Melanie Dekker – Secret Spot – CD-Review

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Eine Dame, die, wenn es in unserer Interpretenskala eine Rangfolge nach Beliebtheit geben würde, ganz oben mit vertreten wäre, ist zweifellos die Kanadierin Melanie Dekker.

Die spielt sich seit zig Jahren, oft solo, mal in Begleitung eines bis zweier weiterer Musiker, regelmäßig bei uns, sowie fast ganz Europa, in den kleinen, Insider-Musik protegierenden Clubs, auf ihrer Akustik-Klampfe, für vermutlich kleines Geld, die Fingerkuppen wund, ohne dabei auch nur ansatzweise ihre lebensbejahende, fröhliche und sympathische Aura einzubüßen.

Mein erster Berührungspunkt mit ihr war 2009 „Acoustic Ride„. Danach hatte ich persönlich das Vergnügen, sie ein paar mal auf ihren Konzerten kennenlernen zu dürfen (in meiner Gegend ist sie leider nicht ganz so oft präsent). Seitdem bin ich soweit eine gesetzte Konstante, wenn es um das Besprechen ihrer neuen Werke geht.

Die aus Vancouver stammende Singer/Songwriterin beglückt uns nach einer knapp fünfjährigen Pause in Sachen Studio-Alben nach „Distant Star“ jetzt mit ihrem neuen Werk „Secret Spot“. Zehn wunderbare geschmackvolle Tracks, alle wieder größtenteils aus eigener Feder, lediglich das im wahrsten Sinne des Wortes, pfiffige Titelstück (Pfeif-, Slide-Gitarren-, Banjo-Einlagen) stammt vom hier, bei mehreren Liedern instrumental involvierten Allen Roger.

Wenn es so etwas wie Gerechtigkeit auf dieser Welt geben würde, müssten eingängige Stücke wie „Front Row“, „Ginned Up“, „Try Me (The Basket Song)“, „Always Gonna Be“ sowie der bereits erwähnte Titeltrack „Secret Spot“, eigentlich die Major-Label und Radiostationen, auf den Plan rufen.

Für die B-Note, also den künstlerischen Teil, stehen der melancholische Opener „Memories Of You“, das kammmermusikartige „More Human“ (Ukulele, Cello, Piano), der Tex-Mex Country-Storyteller „Te Amo Mucho“ (Akustik-Gitarren-, Akkordeon-Untermalung, E-Fills), das soulige „Better When We Do“ (Wurlitzer-Piano, Trompete) und das abschließende, titelmäßig schön passende „When It’s Over“ (nur auf Gesang, Piano, Bass und Harmonies reduziert, atmosphärisch).

Auf dem Cover sitzt Melanie so ein wenig geschafft, abgekämpft, aber zufrieden und glücklich, auf einem gepflasterten Steinboden an eine Häuserwand gelehnt, wie jemand, der gerade eine anstrengende Sache hinter sich gebracht, aber umso erfolgreicher beendet hat.

„Secret Spot“ ist ein tolles, mit viel Feingefühl für kleine instrumentelle Fertigkeiten gewordenes, Singer/Songwriter-Kleinod geworden, das sich nicht zu verstecken braucht und eigentlich weit über den Nischen-Charakter hinaus bekannt werden müsste.

Und auf dem mir zugesendeten Exemplar ist natürlich auch wieder mit „Dear Daniel, thank you for bringing music to the fans! Mel“ eine per Hand vermerkte persönliche Widmung. Wie anfangs schon erwähnt – einfach eine liebenswerte sympathische Person, diese Melanie Dekker!

Eigenproduktion (2018)
Stil: Singer/Songwriter

01. Memories Of You
02. Front Row
03. More Human
04. Ginned Up
05. Try Me (The Basket Song)
06. Always Gonna Be
07. Te Amo Mucho
08. Secret Spot
09. Better When We Do
10. When It’s Over

Melanie Dekker
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Reto Burrell- CD-Gewinnspiel

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Das Gewinnspiel ist beendet.

Die richtige Antwort hieß ‚Eidgenosse‘!

Über eine tolle CD von Reto Burrell darf sich

Tanja Hammerschmidt aus Wernberg-Köblitz,

freuen, der der Gewinn in den nächsten Tagen zugeht!

Sounds Of South wünscht viel Spaß damit!

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In Zusammenarbeit mit Greywood Records verlosen wir ein Exemplar der neuen Reto Burrell-CD „Shampoo Or Gasoline„. Starke Scheibe, mitmachen lohnt sich.

Folgende Frage, die sich gewaschen hat, muss dazu richtig beantwortet werden:

Wie bezeichnet man im allgemeinen Sprachgebrauch auch einen Bürger der Schweiz?

a) Eidgenosse
b) Leidgenosse
c) Zeitgenosse

Bitte sende eine E-Mail mit der richtigen Lösung bis zum 12.04.2018 an dan@sounds-of-south.de.

