Joseph Houck – Haunts & Wants – Digital-CD-Review

Review: Michael Segets

Bereits als Teenager entwickelte Joseph Houck seine ersten Songideen. Während seiner Studienzeit trat er dann via Internet mit seinen Kompositionen an die Öffentlichkeit. 2012 brachte Houck die erste, akustisch gehaltene EP heraus. Es folgten zwei Alben, auf denen er sich vom Folk weiter entfernte und sich nicht mehr auf ein Genre festlegte. Der aktuelle Longplayer „Haunts & Wants“ setzt diese Entwicklung fort und kann als Konglomerat unterschiedlicher Stile bezeichnet werden.

Der aus North Carolina stammende Houck bedient sich bei der Klassik, dem Jazz, dem Pop, dem Soul, dem Americana und dem Rock. Auch die Breite der eingesetzten Instrumente ist vielseitig. So stehen mal Bläser oder Streicher im Vordergrund, mal übernimmt ein Klavier die Melodie. Über eineinhalb Jahre hinweg arbeitete Houck zusammen mit dem Produzenten Bryan Ciliberto die Tracks aus. Der Klang ist sauber und differenziert. „Empathy“ überrascht allerdings durch die merklich leisere Aussteuerung im Vergleich zu den anderen Titeln, was wahrscheinlich künstlerisch gewollt ist. Abgesehen davon weist die gefühlvolle Ballade wie auch „Jetsam“ und „Long Lost Love“ die deutlichsten Berührungspunkte zum musikalischen Schwerpunkt von SoS auf.

Bei dem kurzen Instrumentalstück „We’ve Never Met Before“ orientieren sich die Streicher an Elementen der klassischen Musik. „Blown Away“ bedient sich beim Jazz. Der Wohlfühlsong im Midtempo „What Am I Gonna Do?“ trägt poppige Züge. Zwischen Soul und Gospel bewegt sich „One Step“. Gerade die Bläser geben einigen Songs eine soulige Note – so beim Opener „Invocation“, der durch die Schellen besonders in die Weihnachtszeit passt, oder beim eindrucksvoll gesungenen „I Will Never Forget“. Der Blues schwingt bei „All The Time“ mit. Houck nutzt bei einigen Stücken die Retrowelle, die seit einigen Jahren immer mal wieder aufschwappt. Beispielsweise erinnert „Next Best Thing“ an Charley Crocketts Alter Ego Lil’ G. L. Das lockere Stück gehört zu den besten des Albums.

Neben der digitalen Veröffentlichung erscheint auch eine Vinyl-Edition. Einen guten Service bietet die Website von Houck, auf der er bislang die Lyrics seiner Songs zur Verfügung stellt. Vermutlich werden auch Texte des aktuellen Werks dort hochgeladen. Sie thematisieren in erster Linie den Umgang mit (un)erfüllten Wünschen und Leidenschaften.

Joseph Houck erweist sich als vielseitiger Songwriter, der mit „Haunts & Wants“ einen genreübergreifenden Longplayer vorlegt. Wie es in der Natur eines so breiten Angebots liegt, treffen die einen Beiträge den eigenen musikalischen Geschmack mehr als die anderen. Das Album insgesamt spricht daher eher musikalisch breit interessierte Hörer an.

Eigenproduktion (2023)
Stil: Americana and more

Tracks:
01. Invocation
02. Next Best Thing
03. What Am I Gonna Do?
04. All The Time
05. We’ve Never Met Before
06. Jetsam
07. Blown Away
08. Long Lost Love
09. I Will Never Forget
10. Empathy
11. One Step

Joseph Houck
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Jason Isbell – Southeastern (10th Anniversary) – CD-Review

Review: Michael Segets

Jason Isbell sorgt mit der Wiederveröffentlichung seiner früheren Alben dafür, dass diese nicht in Vergessenheit geraten. Nach der Deluxe-Version seines Debüts „Sirens Of The Ditch“ folgten remasterte Ausgaben von „Jason Isbell And The 400 Unit“ sowie „Here We Rest“. Zum zehnjährigen Jubiläum des Erscheinens von „Southeastern“ bietet Isbell seinen Fans nun ein besonderes Paket, das drei CDs beziehungsweise vier LPs umfasst. Neben der Remasterung des von Brent Cobb produzierten Originals finden sich dort die Demos zu elf der zwölf Tracks – lediglich „Super 8“ fehlt – sowie der Mitschnitt eines Konzerts aus dem Jahr 2022. Jason Isbell spielte bei dem Auftritt im Bijou Theatre in Knoxville mit seiner Begleitband The 400 Unit „Southeastern“ komplett durch.

Beim Rolling Stone rangiert „Southeastern“ unter den besten 500 Alben. Neben dem von der Americana Music Honors & Awards 2014 ausgezeichneten „Cover Me Up“ hält der Longplayer einige hervorragende Songs bereit. Die Scheibe in seine Sammlung zu integrieren, ist daher sowieso nicht verkehrt. Mit dem Set zum zehnjährigen Jubiläum erhält man nun drei Varianten der Titel. Eine Ausnahme bildet das einzige Uptempo-Stück „Super 8“. Der Roots Rocker taucht nicht bei den Demos auf. Die Demoversionen werden von Isbell quasi im Alleingang mit akustischer Gitarre bestritten. Sie zeigen den Musiker pur als Singer/Songwriter. Dass die Aufnahmen als Demos bezeichnet werden, zeugt von Bescheidenheit. Klanglich bleibt an ihnen nichts auszusetzen und die Songs wirken auch nicht unfertig. Sie verdeutlichen, dass „Southeastern“ ebenfalls als Solo-Akustik-Album ein tragfähiges Werk geworden wäre.

