Marc Broussard – Support: Ivy Gold – 24.09.2023, Musiktheater Piano, Dortmund – Konzertbericht

Den Abend im ansehnlich gefüllten Musiktheater Piano beginnen Ivy Gold in kleiner Besetzung. Sängerin Manou und Sebastian Eder präsentieren akustische Versionen von Songs des aktuellen Albums „Broken Silence“, welches mit Tal Bergman an den Drums, Kevin Moore am Bass und Anders Olinder an den Keyboards eingespielt wurde. Mit ihrem knapp 30-minütigen Auftritt verkürzen sie die Wartezeit auf Marc Broussard und heimsen dafür verdienten Applaus nach den Songs ein. Gespannt darf man sein, wenn die Stücke in ihrer Komplexität mit kompletter Band gespielt werden.

Eine kurze Umbaupause genügt und kurz nach 20:00 Uhr betritt die Band von Marc Broussard die Bühne und legt erst einmal ohne den Boss ein kurzes Intro vor. Auf diesem musikalisch ausgerollten Teppich kommt dann auch der aus Louisiana stammende Broussard hinzu und steigt direkt zunächst nur als Sänger mit ein. Später unterstützt er Bobby Schneck jr. als zusätzlicher Gitarrist, was den Songs noch mehr Druck verleiht. Es entsteht direkt ein Flair im Piano, dass man sich in den Süden der Staaten versetzt fühlt. Die Songs lassen Soul, Blues und Rock miteinander verschmelzen und der charismatische Broussard begeistert mit seiner ausdrucksstarken voluminösen Stimme.

Neben eigenen Stücken wie „Paradis“, „The Wanderer“, „Wanna Give You The World“, „Fire“ und Home“ streut er mit seiner Band auch einige starke Coverversionen wie „Baton Rouge“ (Frankie Miller), „I´d Rather Drink Muddy Water“ (Johnnie Taylor) und „Love and Happiness“ (Al Green) in das er noch „Papa Was a Rollin‘ Stone“ einbaut.

Begleitet wird er dabei von einer starken Combo, wo der junge Lead Gitarrist Bobby Schneck jr, auf der rechten Seite der Bühne, sich mit einigen starken Soli in den Vordergrund spielen kann und darf. Einigen der Stammgästen wird er noch bekannt sein, als zweiter Gitarrist bei Devon Allmans Auftritt im Piano vor etwa sechs Jahren.

Auf der anderen Seite der Bühne sorgt Jason Parfait an den Keyboard auch mit einigen Soli für einen vollen, sehr gut abgemischten Sound. Nebenbei setzt er in vielen Songs Akzente mit dem Saxofon, wobei er manchmal beide Instrumente gleichzeitig spielt aber auch für einige Saxofon Soli im Zentrum der Bühne steht. Während der Soloparts seiner beiden Begleiter in der ersten Reihe steht Broussard sichtbar gut gelaunt im Hintergrund der Bühne und beobachtet, wie seine Musiker sich ihren verdienten Szenenapplaus vom begeisterten Publikum abholen.

Im hinteren Teil der Bühne befindet sich die Rhythmusfraktion mit Bassist Devin Kerrigan und Drummer Terry Scott jr, der auch als Background Sänger Akzente setzt, die eine perfekte Grundlage für die Drei im Fokus der Fans stehenden Musiker. Neben dem Hörgenuss wird der Auftritt auch visuell ins richtige Licht gesetzt, sodass es sich um einen rundum gelungenen Abend handelt, bei dem es sich Marc Broussard auch nicht nehmen lässt, sich direkt nach dem Konzert zu den am Merchstandising wartenden Fans zu gesellen.

Dem Piano und 3dog Entertainment ist es wieder einmal gelungen, einen Musiker der Extraklasse nach Dortmund zu holen. Belohnt werden sie dabei durch den Besuch von knapp 300 Zuschauern, nachdem Broussards Konzert vor einigen Jahren von nur knapp 50 Fans besucht wurde.

Line-up:
Marc Broussard – lead vocals, guitars
Bobby Schneck jr. – guitars, backing vocals
Jason Parfait – keyboards, saxophon
Terry Scott jr. – drums, backing vocals
Devin Kerrigan – bass

Text & Bilder Gernot Mangold

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Ivy Gold
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Musiktheater Piano
3Dog Entertainment

Nalani Rothrock – The Rock House Sessions (Extended Cut) – CD-Review

Wenn man als musikalisch talentiertes Kind bereits das Wort ‚Rock‘ im Familiennamen integriert hat, müsste der Lebensweg, besonders in den Staaten, eigentlich schon so etwas wie vorbestimmt sein. Nalani Rothrock kam schon mit 8 Jahren mit der Musik in Berührung, war bereits mit 12 schon Bestandteil der Band ihres Vaters, der dann auch ihr Songwriting und Bühnenpräsenz maßgeblich beeinflusste.

Die innige Bekanntschaft mit dem Gitarristen und Songwriter Joshua Lamkin 2011 war dann der endgültige Beweggrund nach Nashville zu ziehen, um in Music City Fuß zu fassen. Als großes Glück, vor allem wenn man ihr aktuelles Werk „The Rock House Sessions (Extended Cut)“ durchgehört hat, dürfte auch das dortige Kennenlernen des mehrfach Grammy-dekorierten Kevin McKendree, zu bezeichnen sein, der für seine Zusammenarbeit mit vielen namehaften Größen wie u. a. Little Richard, John Hiatt, Delbert McClinton, Buddy Guy oder Lee Roy Parnell bekannt ist.

