Radney Foster – Another Way To Go – CD-Review

Ich bin immer wieder erstaunt und frage mich oft, wie viele gute Musiker und Songwriter dieses Land Amerika noch aus dem Zylinder zaubert.
Okay, der Name Radney Foster ist nicht gerade neu im Musikbusiness, aber ich kannte ihn bis jetzt nur als Autor von Liedern, die von Interpreten wie z.B. The Kinleys, Dixie Chicks oder Hootie & The Blowfish gecovert wurden.

Seiner Biographie entnehme ich, dass dies die erste Solo-CD seit vier Jahren ist, nachdem er in früheren Tagen auch als Duo mit seinem Partner Bill Lloyd schon einige Achtungserfolge errang. Beim ersten Reinschnuppern fand ich die Scheibe, die man sicherlich nicht als typisch New-Country charakterisieren kann, noch ziemlich unspektakulär. So nach und nach hat sie sich aber immer mehr in mein Herz geschlichen.

Vielleicht ähnlich wie Lee Roy Parnell zuletzt mit „Tell The Truth“, hat Foster zu den traditionellen („Scary Old World“ / „Disappointing You“) und modernen („Real Fine Place To Start“ / „Sure Feels Right“) Countryparts auch Bluesrock- („I Got What You Need“), Americana- („Tired Of Pretending“), Westcoast- („Again“ / „Love Had Something To Say About It“ / „What Are We Doing Here Tonight“) und ein paar leichte Gospelelemente („What It Is That You Do“) miteingebracht.

In ein festes Schema kann man dieses Werk sicherlich nicht fassen. Und so ist der Titelsong „Another Way To Go“ (ein wahres Killerstück) auch eine perfekte Umschreibung des Ganzen. Zitat Radney Foster. ‚Mir wurde mal gesagt, dass man einer bestimmten Formel folgen sollte, um Erfolg zu haben. Aber es ist genau umgekehrt. Die Regeln zu brechen, bringt meistens die kreativste Art von Musik zum Vorschein!‘ In seinem Fall kann ich dies nur bejahen.

Trotz der wechselnden Stile sind die Übergänge beim Erzählen seiner Geschichten fließend und kaum merkbar. Hier passt ein Zahnrädchen ins andere. Die Melodien der einzelnen Stücke sind durchgehend auf hohem Niveau. „Another Way To Go“ ist für mich eine der stärksten CDs des Jahres und Leute, die Lee Roy Parnell, Pat Green, John Hiatt, Trace Adkins, ruhige Bottle Rockets oder Jackson Browne mögen, sollten hier ganz schnell zugreifen.

Sony Music, Dualtone Music Group (2002)
Stil:  Country Rock

01. Real Fine Place To Start
02. Everday Angel
03. Again
04. Sure Feels Right
05. Disappointing You
06. I Got What You Need
07. Tired Of Pretending
08. What It Is That You Do
09. Scary Old World
10. Love Had Something To Say About It
11. What Are We Doing Here Tonight
12. Just Sit Still
13. Another Way To Go

Radney Foster
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Radney Foster / Del Rio Texas: Revisited Unplugged & Lonesome – CD-Review

Zwanzig Jahre nach seinem Solo-Debüt „Del Rio. Texas 1959“ hat Radney Foster auf vielfachen Wunsch seiner Fangemeinde, das Album in einer Unplugged-Version neu eingespielt. Zuvor hatte er als Part des Duos Foster & Lloyd bereits Erfolge erzielt, sich aber 1990 von seinem Partner getrennt (übrigens haben er und Bill Lloyd letztes Jahr auch ein recht schönes Comeback-Werk veröffentlicht).

Radney Foster hat sich seit jener Zeit prächtig entwickelt. Mittlerweile ist er in den Staaten ein hochangesehener Interpret, Songwriter und auch Produzent, der für Qualitätsprodukte garantiert. Viele Kollegen wie z. B. Keith Urban, Dixie Chicks, Sara Evans oder Darius Rucker (Hootie & The Blowfish) wurden durch ihn inspiriert und coverten seine Songs. Hier bei uns in Deutschland ist er aber ein immer noch viel zu wenig beachteter Künstler. Ähnlich wie bei Keith Urban, darf ich mir auf die Fahne schreiben, ihn schon relativ frühzeitig mit seiner CD Another Way To Go mal bei uns vorgestellt zu haben.

Wenn man so ein Projekt bespricht, bietet es sich quasi an, beide Werke zu vergleichen, obwohl dies nach so vielen Jahren hier eher wenig bringt, zumal das eine elektrisch und das andere richtig ‚naturbelassen‘ eingespielt wurde. Fosters Erstling wirkt – kurz zusammengefasst – in der Nachbetrachtung viel mehr retro (teilweise wie im Jukebox-Sound der 60er) und mit einem deutlich höheren Honkytonk-, und Dancehall-Flair behaftet.

Was in jedem Fall aber deutlich erkennbar ist, ist der spürbare Reifeprozess, den Foster im Laufe der Zeit durchlebt hat, und vor allem das Zulegen an Charisma, das durch seine angenehme Stimme heute deutlich offenbart wird. Für die Unplugged-Version hat Radney einen edlen Kreis an Musikern (Marty McGuire, Jon Randall Stewart, Steve Fishell, Brady Black von der Randy Rodgers Band, Michael Ramos, Matt Borer und Glenn Fukunaga) und Backgroundsängern (Dan Baird, Jack Ingram, Marc Broussard) und -sängerinnen (Jessi Alexander, Ashley Arrison, Georgia Middleman) im Kreise versammelt und alles an einem Wochenende ohne jeglichen technischen Firlefanz eingespielt. Sicherlich beneidenswert, wer diese magisch anmutende Arbeit, live im Studio verfolgen durfte.

