Lori McKenna – 1988 – CD-Review

Nachdem Lori McKenna auf ihrem letzten Album „The Balladeer“ eher die typische Singer-/Songwriter-Klientel bedient hatte, nimmt sie drei Jahre später mit ihrem neuen Werk „1988“ wieder mehr Kurs in Americana-/roots-rockigere Gefilde. Das Album hat sie nach dem Jahr benannt, in dem sie mit ihrem Mann Gene das Ehebündnis geschlossen hat. Beide sind heute noch verheiratet und haben fünf Kinder.

Ja, beim Titel „1988“ denkt man natürlich automatisch daran, wie das Jahr damals persönlich für einen selbst gelaufen ist und ich muss schon etwas innerlich recherchieren, bis man es wieder halbwegs einordnen kann. 5 Jahre nach meinem Abitur im Jahr 1983, trafen wir uns alle erstmalig wieder zu einer gemeinsamen Feier (ich fristete zu dieser Zeit  noch dem Junggesellendasein), eine Tradition die wir von da an alle 5 Jahre bis zum heuteigen Tag fortführen, im kommenden November sind es dann 40 Jahre, unfassbar…

Sportlich hatte ich mit zwei erfolgreichen Tischtennis-Bundesliga-Saisons (83/84 und 86/87) bereits den Zenit meiner Karriere überschritten, auch wenn es mir drei Jahre später 1990 noch gelang, in der 2. Bundesliga eine komplette ungeschlagene Halbserie mit 17 siegreichen Spielen in Folge hinzulegen, was von keinem Spieler mehr in den zehn folgenden Jahren bis zu meinem Ausscheiden aus dem höherklassigen Ballsport wiederholt werden konnte.

Beruflich befand ich mich nach Wehrdienst in der Sportfördergruppe in Köln, Ausbildung zum Industriekaufmann in Paderborn noch in der Findungsphase, bis ich 1991 dann im Medienbusiness gelandet bin, dem ich bis zum heutigen Tage noch verbandelt bin.

Musikalisch fördert meine LP-/CD-Sammlung nicht viel  im Jahr 1988 Herausragendes zu Tage, der Southern Rock wurde mit dem Einzug von Synthesizer-Klängen zum Teil übel kommerzialisiert (u. a. 38 Special „Rock’N’Roll Stragedy“,  Outlaws „Soldiers Of Fortune“), so würde ich hier das Debüt von Melissa Etheridge, „Long Cold Winter“ von Cinderella und die wohl eher unbekanntere Scheibe „Memory In The Making“ von einem John Kilzer als Highlights in der Retrospektive hervorheben.

2005 hatte ich dann mal das Vergnügen, die Grammy-dekorierte Protagonistin beim Blue Highways Festival (u. a. mit Interpreten wie Bernie Leadon, Jim Lauderdale, Son Volt, Kelly Willis und Chuck Prophet) im kleinen Saal der Vredenburg in Utrecht live erleben zu dürfen.

Schon damals konnte man ihr Potential als brillante Songwriterin erahnen, was nicht zuletzt durch unzählige Credits für Stars der New Country-Szene wie u. a. Faith Hill, Sara Evans, Tim McGraw, Keith Urban, Little Big Town, Carrie Underwood, Taylor Swift und sogar auch für Lady Gaga in vermutlich finanzielle Unabhängigkeit mündete.

So kann sich Lori im Rahmen ihrer eigenen Musikveröffentlichungen ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit gönnen, diesmal also, wie anfangs erwähnt, etwas roots-rockiger im Ambiente. So dominieren Gesang, Akustik- und typisch gespielte E-Gitarren samt Bass- und Drum-Rhythmus-Grundlage das Geschehen, ganz dezent klingen auch mal Organtöne durch.

Die Texte mit den eingängigen Refrains sind gewohnt intelligent und überwiegend autobiografisch angefärbt, die Musik hat was von den Chicks (auch der Stimmähnlichkeit zu Natalie Maines geschuldet – „The Old Woman In Me“, „Happy Children“), Sheryl Crow (u. a. „Killing Me“), einem weiblichen Will Hoge („Days Are A Honey“, „The Town In Your Heart“), Miranda Lambert („1988“) oder auch viel unterschwelliges Tracy Chapman-Flair („Growing Up“, „Wonder Drug“, „Letting People Down“) und weiß bis zum ultimativen Abschluss, dem schmerzhaften „The Tunnel“ durchgehend zu begeistern.

“I like doing solo shows, but I really like it when we’re all together, That’s another reason why this record sounds the way it does. I really wanted it to sound like a band, because it’s so fun to play live that way“, so McKenna zu ihrem neuen, von Dave Cobb produzierten und mit eingespielten neuen Werk „1988“.  Die Zielvorgabe ist aus meiner Sicht perfekt umgesetzt! Mit das stärkste Album ihrer Karriere!

CN Records-Thirty Tigers/Membran (2023)
Stil: Americana

Tracks:
01. The Old Woman In Me
02. Happy Children
03. Killing Me (feat. Hillary Lindsey)
04. Days Are A Honey
05. 1988
06. Growing Up
07. Wonder Drug
08. The Town In Your Heart
09. Letting People Down
10. The Tunnel

Lori McKenna
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Bailey Zimmerman – Religiously – CD-Review

Ich glaube bei jedem interessierten Musikhörer, natürlich auch bei mir, ist es ein natürlicher Reflex, beim Auftauchen des Namen Zimmerman, spontan an Bob Dylan zu denken. Um direkt die Antwort in diesem Fall hier zu geben, bei Bailey Zimmerman handelt es es sich nicht um einen Nachfahren des berühmten Singer/Songwriters, sondern um den Sohn einer Autoverkäuferfamilie aus Louisville, einer Kleinstadt in Illinois.

Baileys Werdegang verlief über einen Job in einer Metzgerei („da habe ich gelernt, Rehe zu häuten“), auf dem Bau einer Gaspipeline und das in die Wiege gelegte Veredeln von Pickup-Fahrzeugen. Also nix mit Vitamin-B-geförderter Karriere, Musik wurde nur mal so nebenbei gemacht. Die befreundete Trucker-Gemeinde (für die er oft auftrat) gab dann den entscheidenden Anstoß für seine Karriere.

