John Popper & The Duskray Troubadours – Same – CD-Review

Pop

Mit dem Namen John Popper, nun gut, ja eher Blues Traveler, verbinde ich ein ganz besonderes (historisches und extrem emotionales) Ereignis in meinem Leben, nämlich das erste Live-Konzert meiner Lieblingsgruppe Lynyrd Skynyrd, und zwar am 15.02.1992 in der Alsterdorfer Sporthalle in Hamburg. Vorgruppe war eine mir bis dato unbekannte Band namens Blues Traveler, mit einem schwergewichtigen Frontmann namens John Popper. Einen Tag später in Hannover besuchten wir dann das gleiche Event nochmals.

Es ist schon erstaunlich, was man im Internet so alles vorfindet. Bei der Recherche zu diesem Review stieß ich dann so gar auf Soundfiles vom o.a. Hambuger Gig, beamte mich kurzerhand 19 Jahre zurück, und lauschte für eine gewisse Zeit den damals hautnah, aber schon längst wieder vergessenen Blues Traveler-Klängen. Mittlerweile wieder in der Realität angelangt, liegt mir jetzt die aktuelle CD von Poppers neuem Seitenprojekt John Popper & The Duskray Troubadours zum Besprechen vor.

Ein wunderbares Werk, voller wunderbarer Songs, gespielt von wunderbaren Musikern. Einfach wunderbar! Obwohl Popper, der mittlerweile einiges an Pfunden abgespeckt hat, eine Hand voll hochkarrätiger Akteure wie den Produzenten, Musiker, Songwriter Jono Manson (der hat dieses Werk auch produziert), Shurman-Frontmann Aaron Beavers (deren hervorragende und äußerst empfehlenswerte Scheibe „Jubilee“ man bei Bärchen übrigens ebenfalls erwerben kann), Mark Clarke, Steve Lindsay und Singer/Songwriter Kevin Trainor (und einige wenige, ausgesuchte Gäste) um sich gescharrt hat, bleibt er und sein einzigartiges, aber immer wohl dosiertes Mundhamonikaspiel der Center des Ganzen.

Die Songs bewegen sich, bis auf das abschließende, recht flott in einer Art Gypsy-Manier rockende „Leave It Up To Fate“ (toller Gimmick hier, wo man eine sich andeutende E-Gitarrenpassage erwartet, wird man mit einem starken Mandolinensolo überrascht), alle im balladesken bis entspannten Midtempobereich. Da wird von countryesk/folkig („A Lot Like You“ / „End Of The Line“) über rootsig/bluesig („What Can I Do For You“, „Make It Better“ / „Bereft“, „Champipple“ (erinnert stark an die Band Of Heathens), „Don’t Tread On Me”) bis ins poppig/soulige („Love Has Made It So“, „All The Way Down“, „Hurt So Much“ (Neville Brothers-like) / „Something Sweet“) auf ganz hohem musikalischen Niveau musiziert. Und immer wieder zwitschert Poppers Mundhamonika wie ein Vöglein dazwischen.

Lediglich die Frage nach der potentiellen Klientel der Popperschen ‚Abenddämmerungssänger‘ dürfte sich als spannend erweisen. In der Tat könnte es den Blues Traveler-Anhängern nicht fricklig und instrumentell ausufernd genug zugehen, den Roots-Fans das Ganze etwas zu eingängig daherkommen, den popverwöhnten Ohren immer noch eine Spur zu rau erscheinen. Interessant sicher zum einen für Leute, die gerne Klänge aus der musikalischen Umgebung von The Band konsumieren, zum anderen für diejenigen, die sich, wie ich, einen feuchten Kericht um dieses Schubladendenken scheren und sich einfach gerne durch entspannte, abwechslungsreiche und jederzeit melodische Tracks von musikalischen Könnern verwöhnen lassen. Großartiger Stoff für Genießer halt!

Atlantic Records (2011)
Stil: Country Rock

01. Love Has Made It So
02. A Lot Like You
03. Bereft
04. What Can I Do For You
05. All The Way Down
06. Make It Better
07. Something Sweet
08. Champipple
09. Hurt So Much
10. Don’t Tread On Me
11. End Of The Line
12. Leave It Up To Fate

John Popper & The Duskray Troubadours
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Reckless Kelly – Good Luck & True Love – CD-Review

Reck_300

Herausragendes, neues Album der texanischen Roots-/Americana-/Red Dirt-Countryrock-Helden! Es ist gerade mal wenige Wochen her, seit die jüngeren Braun-Brüder, Micky und Gary, mit ihrer Band Micky & The Motorcars ihr großartiges Album Raise My Glass veröffentlicht haben, da werfen auch die beiden älteren Brüder des Braun-Clans, Cody und Willy, mit ihrer Band Reckless Kelly und dem neuen Meisterwerk „Good Luck & True Love“ geradezu ein „Hammerteil“ in die Waagschale.

