Lucky Came To Town – The River Knows My Name – CD-Review

Review: Michael Segets

Americana muss nicht unbedingt aus Amerika stammen, wie auch das belgische Sextett Lucky Came To Town beweist. Wer sich in Europa dieser Musikrichtung verschreibt, heimst sowieso schon mal Sympathiepunkte ein. Die Bandgründung geht auf das Jahr 2015 zurück. Nach einzelnen mehr oder weniger offiziellen EPs und Live-Mitschnitten erscheint nun der erste Longplayer mit zehn Eigenkompositionen. „The River Knows My Name“ bietet handgemachte Musik, die sich durch ihre Gradlinigkeit wohltuend von neueren Strömungen im Genre abhebt.

Lucky Came To Town setzt auf klare Songstrukturen und eingängige Melodien, die an keiner Stelle langweilig werden. Songwriter und Frontmann Kim Van Weyenbergh wird von seiner Frau Annemie Moons am Mikro begleitet. Die beiden Stimmen harmonieren bestens, besonders eindrucksvoll beim Opener „Ain’t No Blues“ oder später bei „Even Now“.

Auf „Hands On The Wheel“ steuert Lead-Gitarrist Wouter Grauwels ein gelungenes Solo bei. Das kraftvolle Stück geht in Richtung Celtic-Folkrock. Bei einem der Highlights der CD hat auch Dimitri Laes an den Keys seinen Part. Laes glänzt durchweg an den Tasten – so auch auf „Come Dance“. Der schunkelige Song erinnert an einzelnen Stellen an Steve Earle. Dirk Lekenne (Slide Guitar) und Katrien Bos (Fiddle) verstärken die Band dort als Gastmusiker.

Weiterhin sorgt die Gastgeigerin für den richtigen Country-Flair, den „Going Back“ verströmt. Die Rhythmus-Section mit Joost Buttiens (Bass) und Bart Steeno (Drums) leisten ebenfalls ganze Arbeit. Sie gibt langsameren Tracks wie „Oh, Loretta“ Schwung und überzeugt, wenn es wie bei „Soulfire“ in den Uptempo-Bereich geht.

Eine wunderbarer Beitrag ist „Lone Wolf”, der auch aus Warren Zevons Feder stammen könnte. „Coal Blues“ erzeugt eine dunklere Stimmung. Atmosphäre bekommt das Stück durch die eingestreuten Klavier- und Gitarrenpassagen sowie den mehrstimmigen Gesang. Der Song steht denen von Bruce Springsteen, wie er sie für „The Ghost Of Tom Joad“ oder „Devils And Dust“ geschrieben hat, in nichts nach. Zum Abschluss gibt es dann einen rockigeren Track. „New York City Lights“ punktet vor allem mit einem ins Ohr gehenden Refrain.

Die angeführten Referenzen lassen schon erahnen, dass das Gesamturteil sehr positiv ausfällt. Das Album bietet geerdeten Americana in unterschiedlichen Spielarten. Es ist abwechslungsreich und hat keine Ausfälle zu verzeichnen. Die CD hält darüber hinaus eine beachtliche Anzahl von sehr hörenswerten Titeln bereit, die eine uneingeschränkte Kaufempfehlung rechtfertigen.

Gut Ding will Weile haben. Zehn Jahre nach ihrer Gründung veröffentlicht Lucky Came To Town ihren ersten Longplayer. Die Band hatte also genügend Zeit, ihre Hausaufgaben zu machen. Sie bekommt für „The River Knows My Name“ einen Eintrag mit Sternchen.

Eigenproduktion (2025)
Stil: Americana

Tracks:
01. Ain’t No Blues
02. Come Dance
03. Oh, Loretta
04. Hands on the Wheel
05. Lone Wolf
06. Going Back
07. Soulfire
08. Even Now
09. Coal Blues
10. New York City Nights

Lucky Came To Town
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Solomon Cole – Ain’t Got Time To Die – CD-Review

Neuseeland war in letzter Zeit schon zweimal Thema in unserem Magazin, BB & The Bullets als auch das Duo Atua Blues hinterließen dabei einen durchaus passablen Eindruck. Musikalisch verbinde ich bis dato eher die Namen Crowded House (u. a. „Don’t Dream It’s Over“, „It’s Only Natural“) und natürlich Keith Urban, der zumindest dort geboren wurde.