Ein ins Netz gestellter Song, geschrieben mit seinem Freund Gavin Lucas, ging mithilfe dieser Trucker-Fans viral, und seitdem überschlugen sich die Ereignisse. Major-Vertrag mit Warner Music, die Debüt-EP „Leave The Light On“ samt erfolgreicher Singles war in den USA 2022  das meist gestreamte Country-Debüt aller Zeiten und genreübergreifend das am häufigsten gestreamte Debüt des Jahres.

Amazon Music erkor ihn im Jahr 2022 zum “Artist to Watch” , YouTube dekorierte ihn 2022 zum “Trending Artist on the Rise” und Billboard zeichnete  ihn mit dem “Country Rookie of the Month” aus. Jetzt gibt es folgerichtig das Debütalbum „Religiously“ mit satten 16 Songs.

Beim Blick in die Credits fällt sofort auf, dass sowohl beim Songwriting (Bailey hat die meisten Stücke mit geschrieben) als auch bei der musikalischen Umsetzung (überragend hier der omnipräsente Tim Galloway – acoustic guitar all tracks;, banjo tracks 1–4, 6, 8, 12, 13, 15, 16; bouzouki  tracks 1, 2, 10, 11, 14, 15; electric guitar tracks 1–5, 9–11, 13, 15, 16; mandolin tracks 3, 10, 14, 15); slide guitar track 3, dobro track 13, bass guitar track 16) viele Namen auftauchen, die man bis dato bei Alben der Nashville-Zunft eher selten wahrgenommen hat, was der Sache allerdings überhaupt keinen Abbruch tut.

Ganz im Gegenteil hier spürt man an allen Ecken und Enden, dass man das bisherige Nashville-Etablissement ordentlich aufmischen möchte. Zimmerman brilliert von Beginn an beim emotional gesungenen Titellied mit seiner ausdrucksstarken rauchigen Stimme, die von Produzent Austin Shawn (wieder so eine eher unbekannte Person) herrlich transparent und klar in Szene gesetzten Instrumente sind eine Wonne für’s Gehör.

Spätestens beim folgenden, mit epischer Note versehenen „Warzone“ (erinnert an Skynyrds „The Last Rebel“) hat man den Protagonisten schon ins Herz geschlossen. „Fix’n To Break“ klingt so, als wenn Bryan Adams ins New Country-Milieu gewechselt wäre. Und so gibt sich ein Track nach dem anderen bis zum finalen Ohrwurm „Is This Really Over?“ die Klinke in die Hand, und man fragt sich nach knapp 53 kurzweiligen Minuten, ob tatsächlich schon Schluss ist.

Am Ende kann man den momentanen Hype um den Youngster absolut nachvollziehen. Eine weitere Auszeichnung, nämlich der des ‚Sounds Of South-Newcomer des Jahres 2023‘, dürfte ihm so gut wie sicher sein. Bailey Zimmerman liefert mit „Religiously“ eine deutliche Kampfanasage an die derzeit dominierenden Kollegen wie Morgan Wallen, Luke Combs, Brantley Gilbert, Jason Aldean & Co. Auch, wenn man es sicher nicht vergleichen kann,  zumindest vom Erfolg her, hat er das damalige Debüt des großen Bob Dylan erstmal klar in die Tasche gesteckt…

Elektra Nashville / Warner (2023)
Stil: New Country

Tracks:
01. Religiously
02. Warzone
03. Fix’n To Break
04. Forget About You
05. Chase Her
06. FallIin Love
07. You Don’t Want That Smoke
08. Found Your Love
09. Rock Aand A Hard Place
10. Other Side Of Lettin‘ Go
11. Pain Won’t Last
12. Where It Ends
13. God’s Gonna Cut You Down
14. Fadeaway
15. Get To Gettin‘ Gone
16. Is This Really Over?

Bailey Zimmerman
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Oktober Promotion

Kip Moore – Support: Jillian Jacqueline – 14.05.2023, Kantine, Köln – Konzertbericht

Sound Of Nashville-Time in der Kölner Kantine. Sonnyboy Kip Moore hatte sich mit Band zum ersten Mal in seiner Karriere in der Domstadt angesagt und auch noch die Künstlerkollegin Jillian Jacqueline als Support mitgebracht.

Die Kantine war an diesem Sonntag-Abend rappelvoll und, was sofort auffiel, sehr schön mit jüngeren und älteren Menschen durchmischt, die aktuelle New Countrymusik scheint, im Gegensatz zu vielen anderen Musikrichtungen, generationenübergreifende Wirkung zu entfalten.

Pünktlich um 19:00 Uhr betrat dann die von Kenny Rodgers entdeckte Jillian Jacqueline die Bühne, die schon mit vielen klangvollen Namen wie u. a. Billy Dean, Susy Boguss, Vince Gill, Keith Urban oder Richard Marx zusammengearbeitet hat.

Ihr reizender Charme und auch die mittlerweile gesammelte Routine half ihr, die Aufgabe, ganz allein, nur mit der Akustikgitarre behangen, in einer guten halben Stunde, die Leute auf den Protagonisten einzustimmen, problemlos zu bewältigen.

Mit toller Stimme, humorvollen Ansagen (u a. über ihre Ehe) und klarem Gitarrensound, hatte sie mit älteren Stücken wie  „Hate Me“, „Sugar And Salt“, „God Bless This Mess“ und „Better With A Broken Heart“, „Bandwagon“ und „Hurt Somebody“ (alle drei vom aktuellen Longplayer „Honestly“) schnell die Audienz auf ihre Seite gezogen und  reichhaltigen Applaus für sich eingeheimst.

Eine halbe Stunde später ging es dann mit  Kip Moore und seiner Band nach einem stimmungs- und lichtintensiven Einspieler direkt mit dem Titelstück des neuen Albums „Damn Love“ sehr poppig los. Mit „Bittersweet Company“ wurde dann der Bogen aber sofort zu einem bunten Mix aus Heartland Rock (Bruce Springsteen, Bryan Adams & Co. ließen zum Teil grüßen), knackigem und balladeskem New Country als auch zum Southern Rock gespannt.