Dass Isbell sich damals entschloss, es nicht dabei zu belassen, stellt sich dennoch als sinnvoller Schritt heraus. Der Harmoniegesang von Amanda Shires bei „Stockholm“ werten den Song gegenüber der reduzierten Demo-Version merkbar auf. Auch der Einsatz elektrischer Gitarren bei „Flying Over Water“ oder „Live Oak“ gibt den sowieso starken Titeln noch mehr Intensität. Zwei meiner Favoriten – „Traveling Alone“ und „Yvette“ –überzeugen in beiden Interpretationen. Mindestens gleichwertig sind die Demos mit den erstveröffentlichten Tracks bei „Different Days“ und „Songs That She Sang In The Shower“. „New South Wales“ gewinnt sogar gegenüber dem Original.

Die Live-Präsentation des Albums erhöht die ursprüngliche Spielzeit von „Southeastern“ um eine Viertelstunde. Dies liegt vor allem an den vergleichsweise längeren Instrumentalpassagen, wie dem Gitarrensolo bei „Cover Me Up“. „Stockholm“ hingegen wird etwas druckvoller. In der Gesamtschau entfernen sich die Titel aber nicht weit von den Studio-Versionen. Soweit ich die bisherigen Live-Aufnahmen von Isbell überblicke, sind „Live Oak“, „Songs That She Sang In The Shower“, „New South Wales“, „Yvette“ sowie „Relatively Easy“ auf keinem anderen Konzertmitschnitt veröffentlicht.

Wer einen Faible für Americana hat, sollte „Southeastern“ von Jason Isbell im Regal haben. Die 10th Anniversary-Edition des Albums bedient mit den Demo-Versionen zudem Freunde der puristischen Singer/Songwriter-Sparte. Die Live-CD bietet einige Tracks, die nicht auf anderen Konzertveröffentlichungen vertreten sind, welche die Neuausgabe für Fans, die „Southeastern“ bereits ihr eigen nennen, zusätzlich interessant macht.

Southeastern Records – Thirty Tigers/Membran (2023)
Stil: Americana

Tracks:

CD 1
01. Cover Me Up
02. Stockholm
03. Traveling Alone
04. Elephant
05. Flying Over Water
06. Different Days
07. Live Oak
08. Songs That She Sang In The Shower
09. New South Wales
10. Super 8
11. Yvette
12. Relatively Easy

CD 2
01. Cover Me Up
02. Stockholm
03. Traveling Alone
04. Elephant
05. Flying Over Water
06. Different Days
07. Live Oak
08. Songs That She Sang In The Shower
09. New South Wales
10. Yvette
11. Relatively Easy

CD 3
01. Intro (live)
02. Cover Me Up (live)
03. Stockholm (live)
04. Traveling Alone (live)
05. Elephant (live)
06. Flying Over Water (live)
07. Different Days (live)
08. Live Oak (live)
09. Songs That She Sang In The Shower (live)
10. New South Wales (live)
11. Super 8 (live)
12. Yvette (live)
13. Relatively Easy (live)

Jason Isbell
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Keegan McInroe – Agnes – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Die Kulisse einer kleinen, 100 Jahre alten Kirche im ehemaligen Minenarbeiterort Terlingua, Texas., diente als Live-Aufnahmestudio für Keegan McInroes neues Album “Agnes”. Offenbar ein toller Ort, denn der aus Fort Worth, Tx., stammende Songwriter, Sänger, Gitarrist, Weltenbummler und Poet hat auf seinem 6. Longplayer die außergewöhnliche Atmosphäre des verlassenen Gebäudes hörbar eingefangen. Das eigenständige Spektrum aus Old Blues, Old Country, Folk und Americana eröffnet die Trackliste mit dem dunkel sich dahinschleppenden Blues Titel “Old Road”.

Die starke Inszenierung des manchmal etwas an Tom Waits erinnernden Gesangs verleiht dem erstklassigen Blues-Song auch durch die raue Guitar/Harp Kombination ein düsteres Flair. Sehr ähnlich bewegt sich “Boom Or Bust”, im schnellen Blues Rhythmus und sozialkritischen Anti-Kriegs-Lyrics hat das Stück ebenfalls immer eine neue Runde verdient. Dieses interessante Dark-Blues-Konzept wird auf “Man In The Ground” noch einmal variiert, zeigt aber nur einen kleinen Teil von McInroes Songwriting Qualitäten.

Vielfach sind es die kleinen Anleihen bei erfolgreichen Stilrichtungen, die in durchweg guten Eigen- und Co-Kompositionen (z.B. “Old Road” mit Gitarrist Matt Tedder) kreativ eingearbeitet wurden. So prägen schöne Kris Kristofferson Storytelling-Ansätze die eingängige Americana-Ballade “La Puerta” und die Eagles ziehen bei “Stoned & Broken Hearted” melodisch in Bestform, wie früher ihre Country-Krise.

Unbedingt hervorzuheben sind auf jeden Fall die akustischen und poetischen Folk/Country-Tracks, wie der Titelsong “Agnes”. Herausragende Dichtkunst trifft auf ein Leonard Cohen Vorbild im Duett. Bei “Then You’ll Know” ist die Gesellschaftskritik textlich und politisch aktuell auf die Umweltzerstörung bezogen, die in den USA auch vor allem die Native Americans belastet. In der ursprünglichen Tradition der amerikanischen Liedermacher aus der Folkbewegung (z.B. Woody Guthrie, Pete Seeger und Bob Dylan) ist der “Talkin’ Site Unseen Blues”, ein gutes Beispiel eines akustischen Guitar Blues und Geschichtenerzählers, der sein Handwerk versteht. Hierzu gehört ohne Zweifel die letzte Boogie-Nummer „Chisos Mission Blues” – in Dylanschen Sprechgesang beim berühmten „Subterranean Homesick Blues”.