Der Vorgänger Somewhere In Time aus dem Jahre 2010, bei dem man dem musikalischen Vorbild Pinto Bennett in Form eines Coverwerkes Tribut zollte, wurde, obwohl musikalisch bärenstark umgesetzt, von der RK-Fangemeinde eher mit geteilter Meinung aufgenommen. Doch mit ihrem neuen Longplayer gibt es nun wieder eigenständiges Reckless Kelly-Material (im Übrigen auf eigenem, neuem Label) und das hat es wahrlich in sich. Ja, man muss wohl konstatieren, dass die Band, die ohnehin schon seit Jahren auf Top-Niveau agiert, sich erneut gesteigert hat.

Sie sind auf dem Zenit ihrer bisherigen Laufbahn angelangt. Bei diesem Werk stimmt wirklich alles (Näheres dazu noch später)! Schon der Opener „Give It A Try“ dürfte der in letzter Zeit nicht so üppig verwöhnten Red Dirt-Szene regelrecht Freudentränen in die Augen treiben. Was für ein herrlich melodischer, entspannter, dennoch mit der richtigen Portion texanischem Staub behafteter Countryrocker. David Abeytas Slide-Gitarre surrt, Cody Brauns Mandoline zirpt als dezent folkige Untermalung und Willy singt dazu mit seiner charismatischen Wohlfühlstimme. Einfach wunderbar.

In eine ähnliche Kerbe schlägt das folgende, voller Selbstironie getextete „Save Me From Myself“, das in seiner Art weniger introvertiert herüberkommt. Das mit einem leichten Tom Petty-Feeling daher kommende „Guarded Hear“ punktet mit einem traumhaften, sich in den Gehörgängen sofort festsetzendem, markanten Refrain. Toll hier die E-Gitarren-/Mandolinenkombi im Solo-Teil. Dann wird der „Rock-Hammer“ geschwungen. „She Likes Money, He Likes Love“ heißt dieser famose Knaller, bei dem die „Luzie richtig abgeht“. Da werden gar Erinnerungen an countryrockende Georgia Satellites wach. Drummer Jay Nazz gibt dabei schon fast in punkiger Manier die Schlagzahl vor.

Sollten die Radiostationen mal nach einem furiosen Country Rock’n’Roller Ausschau halten, der trotzdem von einer tollen Melodie getragen wird, dürften sie hier fündig werden. Den Puls wieder runterfahren darf man dann beim anschließenden „I Never Liked St. Valentine“, einer wunderschönen Willy Braun/Todd Snider-Komposition (herrliches Akustikgitarrenspiel), die sowohl die irischen Wurzeln der Brauns als auch die mit diesem Tag verbundenen Emotionen auf bemerkenswerte, durchaus humoristische Art und Weise („I don’t need a Ballantine“) verbindet.

In der zweiten Hälfte des Albums wird dann der Countryfaktor deutlich erhöht, zumal Cody Braun von der Mandoline vermehrt zur Fiddle umschwenkt. Die „sägt“ sich beispielsweise unbeirrt ihren Weg durch das schwungvolle „Weatherbeaten Soul“ (inkl. schönem Solo). Der prächtige Titeltrack „Good Luck & True Love“ bietet dann nochmal gitarrenbetonten Red Dirt-Countryrock in Perfektion. Stark hier auch das Gesangs-Wechselspiel zwischen Willy und Cody im Refrain. Richtig schönen, fast schon traditionellen Country gibt es auf „I Stayed Up All Night“. Willy mit Erzählgesang voller Pathos, Cody lässt ein ums andere Mal die Fiddle aufheulen, im Chorus steuert Nashville-Sängerin Dani Flowers bezaubernde Harmonie-Gesänge bei. Klasse!

Apropos Nashville. Die auch unter „Music City“ bekannte Hochburg des kommerziellen Country bekommt in „New Moon Over Nashville“ textlich ihr Fett weg. Eine wunderschöne, leicht rootsige Country-Nummer. Das abschließende, saustarke „Hit The Ground Runnin'“ fängt zunächst recht harmlos an, entwickelt sich aber nach der Eingangsstrophe zu einem furiosen, gitarrenbetonten Southern Rocker mit grandiose E-Gitarrenarbeit von David Abeyta (fette Soli). Ein fulminanter, kräftiger Ausklang. Große Klasse! Auch die Produktion von Abeyta und den beiden Braun-Brüdern ist als sehr transparent, sauber und kräftig zu bezeichnen.