Solomon Cole ist demnach bis dato ein unbeschriebenes Blatt in meiner Review- Laufbahn. Er stammt aus Waiheke Island, einer Insel die ca. 40 Minuten mit dem Boot von Auckland entfernt liegt, wo auch der Videoclip zur ersten Single „Get Up Get On“, ein stampfiger Country-Blues (mit viel Dobro-Slide), gedreht wurde.

Im Prinzip muss man, um sich die Musik des Protagonisten einigermaßen vorstellen zu können, eigentlich nur einen genauen Blick auf das Coverbild der CD werfen, das den Protagonisten in einer düsteren Waldlandschaft mit seiner Dobro zeigt, die auch hier reichhaltig zum Einsatz kommt.

Man schmeiße Ingredienzien von Johnny Cash, Son Volt, Howlin‘ Wolf, Tom Waits, Tony Joe White und Nick Cave in einen brodelnden Topf und erhält ungefähr ein musikalisches Gebräu, dem Solomon Cole hier Genüge trägt,

Der Titelsong „“Ain’t Got Time To Die““, ein gospeliger Contryblues mit Waits-mäßigem Leadgesang, hallender Orgel, atmosphärischen E-Fills und starkem Slide-Solo, weiblichen Gospel-Harmonies, ist zurecht Namensgeber des Werkes.

Das Album „Ain’t Got Time To Die“ von Solomon Cole ist nichts für musikalische Warmduscher. Ein schroffer, rauer, swampiger und schwermütiger Mix aus Blues, Country, ein wenig Southern Rock und Gospel. Das ist was für Leute, die gerne Präsenz zeigen und Wiederstand leisten, wenn es auch mal ungemütlich wird und Gegenwind herrscht. Für Diejenigen halt, die keine Zeit zum Sterben haben…

Dixiefrog Records (2025)
Stil: Blues & More

Tracks:
01. Day Of Reckoning
02. Get Up Get On
03. Woman I Weep
04. Bullet
05. A Little South Of Heaven
06. Apocryphal Flood Blues
07. Ain’t Got Time To Die
08. Call My Maker

Solomon Cole
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Laura Cox – Trouble Coming – CD-Review

Review: Hans-Joachim Kästle

Als Kritiker hat man es manchmal nicht leicht. Wie soll man diese Aussage eines englischsprachigen Reviews toppen: „Laura ist eine knallharte Rock’n’Roll-Lady, die ihrer Gitarre Töne entlockt, die die Welt auf bahnbrechende Weise erschüttern werden.“ Bleiben wir lieber auf dem Boden und wenden schüchtern ein, dass sie die Welt mit ihrer Gitarre und der neuen CD bestimmt nicht aus den Angeln heben wird. Was keinesfalls abwertend gemeint ist, im Gegenteil: „Trouble Coming“ trägt den Namen Laura Cox – das allein ist schon ein Gütesiegel.

Die Tochter eines Engländers und einer Französin startete einst vor über 15 Jahren auf YouTube mit Gitarren-Videos aus ihrem Zimmer durch. Seitdem ist Madame Cox ihren eigenen Weg gegangen. Ihre Vorbilder hat sie längst hinter sich gelassen. Laura Cox ist einfach Laura Cox. Das unterstreicht ihre Aussage: „Das Album markiert eine neue Ära in meiner musikalischen Entwicklung – noch immer tief verwurzelt im Rock, der mich geprägt hat, aber getrieben von völliger Freiheit im Songwriting und in der Komposition.“

Das zeigt gleich der erste Song „No Need To Try Harder“, ein kraftvoller, energiegeladener, rauer Gitarren-Rocker. Das zieht sich durch die ganze CD, ob der Song nun „A Way Home“ heißt, „The Broken“ oder „Do I Have Your Attention?“ Zwischendurch gibt es bei „Out Of The Blue“ eine melodiöse Rock-Ballade. Glattgebügelt, nach dem Mainstream zielend ist hier nichts. Wie gesagt: Laura Cox ist einfach Laura Cox.