Keegan McInroe hat über die Jahre seiner Karriere bereits u.a. mit Leon Russell, Otis Taylor und der Band Of Heathens auf der Bühne gestanden und schon vor über 10 Jahren Tourneen in Deutschland absolviert. Sein American Roots Blues und Country-Folk ist in dem neuen Album “Agnes” mit bodenständigen Lyrics sehr eindrucksvoll an diejenigen adressiert, die eine ungehobelte musikalische Handschrift mögen. McInroe ist im Herbst wieder in Deutschland auf Tour.

Eigenproduktion (2023)
Stil: Americana, Country, Roots Rock

Tracks:
01. Old Road
02. Agnes
03. Boom Or Bust
04. Then You’ll Know
05. Talkin’ Site Unseen Blues
06. Stoned & Broken Hearted
07. La Puerta
08. Man In The Ground
09. Chisos Mission Blues

Keegan McInroe
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Smith Music

Buddy & Julie Miller – In The Throes – CD-Review

Review: Michael Segets

Wenn ich anfangen würde, die Musiker aufzuzählen mit denen Buddy Miller im Laufe seiner Karriere zusammengearbeitet hat, dann müsste ich eine lange Reihe von Verlinkungen zu der Interpretenliste von SoS einfügen. Ich beschränke mich daher auf zwei kurze Hinweise: sein Mitwirken auf der aktuellen Scheibe von Lucinda Williams sowie auf Jim Lauderdale, mit dem er einen gemeinsamen Longplayer aufnahm. Die Veröffentlichung seines sechsten und bislang letzten eigenen Studioalbums liegt allerdings schon ein Dutzend Jahre zurück.

Seine Ehefrau Julie brachte eine Vielzahl von Longplayern heraus und kollaborierte mehrfach mit Patty Griffin und Größen wie John Hiatt oder Shawn Colvin. Sowohl Buddy als auch Julie sind also in der Songwriter-Szene fest verhaftet. Seit Anfang der 2000er treten die Millers als Paar in Erscheinung und scheinen sich mittlerweile auf gemeinsame Werke zu konzentrieren.

Die Songs auf „In The Throes“ schrieb Julie in einem Rutsch. Einzig „Don’t Make Her Cry“ ist ein Gemeinschaftsprojekt von Bob Dylan und Regina McCrary, dem sie den letzten Schliff mitgab. Das Ehepaar teilt sich die Gesangparts auf der CD. Die Stimme von Julie schmeichelt sich nicht unmittelbar ein, während Buddys Gesang den Songs einen weicheren Touch mitgibt. Gerade vom Zusammenklang der beiden leben die Stücke, wie beispielsweise das herausragende „Niccolo“.

Harmonisch wirken die ruhigen Tracks, bei denen Buddys Gesang im Vordergrund steht. Neben dem bereits erwähnten „Don’t Make Her Cry“ fallen „Tattooed Tear“ und „I’ll Never Live It Down“ in diese Kategorie. Alle drei Titel sind schöne Balladen, die markanteren Beiträge stellen aber die Tracks dar, auf denen Julie die Lead Voices übernimmt. So bekommt der Opener „You’re My Thrill“ eine leicht angeschrägte Note, die ihn unverwechselbar macht. In Sachen Expressivität legt das rockige Titelstück noch eine Schippe drauf. Stark ist zudem „The Painkillers Ain’t Workin‘“, bei dem Julies Stimme ebenfalls dominiert. Gurf Morlix tritt hier als Gastmusiker auf.

Einhören muss man sich bei dem bluesigen „I Been Around“, das fast schon psychodelische Züge trägt. Eingängig ist hingegen das mehrstimmig angelegte „We’re Leavin‘“ mit Stuart Duncan an der Geige. Der Refrain lädt zum Mitsingen ein, wenn man sich an dem religiös angehauchten Text nicht stört.

Emmylou Harris gibt sich bei „The Last Bridge You Will Cross“ die Ehre. Das Cello von Matt Slocum unterstreicht die getragene Stimmung der Ode an den 2020 verstorbenen Bürgerrechtler John Lewis, dem bereits Willie Nile auf „The Day The Earth Stood Still“ ein musikalisches Denkmal setzte. Die Themen der anderen Songs drehen sich zumeist um Freude und Frustration in einer Beziehung. Wer wie die Millers seit über dreißig Jahren verheiratet ist, wird davon wohl selbst ein Lied singen können. Schön ist, wenn nach dieser Zeit noch ein gegenseitiges „I Love You“ ausgesprochen wird.

Das Gemeinschaftsprojekt von Buddy und Julie Miller „In The Throes“ zeigt erneut, wie gut das Ehepaar harmoniert. Julie liefert das Songmaterial, Buddy arrangiert es kongenial. Ihr Gesang steuert expressive Töne bei, seiner stellt einen ausgeleichenden Gegenpol dar. Dabei kommt eine spannende Mischung zwischen progressiven und traditionsverbundenem Americana heraus. In diesem Genre sichern sich die Millers mit „In The Throes“ einen Platz auf der Bestenliste 2023.