Die Trackliste wurde zum Debüt variiert, dazu gibt es mit „Me And John R.“ noch einen herrlichen neuen Track, der sich im Gesamtgefüge einordnet, als hätte er immer schon dazugehört. Aus den herbeigeschafften Saiteninstrumenten (Akustikgitarre, Mandoline, Dobro, Weisenborn, Shuitar, Fiddle, Cello, Upright Bass) wird wirklich so alles herausgeholt, was möglich ist. Hier klingt, surrt, zirpt, quietscht und leiert es an allen Ecken und Enden, dass es eine Freude ist. Dazu kommen noch wohlige, grandios unterstützende Wurlitzer-, Akkordeon- und dezente (Pinsel-) Drum- und Percussion-Zutaten.

Steve Fishell, der das Debüt damals produziert hatte, mit seiner filigranen Dobro-Arbeit und die Fiddler McGuire und Black sowie natürlich Foster mit seinem hervorragenden, trockenen, teilweise introvertiert klingenden Gesang hinterlassen dabei, den bleibendsten Eindruck. Auch die süßen Harmonies der o. a. Damen (ihre männlichen viel prominenteren Pendants bleiben dagegen eher unauffällig) bereiten dem Rezensenten süffisanten Genuss. Eine, was diese Musik betrifft, zugetane Arbeitskollegin von mir, war auch direkt nach nur wenigen Klängen vom klaren und reduzierten Sound fasziniert. OT:  „Da kann man ja fast jeden String einzeln hören.“

Insgesamt betrachtet ist Radney Fosters „Del Rio. Texas Revisited Unplugged & Lonesome“ die perfekte Umsetzung einer tollen Idee. Hier macht es Spaß sich zurückzulehnen und relaxt dem Gebotenen zu lauschen und dabei natürlich viel feines musikalisches Fingerspitzengefühl und Können zu entdecken. Teilweise kommt es einem vor, als wenn man mit dabei säße. Ich bin jetzt schon gespannt (falls Radney und meine Wenigkeit es hoffentlich noch erleben sollten…) was dieser sympathische Musiker aus Del Rio sich im Jahre 2032 zu dieser Platte einfallen lassen wird…

Devil’s River Records (2012)
Stil: Country

01. Just Call Me Lonesome
02. Don’t Say Goodbye
03. Easier Said Than Done
04. A Fine Line
05. Me And John R.
06. Nobody Wins
07. Old Silver
08. Louisiana Blue
09. Closing Time
10. Hammer And Nails
11. Went For A Ride

Radney Foster
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Deadstring Brothers – Starving Winter Report – CD-Review

Bisher hat man Detroit eigentlich immer mit dem Geräusch von röhrenden Motoren oder ziemlich lauter Rock-Musik in Verbindung gebracht. Seit 2001 hat sich dort allerdings eine Band formiert, die in der Americana-/Rootsrock-Szene für immer mehr Furore zu sorgen beginnt. Die Deadstring Brothers, bestehend aus Bandlleader und Songschreiber Kurt Marschke (Lead vocals, guitars, dobro & mandolin), E. Travis Harrett (Drums), Philip Skarich (Bass), Ross Westerbur (Piano, organ) und der hervorragenden Background-Sängerin Masha Marjieh (Harmony vocals, Percussion).

So beurteilte das in amerikanischen Szenekreisen hoch angesehene „Paste“- Magazine ihre Debütwerk von 2003 als eine der besten Roots-Rock-CDs des Jahres. Mittlerweile haben sie mit ihrer Nachfolgescheibe „Starving Winter Report“ sogar nochmal ordentlich nachgelegt. Den Deadstring Brothers ist ein kleines Meisterwerk mit zehn wunderbar ineinander greifenden Songs auf einem erstaunlich hohem Niveau gelungen. Nicht nur wegen der Stimmähnlichkeit des Sängers Kurt Marschke zu Mick Jagger wird die Band häufig mit den Rolling Stones zu ihren „Exile On Main Street“-Zeiten verglichen. Das passt schon, doch es ist weit mehr. Wohl niemand zuvor hat die Ruppigkeit der damaligen Stones-Ära mit der Country-Mentalität eines Gram Parsons besser verbunden als die Deadstring Brothers.

Ein wenig Flair von „The Band“ oder gar Ryan Adams runden die Sache ab. Schon der Opener „Sacred Heart“ hat den berühmten, Stones-trächtigen Sound mit unterschwelligem Honkytonk-Feeling, der am besten in Whiskey getränkter Luft und Nikotin verräuchter Atmosphäre genossen werden kann. Tolle Gitarrenriffs, eine klasse melodie, geht die Nummer prima ab! Hat vielleicht entfernt soagr etwas von Dan Baird und seinen Georgia Satellites!

Ganz große Klasse sind auch die beiden einzigen balladesken Stücke des Albums, „Lights Go Out“ (mit typischem Barroom-Flair) und das überragende, emotional kraftvolle „Blindfolded“ mit ganz ausgezeichneten Vokalleistungen von Marschke und den schönen Harmoniegesängen von Mascha Marjieh. Die starken Pedal Steel-Einlagen von Gastmusiker Dale Dorsey vermitteln dabei eine äußerst angenehme Retro Countryrock-/Alternate Country-Note. Ganz überragend, trotz der allseits dominanten (aber keineswegs aufdringlichen) Präsenz des Bandchefs, ist Keyboarder Ross Westerbur (fast schon so etwas wie der heimliche „Star“ des Albums), der mit unnachahmlichen und immer genau passenden Piano- und Orgeleinsätzen (teilweise sogar im Wechsel) dem eh schon erstklassigen Songmaterial das endgültige „gewisse Etwas“ verpasst.