Wir losen unter allen richtigen Einsendern eine/n Gewinner/in aus, der/die dann umgehend benachrichtigt und mit der CD beliefert wird.

Reto Burrell
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Greywood Records

Reto Burrell – Shampoo Or Gasoline – CD-Review

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Review: Michael Segets

Die Covergestaltung lässt eigentlich ein Live-Album erwarten, stattdessen finden sich zwölf neue Studiotracks auf „Shampoo Or Gasoline“. Die Songs sind allerdings im Zuge der letztjährigen Konzerttournee von Reto Burrell entstanden und bereits live erprobt. Die CD wurde in den Soniccourtyardstudios schön erdig abgemischt, wie es sich für eine Roots-Rock-Scheibe gehört.

Burrell und seine Mannen legen direkt scheppernd los. „Rising To The Bait“ hat einen harmonischen Refrain, in den Strophen ist der Gesang rauer und die kreischende Gitarre sorgt für die richtigen Ecken und Kanten, sodass das Stück nicht glatt geschliffen wirkt. Bei dem Titelsong „Shampoo Or Gasoline“ setzt die Band tempomäßig noch eine Schippe drauf. Fast ungestüm bearbeitet Chris Filter das Schlagzeug und gibt so zusammen mit dem Bassisten Toby Bachmann den treibenden Rhythmus vor. Das Zusammenspiel der beiden elektrischen Gitarren von Burrell und Ewald Heusser bringt gegen Ende nochmal neue Impulse in die schnellste Nummer des Longplayers.

Den Höhepunkt des rockigen Einstiegs bildet aber „On The Top Of The Moon“. Burrell trifft hier genau in mein Heartland-Rock-Herz. Der schnörkellose Song punktet mit eingängigem Chorus, dezentem Orgelsound im Hintergrund und guter Gitarrenarbeit – einschließlich eines kurzen Solos.

Danach wechseln sich langsamere und Uptempo-Stücke ab. Abwechslung bringt auch der Einsatz unterschiedlicher Gitarrensounds. Bei dem getragenen „Carried Away“ dominiert eine Steel-Guitar – ergänzt mit einer ausgiebigen Mundharmonika-Einlage – und bei „Leaving Scars Behind“ wird die Slide-Guitar ausgepackt. Mit den langgezogenen und hohen Textpassagen im Chorus des letztgenannten Songs kann ich mich nicht recht anfreunden. Die anderen Ausflüge Burrells in stimmliche Höhen, wie beispielsweise auf „In A Bucket With A Hole“, liegen hingegen noch im Toleranzbereich.

Die Melodie von „Tell Me Why“ erinnert anfänglich sehr stark an „More Than I Can Say“ von Leo Sayer. Das kraftvolle „Shout It Loud“ weckt in einigen Passagen leichte Assoziationen zu John Mellencamp, welcher ja keine schlechte Referenz ist. Ebenfalls gelungen sind „Where Is Robin Hood?“ mit seinem Country-Rock-Einschlag und „She Says She’s American“, auf dem Thomas Kull am Piano zum Zuge kommt.

Auch wenn das im mittleren Tempo angesiedelte „Blind (Everything Is Fine)“ musikalisch nicht vollständig überzeugt, lohnt sich auf alle Fälle ein Blick in die beigefügten Texte. Burrell zeigt sich als genauer Beobachter gesellschaftlicher Entwicklungen. Er kritisiert das fehlende Bewusstsein für ökologische, politische oder soziale Zusammenhänge und das unreflektierte Hinnehmen von Missständen. Rockmusik hatte immer etwas mit Protest zu tun und Burrell steht diese Attitüde gut.

Reto Burrell hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten nicht nur als Solokünstler einen Namen gemacht und mit der Band C. H. 2011 den Prix Walo in der Kategorie Country eingeheimst, sondern er ist zudem als Musikproduzent aktiv und fördert Newcomer. So hat er beispielsweise mit den Basement Saints zusammen gearbeitet.

Unter dem Aspekt der Nachwuchsförderung kann daher das abschließende „Like Zombies And Toys“ gesehen werden. Maple Tree Circus begleiten hier Burrell über die eineinhalb Minuten des Stücks. Die junge Band aus Luzern, hat sich der Americana-Musik beziehungsweise dem Folk verschrieben, wie die Instrumentalisierung mit Banjo (Sebastian Schwarz), Geige (Lukas Bircher), akustischer Gitarre (Fabio Erni) und Kontrabass (Kevin Emmenegger) bereits vermuten lässt.