New West Records – Redeye/Bertus (2023)
Stil: Americana

Tracks:
01. You’re My Thrill
02. In The Throes
03. Don’t Make Her Cry
04. Niccolo
05. I Love You
06. The Last Bridge You Will Cross
07. The Painkillers Don’t Workin’
08. Tattooed Rose
09. I Been Around
10. I’ll Never Live It Down
11. We’re Leavin’
12. Oh Shout

Buddy & Julie Miller
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V2 Records Promotion GSA

EG Kight – Sticks And Strings – CD-Review

Review: Jörg Schneider

Eugenia Gail Kight, kurz EG Kight, ist eine amerikanische Bluessängerin, Gitarristin und Songwriterin, musikalisch massgeblich beeinflusst durch die großartige Koko Taylor mit der sie, neben anderen Künstlern wie Luther Allison, Jerry Lee Lewis, Taj Mahal und B. B. King, bereits auf der Bühne stand.

Zusammen mit ihren Mitstreitern Gary Porter (Schlagzeug, Mundharmonika) und Ken Wynn (Leadgitarre & Dobro) hat sie nun ein neues, rein akustisches Album namens „Sticks and Strings“ herausgebracht. Neun der zehn Songs stammen aus Kights Feder, der zehnte ist eine wunderschöne Coverversion des Gregg Allman-Stücks „Come And Go Blues“.

„Sticks And Strings“ bietet einen bunten und gefälligen Strauß an Blues-/Roots-Musik, mit teilweise deutlichen Americana-Anleihen. Die Songs handeln von guten und schlechten Beziehungen und sind ein Stück weit wohl auch autobiografisch gefärbt. In „God, Goats And Guitars“ beschreibt EG Kight, was sie durch schwierige Zeiten gebracht hat, übrigens mit ihrer Mutter als Hintergrundsängerin. Mein persönlicher Favorit ist allerdings „Already Gone“ mit einer schönen Hookline und starker Harp.

Alle Songs wurden von dem Trio liebevoll arrangiert und wohltuend ruhig umgesetzt, nicht zuletzt auch wegen Kights gefühlvoller Gesangsstimme. Besinnlich, aber nicht schwermütig, sondern durchaus lebensfroh und hoffnungsvoll, so könnte man die Grundstimmung des Albums beschreiben. Für ruhigere Momente des Lebens bestens geeignet, ohne dabei Gefahr zu laufen, in tiefe Traurigkeit zu verfallen.

Mit ihrem Südstaaten-Charme und Songwritertalent erstaunt es nicht, dass EG Kight im Laufe ihres immerhin schon 25- jährigen Musikerdaseins bereits zahlreiche Nominierungen in unterschiedlichen Sparten (u. a. Song des Jahres und Album des Jahres), erhalten hat.

Mit seinen ruhigen, akustischen Tönen sticht dieses Album aus all den anderen Neuerscheinungen angenehm heraus und es sollte in keiner gut sortierten Sammlung fehlen.

Label: Blue South Records (2023)
Stil: Blues, Roots, Americana

Tracks:
01. Talk To Me
02. You Have No Reservation
03. Come And Go Blues
04. Already Gone
05. All Things Considered
06. God, Goats And Guitars
07. My Baby‘s Hiding Something
08. Two Sides To Every Story
09. Changes Coming Down
10. I Won‘t Ever Give Up

EG Kight
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Ryan Bingham – Watch Out For The Wolf – EP-Review

Review: Michael Segets

Ryan Bingham befindet sich zuletzt in einem eher langsamen Veröffentlichungsmodus. Vier Jahre liegen zwischen „Fear And Saturday Night“ (2015) und „American Love Song“ (2019). Nach weiteren vier Jahren meldet er sich nun mit der EP „Watch Out For The Wolf“ zurück. Untätig war er in der Zwischenzeit aber nicht, so spielte er bei der Fernsehserie „Yellowstone“ eine Nebenrolle und steuerte zusammen mit Nikki Lane einen hervorragenden Beitrag zum Tribute für Billy Joe Shaver bei.

Entstanden ist sein aktuelles Werk in der Einsamkeit einer Berghütte in Montana. In diese hatte sich Bingham mit zwei Gitarren, Mandoline und Keyboard zurückgezogen. „Watch Out For The Wolf“ lässt sich als musikalische Version eines Selbstfindungstrip a la „Into The Wild“ verstehen. Zurückgeworfen auf sich allein sind so sieben Songs fernab jeglicher Lagerfeuerromantik entstanden. Bingham spricht davon, in der Abgeschiedenheit der Natur emotionale und spirituelle Erfahrungen gemacht zu haben, die ihn veränderten. Jenseits des persönlichen Wertes eines solchen Experiments, überzeugt auch das musikalische Ergebnis fast durchgängig.

Im Opener „Where My Wild Things Are“ thematisiert er den Rückzug in die Natur, bei dem die Lasten der Vergangenheit zwar mitgetragen werden, aber in weite Ferne rücken. Mit einem gleichmäßigen Rhythmus rollt der Song vor sich hin, getragen von Binghams sonorem Gesang. Dabei entwickelt er eine Aufbruchsstimmung, die langen Autofahrten eigen ist. „Shivers“ erscheint ebenfalls atmosphärisch dicht, nicht zuletzt, weil Bingham hier viel Leid in seine Stimme legt. Es erzielt mit Hilfe des Keyboards eine hypnotische Wirkung und erinnert an die letzten Scheiben von Paul Cauthen. Mit den elektronischen Klängen übertreibt Bingham etwas bei „Automated“. Zwar ähnlich wie die beiden anderen angelegt, spricht der Track mich überhaupt nicht an. Dass der Rhythmus aus der Retorte stammt, fällt bei ihm besonders auf. Ein echtes Schlagzeug hätten den Songs insgesamt sicherlich gut getan. Ob aber Bingham Schlagzeug spielen kann, weiß ich nicht, und zudem wäre es ein logistisches Problem geworden, dieses in die Waldhütte zu schaffen.