Herrlich sein oft klimperndes Piano! „Toe The Line“ und „Lonely Days“ umgibt wieder ein Hauch von countryrockigem Retro-Flair, „Get Up Jake“ (ein Cover von Robbie Robertson) und „All Over Now“ huldigen in partytauglicher Weise einmal mehr die Stones, „’Til The Bleeding Stops“ hat gar durchaus Southern-lastige Momente. Der einzige etwas aus dem Rahmen fallende, aber ebenfalls traumhaft gelungene Song, ist das großartige „Moonlight Only Knows“, bei dem vollkommen akustisch, mit einem feinen Bluegrass-Flair musiziert wird. Kratzige Akustikgitarre, tolle Percussion-Arbeit, Mandoline, Dobro und eine, wiederum sehr starke, Gastvorstellung von David Mosher an der Fiddle, inklusive eines schönen Solos – Allternate Country-/Americana-Musik vom Feinsten! Das Album ist zudem noch ein echter „Grower“.

Je öfter man es hört, desto besser kommt es einem bei jedem weiteren Male vor – die Musik wächst! Ein absolutes Indiz für die hohe Qualität dieser Mucke! Diese höchst talentierte Gruppe hat sich dank intensiven Tourings in den Staaten, und auch in Europa (England, Niederlande), bereits einen prächtigen Namen in Insiderkreisen erarbeitet. Fest steht, dass „Starving Winter Report“ in positiver Hinsicht dazu beitragen wird, dass sich ihr Bekanntheitsgrad in Zukunft noch erheblich steigern wird. Mit den Deadstring Brothers wächst etwas Großes im Americana-/Rootsrock-/Alternate Countryrock-Bereich heran. Ganz hervorragende Leistung!

Bloodshot Records (2006)
Stil: Roots Rock

01. Sacred Heart
02. Toe the Line
03. Ain’t Grace Amazing
04. Get Up Jake
05. Talkin‘ Born Blues
06. Blindfolded
07. Moonlight Only Knows
08. ‚Til the Bleeding Stops
09. All Over Now
10. Lonely Days

Deadstring Brothers
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Scott Miller & The Commonwealth – Reconstruction – Live – CD-Review

Mill

Ich hatte im April 2006 im Rahmen des mittlerweile außerordentlich renommierten Americana/Roots-Festivals „Blue Highways“ im niederländischen Utrecht das für Europa seltene, dafür aber um so genussvollere Vergnügen, Scott Miller and The Commonwealth einmal live erleben zu dürfen. Dort mussten der Ex-Frontmann der legendären Rootsrock-Formation „The V-Roys“ und seine Truppe als „Opening-Act“ ran und brachten uns und das Publikum mit einem dynamischen und musikalisch über jeden Zweifel erhabenen, prächtigen Set sofort auf die richtige „Betriebstemperatur“. Großartig, dass deren tolle Live-Mucke nun auch auf einem entsprechenden Live-Album der aktuellen „Citation“-Tour festgehalten wurde!

Mitgeschnitten an drei Tagen (7. – 9. Dezember 2006) im Down Home in Johnson City/Tennessee, ist das Werk mit 19 Tracks/gut 67 Minuten Spielzeit (plus einem kurzen Spaß-Intro) randvoll gepackt und liefert einen prima Querschnitt der bisherigen drei Studioalben „Thus Always To Tyrants“ von 2001 („I Made A Mess Of This Town“, „Dear Sarah“ „Goddamn The Sun“, „Is There Any Room To Cross“), „Upside Downside“ von 2003 („Amtrak Cresent“, „Angels Dwell“, „It Didn’t Take Too Long“, „For Jack Tymon“) und dem bereits erwähnten „Citation“ von 2006: Letztgenanntes ist natürlich auf diesem Silberling schwerpunktmäßig vertreten mit tollen Live-Fassungen von „Jody“, „Eight Miles Per Gallon“, „Only Everthing“, „Freedom’s A Stranger“, „Still People Are Moving“, „On A Roll“ und „Wild Things“!

Mit „Spike“ (Tom Petty) und „Hawks And Doves“ (Neil Young ) gibt es dazu zwei klasse Coverversionen, wobei der Young-Klassiker auch bereits auf „Citation“ vertreten war, hier jetzt allerdings noch etwas rauer und authentischer. Man meint fast, Miller hätte sich für den Song Crazy Horse als Backing-Band ausgeliehen. Überhaupt bieten die Jungs eine herrlich raue, erdige, trockene, rootsige und unbeschwerte Performance voller Spielfreude und Energie in einer spürbar unbeschwerten, recht intimen Club-Atmosphäre. Staubiger Rootsrock, großartiger Alternate Country-Twang und knackiger Americana-Rock – kurzweilig, abwechslungsreich, kompetent! Miller’s Truppe Commonwealth, bestehend aus Shawn McWilliams (Drums), Eric Fritsch (Keyboards, Guitar) und Jeremy Pennebaker (Bass), wie auch der Bandchef persönlich, zeigen sich in blendender Verfassung.

Scott, auch gesangstechnisch sehr überzeugend, mit seinem vorzüglichen E-Gitarren-Spiel und die beeindruckende Rhythmusfraktion in seinem Rücken wirken, vor allem auch bei den vielen Tempovariationen innerhalb der Songs, überaus eingespielt. Trotz Millers unbestrittenem, eigenständigem Stil schimmern immer wieder vermeintliche Einflussquellen durch, die von Neil Young, Chris Knight, Ryan Adams, John Mellencamp, Bruce Springsteen und Steve Earle bis hin zu Dan Baird oder den Bottle Rockets reichen.