Doch nicht nur die Musik dieses Albums ist fantastisch gelungen. Auch das komplette, prächtige Grammy-nominierte Cover-Artwork darf nicht unerwähnt bleiben. Dessen Kreateure, Sarah und Shauna Dodds, haben hier ein mit viel Liebe zum Detail behaftetes, buntes Digipack erkoren. Zum einen kann man sich in einem Spiel mit der ‚Hand Of Fortune‘ (eine beigefügte ausgestanzte Hand, die man da, wo die CD steckt, drehen kann) sein Glück mittels vorgefertigter Antworten erfragen, zum anderen kann man das beigefügte Booklet noch durch die linke Seite der Digipack-Hülle ziehen und sich mittels einer darin ausgefügten Aussparung einen Schwarz-/Weiß-Kurzfilm (mit Willy und Cody als Protagonisten in historischem Outfit) in Daumenkino-Manier anschauen. Mit viel Geschmack gemacht!

Somit ist „Good & True Love“ nicht nur ein musikalisches Meisterexemplar geworden, sondern auch als regelrechtes Gesamtkunstwerk zu betrachten. Phantastisch! Ein absolutes Schmuckstück der Red Dirt-/Countryrock-Sparte – in jeder Hinsicht! Reckless Kelly rules!

No Big Deal (Cargo Records) (2011)
Stil: Country Rock/ Red Dirt

01. Give It A Try
02. Save Me From Myself
03. Guarded Heart
04. She Likes Money, He Likes Love
05. I Never Liked St. Valentine
06. Weatherbeaten Soul
07. Good Luck & True Love
08. I Stayed Up All Night Againk
09. New Moon Over Nashville
10. Hit The Ground Runnin‘

Reckless Kelly
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Bärchen Records
Backstage Design Studio

The Road Hammers – Same – CD-Review

Ich persönlich bin eigentlich die letzte Person, der es als tag-täglicher Pendler auf der A42 auch nur annähernd einfallen würde, ein freundliches Wort über LKW-Fahrer (oder im amerikanischen Wortgebrauch Trucker), den selbsternannten Königen der Straßen, zu verlieren, geschweige denn irgendwelche Loblieder über sie zu kreieren.

Ok, es kommt letztendlich immer auf den Blickwinkel an, aus dem man die Geschichte betrachtet, und wie meist, liegt es dem Autor dieses Beitrages fern, alle Leute über einen gemeinsamen Kamm zu scheren. Wie in jedem Lebensbereich gibt es nun mal positive und negative Beispiele. Und in den landschaftlich anspruchsvollen Weiten des amerikanischen Kontinents hat das Truckerdasein auch sicherlich einen differenzierten Stellenwert und ist von einer ganz anderen Motivation geprägt, als in den von bald unverantwortbaren Zeitdruck dominierten Blechansammlungen auf den Straßen unserer hiesigen, recht tristen Gefilde.

Der gemeinsame Nenner, der mich mit besagter Berufsgruppe jedoch verbindet, ist die Liebe zu qualitativ niveauvollem Country-, New Country- oder Southern-Rock, womit wir dann beim eigentlichen Thema wären. The Road Hammers, ein Projekt des kanadischen ‚Male Vocalist Of The Year 2004‘, Jason McCoy, der mich vom Typus und seiner Ausstrahlung ein wenig an den jungen Ronnie Van Zant erinnert (zusammen mit seinen Bandmates Clayton Bellamy und Chris Byrne), beschäftigt sich jedenfalls auf den gerade eben angeführten musikalischen Terrains in den meisten Songs auf ihrem gleichnamig benanntem Debütalbum mit den Vorzügen, dass dieses Trucker-Dasein so zu bieten scheint. Und dies tun sie mit einer emotionalen Authentizität und Liebe zum Detail, so dass man am Ende der CD zugeben muss, hier wirkt nichts aufgesetzt, das passt zusammen. In den nächsten knapp fünfzig Minuten dominieren dann auch Wörter wie ‚road‘, ‚highway‘, ’steel‘, ‚traction‘, ‚wheel‘, ‚drive‘, ‚diesel‘, ‚truckin‘ etc. wie ein roter Faden das Vokabular der Band.

