, als ich neulich dann einige Konzerttermine der netten Dame in unserem Lande zur Kenntnis nehmen durfte. Etwas ungläubig sah ich, dass ein Gig in Kamp-Lintfort, eine direkte Nachbarstadt meines Heimatortes Rheinberg, stattfinden sollte. Wie um Himmelswillen kommt dieses Mädel nach Kamp-Lintfort, in einen Club mit dem ominösen Namen ABC-Keller, dachte ich spontan.

Wie die übliche Recherche im Vorfeld dann ergab, existiert die Location schon einige Jahre und auch Melanie Dekker wie auch die mir bestens geläufige Steve Schuffert Band gaben dort bereits ihr Stelldichein. Es folgte die unweigerliche Akkreditierungsanfrage, die wenige Tage später bestätigt wurde. Am Tage des Geschehens fuhren meine Gattin und ich, ehrlich gesagt, trotzdem mit recht gemischten Gefühlen los, weil der Termin Pfingsten in Kombination mit dem DFB-Pokalendspiel bei solch speziellen Acts nicht gerade Unmengen an Publikum verheißen ließ. Aber weit gefehlt. Es fanden sich immerhin 110 Leute in dem mit viel Liebe, wunderbar schummrig mit Kerzenlicht, ausgestatteten Kellergebäude ein und trugen zu einer ausgelassenen Stimmung für einen gelungenen Singer-/Songwriter-Abend bei.

Wir wurden sofort vom Mitinhaber des ABC-Kellers, Ulrich op de Hipt, nett begrüßt und wie die Welt dann so klein ist, lief ich direkt auch noch seinem Schwager Mathias in die Arme, der mit mir lange Jahre recht hochklassig die Tischtenniskeule geschwungen hatte (ich meine, wir hätten in grauer Vorzeit auch mal einen gemeinsamen Doppeltitel errungen). 20:20 Uhr betraten dann Melanie Dekker (in Adidas-Trainingsjacke und Stöckelschuhen, das hatte schon was…) und ihr langjähriger musikalischer Partner Jason Nett die Bühne und wurden vom augenscheinlich fachkundigen Publikum schon fast wie alte Bekannte aufgenommen. Der eröffnende Ohrwurm „Haven’t Even Kissed U Yet“ von ihrem „Revealed“-Album trug dabei direkt zu einer Wohlfühlatmosphäre bei, die sich wie ein roter Faden durch die knapp zwei Stunden Nettospielzeit, inklusiv dreier Zugaben (u.a. „Lullaby“, „Sweet Bitter“), ziehen sollte.

Semiakustische Abende mit nur zwei Protagonisten sind meist sehr speziell, ja fast persönlich und von ihren Möglichkeiten naturgemäß recht begrenzt. Von daher sind absolutes Können und hohe Entertainerqualitäten schon fast ein unbedingtes Muss, um solch eine Performance bei Laune zu halten. Dekker trug viel mit ihrer charmanten Art dazu bei, glänzte mit einer sehr variablen Gesangsbreite, die sich in Sphären von einer
Melissa Etheridge bis hin zu ihrer berühmten Landsmännin Shania Twain erstreckte. Des weiteren beschränkte sie sich auf ein konsequentes Gitarren-Rhythmusspiel, für die filigrane Feinarbeit mit virtuosen Fill- und Solo-Einlagen zeigte sich ihr männliches Pendant Jason Nett verantwortlich, der auch diverse, gut passende Harmoniegesänge mit beisteuerte.

So verlief der erste Part über „Meant To Be“ , „Shakespeare Says“, dem vom Tempo variantenreich gestalteten „Blush“, dem autobiografischen „Calling“, das der Mutter gewidmeten „Speechless“ bis zur ersten Solodarbietung von Jason (grandiose mehrstimmig allein gespieltes Akustikinstrumental – man hatte vom Klang her das Gefühl, nicht er alleine, sondern mindestens fünf weitere Gitarristen wären auf der Bühne, Jason ergatterte dafür tosenden Applaus) wie im Fluge. Nach einer kurzen Pause ging es mit dem flockigen „I Said I“ (laut Melanie in Kanada ein kleiner Hit) weiter. Es folgte dann die wohl stärkste Phase. Erst das herrlich groovige „This Song“, dann der wunderschöne Opener von ihrem „Acoustic Ride“-Album „We’re The Angels“ und mein persönliches Lieblingslied „Can’t Stop Laughing“ (fulminantes Solo von Jason), bei dem das Herz des Rezensenten einfach lacht.

„Somebody’s Baby“, „Hollow“, das fröhliche „Wishful Thinking (Echo Song)“, „Fall In (Wounded Soldier)“, ein weiteres umjubeltes Jason Nett-Solo-Special, ein herrlich grooviger Song, der mich ein wenig an den Stretch-Klassiker „Why Did You Do It“ erinnerte (war es „Flirtin'“?), das poppige „Little Miracle“ bis zum finalen, sehr ruhigen „Stare At The Rain“ waren dann die Stationen eines sehr überzeugenden zweiten Parts. Die heftig eingeforderten o.a. Zugaben rundeten eine in sich stimmige, abwechslungsreiche und qualitativ hochwertige Singer-Songwriter-Performance mit viel Augenmaß ab.

Melanie Dekker und Jason Nett bewiesen einmal mehr, dass man für kleines Geld oftmals sehr viel mehr geboten bekommt (vor allem die persönliche Nähe zum Künstler) als das heute übliche, anonyme Abzocke der sogenannten großen Bands, die aber leider von Otto-Normalhörer weiter protegiert werden, koste es, was es wolle. Von daher nochmals auch von unserer Seite ein großes Lob an Leute wie Ulrich op de Hipt, die mit ihrem Engagement solche Events erst möglich machen. Dieser gewährte uns nach dem Konzert noch einen interessanten Einblick in die Katakomben des ABC-Kellers (ein ehemaliger Schutzbunker im 2. Weltkrieg), den er selbst als begeisterter Musiker (Keyboarder der Funk-Soul-Band 9 Men High) sich zu einer Art Spielwiese (Jam-Studio/VIP Bereich/ eigenes Tonstudio mit modernster Technik) in eigener Sache umgebaut hat, und damit (laut eigener Aussage) so manche, im Keller auftretende Künstler in ungläubiges Staunen versetzt hat.

Im Anschluss hatte ich sogar noch die Gelegenheit mit Melanie einen kurzen Smalltalk zu führen. Wir tauschten unsere E-Mailadressen aus und sie schenkte mir dankenswerter Weise dazu noch ihr ebenfalls sehr zu empfehlendes Album „Revealed“. Ein rundum gelungener Abend also, wobei ich den hoffentlich meinem Geschmacksspektrum kompatiblen nächsten Gigs (Melanie mal mit kompletter Band oder The Band Of Heathens als absoluter Knaller vielleicht…?) schon jetzt entgegenfiebere. Hat richtig Spaß gemacht!

Line-up:
Melanie Dekker (lead vocals, guitars)
Jason Nett (guitars, vocals)

Melanie Dekker
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ABC-Keller