Besonders erwähnenswert in einem sich auf durchgehend hohem Niveau bewegenden Programm sind beispielsweise flotte und satt rockende Sachen wie „It Didn’t Take Too Long“, ein fulminanter Roadhouse Rocker in bester Chuck Berry-/Dan Baird-Manier und das Slide-wütige „Eight Miles Per Gallon“, aber auch countryorientiertere, entspanntere Songs wie das lockere, staubige „Angels Dwell“ (schöne Akustikgitarrenarbeit), „Arianne“ (klasse Harmonies, einfühlsames E-Gitarren-Solo), das semi-akustische „On A Roll“ (schön trocken, wieder tolles E-Gitarren-Solo) und das rhythmische, knackige, rootsige „For Jack Tymon“ mit seinen tollen E-Breaks. Und wenn dann mit „Drunk All Around This Town“ und „Is There Room On The Cross?“ die Menge zum feuchtfröhlichem Mitgrölen animiert wird, und dies auch mit Freude und tosendem Beifall tut, dürfte auch dem Letzten klar werden, dass die Leute in Johnson City mit Scott Miller & The Commonwealth eine prächtige, drei Tage währende Roots-/Alternate Country-/Americana-Fete feierten. Feiern wir mit! Einfach klasse, diese Burschen!

Sugar Hill Records (2007)
Stil: Country Rock

01. I Made A Mess of This Town
02. Amtrak Cresent
03. Angels Dwell
04. Jody
05. Eight Miles Per Gallon
06. Arianne
07. It Didn’t Take Too Long
08. Only Everything
09. Dear Sarah
10. Freedom’s A Stranger
11. Still People Are Moving
12. On A Roll
13. Wild Things
14. Intro
15. For Jack Tymon
16. Drunk All Around This Town
17. Spike
18. Hawks And Doves
19. Goddamn The Sun
20. Is There Room On The Cross?

Scott Miller & The Commonwealth
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Richard Murray – Desert Wind – CD-Review

Richard Murray, ein in Nordirland geborener, in London lebender Singer/Songwriter liefert mit „Desert Wind“ ein amerikanisch anmutendes Album ab, wie es amerikanischer eigentlich nicht sein kann. Murray, so ist es den spärlichen Informationen über ihn zu entnehmen, war bisher für diverseste Bands vornehmlich als Session-Musiker tätig, hat aber auch kompositorische wie auch produktionstechnische Erfahrungen gesammelt.

„Desert Wind“ ist sein erstes Soloprojekt, wobei naturgemäß Kompositionen, Produktion und das Spielen diverser Instrumente auf das eigene Konto gehen, ergänzt um einen relativ klein gehalten Teil von ihn unterstützenden Musikern. Die CD ist mit 13 Songs und einer Spielzeit von knapp siebzig Minuten recht umfangreich bestückt worden.

Geboten bekommt man einen sehr angenehmen Mix aus Country, manchmal mit dezentem Bluegrass-Touch und leichtem Tex-Mex-Flair, recht sparsam instrumentiert vorgetragenen (meist mit Akustikgitarre unterlegt), leicht rootsigen Singer/Songwriter-Stoff, zum Teil mit Storyteller-Ambition, aber auch ein paar unvermutet eingestreute, rockigere Songs, die aber allesamt mit recht schönen Melodien versehen sind. Hal Ketchum und Del Amitri sind im Groben die Orientierungs-Eckpfeiler, zwischen denen sich das Ganze im weitesten Sinne abspielt.

Murray weiß vor allem mit seiner unerhört angenehm ins Ohr fließenden (sehr amerikanisch klingenden) Stimme zu punkten (erinnert mich an die von John Kilzer), spielt aber auch vorzüglich Akustik- und E-Gitarre, sowie Mandoline. Ab und zu verliert sich noch eine Mundharmonika im einen oder anderen Lied, hervorragend aber auch die immer wieder dezent eingesetzten und gut passenden weiblichen Harmoniegesänge einer Dame namens Mandie Barnett.
Meine Favoriten auf einem durchgängig entspannt anzuhörenden Album sind das countryeske „Forgive Me Sera“ (mit Steel-Gitarre und Mandoline, leichtes Tex-Mex-Flair), das flockig instrumentierte „I’ll Never Learn“ (sogar fast ein wenig Mainstream-Country, E-Gitarren-, Orgelfills, Steel, sehr eingängig), das mit einem an Bruce Hornsby erinnernden, unterlegten Piano und einer langen E-Passage verzierten „Burning Silver“, das ebenfalls recht melodische „Midnight Oil“ (flottes Akustikgitarrenspiel, E-Fills, schönes Harmonika-Solo, Stimmungswechsel) und das rockige „Valley Of The Unforgiven“ (klasse E-Solo).

Und kurz vor Ende schüttelt Richard dann noch mit „DTs Roadhouse Shake“ einen furiosen, rhythmischen Countryrocker mit einer quäkigen Harmonika und klimperndem HT-Piano aus dem Ärmel, den selbst ein Dan Baird nicht hätte besser spielen können. Alles in allem hat der für mich bis dato völlig unbekannte Richard Murray mit „Desert Wind“ sehr positiv überrascht. Die CD-Gestaltung (inkl. Titelbild) wurde passend zum Titel in recht blassen, erdigen Gelb-, Grau- und Schwarztönen gehalten und beinhaltet alle Texte. Richard Murray ist zweifelsfrei der amerikanischste Nordire, der mir musikalisch bisher begegnet ist. Aus meiner Sicht ein sehr empfehlenswerter Musiker.