Kip und seinem spielfreudigen Ensemble merkte man richtig an, dass sie an diesem Abend ordentlich Lust hatten, hier einen nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. So gab er sich äußerst kommunikativ zwischen den Tracks, sang sich förmlich die Seele aus dem Leib und wusste auch mit wechselndem Gitarrenspiel (elektrisch und akustisch) zu überzeugen.

Dabei ließ er auch seinen Mitspielern immer wieder Raum, um sich mit dem einen oder anderen Solo zu ‚zeigen‘. Gut gefiel mir die sich schön aufbauende Setliste, die erheblich dazu beitrug, dass sich die Stimmung überaus dynamisch auflud.

Songs wie „Plead the Fifth“, „Reckless (Still Growin‘ Up)“, „Beer Money“ und „Red White Blue Jean American Dream“ bildeten eine erste Zwischen-Hochphase., die mit dem mir besonders zuträglichen southern-countryesken „Kinda Bar“ (mit schönem Slide“) weitergeführt wurde.

Spätestens ab „Heart’s Desire“, dem Moore-Paradestück „Somethin‘ ‚Bout A Truck“, dem im Schlussteil ungemein wuchtigen „Come and Get It“ (Hammer-Instrumentalausklang!), sowie der New Country-Hymne „Last Shot“, war es eine einzige Party, bei der es kein Halten mehr gab. „Micky’s Bar“ rahmte das neue Album  „Damn Love“ als Abschluss des Hauptteils melancholisch ein.

Bei der ersten Zugabe „Silver & Gold“ ging es noch mal flott ab, die episch anmutende Southern Rock-Ballade „The Guitar Slinger“ (mein Lieblingsstück des Gigs) bildete dann den krönenden Abschluss. eines insgesamt begeisternden Konzerts, bei dem vielleicht nur der zu viel laute Drumsound (erschlug teilweise die Transparenz der E-Gitarren) etwas besser eingestellt hätte werden können.

Ansonsten hinterließ Kip Moore mit seiner Truppe eine glänzende Visitenkarte, bei dem die Ankündigung, auf jeden Fall wieder nach Köln zurückzukehren, mit viel Wohlwollen aufgenommen wurde. Es dürfte dann von der Location her in größere Gefilde gehen. Insgesamt ein toller Sonntag-Abend!

Bilder: Gernot Mangold
Text: Daniel Daus

Kip Moore
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Jillian Jacqueline
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Semmel Concerts Entertainment GmbH
Kantine, Köln

Luke Combs – Gettin‘ Old – CD-Review

Es gibt eigentlich nur zwei Künstler, die in Nashville in den letzten Jahren die Country-Alben-Charts nach Belieben beherrschen. Einer davon ist der aus Charlotte, North Carolina stammende Luke Combs, der knapp neun Monate nach „Growin‘ Up“ mit „Gettin‘ Old“ quasi Teil 2 eines ursprünglich zusammen geplanten Doppel-Albums am Start hat.

Combs ist mit all seinen bis vier dato erschienen Werken (das erste „This One’s for You“ stammt aus 2017!) aktuell immer noch unter den Top-15 platziert, das momentane „Gettin‘ Old“ kratzt nach drei Nr.1-Longplayern in Folge mit Platz 2 ganz kräftig an der Pole-Position. Der Bursche trifft einfach den (New) Country-Nerv der Zeit.

Die Erfolgsrezeptur ist dabei seit Beginn eigentlich recht ähnlich. Eine unbändige Kreativität beim Songwriting (er schreibt fast so gut wie alle Lieder mit), die dann halt in immens viele Stücke mit leicht merkbaren und mitsingbaren (Alltags-) Texten mündet. Dazu eine Top-Einspielung und Produktion durch die bekannten Musiker-Größen in diesem Metier, wohlfühlig veredelt mit seiner warm-rauchigen Raspelstimme, die zu den Songs einfach hervorragend passt.

Der Opener „Growin‘ Up And Gettin‘ Old„, (eine melancholische Midtempoballade mit emotionalem Refrain und tollen E-Gitarren) stellt quasi das Verbindungsglied zwischen beiden Werken dar und bildet wie so oft die Richtschnur für die folgenden siebzehn Tracks.

Als nicht ganz so glücklich empfinde ich bisherige Single-Auswahl, auch wenn das Fiddle-dominierte (Paul Franklin) „Love You Anyway“ sicherlich ein schönes Lied ist, gibt es aus meiner Sicht hier mit „See Me Now“, „Take You With Me“ oder „Tattoo On A Sunburn“ deutlich vielversprechendere Tracks. Auch beim zweiten Versuch mit dem Cover von Tracy Chapmans „Megastück „Fast Car“ gelingt Luke zwar eine absolut starke Nummer, die die Ausstrahlung des 80er-Hits der US-Singer/Songwriterin aber dennoch nicht erreichen kann.

Die Southern Rock-Freunde in unserem Magazin werden mit dem coolen swampig-shuffligen „A Song Was Born“ und dem zünftigen, Charlie Daniels-umwehten „Fox In The Henhouse“ (tolle Orgel-/E-Gitarren-Kombination als Solo) belohnt. Ansonsten geben sich in der Regel balladeske Midtempotracks und etwas temporeichere Nummern bis zum abschließenden Piano-untermalten „the Part“, meist im Wechsel, die Klinke in die Hand.

„Gettin‘ Old“ ist alles andere als ein Synonym für Altersmüdigkeit zu sehen, der gerade mal 33-jährige Luke Combs wird  zweifellos auch die nächsten Jahre im New Country-Geschäft ordentlich aufmischen. Er bleibt sich treu: Pures New Country-Vergnügen ohne jeden Anflug von etwaigen Pop-Attitüden. Einen weiteren großen Clou kann er auch bei uns landen: Am 6. Oktober wird er nämlich im Rahmen seiner World Tour 2023 in der Barclays Arena in Hamburg auftreten. Wenn er die voll kriegt, wäre das der Hammer!