Der hat nämlich diese Scheibe nicht nur in seinem eigenen Studio The Rock House in Franklin, Tennessee, produziert, sondern auch seine filigranen Fertigkeiten als Keyboarder mit eingebracht. Dazu hat er den smooth-relaxten Opener „Everytime I Close My Eyes“ zusammen mit Nalani und Joshua mit komponiert.

Ok, mit einer Rockmusikscheibe, hat das Ganze natürlich nur ganz marginal was zu tun (vielleicht am ehesten noch bei „Just Before I Go“) , aufgrund ihrer Stimme, die wie ein Mix aus Bonnie Raitt, Susan Tedeschi und Norah Jones klingt, liegt es natürlich nahe, sich in den Sphären des Southern Soul und des Blues (dazu mit ganz dezenten unterschwelligen Jazz- und Countrynoten bei „Fool For You“ mit quäkender Trompete von Andrew Carney, beziehungsweise beim country-bluesigen, in bester Bonnie Raitt-Manier performten „Try“) zu bewegen, was dann hier auch vorzüglich umgesetzt wird.

Mit dabei auch der uns bestens bekannte Weltklasse-Bassist Steve Mackay, der uns ja bestens von Joe Bonamassa– und Peter Frampton-Konzerten bekannt ist. Dazu gesellen sich dann noch Leute wie Kenneth Blevins und Lynn Williams (beide Drums), Bryan Brock (Percussion) sowie die Backgroundsängerinnen Nicole Boggs, Jonell Mosser und Jackie Wilson. Das gesamte Konglomerat in seiner überwiegend ‚laid-back‘ gespielten Art eignet sich bestens als Lounge- oder Barroom-Hintergrund, aber auch auf der Veranda oder der Terrasse zum gemütlichen Relaxen und Runterkommen.

Nach zwei grandiosen Killerballaden in der zweiten Hälfte („Midnight“ und „Goodbye“), weiß auch das abschließende „Hey Little Bird“ (aus der Feder von Lamkin) von Vogelgezwitscher ummantelte, mit Pinseldrums, leichten Bariton-Slide-Streicheleinheiten (Joshua, wie auch über das ganze Werk hinweg, mit akzentuiertem, sehr effektvollen Spiel, jedoch immer im Dienste der Protagonistin) und Kendrees sanftem Orgelhall, besonders auch in leicht ins Ohr gehender, lyrischer Hinsicht zu gefallen („Hey little bird way up in the tree, c’mon, spend a little time with me…“).

Am Ende erhält man mit „The Rock House Sessions (Extended Cut)“ von Nalani Rotrock ein jetzt mit neun Stücken umfassendes, sehr kurzweiliges Album, das in allen Belangen überzeugt. Nashville darf sich über eine weitere großartige Singer/Songwriterin, ein echtes ‚Rot(h)kelchen‘ des Southern Soul Blues, in seine Reihen erfreuen. Wunderbar!

Jolani Music Group (2022)
Stil: (Southern) Soul / Blues

01. Everytime I Close My Eyes
02. Fool For You
03. Just Before I Go
04. Hold On
05. How Long
06. Midnight
07. Goodbye
08. Try
09. Hey Little Bird

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Connor Selby – Connor Selby – CD-Review

Review: Jörg Schneider

Connor Selby war mir bis dato völlig unbekannt und ich musste zunächst einmal ein wenig googeln, um etwas über ihn herauszufinden. Also, der Brite ist nicht mit dem viel zu früh verstorbenen Blueser Mark Selby verwandt, wie man eventuell vermuten könnte. Dennoch entpuppt er sich auf der CD als melancholischer Bluesbarde, der in seinem jungen Alter bereits mit einer beeindruckenden Vita aufwarten kann.

Multinational in Essex, Connecticut und Dubai aufgewachsen, wurde er als Teenager von Musikern wie Eric Clapton, Ray Charles, Bill Withers oder Sam Cooke geprägt, entdeckte aber auch seine Liebe zur amerikanischen Rootsmusik und stand 2019 als Twen bereits als Opener für The Who im Wembley Stadium auf der Bühne, gefolgt von Auftritten mit Pearl Jam, den Stereophonics und anderen. Nun hat er sein Erstlingswerk „Connor Selby“ aus dem Jahr 2021, diesmal mit vier zusätzlichen Bonustracks, warum auch immer erneut veröffentlicht.

Vielleicht liegt es an der Auswahl der dem „Sounds Of South“-Magazin für ein Review zur Verfügung gestellten CDs, dass bei dem Rezensenten der Eindruck entstanden ist, viele Bluesmusiker würden zur Zeit ihre Songs sehr soulig und in Bläserarrangements eingehüllt präsentieren. Da macht auch Connor Selbys Wiederveröffentlichung keine Ausnahme. Auch er springt, zumindest teilweise, musikalisch auf diesen „Retrozug“ auf. Was handwerklich und musikalisch auch ziemlich gut gemacht ist. Da gibt es nichts zu kritisieren, aber es bleibt das Gefühl alles irgendwie schon einmal gehört zu haben.

Stilistisch bewegen sich die Tracks zwischen Slow- und Midtempoblues („I Can‘t Let You Go“, „If You’re Gonna Leave Me“, „The Man I Ought To Be“, „Anyhow“, „Starting Again“ und „Love Letter To The Blues“), Singer-Songwriter („Hear My Prayer“, „Waiting On The Day“) und etwas flotteren Nummern („Falling In Love Again“, „Show Me A Sign“, „My Baby Don‘t Dig Me“), allesamt auf eingängigen Melodien basierend und den Gehörgängen schmeichelnd. Mir persönlich hat am besten der Bonustrack „I Shouldn‘t Care“, ein klassischer Chicagoblues, gefallen.