Eigenproduktion (2008)
Stil: Singer/Songwriter

01. Forgive Me Sera
02. Enlighten Me
03. Thinking Of Christina
04. Blueberry Wine
05. Down In This Town
06. 1931
07. I’ll Never Learn
08. Burning Silver
09. Midnight Oil
10. Wandering Infidel
11. Valley Of The Unforgiven
12. DTs Roadhouse Shake
13. The Wind And Rain

Richard Murray
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Hemifrån

Wilco – Ashes Of American Flags – DVD-Review

Manchmal ist es als Online-Redakteur gut, seinen Intuitionen Folge zu leisten. So bei der Kult umwobenen Chicagoer Band Wilco, über die ich zwar schon viel gelesen habe (im Feuilleton der von mir abonnierten Tageszeitung werden oft Scheiben von ihnen und aus ihrem musikalischen Dunstkreis besprochen), an die ich mich trotz interessanter Kritiken aber nie so richtig herangetraut habe. Ihr Hang zu Klangexperimenten hatte mich immer davon abgeschreckt. Mittlerweile habe ich aber schon des öfteren mal Sachen aus dem Indie-, Roots- und Alternative Country-Bereich im Player liegen, so dass sich die Hemmschwelle deutlich verringert hat.

Jetzt erschien mir die Zeit reif zu sein, mich an ein Review heranzuwagen, als sich ihre neue DVD „Ashes Of American Flags“ in unserem Angebotstool befand. Ohne es wirklich zu wissen, hatte ich (eigentlich als Vertreter harmonischer Klänge) es ins Kalkül gezogen, dass sie gerade bei einer Live-Präsentation, den Geschrammel-Anteil vermutlich nicht allzu intensiv in den Vordergrund stellen würden. Damit sollte ich im Großen und Ganzen recht behalten.

Die DVD wurde an fünf verschiedenen Locations in fünf verschiedenen Staaten (Cain’s Ballroom, Tulsa, OK – Tiptina’s, New Orleans, LA – Mobile Civic Center, Mobile, AL – Ryman Auditorium, Nashville, TN – 9. 30 Club, Washington,DC) gefilmt. Veröffentlicht wurde sie in den Staaten am so genannten Music Store Day (18. April), der den vielen kleinen Plattenläden im Lande zu größerer öffentlicher Aufmerksamkeit verhelfen soll. Gerade Wilco-Frontmann Jeff Tweedy engagiert sich hier sehr stark, der (wie wir wohl alle) diese Läden quasi als Anlaufpunkt und Antriebsfeder für sich sah, sich mit Musik zu beschäftigen, bzw. auch aktiv zu betreiben.

Apropos Jeff Tweedy. Er steht ganz klar, trotz seiner hervorragend instrumentell agierenden Mitstreiter (vor allem der sich mit seiner eigenwilligen Schlagtechnik voll verausgebende Drummer Glenn Kotche, der unkonventionell spielende Lead-Gitarrist Nels Cline, Tweedy-Langzeit-Kumpel John Stirratt, Mikael Jorgensen und der vielseitige Pat Sansone), im Mittelpunkt dieser Dokumentation. Er wirkt in seiner juvenilen, dezent introvertiert wirkenden Charismatik schon jetzt wie eine geistesverwandte Mischung aus Johnny Cash, Van Morrison und Bob Dylan. Er besitzt neben seinen außergewöhnlichen Songwriterqualitäten eine in den Bann ziehende Stimme und Gestik. Dazu spielt er auch hervorragend Gitarre.

Das ausgewählte Songmaterial bietet schwerpunktmäßig einen Querschnitt ihrer letzten Alben „Sky Blue Sky“, „A Ghost Is Born“ und dem damals gefeierten „Yankee Hotel Foxtrot“ (Wilco kauften dem Label aufgrund strategischer Differenzen die Rechte für dieses Werk ab, um es dann mit großen Erfolg nach eigenen musikalischen Vorstellungen zu veröffentlichen). Die Musik ist über weite Phasen sehr eingängig und angenehm präsentiert (z.B. das soulige „Impossible Germany“ oder das beim Proben gefilmte, balladeske „Wishful Thinking“). Lediglich Clines manchmal kreischend gespielte Solopassagen (u.a. bei „Handshake Drugs“) und einige Synthie-unterstützte, psychedelisch anmutende Momente („Side With Seeds“, „Via Chicago“) unterbrechen die vorwiegend im Vordergrund stehende musikalische Harmonie (in einem zeitlich aber vertretbaren Rahmen).

Komischerweise gefällt mir der Extrateil sogar noch besser als der Hauptpart, weil hier die Countrynote doch ein wenig deutlicher in den Vordergrund gerückt wird. Bei „I’m The Man Who Loves You“ darf man sich an einem Honky Tonk-Piano erfreuen, beim Steel-untermalten „It’s Just That Simple“ erhält Basser John Stirratt Gelegenheit, seine gesanglichen Qualitäten und auch sein Akustikgitarrenspiel unter Beweis zu stellen (Tweedy bedient dafür im Gegenzug den viersaitigen Tieftoner). Auch Bläsereinsätze (wie bei „The Late Greats“ und „Hate It Here“) sind durchaus mit Wilco-Stücken wunderbar in Einklang zu bringen (passender Weise in New Orleans mit eingebracht).