Nach dem eher getragenen Einstieg in die EP setzt das rockige „Instrumental“ eine Zäsur. Danach folgen zwei starke Titel, bei denen Bingham zur Mandoline greift. Beim Aufbau des country-rockigen „River Of Love“ kommt Steve Earle als Vergleichspunkt in den Sinn. Während Bingham hier seine elektrische Collins-Gitarre sprechen lässt, steht bei „Devil Stole My Style“ eine alte Gibson im Zentrum der Begleitung. Er setzt bei dem Stück einen Hall-Effekt ein, sodass der Song nicht als rein akustisch gelten kann. Der Hall intensiviert dabei die Wirkung von Binghams ausdrucksstarkem Gesang.

Den Abschluss bildet „This Life“, mit dem „Watch Out For The Wolf” inhaltlich zu einem optimistischen Ende geführt wird. Bingham setzt hier mit seinen Pfeifeinlagen einen Akzent und greift damit ein Element des ersten Song wieder auf. Der Konzeptcharakter der EP wird damit unterstrichen.

Insgesamt kann das Soloprojekt „Watch Out For The Wolf” von Ryan Bingham als ein gelungenes Experiment bezeichnet werden. Mit Gitarren, Mandoline und Keyboard ausgerüstet spielte er im Alleingang in der Abgeschiedenheit einer Waldhütte sieben Songs ein und übernahm auch deren Produktion sowie die Abmischung. Die EP zeigt also Bingham pur, wobei er sich nicht allzu weit von seinen bisherigen Veröffentlichungen entfernt.

The Bingham Recording Company/Thirty Tigers/Membran (2023)
Stil: Americana

Tracks:
01. Where My Wild Things Are
02. Automated
03. Shivers
04. Instrumental
05. River Of Love
06. Devil Stole My Style
07. This Life

Ryan Bingham
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Thirty Tigers

Lori McKenna – 1988 – CD-Review

Nachdem Lori McKenna auf ihrem letzten Album „The Balladeer“ eher die typische Singer-/Songwriter-Klientel bedient hatte, nimmt sie drei Jahre später mit ihrem neuen Werk „1988“ wieder mehr Kurs in Americana-/roots-rockigere Gefilde. Das Album hat sie nach dem Jahr benannt, in dem sie mit ihrem Mann Gene das Ehebündnis geschlossen hat. Beide sind heute noch verheiratet und haben fünf Kinder.

Ja, beim Titel „1988“ denkt man natürlich automatisch daran, wie das Jahr damals persönlich für einen selbst gelaufen ist und ich muss schon etwas innerlich recherchieren, bis man es wieder halbwegs einordnen kann. 5 Jahre nach meinem Abitur im Jahr 1983, trafen wir uns alle erstmalig wieder zu einer gemeinsamen Feier (ich fristete zu dieser Zeit  noch dem Junggesellendasein), eine Tradition die wir von da an alle 5 Jahre bis zum heuteigen Tag fortführen, im kommenden November sind es dann 40 Jahre, unfassbar…

Sportlich hatte ich mit zwei erfolgreichen Tischtennis-Bundesliga-Saisons (83/84 und 86/87) bereits den Zenit meiner Karriere überschritten, auch wenn es mir drei Jahre später 1990 noch gelang, in der 2. Bundesliga eine komplette ungeschlagene Halbserie mit 17 siegreichen Spielen in Folge hinzulegen, was von keinem Spieler mehr in den zehn folgenden Jahren bis zu meinem Ausscheiden aus dem höherklassigen Ballsport wiederholt werden konnte.

Beruflich befand ich mich nach Wehrdienst in der Sportfördergruppe in Köln, Ausbildung zum Industriekaufmann in Paderborn noch in der Findungsphase, bis ich 1991 dann im Medienbusiness gelandet bin, dem ich bis zum heutigen Tage noch verbandelt bin.

Musikalisch fördert meine LP-/CD-Sammlung nicht viel  im Jahr 1988 Herausragendes zu Tage, der Southern Rock wurde mit dem Einzug von Synthesizer-Klängen zum Teil übel kommerzialisiert (u. a. 38 Special „Rock’N’Roll Stragedy“,  Outlaws „Soldiers Of Fortune“), so würde ich hier das Debüt von Melissa Etheridge, „Long Cold Winter“ von Cinderella und die wohl eher unbekanntere Scheibe „Memory In The Making“ von einem John Kilzer als Highlights in der Retrospektive hervorheben.

2005 hatte ich dann mal das Vergnügen, die Grammy-dekorierte Protagonistin beim Blue Highways Festival (u. a. mit Interpreten wie Bernie Leadon, Jim Lauderdale, Son Volt, Kelly Willis und Chuck Prophet) im kleinen Saal der Vredenburg in Utrecht live erleben zu dürfen.

Schon damals konnte man ihr Potential als brillante Songwriterin erahnen, was nicht zuletzt durch unzählige Credits für Stars der New Country-Szene wie u. a. Faith Hill, Sara Evans, Tim McGraw, Keith Urban, Little Big Town, Carrie Underwood, Taylor Swift und sogar auch für Lady Gaga in vermutlich finanzielle Unabhängigkeit mündete.

So kann sich Lori im Rahmen ihrer eigenen Musikveröffentlichungen ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit gönnen, diesmal also, wie anfangs erwähnt, etwas roots-rockiger im Ambiente. So dominieren Gesang, Akustik- und typisch gespielte E-Gitarren samt Bass- und Drum-Rhythmus-Grundlage das Geschehen, ganz dezent klingen auch mal Organtöne durch.