Selbys Songs ziehen Dich nicht unweigerlich auf die Tanzfläche, sind aber für entspannte Abende bestens geeignet oder um sie bei einem gemeinsamen Abendessen mit Freunden im Hintergrund laufen zu lassen. Sie sind zeitlos melancholisch und irgendwie auch elegant. Und bei genauerem Hinhören entdeckt man bei einigen Stücken sogar dezente Southernanleihen a la Allman Brothers oder Lee Roy Parnell. Als noch junger Bluesmusiker hat Connor Selby sicherlich noch viel Potential, wenn es ihm gelingt, seine Songs mit einem höheren Wiedererkennungswert auszustatten. Ab dem 3. März ist die Scheibe im Handel.

Provogue Records / Mascot Label Group (2023)
Stil: Blues

Tracks:
01. I Can’t Let You Go
02. Falling In Love Again
03. If You’re Gonna Leave Me
04. Emily härter Rhythmus
05. The Man I Ought To Be
06. Hear My Prayer
07. Show Me A Sign
08. Anyhow
09. Waitin’ On The Day
10. Starting Again
11. I Shouldn’t Care (Bonus Track) chicagoblues
12. Love Letter To The Blues (Bonus Track)
13. My Baby Don’t Dig Me (Bonus Track)
14. The Deep End (Bonus Track)

Connor Selby
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Tedeschi Trucks Band – I Am The Moon: IV. Farewell – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Seit Anfang Juni veröffentlicht die Tedeschi Trucks Band in regelmäßigen Abständen die einzelnen Episoden-Teile ihres Mammut-Projektes “I Am The Moon”. Mit dem letzten Chapter “Farewell” liegen das genreübergreifende Gesamtwerk und seine 24 Songs nun in voller Länge vor. Die Eigenproduktion, die in ihrer lyrischen Background-Handlung ein alt-persisches Liebes-Epos teilweise nachempfindet, vermittelt über die vier Alben eine außergewöhnliche Rock’n’Roll-Erfahrung.

Der unvergleichlich intensiv-warme und einfühlsame Sound setzt sich auch im “Farewell”-Opener “Last Night In The Train” beispiellos fort. Ein straight forward Song im souligen Outfit, der Susan Tedeschis starke Vocals mit unverkennbaren Arrangements der Beatles-Ära umgibt. Als Erinnerung an den verstorbenen, brillianten Keyboarder Kofi Burbridge (aus Derek Trucks Solo-Band) wird “Soul Sweet Song” zur Tribute-Hymne mit swingendem Gospel-Chorus, die auf einem Guitar-/Piano-Teppich entschwebt.

Auch der nachfolgende Track “D’Gary” ist in besonderer Weise eine Hommage an einen besonderen Musiker. Der aus Madagaskar stammende (überwiegend) Acoustic-Gitarrist D’Gary wird durch Susans klaren Gesangsstil und Dereks meisterliche Variation – versehen mit durchaus überraschend afrikanischen Einflüssen – verdientermaßen in den Fokus der Öffentlichkeit gehoben.

“Farewell” ist der kürzeste Teil (ca. 26 Minuten) der 4-fachen Werkschau und hat mit dem Mike Mattison-Song “Where Are My Friends” einen weiteren Top-Track zu bieten. Mattison, ein herausragender Sänger, Songwriter und Co-Autor, der in einer ganzen Reihe von Songs bei “I Am The Moon” mit ausdrucksvoller Blues-Stimme auftritt, gilt als Multiinstrumentalist; sein würdevoller Rückblick auf die Jahre mit der Allman Brothers Band hinterlässt in Trucks Solo-Einlagen die typischen Southern Rock Eindrücke und Sound-Spuren des unvergessenen Bandgründers Duane Allman.

Eine zärtlich-akustische “Auszeit” bringt das Duett “I Can Feel You Smiling”, das Susan und Derek gemeinsam interpretieren – eine liebevoll lyrisch-musikalische Songperle vom Feinsten! Das hoffnungsvolle “Farewell”-Abschiedslied “Another Day” kennzeichnet zum Schluß noch einmal das großartige Soundgefüge des gesamten Ensembles in einem beschwingten Lebewohl-Rhythmus, dessen übermächtige Anziehungskraft immer wieder verstärkt durch Trucks Solo-Spielweise ausgeübt wird.

Die Tedeschi Trucks Band hat mit “I Am The Moon” insgesamt eine grandiose Studioproduktion geschaffen, die ihre einmalige, musikalisch-multikulturelle Songfolge als eine epische Reise durch die Einflüsse einer alten Liebeserzählung und die Reflektion sehr unterschiedlicher Sound-Stilrichtungen versteht. Eine bandeigene Gabe hieraus Jam, Blues, Southern Soul, Gospel, Jazz und weitere Elemente zu kombinieren und eine musikalische Vision zu entwickeln, bildet die Basis des in diesem Umfang unvergleichbaren Songwritings- und Albumkonzeptes. Die Formation hat nochmal an Größe und Ausstrahlung zugelegt und gehört ohne Zweifel zu den powerful breathtaking US-Rock’n’Roll Big Bands.

Fantasy Records (2022)
Stil: Blues Rock, Southern Soul

Tracks:
01. Last Night In The Train
02. Soul Sweet Song
03. D’Gary
04. Where Are My Friends?
05. I Can Feel You Smiling
06. Another Day

Tedeschi Trucks Band
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Oktober Promotion

Ericson Holt – 99 Degrees – CD-Review

Ich muss mich an dieser Stelle mal explizit bei unseren befreundeten Agenturen in den Staaten bedanken, die uns immer wieder mit hervorragender Musik versorgen, die unter normalen Umständen vermutlich an uns vorbeigegangen wäre. Die morgen erscheinende CD von Ericson Holt ist erneut so ein tolles Beispiel.