VeryCords / earMUSIC (2025)
Stil: Rock

Tracks:
01. No Need To Try Harder
02. A Way Home
03. Trouble Coming
04. Inside The Storm
05. What Do You Know?
06. Dancing Around The Truth
07. Out Of The Blue
08. The Broken
09. Rise Together
10. Do I Have Your Attention?
11. Strangers Someday

Laura Cox Band
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Matt Pascale & The Stomps – Home – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Mit seiner Mischung aus US-Southern-Blues-Rock und fein eingewobenen New-Soul-Elementen steht der Gitarrist, Sänger und Songschreiber Matt Pascale für eine Stilrichtung, die in dieser Form nur selten zu hören ist. Mit Wohnsitz in Kalifornien gilt der gebürtige Sizilianer inzwischen als sehr talentierter Frontmann, der seit 2019 mehrere hundert Konzerte absolviert hat. Sein Debütalbum “Home” ist nach den Credits zu den Aufnahmen eine fast rein italienische Angelegenheit, eingespielt in The Soul Garage (Studios), North Hollywood.

Produzent Fabrizio Grossi (u. a. Billy F. Gibbons, Eric Gales) hat die leidenschaftliche Begabung des erst 25-jährigen Pascale intensiv eingefangen: ein Blues-Rock-Album mit groovigen Funk, Soul und Hip-Hop Portionen wurde maßgeschneidert arrangiert. Der Titelsong eröffnet den Longplayer im souligen Rock-Design, ansprechender mid-tempo Sound und schneidige E-Gitarre sowie Pascales raue Stimmlage verbinden sich zum prägenden Song.

Ein Cocktail aus melodischer Virtuosität (“Fucked Up Once Again”), dreckig harten Riffs (u.a. “Mr. No Money”) und souligen Slow-Blues (“Why Don’t You Tell Me”) dominiert die 12 Tracks. Aus diesem Rahmen gleitet als einziges Cover der Robert Johnson Klassiker “Me And The Devil” (1932) und präsentiert sich in eigenwilliger, futuristischer Version: ein modernes Song-Gemälde huldigt der Tradition. Dieses Erbe erhält seinen charakteristischen Abgesang im letzten Song: urtümlicher Slide-Blues “beschreibt” “Where The Money Talks”.

Als Absolvent der Little Steven (van Zandt) Blues Academy in Notodden, Norwegen, und der Pinetop Perkins Foundation in Clarksdale, Ms., hat Matt Pascale auch diese Eindrücke im Album “Home” verarbeitet und ein vielversprechendes Debüt veröffentlicht.

Das energiegeladene Werk überzeugt durch handwerkliche Präzision und stilistische Ausgeglichenheit. Es erfüllt nicht nur die Erwartungen an ein kraftvolles Debüt, sondern lässt zugleich erkennen, in welche Richtung sich der junge Musiker künstlerisch entwickeln könnte.

Dixiefrog Records (2025)
Stil: Blues-Rock, New-Soul

Tracks:
01. Home
02. Fucked Up Once Again
03. Lost & Found
04. Mr. No Money
05. Sugar Mama
06. Hide & Seek
07. Old Angel’s Talking
08. Me & The Devil
09. Wake Up
10. What Was I Made For
11. Why Don’t You Tell Me A Lie
12. When The Money Talks

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Copperhead County, 17.10.2025 – Kulturrampe, Krefeld, Konzertbericht

Als ich vor zwei Jahren nach ihrem tollen Gig im niederländischen Weert mit Drummer Alex Stolwijk und Bandleader Corvin Keurhorst in einem Smalltalk die Southern Rock-verliebte Kulturrampe in Krefeld als potentiellen Auftrittsort ins Gespräch brachte, war ich, ehrlich gesagt, von Zweifeln geprägt, ob das tatsächlich jemals zustande kommen würde und die mittlerweile vergangene Zeit schien mir recht zu geben.

Umso erfreuter und überraschter war ich, als der Name Copperhead County im Verlauf des Jahres im Terminkalender der Kulturrampe auftauchte. Geplant war eigentlich ein Kombi-Konzert zusammen mit den allseits bekannten Musikern Chris Pohlmann und Ben Forrester (Allen-Forrester Band, Stone Water), wobei jeder Act ca. eine Stunde performen sollte.

Pohlmann erkrankte ganz kurzfristig, sodass die Rampenbühne für ein komplettes Copperhead County-Konzert frei war. Als sich die Band zu einem Western-Musik-Einspieler den Weg zur Bühne der recht gut besuchten Rampe bahnte, fielen mir sofort zwei personelle Veränderungen auf. Zum einen mit Iris Slort eine neue imposante Sängerin und der rauschebärtige Jelle Wunderink als neuer Leadgitarrist.