Los geht’s standesgemäß mit dem Anschmeißen eines Truckmotors („Ignition“), und, wie man auf dem Silberling enthaltenen Video entnehmen kann, mit dem unverstehbaren Gebrubbel eines alten Mannes in ein von der Decke hängendes Mikrophon, was wahrscheinlich den freudig praktizierten Funkverkehr der Gilde simulieren soll. Dann fetzt ihre nach sich selbstbetitelte Party-Hyme „I’m A Road Hammer“ los. Schwüle Südstaaten-Atmosphäre (ähnlich wie bei „If That Ain’t Country“ von Anthony Smith), ein mit rauchiger Stimmer vorgetragener, an der Grenze zum Sprechgesang liegender Strophenbereich (erinnert an Trace Adkins‚ „Songs About Me“ ), gefolgt von einem zum Mitgrölen einladenden Refrain, und klasse eingebrachten (Slide-) Gitarren- und Mundorgelparts deuten direkt an, wo hier der Hammer hängt.

Bei „Overdrive“ wird das Gaspedal dann direkt bis zum Anschlag durchgedrückt. Beim honkytonk-behafteten „Keep On Truckin'“ ragen auch die herrlich southern-typischen weiblichen ‚ooh-ooh‘-Backs heraus. Selbst so richtige Countryheuler wie „Girl On The Billboard“ (im Stile von Dwight Yoakam oder Brian Capps), „Eastbound And Down“ oder „Nashville Bound“ machen dank flotter und technisch brillanter Instrumentierung von begnadeten Zusatzmusikern wie u. a. Al Anderson, Pat Buchanan, Russ Pahl, Bryan Sutton, Glenn Worf oder Chad Cromwell enormen Spaß.

Den Truckstop zum Ausatmen bilden die zwei balladeskeren Nummern „Call It A Day“ und das wirklich fantastische Cover „Willin'“ vom bereits verstorbenen Little Feat-Chef Lowell George, auf der Jason McCoy eine superbe Vokalleistung hinlegt. Als Abschluss gibt es (neben am Ende angehängten überflüssigen Albereien) noch zwei weitere Knaller. Zum Einen „The Hammer Goin‘ Down“ aus der Feder von Chris Knight und Dean Miller, das von einem wunderbaren Mandolinenrhythmus geführt wird, und mit herrlichen Banjofills und satten Gitarren gespickt wurde, und daher wunderbar rockig rüberkommt, sowie der Opener noch mal in der Reprise-Version, die dank des klareren, erdigeren Klangs mir noch besser gefällt, als die ohnehin schon grandiose Eröffnungsnummer.

Fazit:  Wer bei dieser geilen Scheibe keinen audiophilen Hammer bekommt, leidet unter musikalischen Potenzstörungen und sollte schnellstens den Country-Rock’n’Roll-Doktor aufsuchen. The Road Hammers. Einfach hammerhart!

Open Road Recordings (2005)
Stil: Country Rock

01. Ignition
02. I’m A Road Hammer
03. Overdrive
04. Keep On Truckin‘
05. Girl On The Billboard
06. Heart With Four Wheel Drive
07. East Bound And Down
08. Call It A Day
09. Nashville Bound
10. Willin‘
11. The Hammer Goin‘ Down
12. I’m A Road Hammer (Reprise)
13. Flat Tires
14. Absolutely Nothing

The Road Hammers
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Bärchen Records

Eileen Rose & The Holy Wreck – Luna Turista – CD-Review

Eileen Rose & The Holy Wreck, die in meinem musikalischen Spektrum bisher unter der Kategorie ‚Unbekannt‘ firmierten, erlangten meine Aufmerksamkeit, als ich neulich das Programm meines Lieblingsclubs Karo in Wesel studierte. Dort tritt die Dame mit ihren Begleitmusikern Rich Gilbert (Guitars, Pedal Steel, Keyboards) und Nate Stalfa (Drums) am 30.10. 2009 im Rahmen einer Tour durch diverse deutsche Städte auf, Grund genug also, sich etwas näher mit ihr zu beschäftigen, zumal das Karo eigentlich immer einen Garanten für gute Musik darstellt.

Wie der Zufall es wollte, fand ihr aktueller Silberling „Luna Turista“ (ihr bereits fünftes Werk) noch am gleichen Tag in mir einen dankbaren Abnehmer. Eileen Rose stammt aus dem amerikanischen Boston, hat aber nach einem abgebrochenem Jura-Studium für längere Zeit in England gelebt und dort eigentlich auch ihre musikalische Karriere begonnen. Mittlerweile ist sie in die Staaten zurückgekehrt und lebt dort in ihrer neuen Wahlheimat Nashville, Tennessee.