River House / Columbia (Sony) (2023)
Stil: New Country

01. Growin‘ Up And Gettin‘ Old
02. Hannah Ford Road
03. Back 40 Back
04. You Found Yours
05. The Beer, The Band, And The Barstool
06. Still
07. See Me Now
08. Joe
09. A Song Was Born
10. My Song Will Never Die
11. Where The Wild Things Are
12. Love You Anyway
13. Take You With Me
14. Fast Car
15. Tattoo On A Sunburn
16. 5 Leaf Clover
17. Fox In The Henhouse
18. The Part

Luke Combs
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Sony Music

The Cumberland River Project – A Smell Of Gravy – CD-Review

Das Cumberland River Project ist wieder so eine kleine Geschichte, wie man sie meist nur im Rahmen eines solchen Magazins erleben kann. Beim Blackberry SmokeKonzert in Köln stand ich neben zwei Alt-Hieppies, die sich wunderten und mich dann schließlich fragten, warum ich mir denn während des Gigs fortwährend Notizen machen würde.

Ich erklärte ihnen, dass diese dazu dienen würden, zeitnah einen Konzertbericht abzuliefern, der dann im Rahmen des SoS erscheinen würde. Ich drückte ihnen dann eine Visitenkarte in die Hand. Fast zeitgleich drehte sich ein Mann, der etwas vor mir stand, zu mir um, und sagte, dass er unser Gespräch mitbekommen hätte. Er selbst sei Songwriter, Musiker und Produzent im Country-Bereich und bat dann auch um meine Visitenkarte.

Schon am nächsten Tag bekam ich eine Email von einem Frank Renfordt, der sich und sein Projekt dann etwas umfangreicher vorstellte, einen weiteren Tag später hatte ich die aktuelle, mittlerweile zweite CD des Cumberland River Projects im Briefkasten.

Gut finde ich besonders die von Anfang an sehr professionelle Herangehensweise. Zum einen ist dieses Projekt sehr offen ausgelegt, das sieht man schon an den vielen involvierten Musikern und auch sehr unterschiedlichen Leadsängerinnen und -sängern, wobei Frank Renfordt, als Songwriter, Sänger, Musiker und Produzent natürlich hier die Fäden zieht, die weit bis nach Nashville reichen.

Und um den Hauch des Mysteriösen zu verbreiten, werden hier bei den Tracks „Missing Girl“ (ist da etwa Dierks Bentley am Mikro?), „Those Moments“ und  dem textlich und musikalisch sehr gelungenen „Mount Everest“, die Leadsänger nicht benannt. Konnte Frank hier etwa richtige Nashville-Stars gewinnen können, die sich halt zum Schutze weiterer Anfragen dieser Art, nicht preisgeben wollten?

Stark zu Gegen ist hier auch wieder Dave Demay, der bereits das Debütwerk des Cumberland River Project produziert hatte und jetzt auch wieder diverse Tracks gesanglich und auch soundtechnisch in Music City mit begleitet hat. Auch die grafisch und fotographisch schön umgesetzte Covergestaltung weiß zu gefallen. Anders als bei vielen Werken aus Deutschland, die mir zur Rezension geschickt wurden, weht hier wirklich von Beginn an amerikanisches Flair durch das Gesamtwerk, auch die Texte klingen nicht, wie so oft aus hiesigen Gegenden, nach Schulenglisch. Man merkt sofort, warum Renfordts lyrische Kreationen auch schon in den Staaten im American Songwriter Magazine prämiert worden sind.

Und so startet sein Zweitwerk direkt mit drei sehr schönen eingängigen New Country-Nummern, von denen mir das mit 90er Flair umgarnte, von Matt Dame, der gesanglich so ein wenig Travis Tritt-Esprit verbreitet, angeführte „She Drives Her Own Truck“ besonders gefällt. Für mich die beste Vokalleistung auf dem Werk.

Nach einer mehr traditionellen Phase, die auch folkige Anleihen beinhaltet  u. a. mit dem ein wenig an den großen Kenny Rogers-Hit „Lucille“ erinnernden „Joanne“ und der Gesangs- und Fiddle-Performance der talentierten Jessie Morgan bei „Back You Up“, schlägt mein Herz beim flockigen, in Richtung der früheren Diamond Rio, Restless Heart, Boy Howdy & Co. gehenden „You Can’t Make Someone Love You“ (gesungen von The Voice Of Germany-Teilnehmer Michael Anthony Austin) und dem mit schönen Dire Straits-mäßigen E-Fills verzierten „Mount Everest“ wieder höher. Klasse finde ich hier die Message, dass man nicht gleich den höchsten Berg der Welt besteigen muss, wenn man sich im Leben irgendwelche Ziele setzt.

Die Schlussphase läutet dann das mit blechernen Dobroeinlagen bestückte „Aunt Marian“ (hat was von Hands On The Wheel) ein, die dann wieder sehr country-folkig bis zum abschließenden „Brighter Day“ verläuft. Bei beiden Tracks  beweist Frank Renfordt, dass er sich auch am Mikro hinter den anderen Protagonisten nicht zu verstecken braucht. Auffällig ist hier auch das mit schrullig-knochigem Sprechgesang von Eric Trend (Marke Charlie Daniels) versehene „Red River Girl“.

Mit „Smell Of Gravy“ ist Mastermind Frank Renfordt und seinem Cumberland River Project eine kurzweilige und abwechslungsreiche Scheibe gelungen, die diesmal besonders auf die traditionell und eher auf die Anfangsphase des New Country fokussierte Klientel abzielt. Alles bewegt sich hier in jeder Hinsicht auf absoluter Augenhöhe mit vergleichbarem Stoff, den man so aus Nashville kennt. Für den besonderen Geschmack der Soße sorgen die vielen unterschiedlichen Sängerinnen und Sänger, die er für das Projekt gewinnen konnte.

Dass Renfordt durchaus auch vom Southern Rock was weg hat, kann man beim bis dato nur digital produzierten Song „Down At Chicamauga Creek“ (feat. Adam Cunningham) hier begutachten. Ich hätte persönlich nichts dagegen, wenn das potentielle Drittwerk des Cumberland River Projects vielleicht mal in diese Richtung gehen würde. 