Dass es auf der Bühne eng werden würde war klar, allein schon die Hammond Orgel von  Jordy Duitscher mit dahinter platziertem Leslie-Lautsprecher nahm schon gut ein Drittel der Fläche ein.

Gespielt wurde in zwei Sets, wobei mit  den standardmäßigen Opener „Enjoy The Ride“ direkt das obligatorische Statement ans Publikum versendet wurde. Die niederländische Combo hat ja bereits mit „Brothers“ und „Homebound“ zwei starke Studiowerke herausgebracht, aus denen naturgemäß auch die überwiegende Anzahl der Tracks präsentiert wurden.

Das waren im ersten Teil dann Stücke wie „Southern Feeling“, „Horizon“, „Bring On The Rain“ (mit schönem MTB-Flair), „Queen Of Vegas“, „Murky Waters“ (Iris Slort übernimmt zum ersten Mal die Lead vocals), „Alpharette Rain“ und  das pettyeske „Sound Of Summer“, bei den sich vor allem Jelle Wunderink mit vielen quirligen Soli zumeist auf einer Telecaster hervortat. Das Highlight war dann vor der Pause jedoch das hervorragend gelungene Cover vom Crosby, Stills, Nash & Young-Song „I Almost Cut My Hair“, mit gleich drei Leadgitarren-Passagen sowie toller Vocal-Performance von Iris Slort.

Im zweiten Teil gelang es dem niederländischen Sextett sogar mit Stücken wie „Wide Plains“, „Hustlin‘ & Buskin'“, „The Well“ (Lead vocals Iris), „JamMan“ (Lead vocals Iris), „Not Even The Wind“ oder  „With You Again, den Spannungsbogen weiter aufzubauen, um dann mit dem furiosen Triple „Quickjaw“ (Richtung „Green Grass & High Tides“) , der Marshall Tucker-Adaption „Can’t You See“ (interessant mit weiblichem Leadgesang) und dem herrlichen erneut Outlaws-umwobenen „Brothers“ die Intensität nochmals zu steigern.

Die Band hatte bei ihrer spielfreudigen und sympathischen Premiere das Rampenpublikum zweifelsohne für sich gewonnen, was dann in zwei Zugaben on top (u. a. Steve Earles „Copperhead Road“) münzte.

Am Ende gab es dann noch unser obligatorisches VIP-Bild und im After-Talk noch die Vorankündigung auf eine Copperhead County-Rampen-Rückkehr schon im nächsten Jahr. Und wer würde das jemals anzweifeln…?

Line-up:
Corvin Keurhorst – lead vocals, guitars, bgv
Jelle Wunderink – guitars
Johan van Dijk – bass, bgv
Alex Stolwijk – drums
Jordy Duitscher – keys, percussion
Iris Slort- bgv, lead vocals, percussion

Bilder: Gernot Mangold
Text: Daniel Daus

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Kulturrampe Krefeld

Atua Blues – Two Roots – CD-Review

Review: Hans-Joachim Kästle

Manchmal flattern CDs ins Haus, da kann man sich schon mal fragen: Wer ist das? Schlimmer allerdings wäre es, wenn dann auch noch die Frage aufkäme: Was bitteschön ist das? Um es vorwegzunehmen: Diese hat sich nicht gestellt, wobei wir gleich mal beim Prädikat „Durchaus hörenswert“ sind.

Kommen wir zum Anfang zurück: Atua Blues besteht aus Grant Haua, einem Maori-Bluesgitarristen und Sänger aus Neuseeland, und David Noel, dem als Feelgood Dave bekannten Leadsänger der in Frankreich beheimateten SuperSoul Brothers.

Apropos Neuseeland: Hatten wir nicht erst neulich etwas aus diesem Pazifikstaat? Klar: BB & The Bullets, deren Debüt-CD „High Tide“ es beim amerikanischen Roots Music Report – der aus Radio-Airplay-Daten zusammengestellt wird – sowohl in der Sparte Blues als auch Blues Rock auf Platz eins geschafft hat. Wenn das mal kein gutes Omen für das Erstlingswerk von Atua Blues ist…

Haua, Noel und ihre Begleitmusiker beginnen die CD mit „Amazing Grace“, einem über 250 Jahre alt Gospelsong, der schon unzählige Male gecovert worden ist. David Noel erklärt die Beweggründe: „Die Wahl dieses Titels kam in unseren Gesprächen sofort zur Sprache, da Gospelmusik unserem Leben Rhythmus verleiht.“