Auch wenn „Luna Turista“ (die Inspiration des Titels rührt übrigens daher, als Eileen in Italien in einer wunderschönen mondklaren Nacht als Support von Joe Ely auftrat) zu Großteilen im Country verankert ist, hat das Ganze mit dem in Music City alles beherrschenden und angesagtem Mainstream äußerst wenig am Hut und ist letztendlich kaum exakt zu kategorisieren.

Das liegt vor allem im doch recht unkonventionell wirkenden Zusammenspiel ihrer ziemlich außergewöhnlichen Stimme (teilweise von maskulin bis piepsig variierend) und einem recht traditionell ausgelegten Countrystoff mit viel Steel, Fiddle und E-Bariton-Klängen („Trouble From Tomorrow“ – ein fröhlicher Waltz, „Luckenbach Texas“ ein Schwofer im Duett mit Gastmusiker Joshua Hedley als Hommage an Waylon Jennings, Willie Nelson und Hank Williams, das rhythmische „Why Am I Awake?“), das aber auch immer wieder sporadisch in Roots Rock/Pop-Gefilde („Strange“ – Petty-mäßig, das sehr emotionale, an „Please Forgive Me“ von Melissa Etheridges „Skin“-Album erinnernde „The One You Wanted“) abdriftet.

Eine sehr eigenwillige, manchmal auch nicht einfach zu hörende („Third Time’s A Charme“ – mit teilweise sehr monotonen Refrainpassagen, „Silver Ladle“ – ziemlich schräger Gesang) Mischung also. Klasse der recht flott, dezent punkig abgehende, mit Harp-Einlagen bestückte Opener „Simple Touch Of The Hand“ und das finale „All These Pretty Things“, bei dem plötzlich im Mittelteil schwere, wie im Desert-Rock typische, Gitarrengeschütze aufgefahren werden.

Mit „Luna Turista“ ist Eileen Rose & The Wreck ein unbestritten eigenwilliges Werk gelungen, das vor allem seine Sympathie daraus schöpft, unbeirrt aller Trends, konsequent und unbiegsam einer eigenen Linie zu folgen. Für meine, eher der Eingängigkeit frönenden und nicht unbedingt traditionellen Country bevorzugende Gehörgänge, teilweise allerdings etwas anstrengend. Ich vermute mal, dass sie aller Voraussicht nach hauptsächlich in der weiblichen Gemeinde ihre Anhängerschaft finden wird. Im Prinzip müsste so was Ähnliches rauskommen, wenn Lucinda Williams, Melissa Etheridge, Reba McEntire, Emmylou Harris, Patti Smith und Kate Bush sich zu einem imaginären gemeinsamen CD-Projekt zusammenfinden würden. Alles klar?

Floating World Records (2009)
Stil: Country Rock

01. Simple Touch Of The Hand
02. Sad Ride Home
03. Trouble From Tomorrow
04. Third Time’s A Charme
05. Silver Ladle
06. Luckenbach Texas
07. Strange
08. Why Am I Awake?
09. The One You Wanted
10. All These Pretty Things

Eileen Rose & The Holy Wreck
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Music Matters

Eve Selis – Long Road Home – CD-Review

Wer zum Teufel ist Eve Selis, fragte ich mich wieder einmal, wie schon so oft bei vielen Künstlern, die mittlerweile in mein Leben getreten sind, seit ich als Online-Rezensent tätig bin. Und die hübsche Kalifornierin scheint ein weiterer Beweis dafür zu sein, dass das Reservoir an guten Musikerinnen und Musikern in Amerika unerschöpflich zu sein scheint.

Eingefleischten Fans wird meine Unwissenheit wahrscheinlich nur ein müdes Lächeln entlocken, denn die gute Frau hat mittlerweile ihren vierten Silberling veröffentlicht und ist bei mp3.com mit fast einer Million Downloads eine der begehrtesten Rockladies.

In Amerika hat sie sich durch zahlreiche Nominierungen, Auszeichnungen (u. a. beim San-Diego-Music-Awards) und vielen Konzerten zusammen mit namhaften Leuten wie Travis Tritt, Chris Isaak, Doobie Brothers, Jewel sowie vielen anderen eine große Fangemeinde erarbeitet.

Die CD beginnt mit dem Titelstück und fegt los wie ein Hurrikan. Eve kreischt und brüllt ins Mikro mit dem Temperament eines Vulkans. So in etwa stelle ich mir einen Ehekrach im Hause Rossington vor, bei dem die gute Dale ihrem weggetretenen Ehemann einmal mehr vergeblich versucht, gewisse Dinge lautstark begreiflich zu machen…

Im weiteren Verlauf geben sich wunderschöne peppige Balladen, mit teilweise herrlicher Akkordeonbegleitung („The Lucky One“, „Sweet Companion“), und Uptempostücke mit viel Gitarren und Honkytonkpiano die Klinke in die Hand („Dog House“, „Hit The Road“), getragen von Eves sehr variabler und faszinierender Stimme. Langeweile und Aussetzer sucht man hier vergeblich.