Fazit:  Das von Brendan Canty und Christoph Green gefilmte Wilco-Dokument „Ashes Of American Flags“ macht beim Anschauen (u.a. auch noch mit atmosphärischen Landschafts- und Städteimpressionen, sowie einigen Statements und Backstage-Aufnahmen der Musiker aufgepeppt) und vor allem beim Zuhören großen Spaß. Nicht nur der brillante Klang weiß zu überzeugen, auch die Songauswahl und ihre interessante musikalische Umsetzung begeistert. Im Gegensatz zu vielen anderen Acts kann der Rezensent (auch Tweedys Ausstrahlung sei Dank) den Kultstatus von Wilco mittlerweile gut nachvollziehen. Ein wirklich beeindruckender Konzertfilm über eine extravagante Band! Klasse!

Nonesuch Records (2009)
Stil: Rock / Alternative Country

01. Ashes Of American Flags
02. Side With The Seeds
03. Handshake Drugs
04. The Late Greats
05. Kingpin
06. Wishful Thinking
07. Impossible Germany
08. Via Chicago
09. Shot In The Arm
10. Monday
11. You Are My Face
12. Heavy Metal Drummer
13. War On War

Extras.
14. I’m The Man Who Loves You
15. Airline To Heaven
16. It’s Just That Simple
17. At Least That’s What You Said
18. I Am Trying To Break Your Heart
19. Theologians
20. Hate It Here

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Nonesuch Records
Warner Music Group Germany

Sister Speak – Rise Up For Love – CD-Review

sis

Zwei Kanadierinnen versuchen ihr musikalisches Glück im amerikanischen San Diego! In einem für mich, reviewtechnisch gesehen, recht überschaubaren Jahr bisher, stellen Sister Speak mit ihrem Debütwerk „Rise Up For Love“ bisher eine der ganz positiven Überraschungen dar.
Das Grundgerüst der Band bilden die aus British Columbia stammende Sängerin und Songwriterin Sherri Anne (lead vocals, acoustic guitar) und ihre Landsmännin Lisa Viegas (drums, percussion). Diese beiden talentierten Damen haben letztendlich intensiv in der musikalischen Szene von San Diego gewirkt, sich umgeschaut und sind mit Tolan Shaw (guitars, vocals), Jacob ‚Cubby‘ Miranda (bass) und Leo Dombecki (keys) als Mitstreiter für ihr Sister Speak-Projekt fündig geworden.

Mit Produzent Alan Sanderson (Fiona Apple, Rolling Stones) und Mastering-Experte Brian Lucey (Black Keys, Arctic Monkeys) hat man zudem zwei Leute gefunden, die für ein tolles Klangerlebnis im Hintergund verantwortlich zeichnen. Star auf diesem Album ist eindeutig die Charisma versprühende Stimme von Frontfrau Sherri Anne, die nicht nur sämtliche Tracks komponiert hat, sondern auch ein filigranes Können an der Akustikgitarre offenbart. Eine Art Americana-Stevie Nicks, die ihren Songs eigentlich durchgehend den Stempel aufdrückt, ohne dabei aber komischerweise absolut dominant zu wirken. Sicherlich ein Resultat der wunderbar transparent und klar herausgearbeiteten Instrumente, auf der sie ihr eigenwilliges vokales Repertoire und Saitenspiel betten kann.

Die Songs bewegen sich allesamt in Roots-, Folk-, Country-Ambiente vermischt mit dezenten Pop/Rock-Zutaten, sodass der Überbegriff Americana wohl am passendsten erscheint. Vom radiotauglichen Opener „Chicago Dream“ (Sherri Anne hat in dieser Stadt auch fünf Jahre ihres Lebens verbracht) bis zum abschließenden, lässig groovenden „Honestly“ darf man sich zum, in unterschiedlichen Stimmungslagen (von melancholisch bis forsch-fröhlich) konzipierten, Treiben der Musiker entspannt dazugesellen. Lucinda Williams, Madison Violet oder Sundy Best sind Interpreten, die mir spontan aus meiner Sammlung als etwaige Referenzgrößen einfallen.

Das Grundgerüst bildet fast ausnahmslos Sherri Annes Gesang im Kombination mit ihrem markanten Akustikgitarrenspiel. Lisa Viegas entweder mit klassischen Drums oder nur der Cajon und Jacob ‚Cubby‘ Miranda mit seinem pumpenden Bass bilden das rhythmische Fundament, in das Tolan Shaw seine klug angelegten E-Fills (z. T. auch kurze Slidetupfer) eingestreut und Leo Dombecki mit tollen Keyboardvariationen (E-Piano, schöne B3-Klänge) zu überzeugen weiß.

Ein enger Rahmen von Gastmusikern (Meir Shitrit, Pedro Talerico, Angela Cutrone und Adrian Salas) sorgt mit zusätzlichen Saiten-, Percussion- und Harmoniegesangseinlagen (z. B. bei „Lady Luck“) für zusätzliche Belelebung. Meine Favoriten sind das von leichter Melancholie umwehte „Goodbye My Lover“ (klasse erneut die Piano- und B3-Arbeit von Dombecki), das mit herrlich klarem und pfiffigem Akustikgitarrenspiel ummantelte Titelstück „Rise Up For Love“ und der mit einer bluesig infizierten E-Gitarre groovende „Mountain Song“.