„99 Degrees“ ist das mittlerweile dritte Album des in Key West, Florida, lebenden Musikers, für das er grandiose Mitstreiter wie u. a. die wunderbaren Backgroundsängerinnen The McCrary Sisters, den Mehrfach-Grammy-Gewinner Kevin McKendree (Delbert McClinton, Buddy Guy) am B-3-Organ, E-Gitarrist Joe MacMahan (Allison Moorer, Hayes Carll), Bassist Dave Santos (The Neville Brothers, John Fogerty) und Drummer Kenneth Blevins (John Hiatt, Sonny Landreth) angeheuert hat.

Das wunderbar klimpernde Pianospiel von Ericson, das mich in seiner Klarheit ein wenig an das von Bruce Hornsby erinnert, hat schon fast therapeutische Wirkung auf die Wut und Fassungslosigkeit, die sich in diesen Zeiten zum Teil in einem angesammelt hat.

Famos auch, wie er immer wieder mit McKendrees hallender Orgel ‚korrespondiert‘ und sein angenehmer Gesang mit den sensationell gospelnden McCrary Sisters harmoniert. Dazu spielt er noch eine sehr passable Akustikgitarre.

Die Tracks bewegen sich überwiegend im entspannten und balladesken Midtempobereich, lediglich das dixie-umwehte „Walkin‘ On Bourbon Street“ vermittelt ein authentisches Stimmungsbild vom launigen und bunten Treiben rund um das Rotlicht-Quarter von New Orleans.

Auch der mit 7 Minuten 38 Sekunden längste Song, das cool shuffelnde „I’m Gonna Pay“, hebt sich von der ansonsten ruhigen Atmosphäre ab und ist eine wahrhafte Demonstration der spielerischen und gesanglichen Klasse aller beteiligen Akteure. Dieses und noch das eine oder andere Stück wären auch zu Lebzeiten für einen Joe Cocker prädestiniert gewesen.

Bluesiger Southern Soul würde ich insgesamt als Oberbegriff für die Stilisierung verwenden. Richtig stark auch die nur ganz sanft und sparsam dosierten Bläser-Arrangements, gespielt von Jim Hoke und Roland Barber.

So gibt es vom schön südstaatlichen Opener „Walkin‘ In Our Sleep“ (mit zwei E-Gitarren-Soli) bis zum final flehenden „Have Mercy“ durchgehende Spielfreude zu exzellentem Songmaterial zu begutachten. Das ruhige, von Melancholie und Sinnlichkeit getragene „Empty Without A Secret“, der grandiose fiebernde Titelsong „99 Degrees“ oder die von einem ganz dezenten „Hotel California“-Vibe unterlegte Ballade „Help Us Now“ sind einfach zum Niederknien. Irgendwie kommt mir auch ein Radney Foster als Referenz immer wieder in den Sinn.

Gäbe es in diesem Jahr nicht diesen unschlagbar erscheinenden Megakracher von Morgan Wallen, wäre Ericson Holt mit „99 Degrees“ bei mir wohl ein ganz heißer Kandidat für das Album des Jahres. Deshalb im wahrsten Sinne des Wortes zum Titel ‚absolutely hot stuff‘!

Die CD kommt in einem vierseitigen Hochglanz-Pappschuber mit eingelegtem Booklet, das alle Texte der ausnahmslos von Holt verfassten Kreationen enthält. Aller höchste Zeit sich auch mit seinen Vorgängerwerken „The Blue Side“ und „Broken Beauty“ auseinanderzusetzen.

Conch Town Music (2021)
Stil: Southern Soul Blues

Tracks:
01. Walkin‘ In Our Sleep
02. Clever Girl
03. Empty Without A Secret
04. 99 Degrees
05. Sweet On You
06. Beautiful World
07. Walkin‘ On Bourbon Street
08. I’m Gonna Pay
09. Help Us Now
10. Have Mercy

Ericson Holt
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The Bardogs – Southern Soul – CD-Review

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Manchmal werden selbst musikerfahrene Menschen wie meinereiner doch wirklich noch überrascht. Southern Rock aus Indonesien! Das mutet für mich erstmal fast so exotisch an, wie ’ne Reggae-Truppe aus Grönland. Aber da ja Musik bekanntlich keine Grenzen kennt und es in diesem Metier eher auf Können und Leidenschaft für die Sache ankommt, kommt es da durchaus oft zu angenehmen Überraschungen.

Und The Bardogs, bestehend aus den gut zu merkenden Namen Aulia Rahman (guitars, vocals), Weldy Tua Pangaran (guitars), Deni Hidayat (bass, vocals),
Romi Zirwanda (drums) und Jason Latuasan (keys) zählen nach den obligatorischen Hördurchgängen im Vorfeld eines Reviews zweifellos zu diesen.

Die Burschen haben nach ihrer finalen Zusammenfindung ihren residenziellen Fokus, dank der dortig bestehenden Internationalität, auf die Insel Bali gelegt. Hier machte man sich in angesagten Locations wie dem Pretty Poison Club, Deus Ex Machina, Old Man’s oder Single Fin schnell einen Namen und versuchte 2018 nach dem Debütwerk, auch in Frankreich, in Form einer Tour, erste Verbindungen mit dem europäischen Kontinent herzustellen.

BD-TextIhr neues Werk „Southern Soul“ hat eindeutig das Potential, die Band auch in globaler Hinsicht voranzubringen. Jeder der gerne Southern Rock aus dem Dunstkreis der Allman Brothers (mit den daraus resultierenden weiteren Verästelungen à la Tedeschi Trucks Band, Gov’t Mule, Allman Betts Band) gerne hört, wird seine helle Freude an den Burschen haben. Besonders das an Duane Allman erinnernde, markant klirrende Slide-Spiel wird als immer wiederkehrendes Trademark bei diversen Tracks eingesetzt.