Das neue Werk hält mühelos die Qualität der früheren Veröffentlichungen von Reto Burrell, auf denen sich immer wieder Songperlen aus dem Roots-Rock-Genre finden. In der Gesamtschau zählt „Shampoo Or Gasoline“, besonders wenn Burrell den mittleren Tempobereich verlässt, zu seinen besten Alben und übertrifft sogar seinen „Klassiker“ Echopark (2001).

Im April und Mai nimmt sich Reto Burrell die Zeit, um durch Deutschland und Spanien zu touren. Er macht dabei in unserer Region Station, nämlich in Wesel und Mühlheim an der Ruhr. Den Auftritten kann man freudig entgegensehen, denn besonders die Uptempo-Titel auf „Shampoo Or Gasoline“ sind für die Bühne gemacht.

Anmerkung Red.: Wir werden in den nächsten Tagen nach dem Veröffentlichungstermin in Sounds Of South ein Exemplar in einem Gewinnspiel verlosen.

TOURBOmusic (2018)
Stil: Roots Rock / Americana

01. Rising To The Bait
02. Shampoo Or Gasoline
03. On Top Of The Moon
04. Blind (Everything Is Fine)
05. Where Is Robin Hood?
06. In A Bucket With A Hole
07. Shout It Out
08. Tell Me Why
09. She Says She’s American
10. Carried Away
11. Leaving Scars Behind
12. Like Zombies And Toys

Reto Burrell
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Greywood Records

Ben Rogers – The Bloodred Yonder – CD-Review

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Review: Michael Segets

Das dritte Album von Ben Rogers steht in den Startlöchern. Vor dessen Veröffentlichung geht der Kanadier aber mit seinem Album „The Bloodred Yonder“ auf Tour. Im April und Juni gibt er fast zwanzig Konzerte in Deutschland. Das ist ein guter Grund, sein noch aktuelles Album aus dem Jahr 2015 zu würdigen.

Das Debüt „Lost Stories: Volume I“ (2013) fand begeisterte Aufnahme bei den Kritikern und der Nachfolger „The Bloodred Yonder“ wurde für den Juno Award, ein kanadischer Musikpreis, nominiert. Produziert hat das Album Bens älterer Bruder Matthew Rogers, mit dessen Band The Harpoonist & The Axe Murderer Ben schon einige Male zusammen gearbeitet hat.

Ben Rogers hat sich live schon einige Sporen verdient, so spielte er beispielsweise vor Dwight Yoakam oder Dustin Bentall. „The Bloodred Yonder“ eignet sich nicht nur zur Einstimmung auf die bevorstehende Tour, sondern ist ein hörenswertes Country-Album. Die klasse Stimme sowie das Songwriting von Roberts, der sich an traditionellen Elementen orientiert und diese in eigener Weise verarbeitet, zeichnen es aus.

Der Country-Song „Wild Roses“ entwickelt im oberen Midtempo einen dezenten Twang, der genau das richtige Maß trifft. Rogers tiefe Stimme ist angenehm weich und wird mit der Pedal-Steel von Matt Kelly untermalt. Das anschließende „Wanted“ weckt vom Titel und vom Aufbau des Textes Assoziationen an den Klassiker „Wanted Man“. Eine Bar-Piano-Einlage, ein E-Gitarren-Solo und gelegentliche Kicks in der Stimme bringen Abwechslung in den Track. Beide Stücke erfinden den Country nicht neu, stellen aber sehr gelungene Genrebeiträge dar, die durchaus frisch wirken. Gleiches gilt für „Panhandler“, dem schnellsten Stück auf dem Longplayer.

Danach nimmt Rogers das Tempo mit „Goodbye Rosalie“ und „Sinners“ heraus. Viel Slide erzeugt eine sentimentale Stimmung. Die Balladen werden von Ben Rogers Stimme, die mal samtig, mal rau klingt, vor dem Abgleiten in den Kitsch bewahrt. Nach einem Orgelintro setzt das Schlagzeug ein, das dem Track „River“ deutlich mehr Schwung gibt, als ihn die beiden vorangegangenen Stücke aufweisen. Ein schepperndes Gitarrensolo bildet den krönenden Abschluss des Songs.

Gute Laune versprüht „Don’t Buy Me Roses“, mit dem die CD wieder Tempo aufnimmt. Die Orgel quietscht wie auf einer Kirmes und der Refrain geht direkt ins Ohr. Auf Konzerten lädt die Nummer sicher zum Tanzen ein. Zum Schunkeln und Mitsingen eignet sich das einprägsame „The More I Learn“, bei dem Rogers locker über die üblichen Country-Pfaden rollt. Obwohl die Melodie harmlos und gefällig daherkommt, weist der Text eine gehörige Prise bissigen Humors auf.