Die Texte mit den eingängigen Refrains sind gewohnt intelligent und überwiegend autobiografisch angefärbt, die Musik hat was von den Chicks (auch der Stimmähnlichkeit zu Natalie Maines geschuldet – „The Old Woman In Me“, „Happy Children“), Sheryl Crow (u. a. „Killing Me“), einem weiblichen Will Hoge („Days Are A Honey“, „The Town In Your Heart“), Miranda Lambert („1988“) oder auch viel unterschwelliges Tracy Chapman-Flair („Growing Up“, „Wonder Drug“, „Letting People Down“) und weiß bis zum ultimativen Abschluss, dem schmerzhaften „The Tunnel“ durchgehend zu begeistern.

“I like doing solo shows, but I really like it when we’re all together, That’s another reason why this record sounds the way it does. I really wanted it to sound like a band, because it’s so fun to play live that way“, so McKenna zu ihrem neuen, von Dave Cobb produzierten und mit eingespielten neuen Werk „1988“.  Die Zielvorgabe ist aus meiner Sicht perfekt umgesetzt! Mit das stärkste Album ihrer Karriere!

CN Records-Thirty Tigers/Membran (2023)
Stil: Americana

Tracks:
01. The Old Woman In Me
02. Happy Children
03. Killing Me (feat. Hillary Lindsey)
04. Days Are A Honey
05. 1988
06. Growing Up
07. Wonder Drug
08. The Town In Your Heart
09. Letting People Down
10. The Tunnel

Lori McKenna
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Lucinda Williams – Stories From A Rock N Roll Heart – CD-Review

Review: Michael Segets

Dass mit fortschreitendem Alter manche Dinge nicht mehr so wie früher von der Hand gehen, gehört zu den natürlichen Erfahrungen derer, denen ein längeres Leben vergönnt ist. Tragisch ist, wenn das Schicksal zuschlägt und von einem Moment zum anderen plötzlich alles anders wird. Lucinda Williams erlitt vor drei Jahren einen Schlaganfall, der ihr das Gitarrenspielen nicht mehr ermöglichte.

Da sie ihre Songs auf der Gitarre komponierte, war nun ein Umdenken notwendig. Williams macht auf „Stories From A Rock N Roll Heart” aus der Not eine Tugend. Sie entdeckt neue, kooperative Formen der Songentwicklung. Ihr Ehemann und Manager Tom Overby wurde nun stärker in den Entstehungsprozess der Songs eingebunden. Zusätzliche Unterstützung suchte Williams bei ihrem Roadmanager Travis Stephens, der an neun Tracks mitwirkte. Darüber hinaus beteiligte sich Jesse Malin an drei Songs.

Auf Kooperation setzt William ebenso bei der Umsetzung der Stücke. Sie holte sich eine Vielzahl namhafter Musiker für die Background Vocals ins Studio. Das wäre wahrscheinlich nicht notwendig gewesen, denn gesanglich präsentiert sich Williams wie eh und je. Das Album profitiert aber dennoch davon. Zudem konnte sie sich auf ihre routinierten Bandmitglieder verlassen, zu denen Stuart Mathis, Steve Ferrone, Reese Wynans, Steve Mackey und Doug Pettibone gehören.

In Williams schlägt ein Rock ’n‘ Roll-Herz, was sie erneut mit dem Opener „Let’s Get The Band Back Together” unter Beweis stellt. Im Background mischen unter anderem Margo Price und Buddy Miller mit. Price begleitet Williams ebenfalls auf dem expressiven „This Is Not My Town”. Der außergewöhnliche Gesang von Williams ist sicherlich nicht jedermanns Sache, auf Dauer mag er zugegebenermaßen leicht anstrengend wirken, wie kritischere Stimmen als meine bei ihrem Tribute für die Rolling Stones anmerkten. Ich mag ihn. Auf dem neuen Album sind die kantigen Passagen dosiert, sodass es auf ihm auch im Vergleich zu „Good Souls Better Angels” (2020), dem Vorgänger mit selbstkomponierten Songs, insgesamt harmonischer zugeht.

Den Höhepunkt der drei wirklich rockenden Titel des aktuellen Longplayers stellt das gradlinige „Rock N Roll Heart“ dar, das von Bruce Springsteen stammen könnte. Geschrieben hat der Boss den Song nicht, aber er und Patti Scialfa singen ihn mit. Das Ehepaar unterstützt Williams ebenfalls auf der ersten Single „New York Comeback“, die direkt ins Ohr geht und ebenfalls zu meinen Favoriten zählt.

Mit der zweiten Single „Stolen Moments“ gedenkt Williams Tom Petty. Der Titel wurde bereits auf „Runnin‘ Down A Dream“ im Rahmen ihrer Reihe „Lu’s Jukebox“ vorgestellt. Petty sowie Bob Stinson (The Replacements), mit dessen Bruder Tommy sie „Hum’s Liquor“ performt, ist ihr aktuelles Werk gewidmet.

Die dritte Single „Where The Song Will Find Me” steht stellvertretend für die langsameren Tracks des Longplayers. Zu diesen Beiträgen gehört „Jukebox“, auf dem Angel Olsen am Ende mit dezenten Harmonien im Hintergrund zu hören ist. Doug Pettibone legt sich hier mit der Pedal Steel mächtig ins Zeug. Auf „Last Call For The Truth” ist sie ebenfalls präsent, nimmt aber nicht so viel Raum ein. Der Song verdient unter den ruhigeren Tracks nochmal ein Ausrufezeichen und dies nicht nur, weil die Ballade von einer kraftvollen Gitarrenpassage aufgefrischt wird.

Zum Abschluss reflektiert Williams den Kampf beim Songwriting und zeigt sich mit „Never Gonna Fade Away“ dem Schicksal trotzend. Wer mehr über Williams und ihr Leben erfahren möchte, kann ihre kürzlich erschienene Autobiographie „Don’t Tell Anybody The Secrets I Told You“ zurate ziehen.