Mit ihrer entspannt-rhythmischen Interpretation schafft es die neuseeländisch-französische Kombination aber, dass der Uraltsong in einem luftigen Gewand daherkommt, was auch für den Nummer-eins-Hit von George Harrison, „My Sweet Lord“, gilt. Hier gibt es Textpassagen aus Maori und Okzitanisch. „River Blues“ ist leicht Country-angehaucht, „I Get The Blues“ ein Slow Blues, „Hard Lovin‘ Woman“ geht Richtung klassischer Blues Rock – stilistische Vielfalt ist somit auch gewährleistet.

Dixiefrog Records (2025)
Stil: Blues, Soul, Gospel

Tracks:
01. Amazing Grace
02. Fisherman
03. Hard Lovin‘ Woman
04. I Get The Blues
05. My Sweet Lord
06. No Competition
07. River Blues
08. Rose
09. Suck It Up
10. What Have We Done
11. Who’s Gonna Save My Soul

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Scott Weis Band – XX – CD-Review

Eigentlich habe ich es auf Studioalben immer gerne etwas ausgefeilter und glattpolierter. Wenn man in seinem Leben schon so viele Scheiben aus Nashville reviewt hat, kommt man schon fast nicht mehr darum herum, auf gewisse dort gesetzte Standards zu achten, was die akribische Einspielung, die Abmischung und den transparenten Sound angeht.

Wer die Scott Weis Band kennt, weiß schon vorher, dass er das genau nicht bekommen wird, sondern auch hier raue, ‚ungeschminkte Wahrheit‘ mittels authentischer Musik serviert bekommt, die meistens fast schon Live-Charakter besitzt und wo nicht so genau drauf geschaut wird, dass alles bis zum Kleinsten sitzt. Und so ist es natürlich auch bei „XX“, dem neuen Werk zum 20-jährigen Band-Jubiläum.

 „My My Love“ ist direkt schon eine Art Mischung aus „Satisfaction“ der Stones und „Gimme Three Steps“ von Skynyrd, somit ein ideal gewählter launiger Einstieg, wie auch beim Konzert vor einigen Tagen.

„Looking For The Preacher“ (schön swampig mit Harp) und das Molly Hatchet-infizierte „Gimme Gimme“ sind weiteres Quellwasser auf die Mühlen der Southern-Gilde. Kommen wir hier zu den Tracks, die nicht auf dem Gig gespielt worden sind:

Da wäre der schöne klassische Slow Blues „Coming In“, allerdings mit jam-artigem Finale, „You Got The Power“ ein kraftvoller Siebziger-Rocksong mit dezent psychedelischer Note, sowie das flockige „I Try“ ein wenig soulig angehaucht, ebenfalls wie das eingängige “ Wheels Are Turning“ ein wenig zuvor.

Die Coverversion von „Tennessee Whiskey“ als Finale ist in der eigenwilligen Scott Weis Band-Variante absolut klasse (deutlich E-Gitarren-orientierter), kann in Sachen Studiosong dem Original von Chris Stapleton nicht ganz das Wasser reichen (siehe meine Anmerkung oben), da erzeugt die countryeskere Geschichte einfach diese unweigerliche Gänsehaut.

Am Ende erhält man mit „XX“  eine raue, ehrliche Scheibe auf hohem Niveau, die von der Machart her an die guten Analog-Zeiten der Siebziger Jahre erinnert und einmal mehr die herausragende Spielfreude der Scott Weis Band untermauert. Und wer es dann noch eine Stufe wilder haben möchte, muss dann einfach die hier noch ausstehenden Konzerte besuchen!

Eigenproduktion (2025)
Stil: Blues Rock

Tracks:
01. My My Love
02. Looking For The Preacher
03. Stand
04. Coming In
05. Gimme Gimme
06. White Crow
07. Wheels Are Turning
08. Promise Land
09. You Got The Power
10. I Try
11. Tennessee Whiskey

Scott Weis Band
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Todd Snider – High, Lonesome And Then Some – CD-Review

Review: Michael Segets

Flossen auf der letzten Veröffentlichung „Crank It, We’re Doomed” (2023) viele Stilrichtungen ein, verfolgt Todd Snider mit „High, Lonesome And Then Some“ ein Konzept, das sich deutlich am Blues orientiert und sich mit totaler Verlangsamung recht gut beschreiben lässt.