Eigenproduktion (2022)
Stil: (New) Country

01. A Little Love (feat. Brittany Black)
02. Missing Girl
03. She Drives Her Own Truck (feat. Matt Dame)
04. Those Moments
05. Joanne (feat. Dave Demay)
06. House In A Row (feat. Misko)
07. Back You Up (feat. Jessie Morgan)
08. You Can’t Make Someone Love You (feat. Michael Antony Austin)
09. Mount Everest
10. Aunt Marian
11. Your Fanciest Rintone (feat. Dave Demay)
12. Red River Girl (feat. Eric Trend)
13. Blown Away (feat. Dave Demay)
14. Brighter Day

The Cumberland River Project
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Elle King – Come Get Your Wife – CD-Review

Kommen wir mal wieder zu den bisherigen musikalischen Versäumnissen in meinem Leben. Die in Ohio aufgewachsene Elle King, Tochter von Comedian Rob Schneider und des ehemaligen Modells London King, ist wieder so ein Fall. Sie ist seit 2015 im Business unterwegs und har bereits zwei Alben veröffentlicht, die unbemerkt an mir vorüber gegangen sind.

Ich bin auf ihren Namen erstmals bewusst im Rahmen des bald erscheinenden Stones-New Country-Samplers (kein April-Scherz!) gestoßen, der uns bereits zur Besprechung vorliegt (der geschätzte Kollege Segets wird hier demnächst seine Eindrücke dazu schildern), wo sie eine sehr gelungene Version von „Tumbling Dice“ mit beisteuert.

Daraufhin habe ich mir noch ihr gerade, seit kurzem auf dem Markt befindliches Album „Come Get Your Wife“ mit freundlicher Unterstützung von Sony Music zur Besprechung besorgt. Und es hat sich zweifellos gelohnt. Schon mit den ersten lässigen Banjo-Introtönen des hier insgesamt auch überragend agierenden Todd Lombardo und ihrer grandiosen Stimme, die man zunächst eher im Indie-Pop verorten würde, bahnt sich beim Opener „Ohio“ ein ganz besonderes Gebräu an, das auch im weiteren Verlauf durchgehend zu begeistern weiß.

Elle hat neben einigen klug ausgesuchten Fremdkompositionen den überwiegenden Teil der Tracks mit einigen Co-Writern selbst komponiert, dazu hat sie, abgesehen von einem Lied, auch die Produktion zusammen mit Star-Producer Ross Coppermann übernommen. Apropos Ross Copperman: Ich hoffe, ich tue ihm nicht unrecht, gefühlt bringe ich ihn immer mit sehr modernen Produktionen, oft mit den heute üblichen technischen Spielereien in Sachen Keyboards, Loops etc., in Verbindung, um auch eine gewisse Pop-Kompatibilität zu gewährleisten.

Keine Ahnung, ob Elle direkt ein Veto eingelegt hat, aber hier wurde eine knackige, organische (New) Countryplatte mit vielen Facetten erschaffen, die mit allen klassischen Countryinstrumenten von den bekannten Nashville-Studio-Könnern eingespielt wurde, trotzdem aber auch ungemein modern und kräftig wirkt.

Für das eher kommerzielle Moment gibt es mit Miranda Lambert („Drunk (And I Don’t Wanna Go Home„) und Dierks Bentley (beim launigen Barsong „Worth a Shot„) zwei prominente Duett-Partner, die dann auch als Singles vorab erschienen sind. Ziemlich melodisch geht es in der ersten Hälfte auch noch beim grandiosen, mit herrlichem Gospelflair umgarnten Southern Christian Rock-Song „Try Jesus“ (könnte auch von Third Day sein) und dem flockigen „Lucky“ zu, hier sei aber auch noch das rotzig-frech gesungene, slide-trächtige Southern-Redneck-Country-Stück „Before You Meet Me“ zu erwähnen.

Mit „Tulsa“ wendet sich das Blatt zu deutlich traditioneller konzipierten Klängen, wobei immer wieder das Banjo oder auch Steel (Dan Dugmore) involviert sind. „Crawlin‘ Mood“ sowie das textlich zwiespältige „Bonafide“ schlagen in die gleiche Kerbe – traditionell, aber absolut knackig und ohne Staub von gestern.

Das treibende „Blacked Out“ (mit klasse E-Solo) wird sicherlich die Southern-Freunde begeistern und das folgende „Out Younder“ überzeugt mit seinem coolen Country Rock-Groove. Und wie es dann auf einer durch und durch begeisternden Scheibe eben so ist, gibt es am Ende mit „Love Go By“ noch eine gospelige Killer-Country-Soul-Nummer, die mich entfernt an „Wrecking Ball“ von Eric Church erinnert.

Wenn Rob McNelly am Anfang nur in die E-Saiten greift und sich Elle zunächst mit ihrer eigenwilligen Stimme darüberlegt, ist Gänsehaut garantiert. Sobald dann  auch noch die restlichen Instrumente und die Gospel-Harmoniegesänge einsetzen, ist man zum Ausklang vollends geflasht. Ein Hammersong!

Mein Tipp zu Elle Kings „Come Get Your Wife“ kann von daher nur ohne jedes ‚Wenn und Aber‘ lauten: „Kommt Leute, schnappt euch dieses megastarke Album!“

RCA Nashville / Sony (2023)
Stil: New Country

01. Ohio
02. Before You Meet Me
03. Try Jesus
04. Drunk (And I Don’t Wanna Go Home) feat. Miranda Lambert
05. Lucky
06. Worth a Shot feat. Dierks Bentley
07. Tulsa
08. Crawlin‘ Mood
09. Bonafide
10. Blacked Out
11. Out Yonder
12. Love Go By

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Sony Music

Chase Rice – I Hate Cowboys & All Dogs Go To Hell – CD-Review

Review: Michael Segets

Der Legende nach sollen Cliff Barnes And The Fear Of Winning aufgrund des Songs „No One’s Got An Asshole Like A Cowboy“ als Vortruppe von Willie Nelson der Bühne verwiesen worden sein. Nun dürfte auch der Titel des neuen Albums von Chase Rice „I Hate Cowboys & All Dogs Go To Hell“ nicht zu unmittelbarem Beifall großer Teile der Country-Gemeinde führen. Allerdings hat Rice einen anderen Status im Musikbusiness als die ehemalige Independent-Combo. Millionenfache Albumverkäufe und milliardenfache Streams lassen die Vermutung zu, dass er auf eine breite Fanbasis zählen kann, die vieles mitmacht. Wenn der gutaussehende Ex-Footballer von der Bühne gezerrt werden sollte, dürfte das wohl andere Gründe haben.