Für den, der den charismatischen Gesang einer Melissa Etheridge mag, Americanasongs in Richtung Steve Earle gut findet, Countryeinflüsse a la Patty Loveless bejaht und Southernrockanleihen bei der Rossington Collins Band gegenüber nicht verschlossen ist, dürfte der Kauf dieser Scheibe eine gut getroffene Entscheidung bedeuten. Die Künstlerin selbst bezeichnet übrigens ihren Musikstil als Roadhouse Rock.

Stunt Records (2000)
Stil: Roadhouse Rock

01. Long Road Home
02. What I Mean To Say
03. Just 3 Words
04. The Lucky One
05. Happy To Be With You
06. Folsom Prison Blues
07. Hearts On Fire
08. Sweet Companion
09. Can’t Get You Out Of My Mind
10. Dog House
11. Hit The Road
12. Christmas In Washington
13. Far, Far From Home/Hot Dog (That Made Him Mad)

Eve Selis
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Bärchen Records

Sister Speak – Rise Up For Love – CD-Review

sis

Zwei Kanadierinnen versuchen ihr musikalisches Glück im amerikanischen San Diego! In einem für mich, reviewtechnisch gesehen, recht überschaubaren Jahr bisher, stellen Sister Speak mit ihrem Debütwerk „Rise Up For Love“ bisher eine der ganz positiven Überraschungen dar.
Das Grundgerüst der Band bilden die aus British Columbia stammende Sängerin und Songwriterin Sherri Anne (lead vocals, acoustic guitar) und ihre Landsmännin Lisa Viegas (drums, percussion). Diese beiden talentierten Damen haben letztendlich intensiv in der musikalischen Szene von San Diego gewirkt, sich umgeschaut und sind mit Tolan Shaw (guitars, vocals), Jacob ‚Cubby‘ Miranda (bass) und Leo Dombecki (keys) als Mitstreiter für ihr Sister Speak-Projekt fündig geworden.

Mit Produzent Alan Sanderson (Fiona Apple, Rolling Stones) und Mastering-Experte Brian Lucey (Black Keys, Arctic Monkeys) hat man zudem zwei Leute gefunden, die für ein tolles Klangerlebnis im Hintergund verantwortlich zeichnen. Star auf diesem Album ist eindeutig die Charisma versprühende Stimme von Frontfrau Sherri Anne, die nicht nur sämtliche Tracks komponiert hat, sondern auch ein filigranes Können an der Akustikgitarre offenbart. Eine Art Americana-Stevie Nicks, die ihren Songs eigentlich durchgehend den Stempel aufdrückt, ohne dabei aber komischerweise absolut dominant zu wirken. Sicherlich ein Resultat der wunderbar transparent und klar herausgearbeiteten Instrumente, auf der sie ihr eigenwilliges vokales Repertoire und Saitenspiel betten kann.

Die Songs bewegen sich allesamt in Roots-, Folk-, Country-Ambiente vermischt mit dezenten Pop/Rock-Zutaten, sodass der Überbegriff Americana wohl am passendsten erscheint. Vom radiotauglichen Opener „Chicago Dream“ (Sherri Anne hat in dieser Stadt auch fünf Jahre ihres Lebens verbracht) bis zum abschließenden, lässig groovenden „Honestly“ darf man sich zum, in unterschiedlichen Stimmungslagen (von melancholisch bis forsch-fröhlich) konzipierten, Treiben der Musiker entspannt dazugesellen. Lucinda Williams, Madison Violet oder Sundy Best sind Interpreten, die mir spontan aus meiner Sammlung als etwaige Referenzgrößen einfallen.

Das Grundgerüst bildet fast ausnahmslos Sherri Annes Gesang im Kombination mit ihrem markanten Akustikgitarrenspiel. Lisa Viegas entweder mit klassischen Drums oder nur der Cajon und Jacob ‚Cubby‘ Miranda mit seinem pumpenden Bass bilden das rhythmische Fundament, in das Tolan Shaw seine klug angelegten E-Fills (z. T. auch kurze Slidetupfer) eingestreut und Leo Dombecki mit tollen Keyboardvariationen (E-Piano, schöne B3-Klänge) zu überzeugen weiß.