Auch viele quirlige, genre-typische E-Gitarren-Soli (oft auch mehrfach songintern, sporadisch in Twin-Manier) gehören zum Standardrepertoire der Barhunde. ABB- und Jam-Freunde werden beispielsweise bei Tracks wie dem „Southbound“-nahen „Ain’t Gonna Look Back“ und dem „Whipping Post“-umwehten „Misunderstood“ bestens auf ihre Kosten kommen.

Überrascht hat mich vor allem die Stimme von Aulia Rahman, die für mich Ähnlichkeiten mit der von Ed Jurdi von der Band Of Heathens aufweist und bei eingängigen und sehr melodischen Songs wie „Colorado„, „After Midnight“ oder „Loving You“ auch für dementsprechendes Flair sorgt.

Klasse gefällt mir auch das Keyboard-Spiel Jason Latuasan, der die gesamte Variationsbreite seines Tastenkönnens (Orgel, E-Piano, HT-Piano) sehr einfühlsam mit einbringt und einen nicht unerheblichen Beitrag zum ansehnlichen Gesamtwerk leistet. Für mich der heimliche Star des Quintetts.

Fazit: The Bardogs lassen mit „Southern Soul“ (zum Piepen das völlig SR-untypische, orientalisch geprägte Frontcover) keinen Zweifel daran aufkommen, dass ihr Herz für den Southern Rock schlägt. Sie greifen dabei, wie so viele Newcomer dieser Zeit, alte Strukturen auf und verwandeln diese mit viel kreativem Gespür in neue Eigenkompositionen. Mit dieser Musik voller Herzblut haben sie das Zeug sowohl bei uns in ganz Europa, als auch in den Staaten mit offen Armen aufgenommen zu werden. Selamat datang!

Label: Bad Repuation (2021)
Stil: Southern Rock Rock

Tracks:
01. Sail Away
02. Step Back
03. Reality
04. It’s Over
05. Ain’t Gonna Look Back
06. Colorado
07. Corona
08. Misunderstood
09. After Midnight
10. Loving You (Bonustrack)

The Bardogs
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Two Side Moon Promotions

Lisa Mills – The Triangle – CD-Review

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In diesem besonderen Jahr ist es eindeutig das weibliche Geschlecht, das bei mir bisher den bleibendsten musikalischen Eindruck hinterlassen hat. Nach den überragenden Alben von der Betty Fox Band und Crystal Shawanda, hat mich jetzt noch topos-Macher Klemens Kübber auf das Werk „The Triangle“ von Lisa Mills aufmerksam gemacht.

Die in Mississippi groß gewordene Amerikanerin (lebt mittlerweile in Freiburg), allerdings dank diverser Touren auch in Europa bei uns bekannt, konnte sich zu diesem Longplayer einen vermutlich lang gehegten Wunsch erfüllen. Mit dem preisgekrönten Musikproduzenten/Musiker/Songschreiber Fred Mollin und dem Filmemacher Mark Voss bereiste sie drei berühmt-legendäre Aufnahmestudios im Süden der USA (Fame Studios – Muscle Shoals, Alabama; Sun Studio – Memphis, Tennessee; Malaco Studios Jackson, Mississippi), um mit den dortigen Studiomusikern, eine von ihr und Mollin auserwählte und erarbeitet Trackliste mit Coversongs einzuspielen.

Besser als es der Link zum dokumentarischen ‚Making Of‘ zu „The Triangle“ tut, kann man dieses einzigartige Erlebnis für die Künstlerin mit Worten wohl kaum beschreiben, Das musikalische Endergebnis der CD deckt sich dann am Ende auch recht gut mit dem, was einem im Clip suggeriert wird.

Lisa hat mit ihrer ‚One In a Million Voice‘ dann auch sofort das Vertrauen und die Sympathie der Musiker gewonnen. Diese kann man vermutlich unter solchen Umständen gegen 10 Uhr morgens aus dem Tiefschlaf wecken (bei Normalsterblichen hätte ich jetzt 2 Uhr nachts geschrieben…), sie haben solche Sachen einfach im Blut und würden wahrscheinlich selbst aus „Alle meine Entchen“, spontan was adäquates zaubern.

Einige der Stücke kennt man auch ohne großes Blues-Hintergrundwissen (lediglich „I’d Rather Go Blind“ ist da etwas überstrapaziert, „Slip Away“ von Gregg Allman wird unserer Hauptklientel am meisten bekannt sein), gut die Hälfte war für mich neu, von daher also eine spannende Sache.

Sämtliche Tracks haben den typischen southern-souligen Charakter und werden in allen Tempi und Stimmungen serviert (von bluesrockig-funkig bis bluesig-schwofig), allesamt von Lisa locker in emotionaler Vokal-Manier gemeistert. E-Gitarre, Orgel, Piano, plusternde Bläser, gospelige weibliche Harmonies bilden zum Drums-/Bass-Rhythmus überwiegend das Gerüst, bei nur wenigen Stücken wurden die Bläser ausgeklammert. Begeisternd u. a. für mich besonders der auch in New Country-Kreisen oft wirkende Studiomusiker-/gitarrist John Wills.

Der vornehmlich durch Johnnie Ray bekannt gewordene Evergreen „Just Walking in The Rain“ wird zum Ausklang von Lisa solo (sich selbst nur mit der E-Gitarre begleitend) performt, wobei ihre Stimme noch einmal in vollem stimmlichen Glanze wirken kann.