Einziger kleiner Kritikpunkt. Zwei Stücke mehr hätten es allerdings aufgrund der Kürze des Albums (nur knappe 34 Minuten) noch gerne sein dürfen.
Fazit: Ein tolles Debüt eines starken und musikalisch höchstversierten Quintetts, das mit Frontfrau Sherri Anne einen echten Rohdiamanten sein Eigen nennen darf. Sicherlich ein Geheimtipp des Jahres 2014. Reichhaltige Hörproben gibt es auf der Homepage der Band zu begutachten. Also liebe Leser, ran an den Speck, ähm, an Sister Speak!

Eigenproduktion (2014)
Stil: Americana

01. Chicago Dream
02. Goodbye My Lover
03. Lady Love
04. Mirror I
05. Mirror II
06. Rise Up For Love
07. Mountain Song
08. Comin‘ Back
09. Say You Will
10. Honestly

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Hemifran

Amy Speace – The Killer In Me – CD-Review

„The Killer In Me“ ist das vierte Album der in Baltimore, MD geborenen Musikerin (Nummer zwei siehe hier). Amy Speaces künstlerischer Weg begann zunächst in Form eines Schauspielstudiums. Als sie sich aber das Gitarrespielen selbst beigebracht hatte, führte der Weg nach New York und ebnete ihr den Zugang in die dortige Clubszene. Auch in New Jersey erfreute sie sich großer Beliebtheit. Während des Pendelns zwischen diesen zwei Staaten lernte sie die Musiker (James Maestro, Jagoda, Rich Feridum, Matt Lindsay) kennen, die sie fortan als Band (The Tearjerks) begleiteten und auch bei ihrem aktuellen „The Killer In Me“ tatkräftig unterstützten.

Produziert hat das 13 Stücke umfassende Werk (darunter ein Hidden-Track, „Weight Of The World“) Gitarrist James Maestro. Amy Speace hat ganz in der Manier einer Singer/Songwriterin sämtliche Stücke selbst geschrieben und bei insgesamt nur dreien diverse Co-Autoren mitwirken lassen. Als kleines Bonbon gibt sich Rock-Legende Ian Hunter die Ehre, zweimal ganz gut heraus hörbare Harmony-Vocals beizusteuern (bei „The Killer In Me“, „I Met My Love“).

Auch wenn ich noch nie in New York gewesen bin (und mich auch dort nichts hinziehen würde), bringen die mit sehr intelligenten Texten ausgestatteten Songs von Amy (im eingesteckten Booklet des Digipacks abgedruckt) die klischeehaften Attribute, die ich mit dieser Stadt assoziiere (Anonymität, soziale Kälte, Beton) atmosphärisch recht gut rüber, obwohl sich die instrumentelle Umsetzung eher in südlich-ländlichen Sphären zwischen (Alternate-) Country und (bluesigem) Roots-Rock ansiedelt. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Steve Earle große Sympathien für Mrs. Speace hegen würde, der ja mit einer Allison Moorer verheiratet ist, die mir neben Lucinda Williams, Melissa Etheridge (dezent) und der vor einiger Zeit von mir reviewten Kristin Mooney spontan als Bezugsinterpretinnen einfällt. Schöne Musik für eine dunkle Club-Kaschemme.

„The Killer In Me“ von Amy Speace ist kein Album, dass man sich mal eben so nebenbei beim Kaffeeklatsch reinziehen kann. Der von mir im Absatz zuvor geschilderte Widerspruch von Atmosphäre und Musikstil wird von der Künstlerin brillant gelöst. Hier heißt es, es sich auf der Couch gemütlich zu machen, den Silberling im Player anzuschmeißen, sich das Booklet zu schnappen, den guten Texten (Wörterbuch zur Hand nehmen, falls die Englisch-Kenntnisse es erfordern), der rauchig introvertierten Stimme und den instrumentellen Feinheiten der Musiker Folge zu leisten und das Gesamtwerk auf sich wirken zu lassen. Empfehlenswerter und anspruchsvoller Stoff!

Wildflower Records (2009)
Stil: Americana

01. Dog Days
02. The Killer In Me
03. Better
04. Blue Horizon
05. This Love
06. Haven’t Learned A Thing
07. Storm Warning
08. Something More Than Rain
09. Would I Lie
10. Dirty Little Secret
11. I Met My Love
12. Piece By Piece

Amy Speace
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Hemifran

Billy Bob Thornton – Private Radio – CD-Review

Thornton

Der Typ sieht wie einer aus, dem man nicht im Dunkeln begegnen, geschweige denn zum Feind haben möchte. Und doch zählt der in Hot Springs, Arkansas geborene 46-jährige Billy Bob Thornton, nicht nur durch die Heirat mit Lara-Croft-Darstellerin Angelina Jolie, zu den schillernden Lichtgestalten des aktuellen Showbusiness. Vier Scheidungen, jede Menge Tätowierungen, Blutschwur und extravagantes Auftreten; ein gefundenes Fressen für die Boulevardmedien der heutigen Tage.

Zwei aktuelle Filme, ‚The Man, Who Wasn’t There‘, eine Homage an die Filme der 40er Jahre, in dem er einen wortkargen Barbier spielt, der letztendlich auf dem elektrischen Stuhl landet, und die Krimi-Liebeskomödie ‚Banditen‘, in der er mit Bruce Willis um die Gunst von Cole Blanchett buhlt, dienen als Beleg dafür, dass der Mann in der momentanen Szene angesagt ist.

Zu den Wurzel zu Beginn seiner Künstlerkarriere zurückkehrend – Thornton startete als Sänger und Schlagzeuger – veröffentlichte Billy Bob jetzt, zu einem nicht ganz unpassenden Augenblick, unter dem US-Label Lost Highway Records, hier vertrieben durch die Firma UMIS, seine erste CD „Private Radio“.
Und der Typ scheint es wirklich nicht nur schauspielerisch drauf zu haben. Er bietet zwölf unaufdringliche Songs, die schwerpunktmäßig durch seine angenehm raue Stimme und gitarrenmäßig durch Freund und Produzent Marty Stuart ihren Stempelaufdruck erhalten.