Ein enger Rahmen von Gastmusikern (Meir Shitrit, Pedro Talerico, Angela Cutrone und Adrian Salas) sorgt mit zusätzlichen Saiten-, Percussion- und Harmoniegesangseinlagen (z. B. bei „Lady Luck“) für zusätzliche Belelebung. Meine Favoriten sind das von leichter Melancholie umwehte „Goodbye My Lover“ (klasse erneut die Piano- und B3-Arbeit von Dombecki), das mit herrlich klarem und pfiffigem Akustikgitarrenspiel ummantelte Titelstück „Rise Up For Love“ und der mit einer bluesig infizierten E-Gitarre groovende „Mountain Song“.

Einziger kleiner Kritikpunkt. Zwei Stücke mehr hätten es allerdings aufgrund der Kürze des Albums (nur knappe 34 Minuten) noch gerne sein dürfen.
Fazit: Ein tolles Debüt eines starken und musikalisch höchstversierten Quintetts, das mit Frontfrau Sherri Anne einen echten Rohdiamanten sein Eigen nennen darf. Sicherlich ein Geheimtipp des Jahres 2014. Reichhaltige Hörproben gibt es auf der Homepage der Band zu begutachten. Also liebe Leser, ran an den Speck, ähm, an Sister Speak!

Eigenproduktion (2014)
Stil: Americana

01. Chicago Dream
02. Goodbye My Lover
03. Lady Love
04. Mirror I
05. Mirror II
06. Rise Up For Love
07. Mountain Song
08. Comin‘ Back
09. Say You Will
10. Honestly

Sister Speak
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Hemifran

Russell Smith – The End Is Not In Sight – CD-Review

smithrus

Man stelle sich folgendes vor: Ein lauer Sommerabend, ein schönes Südstaatenanwesen mit entsprechender Villa (ungefähr so wie auf dem Debütcover von Dickey Betts & Great Southern), eine lockere Party, zugegen viele Musiker wie J.J. Cale, Bruce Hornsby & The Range, Bob Seger & The Silver Bullet Band, John Hiatt, Lenny McDaniel, Pirates Of The Mississippi, Pat Green und so weiter.

Bei kühlen Getränken und nettem Smalltalk entschließt man sich auf einer improvisierten Bühne in entspannter Atmosphäre ein wenig zu jammen.
Da auf einer guten Party attraktive Frauen nicht fehlen sollten, sind die Backgrounds auch schnell von hübschen dunkelhäutigen Damen besetzt. Das Mikro schnappt sich ein mit einer Reibeisenstimme ausgestatteter Sänger, namens Russell Smith, Insidern bisher bekannt als Frontmann einer Band, die sich Amazing Rhythm Aces nennt. Irgendwo eine schöne Vorstellung, nicht wahr?

In der Realität liegt mir zwar ein Studioalbum dieses besagten Herrn Smith vor, eingespielt aber von nicht minderen Musikergrößen wie der Riege der legendären Muscle Shoals Studios (u.a. David Hood, der ja auch die ersten Gehversuche von Lynyrd Skynyrd begleitete). Will man jedoch den Stil oder die möglichen Einflüsse umschreiben, kann man das fiktive Anfangsszenario schon guten Gewissens sinnbildlich übertragen.

Herausgekommen ist eine Art relaxter balladesker Südstaaten Rock („Old School“, „The King Is In His Castle“, „Walk These Hills“, „Look Heart, No Hands“) mit einem Schuss Soul („Don’t Go To Strangers“, „Heartbeat In The Darkness“), ohne aber in Leblosigkeit oder Langeweile auszuufern, was durch peppige Nummern wie „The Road“, „We’ve Gettin Outta Here“, „Jesse“ und dem herrlichen Gutelaunetitelstück „The End Is Not In Sight“ garantiert ist.
Lehnen wir uns zurück und heben unser Glas darauf, dass das Ende von Russell Smiths schöpferischen Dasein noch lange nicht in Sicht sein möge!

Muscle Shoals Records (2001)
Stil: Country Rock

01. Old School
02. The King Is In His Castle
03. The Road
04. Walk These Hills
05. Look Heart, No Hands
06. Don’t Go To Strangers
07. We’ve Gettin‘ Outta Here
08. What I Learned From Loving You
09. Heartbeat In The Darkness
10. Third Rate Romance
11. Jesse
12. Keep It Between The Lines
13. The End Is Not In Sight

Bärchen Records

Michael Stanley – The Hang – CD-Review

Ich verfolge die Karriere des aus Cleveland, Ohio stammenden Michael Stanley seit ungefähr der Jahrtausendwende mit Begeisterung und besitze knapp ein Dutzend seiner mittlerweile 25 Tonträger, die er im Laufe der Zeit, sei es mit der Michael Stanley Band (da habe ich mir dann noch was nachbesorgt) oder mit den Resonators, seiner aktuellen Begleitcombo, herausgebracht hat. Seit „Eighteen Down“ bin ich sozusagen kontinuierlich am Ball geblieben und zähle alle ab da veröffentlichten CDs zu meinem Besitz.