Lisa Mills hat sich mit „The Triangle“ einen absoluten Traum erfüllt. Sie hat die sicherlich nicht leichte Herausforderung angenommen und nahezu perfekt gemeistert. Man freut sich am Ende einfach mit der sympathischen Protagonistin und und genießt das Ergebnis, wo auch immer man die Scheibe letztendlich in den Player legt. Eindrucksvoll!

Übrigens, im Rahmen der aktuellen Rassendiskussionen, ist  dieses Projekt das beste Beispiel, wie vernünftige mündige Menschen, egal welcher Hautfarbe, im Zusammenleben harmonieren, wenn sie sich für ein gemeinsames Ziel einsetzen.

BMG Rights Management (US) LLC (2020)
Stil: Blues/Blues Rock/Southern Soul

Tracklist:
01. Greenwood, Mississippi
02. Tell Mama
03. Slip Away
04. I’d Rather Go Blind
05. That’s What Love Will Make You Do
06. I’m In Love
07. Same Time Same Place
08. A Place Nobody Can Find
09. That’s How Strong My Love Is
10. Someone Else Is Steppin‘ In
11. I’ll Always Love You
12. Travel On
13. Members Only
14. Just Walking In The Rain

Lisa Mills
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Marcus King Band – 05.03.2020, Kantine, Köln – Konzertbericht

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Grandioser Abend in der Kölner Kantine mit der Marcus King Band! Um die 800 Zuschauer ließen sich von der grassierenden Corona-Virus-Hysterie nicht abschrecken und wurden mit Jam-, Southern Rock-, Soul-, Blues-, R&B- und Country-Live-Musik aller erster Güte belohnt.

Als Support hatte zunächst der eigenwillige Singer/Songwriter Sammy Brue (zählt gerade mal 19 Lenze), vom Rolling Stone vor geraumer Zeit als ‚American Prodigy‘ bezeichnet, mit Stücken wie u. a. „Gravity“, „Die Before You Live“, „Crash Test Kid“ und dem punkigen „Teenage Mayhem“, seine Visitenkarte abgegeben. Er heimste mit seiner schwer einzuordnenden Spielart und seinem knapp 30-minütigen, mutigen, wie auch engagierten Auftritt, viel Applaus des Publikums ein.

Um 21:00 Uhr gab der einst von Warren Haynes entdeckte, auch gerade erstmal 23 Jahre alte Marcus King mit seinem Kollektiv, nach einem souligen Einspieler, mit Tracks wie „Turn It Up“, „Where I’m Headed“,“Opie/Dear Prudence“ und „How Long“, einen Einblick, wie Jam Rock mit unverbrauchtem jugendlichen Elan, modern und facettenreich interpretiert werden kann.

Nach soviel vehementer Spielfreude schon zu Beginn, war man fast schon erleichtert, als der junge Bursche aus South Carolina mit dem herrlichen „Sweet Mariona“ vom aktuellen Silberling „El Dorado„, die Country-Karte zückte und auch mit dem folgenden Schwofer „Wildflowers & Wine“ (mit Clapton-mäßigem E-Solo) und dem souligen „One Day She Is Here“, ebenfalls beide aus diesem Werk, ein wenig Zeit zum Durchatmen gewährte.

Atemberaubend danach dann wieder der Willie Dixon-Song „I Just Want To Make Love To You“ mit integriertem „Hochie Coochie Man“. „Love Song“, die dezent allmanesken „“What’s Right“ und „Self Hatred“ (beide mit kräftiger Bläserunterstützung und quirligen E-Soli), offerierten dann wieder die Jam-Qualitäten des begabten Sextetts.

Das von Melancholie geprägte „Break“ bot nochmals Gelegenheit zur Besinnung, was dann, durch „Always“ eingeleitet, folgte, war, eine einzige dampfende Jam Rock-Schlacht. Bei diesem Song hatten sowohl Keyboarder Dane Farnsworth mit einem Schlauch-Solo (Peter Frampton ließ grüßen), als auch Jack Ryan an den Drums (heftiges Schlaggewitter) ihre Chance, sich ins Rampenlicht zu bringen, was sie auch mit Bravour taten.

„Homesick“ danach stand im Zeichen der Bläserfraktion (plus King E-Solo). Das den Hauptteil abschließende, wieder grandios groovend und shuffelnd performte „Plant Your Corn“ wurde schließlich zur Vorstellung der Band genutzt, wobei alle Musiker sich wieder mit kleinen Kurz-Soli bemerkbar machten. Ein echtes ‚Finale furioso‘.

Marcus wirkt für sein junges Alter und allem, was vermutlich zur Zeit auf ihn einschlägt, schon extrem abgeklärt, ohne dass dabei aber eine gewisse Natürlichkeit und Galligkeit auf der Strecke bleibt.

Er wusste, dass er nach der abgesagten Tour im letzten Jahr hier ‚liefern‘ musste und so fiel der Zugabenteil mit meinem Lieblingstrack des Abends, „Goodbye Carolina“ (vom bisherigen Paradealbum „Carolina Confessions“ – herrlich relaxter Southern Rocker), dem progressiven Neil Young-Klassiker „Down By The River“ (schöne Geste: Sammy Brue wurde mit auf die Bühne geholt und sang die zweite Strophe) und dem zügellos rockenden und stampfenden „The Well“ (von „El Dorado“), sehr üppig aus, sodass zu guter Letzt nach tosendem Applaus, Zweieinviertelstunde Spielzeit zu Buche standen.

Am Ende war die komplette Besucherschaft der Kantine infiziert und zwar von der ansteckenden Performance und restlos begeisternden Musik von Marcus King und seinen großartigen Mitspielern!

Danke an Marcus Neu, nicht nur dafür, dass er für die Akkreditierung sorgte, sondern nach dem Gig auch noch das obligatorische VIP-Bild mit Marcus King ermöglichte.

