Melanie Dekker – 30.05.2009, ABC-Keller, Kamp-Lintfort – Konzertbericht

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Dinge gibt es! Da muss man erst rein zufällig ein Review über eine bis dato mir völlig unbekannte kanadische Künstlerin schreiben, um mit der Nase auf einen tollen Club gestoßen zu werden, der quasi nur einen Katzensprung von der heimatlichen Wohnung entfernt liegt.
Und so war es halt auch im Falle Melanie Dekker. Da lag vor längerer Zeit ihr letztes Werk „Acoustic Ride“ ohne vorherige Order im Briefkasten. Die Scheibe gefiel mir von Anfang an sehr gut und bekam demnach auch die verdient löbliche Kritik. Umso schöner, als ich neulich dann einige Konzerttermine der netten Dame in unserem Lande zur Kenntnis nehmen durfte. Etwas ungläubig sah ich, dass ein Gig in Kamp-Lintfort, eine direkte Nachbarstadt meines Heimatortes Rheinberg, stattfinden sollte. Wie um Himmelswillen kommt dieses Mädel nach Kamp-Lintfort, in einen Club mit dem ominösen Namen ABC-Keller, dachte ich spontan.

Wie die übliche Recherche im Vorfeld dann ergab, existiert die Location schon einige Jahre und auch Melanie Dekker wie auch die mir bestens geläufige Steve Schuffert Band gaben dort bereits ihr Stelldichein. Es folgte die unweigerliche Akkreditierungsanfrage, die wenige Tage später bestätigt wurde. Am Tage des Geschehens fuhren meine Gattin und ich, ehrlich gesagt, trotzdem mit recht gemischten Gefühlen los, weil der Termin Pfingsten in Kombination mit dem DFB-Pokalendspiel bei solch speziellen Acts nicht gerade Unmengen an Publikum verheißen ließ. Aber weit gefehlt. Es fanden sich immerhin 110 Leute in dem mit viel Liebe, wunderbar schummrig mit Kerzenlicht, ausgestatteten Kellergebäude ein und trugen zu einer ausgelassenen Stimmung für einen gelungenen Singer-/Songwriter-Abend bei.

Wir wurden sofort vom Mitinhaber des ABC-Kellers, Ulrich op de Hipt, nett begrüßt und wie die Welt dann so klein ist, lief ich direkt auch noch seinem Schwager Mathias in die Arme, der mit mir lange Jahre recht hochklassig die Tischtenniskeule geschwungen hatte (ich meine, wir hätten in grauer Vorzeit auch mal einen gemeinsamen Doppeltitel errungen). 20:20 Uhr betraten dann Melanie Dekker (in Adidas-Trainingsjacke und Stöckelschuhen, das hatte schon was…) und ihr langjähriger musikalischer Partner Jason Nett die Bühne und wurden vom augenscheinlich fachkundigen Publikum schon fast wie alte Bekannte aufgenommen. Der eröffnende Ohrwurm „Haven’t Even Kissed U Yet“ von ihrem „Revealed“-Album trug dabei direkt zu einer Wohlfühlatmosphäre bei, die sich wie ein roter Faden durch die knapp zwei Stunden Nettospielzeit, inklusiv dreier Zugaben (u.a. „Lullaby“, „Sweet Bitter“), ziehen sollte.

Semiakustische Abende mit nur zwei Protagonisten sind meist sehr speziell, ja fast persönlich und von ihren Möglichkeiten naturgemäß recht begrenzt. Von daher sind absolutes Können und hohe Entertainerqualitäten schon fast ein unbedingtes Muss, um solch eine Performance bei Laune zu halten. Dekker trug viel mit ihrer charmanten Art dazu bei, glänzte mit einer sehr variablen Gesangsbreite, die sich in Sphären von einer
Melissa Etheridge bis hin zu ihrer berühmten Landsmännin Shania Twain erstreckte. Des weiteren beschränkte sie sich auf ein konsequentes Gitarren-Rhythmusspiel, für die filigrane Feinarbeit mit virtuosen Fill- und Solo-Einlagen zeigte sich ihr männliches Pendant Jason Nett verantwortlich, der auch diverse, gut passende Harmoniegesänge mit beisteuerte.