Während sich nach Aussage von Snider der Vorgänger thematisch um einen Mann drehte, der den Verstand verliert, zeigen die Texte nun einen Mann, der auf Situationen seines Lebens zurückblickt und versucht, nicht gegangene Wege vielleicht doch noch einzuschlagen. Hört sich nach jemanden in der Midlifecrisis an? Snider umgeht pathetische Floskeln durch seine scharfe Selbstbeobachtung und eine distanzierte Reflexion. Die in den Texten thematisierten Lebenskrisen werden – zumindest teilweise – mit Humor getragen. Dieser schlägt auch bei seiner Bearbeitung eines Stücks von Don Covay durch. Mit einem selbstkritischen Augenzwinkern werden in „Older Women“ eher ernüchternde Erfahrungen mit jüngeren Frauen geschildert.

Allerdings singt Snider öfter über verstorbene Freunde als über Frauen, wie er in einem Interview sagt. Seine musikalischen Vorbilder wie Kris Kristofferson, Guy Clark, John Prine oder Jerry Jeff Walker sind mittlerweile von uns gegangen. Snider setzt die dort angelegten Traditionslinien fort und bereitet die Übergabe des Staffelstabs an die nächste Generation vor, indem er beispielsweise Sierra Ferrell oder Hayes Carll unterstützt.

Beim Opener „The Human Condition (Dancing Like I Don’t Know How)“ sinniert Snider über die Natur des Menschen und dessen eingeschränkte Erkenntnisfähigkeiten. Snider tut das mit minimalistischer Begleitung. Beim folgenden „Unforgivable (Worst Story Ever Told)“ verfährt er ähnlich. Hier sind die Backgroundsängerinnen auffällig, die Snider nahezu durchgängig einsetzt. Erica Blinn und Brooke Gronemeyer milden bei mehreren Songs deren Sperrigkeit etwas ab und geben den Stücken mehr Harmonien mit. So gewinnt auch der eingängigste Track „While We Still Have A Chance“ durch die Sängerinnen. Den folgerichtig als erste Single vorab ausgekoppelten Song schrieb Snider zusammen mit Chris Robinson (Chris Robinson Brotherhood, The Black Crowes).

Typisch für Sniders Alben sind eingestreute Songs, die er mit Sprechgesang vorträgt. Auch diesmal findet sich ein entsprechender Titel („One, Four Five Blues“). Ansonsten brummt der Singer/Songwriter mal mehr und mal weniger ins Mikro. Dies ist natürlich auch dem Albumkonzept geschuldet. Ab „It’s Hard To Be Happy (Why Is For Redneck?)“, gefolgt von „Stoner Yodel #2 (Raelyn Nelson)”, dem bereits erwähnten „Older Women” und dem Titelstück bis hin zum abschließenden „The Temptation To Exist“ gelingt es dem Longplayer, einen gewissen Groove zu entwickeln.

Nach Anlaufschwierigkeiten steigert sich die zweite Hälfte von „High, Lonesome And Then Some”. Dennoch erscheint der Longplayer zwischen Americana und Blues insgesamt etwas schwerfällig. Dies liegt nicht an den introspektiven Texten, die Todd Sniders gewohnte Qualitäten zeigen, sondern an der entschleunigten musikalischen Umsetzung. „High, Lonesome, Then Some” ist ein Konzeptalbum, das es den Hörenden nicht ganz leicht macht.

Lightning Rod Records – Thirty Tigers (2025)
Stil: Americana, Blues

Tracks:
01. The Human Condition (Dancing Like I Don’t Know How)
02. Unforgivable (Worst Story Ever Told
03. While We Still Have A Chance
04. One, Four Five Blues
05. It’s Hard To Be Happy (Why Is For Redneck?)
06. Stoner Yodel #2 (Raelyn Nelson)
07. Older Women
08. High, Lonesome And Then Some
09. The Temptation To Exist

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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Scott Weis Band – 10.10.2025, Blue Notez Club, Dortmund – Konzertbericht

Schade, schade. Es scheint sich immer noch nicht genug herumgesprochen zu haben, dass es abseits der inflationär auftretenden, üblichen Verdächtigen, auch noch jede Menge anderer Musik im Blues Rock-Genre gibt, die man mal live erlebt haben sollte.