Dass Lucinda Williams gezwungen war, ihre Routinen im Prozess Songwritings aufzubrechen, merkt man „Stories From A Rock N Roll Heart“ nicht an. Vielleicht erscheinen die Songs insgesamt nicht so experimentierfreudig wie bei „Good Souls Better Angels“, auf dem aktuellen Werk sind aber typische Balladen und starke Rockstücke vorhanden, die Williams mit ihrem ausdrucksvollen Gesang meistert. Zusätzlich veredelt wird die Scheibe durch Gastbeiträge zahlreicher Kolleginnen und Kollegen wie Margo Price oder Bruce Springsteen.

Highway 20 – Thirty Tigers (2023)
Stil: Rock, Americana

Tracks:
01. Let’s Get The Band Back Together (feat. Margo Price, Jeremy Ivey, Siobhan Maher Kennedy, Buddy Miller, Sophie Gault)
02. New York Comeback (feat. Bruce Springsteen, Patti Scialfa)
03. Last Call For The Truth
04. Jukebox (feat. Angel Olsen)
05. Stolen Moments
06. Rock N Roll Heart (feat. Bruce Springsteen, Patti Scialfa)
07. This Is Not My Town (feat. Margo Price)
08. Hum’s Liquor (feat. Tommy Stinson)
09. Where The Song Will Find Me
10. Never Gonna Fade Away

Lucinda Williams
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Oktober Promotion

Jason Isbell And The 400 Unit – Weathervanes – CD-Review

Review: Michael Segets

Nach dem Coveralbum „Georgia Blue” (2021) präsentiert Jason Isbell neues Material aus eigener Feder, das es in sich hat. Wie bei „The Nashville Sound“ (2017) und „Reunions“ (2020), die Jason Isbell zusammen mit seiner Band The 400 Unit einspielte, überschlagen sich die positiven Kritiken zum neuen Album „Weathervanes“. Diese sind durchaus begründet.

Das bereits vorab herausgegebene „Death Wish“ ist ein hammermäßiger Song, dessen Intensität von keinem anderen Track auf dem Werk erreicht wird. Dennoch liefern Jason Isbell And The 400 Unit durchgängig bemerkenswerte Songs ab, sodass der Longplayer insgesamt als ein neuer Meilenstein in der Bandgeschichte gelten kann. The 400 Unit sind weiterhin Sadler Vaden, Derry deBorja, Jimbo Hart und Chad Gamble. Amanda Shires wird in den Credits nicht mehr als Bandmitglied, sondern lediglich als Special Guest geführt. Warum sich ihr Status geändert hat, entzieht sich meiner Kenntnis.

Shires Geigenspiel ist weiterhin auf dem Album präsent („King Of Oklahoma“, „If You Insist“). Vor allem bei „Cast Iron Skillet“ harmoniert die Violine mit dem Akkordeon von deBorja hervorragend. Hauptdarsteller auf den Songs ist jedoch Isbells Gesang, der auch tontechnisch vor den Instrumenten liegt. Der Frontmann setzt seine Stimme, bei der häufig eine innere Zerrissenheit mitschwingt, in seiner typischen, expressiven Weise ein. Aber auch wenn er ruhige und melodiöse Töne anstimmt, entfaltet sie ihre Wirkung. Auf „Middle Of The Morning“ kombiniert er beide Facetten seiner Sangeskünste.

Neben semi-akustischen Tracks wie „White Beretta“ und dem wunderbaren „Strawberry Woman“, bei dem Mickey Raphael für die Mundharmonika als Gast in die Blackbird Studios eingeflogen wurde, finden sich auch einige Rockstücke. Auf dem stärksten Rocker der Scheibe „When We Were Close” nutzt Vaden die Gelegenheit härtere Riffs anzuschlagen. Filigrane Gitarrensoli steuert er zum dynamischen „This Ain’t It” bei.

Längere Instrumentalpassagen verzeichnet die siebenminütige Hymne „Miles”. Sie verströmt den Charme der Seventies und beschließt das Album. Zwischen den Americana- und Rock-Beiträgen unternimmt „Vestavia Hills“ einen Ausflug in Country-Gefilde. Etwas Slide und gelungene Gitarrenparts zeichnen den Track aus. „Weathervanes“ bietet so durchaus Abwechslung ohne von der musikalischen Linie, für die Isbell bekannt ist, abzuweichen.

Die Texte haben Tiefgang. Isbell kennt sich mit Krisen aus, die Kindheit, Beziehungen und Erkrankungen mit sich bringen können. In seinen Lyrics scheint immer etwas von seinen eigenen Erfahrungen durch. Der Blick in die Vergangenheit verklärt diese stets. Als Gegenmodell zu den „Glory Days“, wie sie beispielsweise Bruce Springsteen besingt, legt Isebell den Focus auf die früheren Belastungen und geführten Auseinandersetzungen, die bis in die Gegenwart hineinwirken. Der Wunsch, die ermüdenden Kämpfe hinter sich zu lassen, und die Vergeblichkeit des Versuchs, ihnen zu entgehen, bringt der Songwriter in „Volunteer” ungeschönt zum Ausdruck. Ein bewegendes Stück, das Isbells und Shires‘ Gesang kongenial in Szene setzt.

Einen persönlichen Einblick in sein Leben und seine musikalische Entwicklung dokumentiert „Jason Isbell: Running With Our Eyes Closed“. Der von Regisseur Sam Jones gedrehte Film entstand im Zusammenhang mit der Veröffentlichung von „Reunions“ und ist seit zwei Monaten auf HBO Max zu sehen. „Reunions“, das eine Top-Ten-Plazierung und Spitzenplätze in den einschlägigen Sparten-Charts erreichte, lässt diesbezüglich kaum Steigerungen zu. „Weathervanes“ spielt jedoch in einer anderen Liga und hat das Zeug, sich zum Klassiker zu entwickeln.