Teils im Erzählstil eines Johnny Cash („Dark And Mad“, „Forever“, „Beauty At The Backdoor“), oder leicht Tom Petty-beeinflusst („Walk Of Shame“, „He Was A Friend Of Mine“), mal als Ballade mit persönlichem Bezug („Angelina“, „Your Blue Shadow“), einmal im Duett mit Holy Lamar („Starlight Lounge“) dargeboten, ergänzt durch ein paar traditionelle Rock’n’Roll-, Blues- und Hillbilly-Elemente („Smoking In Bed“, „That Mountain“, „Lost Highway“) zeugt davon, dass Mr. Thornton auch im musikalischen Bereich auf Flexibilität steht.

Die Scheibe wird sicher nicht unbedingt zu einem großen Favoriten in meiner Sammlung avancieren, aber man kann sie als insgesamt recht ordentlich bezeichnen. Der „Bad Boy“ hat sich einen Herzenswunsch erfüllt, die Sache scheint ihm großen Spaß bereitet zu haben, das nötige Kleingeld ist ohnehin dafür vorhanden und das Ergebnis liegt im grünen Bereich. Warum also eigentlich nicht?

Universal Records (2001)
Stil: Country & More

01. Dark And Mad
02. Forever
03. Angelina
04. Starlight Lounge
05. Walk Of Shame
06. Smoking In Bed
07. Your Blue Shadow
08. That Mountain
09. He Was A Friend Of Mine
10. Private Radio
11. Beauty At The Backdoor
12. Lost Highway

Billy Bob Thornton
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Wrinkle Neck Mules – Apprentice To Ghosts – CD-Review

Wrinkle

Wow, was für ein Kracher! Die neue Scheibe „Apprentice To Ghosts“ von den Wrinkle Neck Mules stellt wirklich all das bisher Geleistete deutlich in den Schatten und dürfte auch im Americana-/Roots Rock-Sektor 2012 generell für Furore sorgen.

Ich besitze aus dem früheren Fundus der Band aus Richmond, Virginia, bisher zwei Werke („Pull The Brake“ und „The Wicks Have Met“), die mir gefallen, mich aber nicht sonderlich tangiert haben. Zwar ist auch hier immer das Potential der Musiker zu erkennen gewesen, aber die Songs waren mir oft doch zu sperrig, staubig und nicht eingängig genug, da ich letztendlich doch eher ein Vertreter harmonischerer Töne bin.

Das hat sich mit „Apprentice To Ghosts“ jedoch grundlegend geändert. Die Band zaubert wie am Schnürchen starke Refrains/Hooklines mit hohem Wiedererkennungswert aus dem Köcher, ohne dabei auch nur im Ansatz mit irgendwelchen kommerziellen Hintergedanken zu kokettieren. Ganz im Gegenteil, die Songs besitzen nach wie vor ihre Ecken und Kanten, packen aber selbst melodieverwöhnte Leute wie mich bei der Seele.

Hinzu kommt, dass die Produktion (wieder unter Mithilfe von Chris Kress) der live im Studio eingespielten Tracks (!), die dazu ohne allzu großen nachträglichen technischen Firlefanz auskommt (kaum Overdubs), erheblich knackiger ausgefallen ist. Ein weiterer Aspekt ist die deutlichere Dominanz der E-Gitarre (auch zahlreiche Soli), die vielen Tracks eine rockigere Note verleiht. Aber auch mit Pedal Steel, Banjo und Mandoline werden wieder genügend genre-typische Akzente eingeflochten.

Selbst wenn die Lead Vocals teilweise freudig hin- und hergereicht werden (die tollen Harmoniegesänge sind natürlich ebenso vertreten), setzt sich hier Andy Stepanian mit seinem kauzigen Organ doch ein wenig von den Kollegen (Mason Brent – lustig. Der WMN-Saitenvirtuose heißt genau anders herum wie Brent Mason, einer meiner Lieblingsgitarristen der Nashville-Studiomusiker-Zunft; dazu kommen noch Brian Gregory, Stuart Gunter, Chase Heard) ab, die sich dafür aber auf der instrumentellen Seite umso mehr ins Zeug legen.

Irgendwelche Stücke hier herauszuheben oder die Lieder umfangreich zu beschreiben, bringt meiner Ansicht nach wenig, das Niveau ist durchgehend stark, die Scheibe kurzweilig und abwechslungsreich.. Ich möchte hier bewusst auch nicht die Spannung vorwegnehmen.

Blue Rose (zum dritten Mal hintereinander Label der WNM) hat hier einen ganz dicken Fisch an der Angel. Kaufen, genießen und sich überraschen lassen! Vertrauen Sie mir! „Apprentice To Ghosts“ der Wrinkle Neck Mules ist Americana/Roots Rock der ganz gehobenen Extraklasse geworden. Alle Texte sind in einem 16-seitigen Booklet mit beigefügt. Bestnote und ein glasklarer Tipp!

Blue Rose Records (2012)
Stil: Americana / Roots Rock

01. When The Wheels Touch Down
02. Stone Above Your Head
03. On Wounded Knee
04. Apprentice To Ghosts
05. Patience In The Shadows
06. Double Blade
07. Parting Of The Clouds
08. Leaving Chattanooga
09. Liberty Bell
10. Banks Of The James
11. Central Daylight Time
12. Dry Your Eyes

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