Eingängig ist auch „Living Without You“. Eine dunkle Gitarre prägt das Stück, das unaufgeregt ein mittleres Tempo beibehält. In kurzen Passagen ähnelt Rogers´ Intonation der von Bob Dylan, wenn dieser in eine tiefere Stimmlage geht.

Zum Abschluss des Werks setzt Ben Rogers nochmal auf eine Ballade. Anfänglich sehr reduziert begleitet, singt Rogers besonders tief und beinahe sanft. Gegen Ende steigert sich die Instrumentalisierung von „Darling Please“. Insgesamt hätte auf diesem und einigen anderen Titeln die Dominanz der Pedal-Steel- und Slide-Effekte etwas verringert werden können.

Rogers sollte auf seine Stimme vertrauen, die viel Atmosphäre transportiert, und könnte daher zurückhaltender mit dem Wimmern der Instrumente umgehen. Dass dies funktioniert, verdeutlicht die neueste Single „The Highway Of Tears“, die sich vermutlich auf dem kommenden Longplayer finden wird.

Canada FACTOR/Greywood Records (2015)
Stil: Country

01. Wild Roses
02. Wanted
03. Panhandler
04. Goodbye Rosa Lee
05. Sinners
06. River
07. Don’t Buy Me Roses
08. More Than I Learn
09. Living Without You
10. Darling Please

Ben Rogers
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Greywood Records Promotion

Grant-Lee Phillips – Widdershins – CD-Review

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Review: Michael Segets

Seit dreißig Jahren veröffentlicht Bryan G. Phillips regelmäßig Longplayer: zunächst mit seiner Band Shiva Burlesque, dann in den neunziger Jahren mit Grant Lee Buffalo und schließlich ab der Jahrtausendwende als Solokünstler unter dem Namen Grant-Lee Phillips. Sein neuntes Soloprojekt trägt den Titel „Widdershins“. Der mittlerweile in Tennessee lebende Kalifornier bewegt sich mit seiner aktuellen Veröffentlichung im Vergleich zu den vorangegangenen Alben stärker in Richtung Roots Rock.

Phillips überrascht gerne musikalisch und inhaltlich. Eingängige Melodien erhalten Brüche und bissige Texte werden in harmlos klingende Songs verpackt. Die CD kann man zwar auch nebenher hören, dann entgeht einem aber die Aussage der sozialkritischen Songs. „Unruly Mobs“ mit schön dreckiger Gitarre thematisiert beispielsweise die Verführbarkeit der Massen. „Liberation“ stellt fest, dass die Geschichte von den Siegern geschrieben wird. Dabei laden die Trommelwirbel eigentlich zum unreflektierten Mitmarschieren ein. Einen Kontrast zum locker rollenden Rhythmus und dem sanften Gesang bildet die Charakterisierung der miesen Ausbeuterin „Miss Betsy“, die Profit aus Kinderarbeit zieht. Bei dem Song unternimmt Phillips einen Ausflug in den Alternative Country.

Die Tracks bewegen sich insgesamt eher im mittleren Tempobereich. „Scared Stiff“ mit pochendem Schlagzeug sowie abwechslungsreicher Gitarrenarbeit von Phillips, der hier zudem eine starke Vibration in seine Stimme legt, ist der aggressivste Song auf der Scheibe. Auch „Walk In Circles“ und „The Wilderness“ weichen im Tempo nach oben ab. Die beiden gradlinig gespielten Rocktitel sind erdig produziert und gehen direkt ins Ohr. Für den nötigen Druck sorgt die Rhythmus-Section mit Jerry Roe am Schlagzeug und Lex Price am Bass. Zum rauen Charme der Songs hat wahrscheinlich auch der Umstand beigetragen, dass das Album live im Studio eingespielt wurde.

Der wiederholt heraus gepresste Refrain, begleitet von energischen Einschlägen auf das Fell der Drums, bleibt bei „Something´s Gotta Give“ im Gedächtnis. Gelungen ist auch „Great Accelation“ mit dominanter, manchmal leicht verzerrter Gitarre. Bei den anderen Stücken fallen die Backgroundstimmen auf, die den streckenweise betont harmonischen Gesang von Phillips begleiten. Nach Aussage von Phillips wollte er bei „Totally You Gunslinger“ einen Sound zwischen Roy Orbison und The Smith erzeugen. Tendenziell hat sich Roy Orbison durchgesetzt. Auf der gefühlvollen Ballade „History Has Their Number“ funktioniert das gut. Zu schwülstig erscheint mir hingegen „King Of Catastrophes“ und das bemühte „Another, Another, Then Boom“. Die Grenze zwischen Gefühl und Schmalz mag aber jeder selbst ziehen und ist vielleicht auch von der Tagesform des Hörers abhängig.