Die Provokation, die der Albumtitel nahelegt, relativiert sich, wenn man die Lyrics der beiden dazugehörigen Songs wahrnimmt. Mit den verhassten Cowboys sind die oberflächlichen Typen gemeint, die in der Konkurrenz bei der Partnersuche die Nase vorn haben. Der Text dürfte also auch für eine Vielzahl von Country-Anhängern Identifikationspotential besitzen. Mit den Hunden, die zur Hölle fahren, sind eher nicht die Tiere gemeint. Rice nimmt bei „Bench Seat“ sogar die Perspektive eines Hundes ein, was literarisch interessant ist. In dem dazugehörigen Video outet sich Rice zudem als Hundeliebhaber. Den Hintergrund des Songs bildet wohl die Geschichte eines Freundes, der durch seinen Hund vom Selbstmord abgehalten wurde.

Rice hält letztlich die traditionellen Werte hoch. Zu diesen zählt die Familie. So widmet er „Sorry Momma“ seiner Mutter, die drei Söhne nach dem frühen Tod ihres Mannes großzog. Das Cover ziert ein Foto seines verstorbenen Vaters. In einem Kommentar gibt Rice an, dass „I Hate Cowboys & All Dogs Go To Hell“ bislang sein persönlichstes Album sei.

Die meisten Songs schlagen ein gemäßigtes Tempo an, sind eingängig und glatt arrangiert. Rice hat eine angenehme Stimme, der man gerne zuhört. Vor allem der poppig angehauchte, mainstreamtaugliche Opener „Walk That Easy“ könnte die Liste seiner Hits fortführen. Die Orientierung am klassischen Country steht nicht im Zentrum seiner Kompositionen. Am deutlichsten tritt sie bei „If I Were Rock & Roll“ zutage.

„Goodnight Nancy“, das Rice zusammen mit Boy Named Banjo spielt, nimmt in seinem Verlauf ordentlich an Fahrt auf. Ebenso semi-akustisch gehalten ist „I Walk Alone“. Das Stück mündet in einem explosiven Finale. Gemeinsam mit der Read Southall Band performt Rice „Oklahoma“. Der hymnische Track weist eine längere, gitarrengetriebene Instrumentalpassage auf, die einzige auf dem Longplayer. Zusammen mit der Gute-Laune-Nummer „Bad Day To Be A Cold Beer“ gehören die drei Songs zu den Highlights, da der Sound bei diesen erdiger erscheint als bei den anderen.

Der Top-Track des Albums ist „Way Down Yonder“. Am Anfang mutet er zirzensisch an, versprüht dann aber mit kräftigem Rhythmus und gelungener Gitarrenbegleitung Energie. Hier zeigt Rice, der lange Zeit unschlüssig war, ob das Stück einen Platz auf der CD erhält, mal ein paar rauere Ecken und Kanten, von denen ich mir mehr gewünscht hätte. Der Mut, den Rice bei der Wahl des Albumnamens beweist, hätte den Songarrangements nicht geschadet. Dennoch weist „I Hate Cowboys & All Dogs Go To Hell“ in die richtige Richtung.

„I Hate Cowboys & All Dogs Go To Hell“ ist nicht ganz so polarisierend, wie der Titel vermuten lässt. Gut hörbare, radiotaugliche und sorgsam produzierte Songs, mit denen Chase Rice auf Sicherheit spielt, dominieren das Album. Daneben blitzt in manchen Texten und bei einigen Tracks das Potential von ihm als Songwriter und Musiker auf. Insgesamt gelingt Rice ein sauberer Touchdown ohne sich allzu weit von dem bewährten Play Book zu entfernen.

Broken Bow Records – BMG (2023)
Stil: New Country

Tracks:
01. Walk That Easy
02. All Dogs Go To Hell
03. Way Down Yonder
04. Key West & Colorado
05. Bench Seat
06. Life Part Of Livin’
07. Bad Day To Be A Cold Beer
08. Oklahoma (feat. Read Southall Band)
09. I Walk Alone
10. Sorry Momma
11. If I Were Rock & Roll
12. Goodnight Nancy (feat. Boy Named Banjo)
13. I Hate Cowboys

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Shania Twain – Queen Of Me – CD-Review

Es gab eine Zeit, da war Shania Twain tatsächlich die Königin sowohl des Country als auch des Pop. Sie war zur richtigen Zeit am richtigen Ort, mit einem der bekanntesten Producer der Rockmusik verheiratet, parallel rauschte die MTV-Video-Welle durch unsere Fernsehgeräte. Ihr Album „Come On Over“ von 1997 schoss in beiden Genres durch die Decke.

Auch beim Nachfolger „Up!“ 5 Jahre später hielt dieser Trend noch an. Als im Jahr 2003 ihre Stimme aufgrund einer diagnostizierten Lyme-Borreliose-Erkrankung streikte und auch noch später die Ehe mit Robert ‚Mutt‘ Lange in die Brüche ging, wurde es recht still um die erfolgsverwöhnte Kanadierin.

Den Thron bestiegen in der Zwischenzeit die Underwoods, Swifts, Adeles, Lady Gagas, Rhihannas und Co. Die Major-Labels und besonders ihre Fans ließen sie allerdings nicht fallen und so kämpfte sich Shania mit ihrem 2017 erschienenen Album „Now“ mit einer Doppel-Nr. 1 (US-Country- und Pop-Charts) wieder in die gewohnten Regionen zurück.