Line-up:
Marcus King (lead vocals, guitars)
Dane Farnsworth (keyboards, vocals)
Stephen Campbell (bass)
Jack Ryan (drums)
Justin Johnson (trumpet, percussion)
Christopher Spies (saxophone, vocals)

Bilder: Gernot Mangold
Text: Daniel Daus

The Marcus King Band
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Sammy Brue
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Kantine Köln

Bywater Call – 17.01.2020, Kulturrampe, Krefeld – Konzertbericht

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Vor knapp einem Jahr standen Samantha Martin & Delta Sugar auf der Rampe und lieferten einen bemerkenswerten Auftritt ab. Bywater Call hat dieselben Wurzeln: Beide Bands stammen aus Toronto, sind bei Gypsy Soul Records unter Vertrag und mit Teenage Head Music unterwegs. Musikalisch sind die Formationen mit ihrer Kombination von Blues, Rock und Soul ebenfalls auf einer Wellenlänge. Gemeinsam ist ihnen zudem, dass die Frontfrauen über grandiose Stimmen verfügen. Das gelungene Debütalbum von Bywater Call schürte zusätzlich die Erwartungen an das Konzert.

Pünktlich um 21 Uhr gingen die Scheinwerfer für Bywater Call an, was insofern bemerkenswert ist, da die Kulturrampe dank einer erfolgreichen Spendenaktion nun über eine neue Lichtanlage verfügt. Sämtliche Technik funktionierte einwandfrei, wobei die Aussteuerung des Sounds bei dem Gedränge des Septetts auf der Bühne sicherlich keine leichte Aufgabe war. Die Stimme von Meghan Parnell kam voll zur Geltung – nach Einschätzung mancher Konzertbesucher noch besser als auf der CD.

Das Publikum in der ausverkauften Location geriet unmittelbar in Schwingungen, als die Band mit „Arizona“ loslegte. Nach dem staubigen Bottle-Neck-Intro von Dave Barnes stieg die zierliche Frontfrau mit dem gewaltigen Organ auf die Bühne und nahm die Zuhörerschaft auf eine abwechslungsreiche Reise durch ihre musikalische Welt mit.

Auf der Bühne erwies sich Meghan Parnell als wahres Energiebündel, das ständig unterwegs war und Mitstreiter sowie Publikum fest im Griff hatte. Von der Bühnenpräsenz standen die anderen Musiker im Schatten der Sängerin, bekamen aber alle die Gelegenheit, ihr Können an ihren Instrumenten bei den immer wieder eingestreuten Soli zu beweisen. Den Anfang machten bei „This One’s On“ Alan Zemaitis an den Keys und Dave Barnes an der Gitarre.

Nach der Mischung aus Honky Tonk und Gospel bei „Gone At Last“ begann das bluesige „If You Want“ mit dem Saxophon von Julian Nalli und gipfelte dann in einer Schlagzeugeinlage von Bruce McCarthy. Der andere Bläser – Stephen Dyte an der Trompete – erhielt dann sein erstes Solo zum Einstieg in „Walk On By“. Der als erste Single ausgewählte Song stellte zusammen mit dem rockigen „Forgive“ den ersten Höhepunkt des Konzerts dar.

Im weiteren Verlauf des Abends coverten Bywater Call von The Band „Ophelia“ und „The Weight“ – mit ausgiebigen Bassläufen Mike Meusels eingeleitet – sowie „In The Right Place“ von Dr. John. Bei diesem hatten die beiden Bläser ein längeres Call And Response Intermezzo, das wie die Soli euphorisch von der Menge bejubelt wurde. Andere Stellen des Auftritts erinnerten an die Tedeschi Trucks Band oder The Commitments.

Neben den Covern stellten die Kanadier ein paar neue Titel vor. Bei „Sea We Swim“ spielte Meghan Parnell ihre Stimme erneut voll aus. Vor allem aber „I Remain“ ist ein Stück, auf dessen Veröffentlichung ich mich jetzt schon freue. Als langsamer Blues beginnend entwickelte das Stück eine ungeheuerliche Dynamik und steigerte sich zu einem bombastischen Finale.

Toll war auch „Silver Lining“ von dem aktuellen Longplayer. Von diesem performte die Band ebenso „Bring Me Down“ sowie eine rockigere Version – einschließlich Wechselgesang mit dem Publikum – von „Over And Over“, die mich mehr überzeugte als die Studioversion. Da eine Saite von Dave Barnes Gitarre riss, spielte er „Talking Backwards“ auf den verbliebenen fünf. Das tat dem klasse Rocktitel aber keinen Abbruch.

Mit diesem aufputschenden Ende des neunzigminütigen Hauptsets wollte sich das Publikum verständlicherweise nicht zufrieden geben. Die Band ließ sich auch nicht lange bitten und kam für die Zugabe schnell wieder auf die Bühne. Zuschauerrufe forderten „Hometown“, das eigentlich zu einem früheren Zeitpunkt auf der Setlist vorgesehen war. Die Ballade avancierte anscheinend nicht nur zu meinem Lieblingsstück des aktuellen Albums.

Der einzige Wehmutstropfen des Abends war, dass die Rufe nicht erhört wurden. Aber an dieser Stelle wäre der getragene Titel auch nicht passend gewesen. Das Konzert bot eine ausgewogene Mischung von langsameren und schnelleren Songs, bei der Bywater Call ein sehr gutes Gespür für die Dramaturgie bewies. So gab es abschließend das ebenfalls starke „Swing Low“ und das flotte, unveröffentlichte „Way I Am“, bei dem die Gäste nochmals eine ausgiebige Gelegenheit hatten, einen Gesangspart zu übernehmen.