„Weathervanes“ ist ein großes Album, mit dem Jason Isbell über sich hinauswächst. Mit The 400 Unit und Amanda Shires im Rücken legt er ein tiefgründiges, musikalisch überzeugendes Werk vor, das seine früheren Veröffentlichungen – mindestens die der letzten fünf Jahre – in den Schatten stellt.

Southeastern Records – Thirty Tigers/Membran (2023)
Stil: Rock, Americana

Tracks:

01. Death Wish
02. King of Oklahoma
03. Strawberry Woman
04. Middle Of The Morning
05. Save The World
06. If You Insist
07. Cast Iron Skillet
08. When We Were Close
09. Volunteer
10. Vestavia Hills
11. White Beretta
12. This Ain’t It
13. Miles

Jason Isbell
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

L.A. Edwards – Out Of The Heart Of Darkness – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Für den Singer/Songwriter und Multi-Instrumentalisten Luke Andrew Ewards waren es nur wenige Jahre, um vom ursprünglichen Folk (Rock) über Americana zum traditionellen US-Hard Rock durchzustarten, denn er hat nun mit “Out Of The Heart Of Darkness” und seiner Band L.A. Edwards ein Power-Album vorgelegt. Bereits 2015 hatte Edwards nach seiner Debut-EP “Secrets We’ll Never Know” die Unterstützung von Ron Blair erhalten.

Blair, ehemaliger Bassist bei Tom Petty And The Heartbreakers, produzierte das Album “True Blue” (2018) mit Folk Rock- und Americana-Glanzstücken, wie “Louisiana” und “Leaving Los Angeles”. Auch auf den folgenden EPs “Blessings From Home Vol. 1 and 2” (2020/21) spielen Blair und Band-Kollege Steve Ferrone bei Tom Petty-soundigen Nummern (z. B. “Trouble” – Vol. 1 und “Saint Augustine” – Vol. 2) einen hervorragenden Part, geleitet von Produzent Ryan Hadlock (u. a. The Lumineers).

Mit dem Longplayer “Out Of The Heart Of Darkness”, wird ein super-grandioses Stück West Coast All American Songbook aufgeschlagen. 10 Songs, alle mit Hitpotential, ein Feuerwerk des Rock’n’Roll! Geschickt eröffnet wird “Little Boy Blue” durch eine 30-Sekunden Kinderstimmen-Sequenz (Spoken Wordline), die in eine US-Heartland Episode überleitet und mit gehörigen Volldampf das Interesse weckt. Springsteen-like ist danach mit “Now You Know” ein ruhigerer Topsong und folkigem Charakter gelungen (das Video-Cover von “My Hometown” könnte dem Boss hierzu sehr gefallen!).

Der schnelle Rockrhythmus von “Let It Out” bietet samt Guitar-Solo das nächste Highlight; ein musikalischer Kontrapunkt ist demgegenüber “Surrender”: das starke Riff überragt den ruhigeren Verse-Teil und beeindruckt durch die griffige Struktur des Tracks. Eine klassische Rockhymne im Stadionsound folgt mit “Time To Go” und bildet aber nur die Einleitung für großformatige Topsongs, die mit “Hi Rite Now” und “Stick To You” nicht lange auf sich warten lassen. Sowohl radiotauglich in ihrer Dynamik als auch für große Bühnen in ihrer ohrwurmmäßigen Ausstrahlung bestens geeignet, gänsehauttaugliche Stimmung ist garantiert.

Weitere Dance Floor-Tracks lassen keine Pause aufkommen und werden am Beispiel von “Already Gone”, der 1. Single, plötzlich mit einem Orgel-Intro fantasievoll eingeleitet und zu einem musikalischen Selbstläufer stilisiert. Bei entsprechender Lautstärke sind es gleichfalls die superfeinen Song-Titel “Peace With You” und die Schluss-Hymne “The Lucky One”, mit ihrem emotional getriebenen Lyrics und den typischen Power-Chords, die es ohne Zweifel in die erste Reihe charismatischer Guitar Rock Tracks schaffen.

Songs, die Springsteen, Coldplay, Tom Petty, Wilco und andere groß gemacht haben. “As a songwriter, you are a craftsman, I want my work to stand the test of time”, so Luke Andrew Edwards in einem Interview, der sämtliche Songs und Texte geschrieben, für den eindringlichen Gesang verantwortlich ist und die Scheibe selbst produziert hat. Gemixt vom Grammy-Award-winning Toningenieur Tom Lord-Alge ist dabei ein mitreißendes Studiowerk entstanden.

Die aus Carlsbad, Kalifornien, stammende Familien-Band L.A. Edwards, in der neben Luke Andrew noch seine Brüder Jesse und Jerry mitwirken, hat mir “Out Of The Heart Of Darkness” ein sehr rockendes, abwechslungsreiches und gleichzeitig liebevolles Album veröffentlicht. Dieser frische Rock mit zeitlosen, kreativen Kompositionen und harmonischen Melodien erobert schon beim ersten Hören das Rhythmusgefühl. L.A. Edwards sind zur Zeit noch als Support mit The White Buffalo auf Tournee in Deutschland und Europa.

Bitchin’ Music Group (2023)
Stil: Classic Rock, Americana, Folk

Tracks:
01. Little Boy Blue
02. Now You Know
03. Let It Out
04. Surrender
05. Time To Go
06. Hi Rite Now!
07. Stick To You
08. Already Gone
09. Peace Be With You
10. The Lucky One

L.A. Edwards
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