In der Gesamtschau legt Grant-Lee Phillips mit „Widdershins“ ein Werk vor, das musikalisch abwechslungsreicher als die Vorgängeralben ist. Er zeigt eine rockige Seite, die ihm hervorragend steht, und die einzelnen Anleihen beim Country wirken frisch. Bei den getragen Songs spielt Phillips seine Stärke als Sänger aus, wobei nicht alle Titel überzeugen. Die Texte sind inhaltsschwer und viele historische Bezüge gilt es zu entdecken. Trotz aller Sozialkritik scheinen doch ein bitterer Humor und sogar eine Prise Optimismus durch. Für „Widdershins“ sollte man sich Zeit nehmen und in die Weltsicht von Phillips eintauchen, denn seine Musik ist sicherlich ein guter Weg, mit den Trübnissen der Welt umzugehen.

YEP ROC/H’art (2018)
Stil: Roots Rock/Americana

01. Walk In Circles
02. Unruly Mobs
03. King Of Catastrophes
04. Something´s Gotta Give
05. Scared Stiff
06. Miss Betsy
07. The Wilderness
08. Another, Another, Then Boom
09. Totally You Gunslinger
10. History Has Their Number
11. Great Acceleration
12. Liberation

Grant-Lee Phillips
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H’ART Musik-Vertrieb GmbH

Hardpan – Same – CD-Review

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Review: Stephan Skolarski

In seiner 2016 veröffentlichten Autobiographie „Born To Run“ schrieb die Heatland Rock Legende Bruce Springsteen: Demokratie in einer Band sei eine tickende Zeitbombe. Diese Prognose kann man für Hardpan nicht unbedingt aufstellen. Die vier begnadeten Singer/Songwriter aus den USA haben nach 16 Jahren ihr zweites Studioalbum aufgenommen und zeigen vor allem: Demokratie in einer Band funktioniert! 12 Songs sind auf dem Album zu finden, von jedem Bandmitglied wurden 3 Songs beigesteuert und von dieser Aufgabenteilung lebt das Album!

Beim ersten Listening entstehen sofort Erinnerungen an CSN&Y und der Vergleich mit der „Supergroup“ aus den 60er Jahren ist nicht zu weit hergeholt. Damals hießen die Protagonisten: David Crosby, Stephen Stills, Graham Nash und Neil Young. Jetzt heißen sie: Todd Thibaud, Chris Burroughs, Terry Lee Hale und Joseph Parson. Alle sind auch als Solokünstler bereits seit mehreren Jahrzehnten aktiv und haben ihre Musikerfahrung erneut hervorragend vereinigt.

„Can’t Keep Up“, aus der Feder von Todd Thibaud, ist ein eher mittelmäßiger Opener, mit hervorstechender Akustik-Gitarre und regelmäßigen E-Gitarren Akzenten. Aber mit dem beschwingten zweiten Stück „The Hands That Hold The Reins“ nimmt das Album dann erstklassig an Fahrt auf. „Long Tomorrows“ ist ein starker Strukturbruch, vom Soft Rock geht es hier eher in die Richtung Hank Williams und Country Roots Traditional. Das langsame und von düsterer Stimmung getragene „Dust Bowl“ findet seine Stärke im metaphorischen Songwriting von Joseph Parsons: „We drunk enough to sink this boat, bring me more wine“. Im wunderschönen und erfrischenden „Best I Can“ bringt Thibaud die musikalischen Wurzeln mal kurz auf den Punkt: „Spent a little time in Reno, working the bars and casinos. They like to hear „Folsom Prison Blues“, „King Of The Road“, „Blue Suede Shoes“.

Die Lieder sind minimal instrumentalisiert, kommen ohne wuchtigen Drumbeat aus und zeichnen sich vor allem durch den mehrstimmigen Gesang aus. Das unbeschwerte, von Akustik-Gitarre dominierte „Lighthouse“, spielt in den Lyrics wieder mit wirkungsvollen Landschaftsbildern. Auf „Miracle Cure“ kommt eine vertraute „Heart Of Gold“ Mundharmonika zum Einsatz. Das sparsame aber stimmungsvoll effektive „This Place And Time“ geht über in das 7-Minuten Stück „Dangling“, das seine schönste Stelle hat, als eine kurze Mundharmonikauntermalung beginnt. Damit hätten in einigen anderen Songs auch noch gute Akzente gesetzt werden können. Diese kritische Anmerkung ändert letzten Endes aber nichts am tollen Gesamteindruck des Albums.