Jetzt mit ihrem sechsten Longplayer „Queen Of Me“, diesmal unter Republic Nashville/Universal-Fahne, startet die mittlerweile 57-jährige Künstlerin, die, wie es Booklet und Coverbild suggerieren, immer noch sehr attraktiv wirkt, einen erneuten Comeback-Versuch. Sie liefert zwölf, wie gewohnt, melodisch eingängige Popsongs, alle selbst mit diversen Co-Writern verfasst, die das Anforderungsprofil in Sachen Mission eines erneuten Nr. 1-Werkes tadellos erfüllen.

Besagte Haupt-Co-Writer wie David Stewart, Mark Crew, Dan Priddy, Adam Messinger, Mark Ralph und Tyler Joseph übernahmen, dann auch die Produktion und den Löwenanteil der Instrumente, bzw. des heute üblichen Programming. Wenn es etwas zu kritisieren gibt, ist es, dass die Songs demnach etwas synthetisch rüberkommen und auch ihre Stimme in der Tat nicht mehr ganz so wie früher klingt (man braucht etwas Gewöhnungszeit).

Nichtsdestotrotz haben gerade die Kernsongs wie „Best Friend“ und das shufflige „Giddy Up!“ spürbares Hit-Potential. Mir gefallen allerdings eher die flockig-gitarren-untermalten Tracks wie „Inhale/Exhale Air“, „Got It Good“ und das pettyeske „Not Just A Girl“ mit am besten. Ich war zwar nie ein großer Queen-Fan, aber die Umsetzung des Titelstücks (mit den Queen-typischen Gesangselementen) ist klasse gemacht.

„This album is dedicated to my fans worldwide. Music made for YOU from my heart, for all your inspiration“ steht dann am Ende des Booklets. Die Kämpferin Shania Twain hat geliefert, demnächst wird sie für eine UK-Tour auch in Europa wieder präsent sein. Jetzt liegt es an genau ihren Fans, sie zumindest temporär wieder mal als Königin des Pop auf den Thron zurück zu hieven.

Republic Nashville (2023)
Stil: Pop

01. Giddy Up!
02. Brand New
03. Waking Up Dreaming
04. Best Friend
05. Pretty Liar
06. Inhale/Exhale Air
07. Last Day Of Summer
08. Queen Of Me
09. Got It Good
10. Number One
11. Not Just A Girl
12. The Hardest Stone

Shania Twain
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Universal Music

Lainey Wilson – Bell Bottom Country – CD-Review

Allein schon für das hippieeske und doch so stylisch sowie wunderbar farblich abgestimmte Outfit hätte die aus Baskin, Louisiana stammende Lainy Wilson (mittlerweile natürlich in Nashville ansässig) auf dem Cover ihres neusten Albums „Bell Bottom Country“ in Sachen Haute Couture eine absolute Bestnote verdient. Aber auch musikalisch steht das vierzehn Stücke umfassende (13 davon von Lainey mitgeschrieben), von James Joyce in herrlichem Sound produzierte Gesamtwerk in Nichts nach.

Die mittlerweile 30-jährige Singer-Songwriterin, die Dolly Parton und Lee Ann Womack als ihre großen Vorbilder benennt, und 2020 mit der Single „Things A Man Oughta Know“ ihren Durchbruch schaffte, legt jetzt ihre zweite Scheibe auf einem Major-Label nach und befindet sich in kreativer Höchstform. Ich habe selten eine CD einer weiblichen Künstlerin im Player liegen gehabt, die mich sofort komplett mitgenommen und begeistert hat.

Zum einen gefällt mir ihre freche, mit einem Southern-Akzent versehene Stimme, die ich irgendwo zwischen Miranda Lambert, Stevie Nicks und Susannah Hoffs einordnen würde, und natürlich das in allen Belangen von wunderbarer Diversität geprägte Songmaterial, das am Ende einen exzellenten Balance-Act zwischen verhaltem modernen und traditionellen Countryelementen meistert.

Die beiden Opener „Hillbilly Hippie“ (CCR meets The Bangles) und das mit treibendem Refrain bestückte „Road Runner“ versetzten sofort in beste euphorisierende Laune, bevor man dann mit der grandios performten, melancholischen Ballade „Watermelon Moonshine“ wieder runtergekühlt wird. Das auf dem Fuße folgende funk-counryrockige coole „Grease“ flutscht dann mit enormer Power wieder wie Öl aus den Boxen.

Und so wird man im weiteren Verlauf mit angenehmen und bewegenden Midtempornummern (zum Teil mit balladeskem Einschlag) wie „Week-End“, „Me, You, And Jesus“, „Heart Like A Truck“ (nicht nur des pathetischen Titels wegen für mich eine potentielle Nr.1-Single) „Atta Girl“ und „Live Off“ (starker emotionaler Gesang der Protagonistin) sowie launigen Tracks der Marke „Hold My Halo“, „This One’s Gonna Cost Me“ (Led Zep-Flair), dem „Ghost Riders“-umwehten „Wildflowers And Wild Horses“ und dem countryesk verpackten 4 Non Blondes-Hit „What’s Up (What’s Going On)“ als Rausschmeißer durch ein stimmiges Wechselbad der Höremotionen geleitet. Irgendwo dazwischen, nicht zu vergessen, der herrliche Countryschunkler „Those Boots (Deddy’s Song)“ mit grandioser Akustik- und E-Gitarrenuntermalung.

Am Ende bin ich heilfroh, dass ich diese Scheibe, die schon im Oktober erschienen ist und mir fast durchgerutscht wäre, doch noch zum Reviewen erhalten habe. Diesen authentischen, instrumentell hervorragend eingespielten ‚Schlaghosen-Country‘ von Lainey Wilson hört man einfach gerne. Man merkt auf diesem bis in die Haarspitzen unter dem Hut motivierten Werk zu jeder Zeit, dass die junge Dame hoch hinaus will! Hats off, Lainey!

