Ericson Holt – 99 Degrees – CD-Review

Ich muss mich an dieser Stelle mal explizit bei unseren befreundeten Agenturen in den Staaten bedanken, die uns immer wieder mit hervorragender Musik versorgen, die unter normalen Umständen vermutlich an uns vorbeigegangen wäre. Die morgen erscheinende CD von Ericson Holt ist erneut so ein tolles Beispiel.

„99 Degrees“ ist das mittlerweile dritte Album des in Key West, Florida, lebenden Musikers, für das er grandiose Mitstreiter wie u. a. die wunderbaren Backgroundsängerinnen The McCrary Sisters, den Mehrfach-Grammy-Gewinner Kevin McKendree (Delbert McClinton, Buddy Guy) am B-3-Organ, E-Gitarrist Joe MacMahan (Allison Moorer, Hayes Carll), Bassist Dave Santos (The Neville Brothers, John Fogerty) und Drummer Kenneth Blevins (John Hiatt, Sonny Landreth) angeheuert hat.

Das wunderbar klimpernde Pianospiel von Ericson, das mich in seiner Klarheit ein wenig an das von Bruce Hornsby erinnert, hat schon fast therapeutische Wirkung auf die Wut und Fassungslosigkeit, die sich in diesen Zeiten zum Teil in einem angesammelt hat.

Famos auch, wie er immer wieder mit McKendrees hallender Orgel ‚korrespondiert‘ und sein angenehmer Gesang mit den sensationell gospelnden McCrary Sisters harmoniert. Dazu spielt er noch eine sehr passable Akustikgitarre.

Die Tracks bewegen sich überwiegend im entspannten und balladesken Midtempobereich, lediglich das dixie-umwehte „Walkin‘ On Bourbon Street“ vermittelt ein authentisches Stimmungsbild vom launigen und bunten Treiben rund um das Rotlicht-Quarter von New Orleans.

Auch der mit 7 Minuten 38 Sekunden längste Song, das cool shuffelnde „I’m Gonna Pay“, hebt sich von der ansonsten ruhigen Atmosphäre ab und ist eine wahrhafte Demonstration der spielerischen und gesanglichen Klasse aller beteiligen Akteure. Dieses und noch das eine oder andere Stück wären auch zu Lebzeiten für einen Joe Cocker prädestiniert gewesen.

Bluesiger Southern Soul würde ich insgesamt als Oberbegriff für die Stilisierung verwenden. Richtig stark auch die nur ganz sanft und sparsam dosierten Bläser-Arrangements, gespielt von Jim Hoke und Roland Barber.

So gibt es vom schön südstaatlichen Opener „Walkin‘ In Our Sleep“ (mit zwei E-Gitarren-Soli) bis zum final flehenden „Have Mercy“ durchgehende Spielfreude zu exzellentem Songmaterial zu begutachten. Das ruhige, von Melancholie und Sinnlichkeit getragene „Empty Without A Secret“, der grandiose fiebernde Titelsong „99 Degrees“ oder die von einem ganz dezenten „Hotel California“-Vibe unterlegte Ballade „Help Us Now“ sind einfach zum Niederknien. Irgendwie kommt mir auch ein Radney Foster als Referenz immer wieder in den Sinn.

Gäbe es in diesem Jahr nicht diesen unschlagbar erscheinenden Megakracher von Morgan Wallen, wäre Ericson Holt mit „99 Degrees“ bei mir wohl ein ganz heißer Kandidat für das Album des Jahres. Deshalb im wahrsten Sinne des Wortes zum Titel ‚absolutely hot stuff‘!

Die CD kommt in einem vierseitigen Hochglanz-Pappschuber mit eingelegtem Booklet, das alle Texte der ausnahmslos von Holt verfassten Kreationen enthält. Aller höchste Zeit sich auch mit seinen Vorgängerwerken „The Blue Side“ und „Broken Beauty“ auseinanderzusetzen.

Conch Town Music (2021)
Stil: Southern Soul Blues

Tracks:
01. Walkin‘ In Our Sleep
02. Clever Girl
03. Empty Without A Secret
04. 99 Degrees
05. Sweet On You
06. Beautiful World
07. Walkin‘ On Bourbon Street
08. I’m Gonna Pay
09. Help Us Now
10. Have Mercy

Ericson Holt
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