So fanden sich auch diesmal wieder nur gut 40 Leute im Dortmunder Blue Notez Club zur Scott Weis Band ein, obwohl das Trio bereits zwei Jahre zuvor einen grandiosen Gig an gleicher Stelle und demnach eine exzellente Visitenkarte abgeliefert hatte.

Das Schöne an der Band aus Pennsylvania ist, dass sie neben ihres sympathischen Erscheinungsbildes auch mit absoluten Könnern durchsetzt ist und zudem jede Menge Southern Rock (und mehr) im Blut zu haben scheint.

Anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens hatten Scott & Co. ihre neue Studio CD „XX“ mit im Gepäck, die auch fast durchgängig im Konzert vorgestellt wurde (Besprechung demnächst ebenfalls im SoS). Es wurde wieder in zwei Sets performt.

Die erste Hälfte stand ganz klar im Zeichen von „XX“. Mit „My My Love“, „Looking For The Preacher“, „Stand“, „White Crow“ und „Gimme Gimme“ gab es sofort ein Fünfer-Pack vom neuen Album, mit der nachfolgenden Killerversion von „Have You Ever Loved A Woman“ (Scott mit Harp- und E-Gitarren-Parallelspiel) wurde dann eine Coverphase mit Tracks wie Chris Stapletons „Tennessee Whiskey“ (auch auf XX als Studioversion), „Just Got Paid“/“Jesus Left Chicago“ und „With A Little Help From My Friends“, jeweils mit eigenem SWB-Stempel, eingeläutet.

Zwischendurch wurden noch „Helpless“ und das flockige „Wheels Are Turning“ (auch von „XX“) eingeschoben.

Der zweite Durchgang begann mit einem Akustik-Set, bei dem Robert Kopec vom E-Bass-Sechssaiter zum imposanten Contrabass wechselte. Als Einstieg gab es erstmal mit „Born Again“ einen herrlichen Ohrwurm. „Simmer Me Down“ mit dezentem JJ_Cale-Flair (inklusiv Harp-Solo) zündete auch in der zurückgenommenen Variante.

Dann folgte der große Solo-Auftritt von Robert Kopec. Nach einem psychedelischen Intro folgte eine Lehrstunde an klassischer Streichermusik, hier am Contrabass. Keine Ahnung wie man das benennt, was folgte, ich bin als typischer und bekennender Kulturbanause die falsche Person.

Sonate, Arie, Requiem, absolut keine Ahnung, wie da der Fachbegriff aussieht. Mein früherer Nachbar, ein ehemaliger Rechtsanwalt, seit ungefähr fünf Jahren verstorben (Gott hab ihn selig), der regelmäßig unser Haus mit dieser Musik lautstark nachts um halb Zwei zu beglücken gedachte, wenn er sturztrunken nach Hause getorkelt kam, hätte da sicherlich kompetent Auskunft geben können, aber am Ende waren Stress, Alimente sowie exzessiver Alkohol-. und Zigaretten-Konsum irgendwann zu viel des Guten… An diesem Abend eine gelungene kurzweilige und extravagante Showeinlage im E-Gitarrenlastigen Blues Rock-Ambiente.

Klasse fand ich die gelungene Balance zwischen ruhigeren Stücken und dann wieder straight rockenden und groovenden Tracks, bei denen sich der Leader mit seiner tollen anpassungsfähigen Stimme und zum Teil Schwindel erregenden Soli auszeichnete.

Mit Stücken wie u. a. „Pride And Soul“, „All Over Again“, meinem Lieblingsstück des Abends, „When Something Is Wrong With My Baby“ (herrliche Ballade mit grandiosen E-Soli), „Raise Your Hands“ (Southern Rock pur), „Right Where It Belongs“, „Promise Land“ (wieder von „XX“) und „Little Child“ (inklusiv Drum-Solo von Roger Voss und spacigem E-Bass-Solo von Kopec), war auch die zweite Hälfte ein absoluter Kracher.

Die eigeforderte Zugabe wurde wieder, wie vor zwei Jahren, mit dem launigen „Angelina“ erfüllt, der Unterschied war diesmal die ausschließlich männliche Präsenz auf der Bühne bei der Harmoniegesangsinteraktion. Am Ende gab es noch das obligatorische Bild mit unserem SoS-Schild, netten Smalltalk und das Zeichnen der neuen CD.