Was CSN&Y so einzigartig machte, war der Country-Folk-Rock Sound, begleitet vom begeisternden, mehrstimmigen Gesang, gepaart mit exzellentem Songwriting. Und genau das findet sich auch alles auf diesem Longplayer wieder. Eingängige Lieder und tiefsinnige, auf die Sprache fokussierte Tracks erschaffen hier ein musikalisch abwechslungsreiches und von hoher Qualität geprägtes Album. Wer CSN&Y gut findet, wird dieses Album lieben!

Blue Rose Records (2017)
Stil: Americana, Folk-Rock, Country-Rock

01. Can’t Keep Up
02. The Hand That Holds The Reins
03. Long Tomorrows
04. Dust Bowl
05. Best I Can
06. Lighthouse
07. Bombast
08. Miracle Cure
09. Can’t Have It All
10. One Clear Thought
11. This Place And Time
12. Dangling

Hardpan
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Blue Rose Records

Charlie Parr – 06.02.2018, Kulturrampe, Krefeld – Konzertbericht

Parr-Haupt

‚Pille‘ Peerlings, der Chef der Krefelder Kulturrampe, hat 2018 die neue Konzertreihe „Caesar’s Pallets“ ins Leben gerufen. Im „Bluebird Cafe“ (BBC) werden dienstags akustisch gehaltene Liveauftritte präsentiert, bei denen vor allem Newcomern eine Bühne geboten wird. Nach dem Gastspiel des gut aufgelegten Dortmunders Edy Edwards lud das BBC zum ersten „Special“ mit dem alten Hasen Charlie Parr aus Minnesota ein.

Der im Qualitätsjahrgang 1967 geborene Singer/Songwriter hatte seine neue CD „Dog“ im Gepäck. Eine Auswahl der stärksten Stücke seines sechzehnten Album streute Parr in die beiden Sets des Abends ein. Neben dem eingängigen Titelsong „Dog“ durfte das grandiose „Hobo“ natürlich nicht fehlen. Ebenfalls begeistert vom Publikum aufgenommen wurden „I Ain’t Dead Yet“ und das swingende „Boiling Down Silas“. Den Geist New Orleans atmete die Liveversion von „LowDown“ – trotz der reduzierten Instrumentierung – ebenso deutlich wie auf dem Longplayer.

Parr beeindruckte mit den Klangvariationen, die er seiner akustischen 12-String-Guitar entlockte. Slide-Passagen, so bei „Remember Me If I Forget“, und feines Picking, wie bei „Last Day“ wechselten sich ab oder wurden bei „True Friends“ gekonnt kombiniert. Nicht nur hinsichtlich der Gitarrenarbeit zog Parr alle Register, auch mit den stilistischen Elementen zwischen Folk, Blues und Country zeigte er die Bandbreite seiner älteren Kompositionen.

Er spielte mit einem augenzwinkernden Kommentar zu Bob Dylan „Cheap Wine“, das Blues-getränkte „Too Much Liquor, Not Enough Gasoline“, seinen bislang größten Erfolg „1922 Blues“ und die stampfende Country-Nummer „Rocky Raccoon“. Seine besondere Vorliebe zu Hunden schien erneut bei „Old Dog Blue“ durch.

Neben den Eigenkompositionen unternahm Parr eine Zeitreise durch die Geschichte des Folks mit seinen unterschiedlichen Variationen. So spielte er „My Grandfathers Clock“ und „Ragged And Dirty“, das von William Brown stammt. Die Auswahl der Songs trifft Parr auf seinen Konzerten spontan. Er lässt sich von Stimmungen treiben oder wird getrieben. Wer kann das bei Künstlern schon sagen? Den krönenden Abschluss bildete eine A-Cappella-Zugabe von „Ain’t No Grave Gonna Hold My Body Down“. An Intensität übertraf Parr die bekannte Version von Johnny Cash bei weitem.

Das Publikum im vollen BBC verabschiedete Parr mit tosendem Applaus. Es erlebte einen introvertierten Musiker, dessen Humor in kurzen Anekdoten aufblitzte. In seinen Songs legt er hingegen seelische Abgründe offen. Manche sprachlichen Wendungen bleiben reduzierte Gedankensplitter, die zur Interpretation einladen. In bester Singer/Songwriter-Tradition erzählt Parr Geschichten, denen man gerne zuhört, da sie Situationen und Gefühle aufgreifen, die wohl jeder mal erlebt hat.

Vergänglichkeit und Tod, Freiheit und Einsamkeit sind in seinen Texten gegenwärtig. Aus seinen Lyrics spricht oftmals ein tiefes Mitgefühl für verlorene Seelen und eine rastlose, letztlich unvollendete, Sinnsuche. Charlie Parr stellt sich der Frage, welche Spuren man hinterlässt. Von dem Abend bleibt die Erinnerung an ein intimes Konzert und an die intensive Darbietung eines bescheiden auftretenden Menschen, der großartige Songs schreibt.