Broken Bow Records (2022)
Stil: New Country

Tracks:
01. Hillbilly Hippie
02. Road Runner
03. Watermelon Moonshine
04. Grease
05. Week-End
06. Me, You, And Jesus
07. Hold My Halo
08. Heart Like A Truck
09. Atta Girl
10. This One’s Gonna Cost Me
11. Those Boots (Deddy’s Song)
12. Live Off
13. Wildflowers And Wild Horses
14. What’s Up (What’s Going On)

Lainey Wilson
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Brett Young – Support: Callista Clark – 19.11.2022, Carlswerk Victoria, Köln – Konzertbericht

Dass es nach den beiden überragenden Konzerten von Peter Frampton und Sean Webster in den Tagen zuvor, die an musikalischer Leidenschaft, -Freude und instrumenteller Klasse kaum zu toppen sind, schwer werden würde, den inneren Hebel kurzfristig auf Nashville-Countrypop umzulegen, war irgendwo klar.

Dass das Brett Young-Konzert mit Callista Clark als Support für den Fotokollegen Mangold, dem Musik eigentlich nicht unkommerziell genug sein kann, zur Höchststrafe avancieren würde, hatte ich schon im Vorfeld befürchtet. Und um es vorwegzunehmen, auch mir ging es nicht anders.

Der Freund des runden Leders würde „Selbst (in) Schuld, Daus“, konstatieren. „Wenn du ehrlichen Hafenstraßenfussball sehen willst, fährste ja auch nicht nach Gelsenkirchen oder Dortmund!“

Da sich die bisherigen Acts im Rahmen der SOUND OF NASHVILLE-Reihe, in der Vergangenheit dann doch durchgehend als positive Überraschungen herausgestellt hatten (auch zum Teil wegen der involvierten Mitmusiker), ging es nach dem Motto ‚die Hoffnung stirbt zuletzt‘ auf in Richtung Kölner Carlswerk Victoria, das mit gut 1.000 Zuschauern mehr als ordentlich gefüllt war.

Als Support kam dann zunächst die blutjunge Callista Clark, mit einer akustischen Gitarre behangen, ganz alleine auf die Bühne und durfte ihre unscheinbaren Songs aus ihrem ersten Album „Real To Me: The Way I Feel“ vorstellen. Dazwischen gab es ein paar nichtssagende Worte, bloß nicht unangenehm auffallen, schien als Ziel ausgelotet gewesen zu sein. Der Neil Young-Titel „Singer Without A Song“ kam spontan in den Sinn…

Nach Stücken wie u. a. „Change My Mind“, „Brave Girl“, „Worst Guy Ever“, „Heartbreak Song“ und „Real To Me“ ließ sie mit dem unterschwellig an „Sweet Home Alabama“ erinnernden Schluss-Track „It’s Cause I Am“ zumindest etwas von ihrem Talent als Songschreiberin aufblitzen. Da sie aber noch am Anfang steht, und allein mit Akustikgitarre immer schwer ist, konnte man ihren Gig als typischen Support-Act abhaken.

Line-up:
Callista Clark (lead vocals, acoustic guitar)

Nach nur einigen Minuten Umbau und einem Einspieler kam dann zunächst die Band und danach der Protagonist des Abends, Brett Young, aus den Katakomben des Carlswerks und versuchte sofort seine Fangemeinde mit dem Opener „Catch“ einzufangen. Was mir sofort auffiel war die so gut wie nicht vorhandene Aura des Nashville-Stars.

Das sollte sich auch im ganzen Verlauf des Konzerts nicht ändern, auch wenn das vermutlich die meisten Anwesenden anders gesehen haben werden (nach dem Gig hörte ich hinter mir zum Beispiel einen Kommentar wie „boah, hatte der ’ne tolle Stimme“).

Mit Country hatte das alles leider überhaupt nichts zu tun, das war eigentlich massenkompatible Popmusik mit maximalem Gewinnstreben in Reinkultur. In den Texten ging es um so tiefgreifende Themen wie Nächstenliebe, Herzschmerz oder wer in Mamis Auto als erster unter den Geschwistern auf dem Beifahrersitz einsteigen darf, wegen Radiosendereinstellen und so…

Auch sämtliche Aktivitäten seiner Spielgenossen, selbst bei der Bandvorstellung (da wechselte er nach ein paar kurzen Tönen direkt zum Nächsten), wurden dann sofort mit seinen zuckersüßen Strophen und Refrains im Keime erstickt. Der agilste war noch Keaton Simons, der bei „You Got Away With It“ mal sporadisch die Harp plustern durfte, bei der Bandvorstellung den ansonsten fehlenden E-Bass schön groovig bezupfte und sich für das eine oder andere E-Gitarrenkurzsolo verantwortlich zeigte.

Bezeichnend waren dann ein paar betrunkene Amerikanerinnen mit einem Kenny Chesney-Typ als Hahn im Korb, die mit jedem weiteren Bier die Intensität ihres Kreischens und Mitsingens erhöhten. Der Gipfel der Peinlichkeit war erreicht, als er dann plötzlich sein kariertes Hemd abgelegt hatte, seinen gestählten großflächig tätowierten Körper zur Schau stellte und eine der besonders Aufmerksamkeit suchenden jungen Mädels auf die Schulter nahm. Als Young dann von seinen beiden Kindern und seiner Frau erzählte und „Lady“ einläutete, fiel die Kinnlade runter. „Good bless America“ dachte ich nur, besonders vor deinen eigenen Landsleuten…

In der Schlussphase samt den beiden Zugaben jagte dann mit Sachen wie „Here Tonight“, „You Didn’t“ und „Sleep Without You“ ein (beliebig austauschbarer) Hit den anderen. Das überwiegende Publikum sang, wedelte und klatschte begeistert mit.

Insgesamt gesehen müsste dieser Brett Young-Gig allerdings für jeden, der schon einmal ein halbwegs anspruchsvolles Konzert erlebt hat, eine große Enttäuschung gewesen sein. Wie bereits oben erwähnt, war es aber auch der erste Ausfall in einer sonst bis dato immer tollen SOUNDS OF NASHVILLE-Reihe.

Trotzdem danke an Semmel-Concerts für die wie immer bestens organisierte Akkreditierung.

Line-up:
Brett Young (lead vocals, acoustic guitar)
Keaton Simons (acoustic guitar, electric guitar, bass, harp, vocals)
Billy Hawn (drums)
XXX (electric guitar, acoustic guitar, vocals)
Matt Ferranti (keys, acoustic guitar, vocals)

Bilder: Gernot Mangold
Text: Daniel Daus

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