Ein Zuschauer (alles andere als gottesfürchtig aussehend) neben mir sagte, dass er sich innerlich beim lieben Gott bedankte, dass er ihn zu diesem Konzertabend bewogen hatte. Ich denke, damit pst alles zum furiosen Auftreten der Scott Weis Band gesagt.

Line-up:
Scott Weis (lead vocals, electric guitar, harp)
Robert Kopec (E-bass, contra bass, bgv)
Roger Voss (drums, bgv)

Bilder: Gernot Mangold
Text: Daniel Daus

Scott Weis Band
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Blue Notez Club Dortmund

Blue Deal – Make A Change – CD-Review

Hatte ich die süddeutsche Blues Rock-Formation bereits im Vorjahr angesichts ihres Albums „Can’t Kill Me Twice“ bereits zurecht über den ‚grünen Klee‘ gelobt, steht die Tage mit „Make A Change“ direkt schon der dritte Silberling in den Startlöchern.

Und, um es vorweg zu nehmen, wieder begeistert das Quartett, bestehend aus Joe Fischer (lead vocals, keys, cigar box guitar, bluesharp), Tom Vela (guitars, vocals), Jürgen Schneckenburger (drums & percussion) und Willi Macht (bass, voc) mit einem Longplayer, der keinen Vergleich auf höchster internationaler Ebene zu scheuen braucht.

Der Title Track „Make A Change“, demnach als Centersong genau in der Mitte des Werkes platziert, ein toller atmosphärischer (Southern) Blues Rock-Song mit leicht allmanesken Zügen (typische Gregg-Hammond), suggeriert vielleicht rein namentlich eine komplette Richtungsänderung. Die bietet die neue Scheibe – warum auch – aus meiner Sicht eher nicht, hier gilt für meine Begriffe eher ‚Never change a winning team‘.

Denn die Mixtur aus Blues- und Southern Rock, etwas klassischem Rock, samt einiger Stücke mit Ohrwurm-Charakter (die wunderbare Single „Easy To Hurt“ und das ein wenig an Robert Crays „Strong Persuader“ erinnernde „Rent A Heart“), folgt in der Grundstruktur dem tollen Vorgänger, wirkt sogar noch ausgereifter.

Allein der Doppelpack mit den launigen „Another Reason“ würde mit den klimprigen HT-Keys auf jedes Lynyrd Skynyrd-Album aus der Johnny Van Zant-Ära passen) und „Bad Boogie Woman“ (mit klassischer ZZ Top-Hook) – beide Lieder handeln von bösen Mädchen – sind eindeutiger Boogie-Stoff für die Southern Rock-Fraktion.

Während die Rhythmusabteilung gekonnt ihren Job erledigt, setzen Tom Vela mit herrlichen E-Gitarrenvariationen und mein (deutscher) ‚Lieblingsänger‘ Joe Fischer mit seiner so undeutsch klingenden Stimme die entscheidenden Akzente. Letztgenannter offenbart auch an den Keys, seine Fähigkeit den einzelnen Tracks das gewisse Zusatzetwas zu vermitteln.

„Get It Gome“ mit dem furiosen Orgelfinale dürfte der Deep Purple-Gemeinde zusagen, das soulig groovende „Two Hearts“ macht richtig Laune, das trockene „Over Jordan“ besticht durch seinen spröden Tony Joe White-Charme.

Zuletzt sind dann da noch die zwei tollen Slowbluese: „Greenland Shark“ mit eher traditioneller claptonesker Note und das herrliche Finale „Storm Will Come“ eher hymnisch mit Gary Moore-Esprit (à la „Still Got The Blues“).

Blue Deal haben sich mit „Make A Change“ nochmals übertroffen. Mit diesem herrlich abwechslungsreichen Album rücken sie den Blues Rock aus Deutschland (erneut) ins schillernde internationale Rampenlicht. Grandioser Southern Black Forest Blues Rock! Kaufen!

Dixiefrog Records – Redeye/Bertus (2025)
Stil: (Blues) Rock & More

Tracks:
01. Another Reason
02. Bad Boogie Woman
03. Easy To Hurt
04. Get It Gone
05. Hell Valley
06. Make A Change
07. Greenland Shark
08. Two Hearts
09. Over Jordan
10. Rent A Heart
11. Storm Will Come

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