Das BBC ist eine tolle Idee und eine bessere Alternative zu einem Abend vor dem Fernseher, der schnell vergessen wird. Dass bei den Caesar’s-Pallets-Konzerten in der Regel auf einen festgesetzten Eintritt verzichtet wird und stattdessen ein Hut rumgeht, ist fair und lädt zu einem spontanen Besuch ein. Für den nächsten Termine im Februar sind das Duo Kassiopeia und Hello Luke angekündigt.

Line-Up:
Charlie Parr (vocals, guitar)

Bilder und Text: Michael Segets

Charlie Parr
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Kulturrampe Krefeld

Samantha Fish – Belle Of The West – CD-Review

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Review: Jörg Schneider

Samantha Fish, die wir erst vor einigen Tagen auch bei einem Konzert in Dortmund genießen konnten, ist wirklich eine beeindruckende, äußerst kreative Musikerin. Innerhalb eines Jahres legt sie nach „Chills & Fever“ mit „Belle Of The West“ nun schon das nächste Album vor. Und beide könnten unterschiedlicher nicht sein! Während sie auf „Chills & Fever‘ noch dem Soul und Rhythm and Blues huldigte, ist ihr neues Werk sehr ‚Americana‘-geprägt, mit Delta Blues-, Country- und Folk-Einflüssen. Dementsprechend stilecht hat sie ihr neues Werk auch in den renommierten Zebra Ranch Studios im Norden von Mississippi unter Mitwirkung von Luther Dickinson (North Mississippi Allstars) als Produzent eingespielt.

Zu hören gibt es insgesamt elf Tracks, von denen drei Songs keine Eigenkompositionen, sondern Coverstücke von R. L. Burnside („Poor Black Mattie“), Little Mae („Nearing Home“) und Jimbo Mathus („Belle Of The West“) sind. Alle Stücke haben ihrer Aussage zufolge einen sehr persönlichen Hintergrund, sie setzen sich in einer Mischung aus akustischen und elektronischen Sounds mit ihrer Herkunft aus dem mittleren Westen auseinander.

Zu allen Sounds liefert Ihre ausdrucksstarke, relaxte Stimme die passenden Emotionen. Die Instrumentierung der Stücke ist, Americana-typisch, mit Akustikgitarre, Violine, Flöte, Drums und teilweise Mundharmonika gestaltet. Bemerkenswert ist der rhythmische Opener „American Dream“, der ohne Umschweife sofort mit einer den Song beherrschenden Basstrommel loslegt. Das folgende „Blood In The Water“ hingegen ist wesentlich entspannter und kommt recht melodiös rüber.

Hervorzuheben ist auch Fishs Interpretation des countrybeeinflussten „Belle Of The West“. Das beste Stück des Albums ist aber zweifellos, zumindest nach dem Geschmack des Rezensenten, das swampig treibende „Poor Black Mattie“ mit Lightnin’ Malcolm. Aber auch die übrigen Songs grooven sehr schön, lediglich „Daughters“ ist etwas schwächer. Aber dies ist sichtlich auch seine Frage der Vorlieben des Hörers.

Insgesamt zeigt die CD die bisher unbekannten Seiten von Samantha Fishs musikalischen Qualitäten. Dabei überzeugt sie auch dank ihrer Fingerfertigkeit an der Akustikgitarre. Sie taucht mit ihrem Album tief in den Mississippi Blues ein und interpretiert ihn auf eine Herz erfrischende Art und Weise.

Line up:
Samantha Fish – Vocals, Guitar
Luther Dickinson – Guitar, Mandoolin
Lightnin’ Malcolm – Guitar, Harmonica, Vocals
Jimbo Mathus – Fender Rhodes, Harmonica, Vocals
Amy LaVere – Upright Bass, Vocals
Lilie Mae – Violin, Vocals
Tikyra Jackson – Drums, Vocals
Sharde Thomas – Fife, Drums, Vocals
Trina Raimey – Drums

Ruf Records (2017)
Stil: Blues/Americana

01. American Dream
02. Blood In The Winter
03. Need You More
04. Cowtown
05. Daughters
06. Don’t Say You Love Me
07. Belle Of The West
08. Poor Black Mattie
09. No Angels
10. Nearing Home
11. Gone For Good

Samantha Fish
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Ruf Records

Scott Miller – Ladies Auxiliary – CD-Review

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Review: Michael Segets

Als Sänger der V-Roys trat Scott Miller das erste Mal in Erscheinung. Steve Earle hatte die Roots-Rocker 1996 auf seinem Label unter Vertrag genommen und mit ihnen gemeinsam die EP „Johnny Too Bad” eingespielt. Nachdem sich die Truppe am Ende des Jahrhunderts nach zwei Studio-Alben und einer Live-Veröffentlichung auflöste, startete Miller eine Solo-Karriere, bis 2007 noch mit seiner Begleitband The Commonwealth. Musikalisch entwickelte er sich vom Roots Rock in Richtung Americana und Alternative Country. Nach vier Jahren Funkstille bringt Miller nun sein zehntes Solo-Projekt „Ladies Auxiliary“ raus. Mit dem Titel verbeugt er sich vor der Produzentin Anne McCue sowie den Musikerinnen, die ihn auf der Platte unterstützen.

