Various Artists – Come On Up To The House: Women Sing Waits – CD-Review

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Review: Michael Segets

Pünktlich zum siebzigsten Geburtstag von Tom Waits erscheint mit „Come On Up To The House“ ein Tribute-Album, das seine Songs in ein neues Licht rückt. Ausschließlich Sängerinnen interpretieren Waits Kompositionen, wodurch sie einen gänzlich veränderten Anstrich bekommen. Während die Veröffentlichungen von Waits sicherlich nicht in den musikalischen Kernbereich von SoS fallen, liegt die Hommage an den Altmeister genau auf der Americana- beziehungsweise Alternative Country-Schiene.

Waits‘ markante Stimme drückt seinem Werk einen unverkennbaren Stempel auf und sichert dessen unmittelbaren Wiedererkennungswert. Seine Platten sperren sich gegen einfache Genrezuordnungen und oftmals überrascht er dadurch, dass er unerwartete Register zieht. Damit polarisiert Waits auch: Entweder mag man seine Musik oder nicht. Es gibt kaum ein Dazwischen.

Ich habe ein gespaltenes Verhältnis zur Musik von Waits. Einige Stücke – zum Beispiel das leider nicht auf der Compilation vertretene „In The Neighborhood“ – finde ich ziemlich beeindruckend, andere unheimlich anstrengend.

Als Produzenten für „Come On Up to The House“ fungierte Warren Zanes, der mit der Musik von Tom Waits quasi aufgewachsen ist. In ausführlichen Liner Notes stellt er seinen persönlichen Bezug zu den Klangsphären von Waits dar und gibt Einblicke in die Entstehung des Samplers.

Mit der Vorgabe, dass nur Frauen die Titel singen, ging Zanes auf die Suche nach Interpretinnen. Sehr früh gewann er Aimee Mann („Hold On“) für das Projekt und viele bekannte Damen aus der Country- und Americana-Ecke schlossen sich an. Zanes versuchte zwar, einige schnellere oder experimentellere Songs auf der Scheibe unterzubringen, da er aber den Künstlerinnen freie Hand bei der Auswahl lies, finden sich nun ausschließlich Balladen auf dem Resultat.

Es wundert daher auch nicht, dass neue Versionen von bereits erfolgreich gecoverten Stücken vertreten sind. „Ol‘ 55“ (The Eagles) wird von den Schwestern Shelby Lynne und Alison Moorer, „Jersey Girl“ (Bruce Springsteen) von Corinne Bailey Rae sowie „Downtown Train“ (Rod Stewart) von Courtney Marie Andrews performt. Die Neueinspielungen unterscheiden sich sowohl vom Original als auch von den vorherigen Covern. Mit ihren ruhigen Americana-Tönen fügen sie sich in die Atmosphäre des Tribute-Albums nahtlos ein.

In der Gesamtschau decken die Sängerinnen verschiedene Phasen aus Waits‘ Werk ab. Beispielsweise mit „Tom Taubert’s Blues“ (The Wild Reeds) werden die 1970er, mit „Ruby’s Arms“ (Patty Griffin) die 1980er berücksichtigt. Fünf Stücke des Samplers finden sich auf „Mule Variations“ (1999); darunter der gospelige Titeltrack (Joseph), das bereits erwähnte „Hold On“ (Aimee Mann) sowie „Georgia Lee“ (Phoebe Bridgers), „Take It With Me“ (Angie McMahaon) und „House Where Nobody Lives“ (Iris Dement).

Der jüngste Song „You Can Never Hold Back Spring“ stammt von der „Orphans“-Trilogie (2006) und wird von Kat Edmonson mit einer weit entfernt klingenden Stimme gesungen. Der Titel verlässt am ehesten die Linie des Albums, indem er Assoziationen zu einer Jazz-Bar aus längst vergangenen Tagen weckt.

Die Balladen werden ansonsten von den Damen, die allesamt singen können, in einem sehr ähnlichen Stil dargeboten. Ihre Stimmen stehen im Vordergrund, die Begleitung ist durchweg eher zurückhaltend. Der Longplayer macht einen homogenen Eindruck; wenn ich dennoch einen Favoriten benennen müsste, dann wäre das „Time“ von Rosanne Cash.

Die Kombination von Song und Performance sorgt bei Tom Waits für unnachahmliche Momente. Eine bloßer Imitationsversuch ist daher zum Scheitern verurteilt. Die Harmonien seiner Kompostionen verschwinden allerdings oftmals hinter den Tiefen von Tom Waits‘ kratziger Stimme, daher ist der Einfall konsequent, über Sängerinnen einen Kontrast zu den Originalen zu erzeugen.

Den Interpretinnen auf „Come On UP To The House“ gelingt es, die Songstrukturen für sich wirken zu lassen. Die gefälligen, reduzierten Versionen decken so eine Seite von Tom Waits’ musikalischem Schaffen auf, die bisher leicht aus dem Blick geraten ist.

Dualtone Records-eOne/SPV (2019)
Stil: Americana

Tracks:
01. Come On Up To The House – Joseph
02. Hold On – Aimee Mann
03. Georgia Lee – Phoebe Bridgers
04. Ol’ 55 – Shelby Lynne & Alison Moorer
05. Take It With Me – Angie McMahaon
06. Jersey Girl – Corinne Bailey Rae
07. Ruby’s Arms – Patty Griffin
08. Time – Rosanne Cash
09. You Can Never Hold Back Spring – Kat Edmonson
10. House Where Nobody Lives – Iris Dement
11. Downtown Train – Courtney Marie Andrews
12. Tom Trauvert’s Blues – The Wild Reeds

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