Am Merchandise-Stand bildete sich eine Schlange von Autogrammjägern, die neben den frischen Eindrücken noch eine Trophäe mit nach Hause nehmen wollten. Die sieben Kanadier standen dann auch noch lange für Gespräche bereit und ließen so einen musikalisch hochkarätigen Freitagabend ausklingen.

Einen Vergleich mit dem letztjährigen Auftritt von Samantha Martin & Delta Sugar braucht Bywater Call nicht zu scheuen. Die hohen Erwartungen erfüllten die charismatische Meghan Parnell und ihre versierte Begleitung mühelos. Stellte sich im Vorfeld noch die Frage, ob die Band die Qualität ihrer Songs auf der Bühne umsetzen kann, lässt sich nun konstatieren, dass Bywater Call als Live-Act in der Lage ist, diesbezüglich noch eine Schippe drauf zu legen. Dieser Auftakt des Konzertjahres 2020 für SoS in der Kulturrampe legt die Messlatte hoch für die kommenden Gigs.

Line-up:
Meghan Parnell (lead vocals, percussion)
Dave Barnes (guitar,bgv)
Alan Zemaitis (keys, percussion, bgv)
Mike Meusel (bass, bgv)
Bruce McCarthy (drums)
Stephen Dyte (trumpet, percussion, bgv)
Julian Nalli (saxophone, percussion)

Bilder: Gernot Mangold
Text: Michael Segets

Bywater Call
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Teenage Head Music
Kulturrampe Krefeld

J.P. Soars – Let Go Of The Reins – CD-Review

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Review: Gernot Mangold

Mit „Let Go Of The Reins“ löst sich Soars, der auch Mitglied bei Southern Hospitaly (mit Damon Fowler, Victor Wainwright, Chris Peet und Terrance Grayson) war, von seiner Stammbegleitband Red Hoots. Die Inspiration zum neuen Album kam, als Soars auf einer Blues Cruise jammte.

Zusammen mit seinem Red Hots-Wegbegleiter Chris Peet am Bass , sonst eigentlich dessen Drummer und Tab Benoit am Schlagzeug, der das Album auch produzierte, spielten Soars und Mitmusiker das Album in 5 Tagen im Whiskey Bayou Studio ein.

Schon der erste Song, „Been Down So Long“, an Stevie Ray Vaughan reminiszierend, allerdings nicht so brachial wie dieser, kann schon mit harmonischen Instrumenten, toller Interaktion von Gitarre und Hammond Orgel, sowie gesanglich überzeugen. „If You Wanna Get To Heaven“, einer meiner Favoriten des Albums, erinnert vom Rhythmus, aber auch von der Stimme her, an die guten alten BTO.

Das „Freddie King Thing“ führt den Hörer wieder zurück zum musikalischen Thema des ersten Songs. Das härter gespielte „Let Go On The Reins“, mit einem fast durchgängig konstanten Rhythmusspiel, ohne dabei langweilig zu wirken, geht schon eher Richtung Rock mit psychedelischen Einschlägen. „Crow’s Nest“, ein fast schon funkig beginnender Song, der dann aber schnell einen jammenden Charakter entwickelt, stellt als Instrumental, das spielerische Können der Protagonisten in den Vordergrund.

“Lonely Fire“, bei dem etwas Fahrt aus dem Werk genommen wird, entpuppt sich  als eine starke, fast schon träumerisch daher kommende Nummer, mit ganz starken Gitarrenspiel Soars.

Nach der Ruhe des einsamen Feuers, wird es mit „Have Mercy On My Soal“ wieder sehr rockig mit einigen Countryeinschlägen. Schön, wie Soars, je nach Thema der Songs, seine Stimme sehr variabel einsetzt. Mit „Let It Ride“ bleibt Soars auf der Countryschiene, der Besucher von Clubs dieses Einschlags mit Sicherheit begeistern wird.

Im Instrumental „Minor Blues“ zeigt die Band weiter ihre Variabilität. Blues, Swing und Jazz verschmelzen ineinander und es wird eine Barroom-Atmosphäre suggeriert.

„Time To Be Done“ bringt Soars und Band wieder zum ursprünglichen Blues-Thema zurück. Auch hier glänzt Soars mit zum Teil fast schon southern-ähnlichem Gitarrenspiel. Durch den Einsatz der Hammond Orgel erhält der Song eine fulminante Voluminösität.

Zum Abschluss entführt der Protagonist den Zuhörer noch einmal mit dem countryesken „Old Silver Bridge“ in die Weiten der Prärie.

J.P. Soars ist mit „Let Go Of The Reins“ ein hörenswertes, und durch die viele Einflüsse geprägtes, sehr abwechslungsreiches Album gelungen, was unter den Fans der beschriebenen Genres mit Sicherheit seinen Anklang finden wird.

Line Up:
J.P. Soars – Vocals, Electric & Acoustic Guitars, Dobro, Merlin Dulcimer
Chris Peet – Bass Guitar
Tab Benoit – Drums, Pedal Steel Guitar (Track 8), Acoustic Guitar (Track 1), Background Vocals (Track 2)
Tillis Verdin – Hammond Orgel (Tracks 1, 2, 3, 5, 6, 10)

Whiskey Bayou (H’Art) (2019)
Stil: (Southern Soul) Blues Rock

01. Been Down So Long
02. If You Wanna Get To Heaven
03. Freddie King Thing
04. Let Go Of The Reins
05. Crow’s Nest
06. Lonely Fire
07. Have Mercy On My Soal
08. Let It Ride
09. Minor Blues
10. Time To Be Done
11. Old Silver Bridge

J.P. Soars
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