So verlief der erste Part über „Meant To Be“ , „Shakespeare Says“, dem vom Tempo variantenreich gestalteten „Blush“, dem autobiografischen „Calling“, das der Mutter gewidmeten „Speechless“ bis zur ersten Solodarbietung von Jason (grandiose mehrstimmig allein gespieltes Akustikinstrumental – man hatte vom Klang her das Gefühl, nicht er alleine, sondern mindestens fünf weitere Gitarristen wären auf der Bühne, Jason ergatterte dafür tosenden Applaus) wie im Fluge. Nach einer kurzen Pause ging es mit dem flockigen „I Said I“ (laut Melanie in Kanada ein kleiner Hit) weiter. Es folgte dann die wohl stärkste Phase. Erst das herrlich groovige „This Song“, dann der wunderschöne Opener von ihrem „Acoustic Ride“-Album „We’re The Angels“ und mein persönliches Lieblingslied „Can’t Stop Laughing“ (fulminantes Solo von Jason), bei dem das Herz des Rezensenten einfach lacht.

„Somebody’s Baby“, „Hollow“, das fröhliche „Wishful Thinking (Echo Song)“, „Fall In (Wounded Soldier)“, ein weiteres umjubeltes Jason Nett-Solo-Special, ein herrlich grooviger Song, der mich ein wenig an den Stretch-Klassiker „Why Did You Do It“ erinnerte (war es „Flirtin'“?), das poppige „Little Miracle“ bis zum finalen, sehr ruhigen „Stare At The Rain“ waren dann die Stationen eines sehr überzeugenden zweiten Parts. Die heftig eingeforderten o.a. Zugaben rundeten eine in sich stimmige, abwechslungsreiche und qualitativ hochwertige Singer-Songwriter-Performance mit viel Augenmaß ab.

Melanie Dekker und Jason Nett bewiesen einmal mehr, dass man für kleines Geld oftmals sehr viel mehr geboten bekommt (vor allem die persönliche Nähe zum Künstler) als das heute übliche, anonyme Abzocke der sogenannten großen Bands, die aber leider von Otto-Normalhörer weiter protegiert werden, koste es, was es wolle. Von daher nochmals auch von unserer Seite ein großes Lob an Leute wie Ulrich op de Hipt, die mit ihrem Engagement solche Events erst möglich machen. Dieser gewährte uns nach dem Konzert noch einen interessanten Einblick in die Katakomben des ABC-Kellers (ein ehemaliger Schutzbunker im 2. Weltkrieg), den er selbst als begeisterter Musiker (Keyboarder der Funk-Soul-Band 9 Men High) sich zu einer Art Spielwiese (Jam-Studio/VIP Bereich/ eigenes Tonstudio mit modernster Technik) in eigener Sache umgebaut hat, und damit (laut eigener Aussage) so manche, im Keller auftretende Künstler in ungläubiges Staunen versetzt hat.

Im Anschluss hatte ich sogar noch die Gelegenheit mit Melanie einen kurzen Smalltalk zu führen. Wir tauschten unsere E-Mailadressen aus und sie schenkte mir dankenswerter Weise dazu noch ihr ebenfalls sehr zu empfehlendes Album „Revealed“. Ein rundum gelungener Abend also, wobei ich den hoffentlich meinem Geschmacksspektrum kompatiblen nächsten Gigs (Melanie mal mit kompletter Band oder The Band Of Heathens als absoluter Knaller vielleicht…?) schon jetzt entgegenfiebere. Hat richtig Spaß gemacht!

Line-up:
Melanie Dekker (lead vocals, guitars)
Jason Nett (guitars, vocals)

Melanie Dekker
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