Das Werk startet mit dem sanften Liebeslied „Epic Love“. Nach akustischem Anfang und Zwischenpassagen, erzeugt der Einsatz des Basses und später der des Schlagzeugs tolle Spannungsbögen. Nach dem schon sehr gelungen Einstieg legt „The River’s Yours/This Valley’s Mine“ an Intensität noch eine Schippe drauf. Der erdige Sound der akustischen Gitarre in Verbindung mit der wimmernden Geige von Rayna Gellert und Millers ausdrucksstarker Gesang versetzen unmittelbar auf die Rinderfarmen des mittleren Westens.

Dazu passt „Ten Miles Down The Nine Mile Road“, das einen leichten Country-Rhythmus aufnimmt und mit Banjo, dezenter Percussion und weiblicher Begleitstimme untermalt ist. Wenn die genannten Songs bereits viel Gefühl transportieren, bildet „Someday/Sometime“ doch den am tiefsten bewegenden Beitrag auf der CD. Ganz im Americana-Stil gehalten, mit weiblichen Harmoniegesängen im Refrain und wiederum sehr schönen Geigen, verarbeitet der Songwriter den Selbstmord einer Mutter. Der Text ist aus der Sicht des hinterbliebenen Vaters, der zu seinem Kind spricht, verfasst. Wenn harte Männer überhaupt eine Gänsehaut bekommen können, dann bei dem Song.

Zwischen die getragenen Tracks sind zwei leichtere Stücke eingeflochten. „Jackie With An Eye“ swingt dank der Bassläufe von Bryn Davies und das Cover „Mother-In-Law“ scheppert mit Barroom-Piano und lustigem Text über eine eher unappetitliche Schwiegermutter.

Das autobiographisch geprägte „Middle Man“ ist eine Americana-Nummer mit viel Slide, die nicht im Gedächtnis bleibt und damit durch den Titel gut charakterisiert wird. Miller erinnert hier zeitweise an Bob Dylan. Deutlicher wird der Bezug noch bei „Los Siento, Spanishburg, WVa“. Nicht nur die politische Aussage des Songs, sondern auch der schnelle – fast schon gesprochene – textlastige Gesang lässt den Vergleich mit dem Altmeister zu.

Das zweite Cover, die irisch angehauchte Ballade „Body And Soul“, wurde ursprünglich von Bill Monroe gesungen. Mit „Get Along Everybody“ folgt der beschwingte Abschluss, der wiederrum mit einem augenzwinkernden Text versehen ist.

Die Kompositionen sind abwechslungsreich, wobei sich die Arrangements auf die Qualität des Songwriters konzentrieren. Miller zeigt sich auf „Ladies Auxiliary“ textlich auf hohem Niveau. Das Album bietet hervorragende Americana-Balladen und mit „Mother-In-Law“ ein Party-taugliches Trinklied. Daher einen Toast auf Scott Miller und seine Damen!

F.a.Y. Recordings (2017)
Stil: Americana

01. Epic Love
02. This River’s Yours
03. Jacki with An Eye
04. Someday Sometime
05. Mother-In-Law
06. Ten Miles Down the Nine Mile Road
07. Middle Man
08. Lo Siento, Spanishburg, Wva
09. With Body and Soul
10. Get Along, Everybody

Scott Miller
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Lucinda Williams – 26.08.2017, Kantine, Köln – Konzertbilder

Lucinda-Haupt

Die 64-jährige Grand Dame des Country-Folk-Rock mit ihrem 2. Konzert, im Rahmen der beiden Deutschland-Auftritte, in der Kölner Kantine.

Begleitet dieses Jahr von den drei Musikern Stuart Mathis, David Sutton und Butch Norton, alias Buick 6. Die Protagonistin wirkte bei der Performance ein wenig müde und abgekämpft von ihrem Gig, abends zuvor, in der Hamburger Fabrik. Der Sound und die Stimmung waren gut.

Line-up:
Lucinda Williams (lead vocals, guitars)
Stuart Mathis (guitars)
David Sutton (bass)
Butch Norton (drums)

Bilder und Eindrücke: Peter ‚Beppo‘ Szymanski

Lucinda Williams
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Kantine Köln
Peter ‚Beppo‘ Szymanski