Sein neues Werk „The Hang“ knüpft nahtlos an die beiden tollen Vorgänger „Just Another Night“ und „Shadowland“ an. Stanleys Alben aus der Resonator-Phase sind doch sehr ähnlich gestrickt und man könnte hauch hier auf das zu diesen Werken geschriebene verweisen. Dies käme aber einer einzigen Respektlosigkeit einem solch hervorragenden Künstler gegenüber gleich.

Natürlich hat „The Hang“ wieder all‘ die Stanley-typischen Trademarks zu bieten. Diese unaufgeregt dahinfließenden, sich fast sanft in die Gehörgänge einschmeichelnden, voller Melodie strotzenden Storyteller-Stücke, zwischen Ballade, entspanntem Midtempo und dem einen oder anderen etwas rockigeren Song, wie es auch Bob Seger (wenn auch in etwas kräftigerer und letztendlich kommerziell erfolgreicherer Manier) gerne praktizierte. Eine Jennifer Lee, die ihre wie immer auf den Punkt sitzenden und zu Stanley brillant passenden Harmoniegesänge en Masse einbringt sowie Keyboarder Bob Pelander, der Michaels unaufgeregten Gesang und seine einfühlsame Gitarrenarbeit zu Hauf wieder mit seinen wohlsamen Tastenklangteppichen umgarnt. Für den Mix ist wie so oft Legende Bill Szymczyk verantwortlich.

Und trotzdem ist „The Hang“ diesmal ein besonderes Album, zeigt es doch einen Michael Stanley in den schwersten Stunden seines Daseins. Seine geliebte Frau Skinner erlag im letzten Jahr dem Kampf gegen ihr Krebsleiden (von ihr ist auch das einzige Bild auf der Rückseite des eingesteckten Booklet im karg, nur mit einer Mauer und einer sinnbildlich leeren Bank, fotografierten Digipak). So stehen einige Songs dieses Albums offensichtlich im Fokus dieser schweren Zeit. Ganz deutlich u. a. in Textpassagen (alle Texte sind im Booklet abgedruckt) von „Breaking Down“ oder „Fait Accompli“ und auch allein schon an vielen Titeln der Lieder erkennbar.

Die traurigen Violinenklänge bei den kammermusikartig angelegten „Martha“ und „Another New Years Eve“ drücken ebenfalls auf die Stimmung. Coverversionen gibt es von Patty Griffins „“When It Don’t Come Easy“ und Dire Straits‘ „Romeo & Juliet“ (mit Mark Knopfler-Gedächtnis-Strat-Solo). Das gesellschaftskritische „How Many Guitars Do You Need“ erinnert im Refrain“ an eine gedrosselte Abwandlung von Bon Jovis „Keep The Faith“.

Zu den rockigeren Tracks zählen das slidebetonte „A Damn Fine Way To Go“ (starkes E-Solo), das groovige, mit einem bedrohlich wirkenden E-Piano daherkommende „Down In The Suck“, das Heartland-trächtige „Back In The Day“ (Bob Seger-Note) sowie das soulig stampfende Titelstück (polternde Drums, Orgel, klasse Gitarren, Saxophonfills) zum krönenden Abschluss. Ein wenig Countryflair gibt’s beim mit wimmernder Pedal Steel versehenen „Wonder Wheel“.

Michael Stanley hat mit „The Hang“ den wohl intensivsten und düstersten Longplayer (im wahrsten Sinne des Wortes – mit fast 75 Minuten Spielzeit) seiner umfangreichen Karriere vorgelegt, der ganz klar im Zeichen der Verarbeitung des erlebten Verlustes entstanden ist. Es ist ihm gelungen, seine Hörer unaufdringlich, bei gewohnt hochwertiger musikalischer Qualität, daran teilnehmen zu lassen. Ich wünsche herzliches Beileid nachträglich und hoffe, dass das aus den Fugen geratene Leben dieses sympathischen Künstlers möglichst schnell wieder ins Gleichgewicht kommen möge. „The Hang“ dürfte ein erster, wichtiger Schritt dazu gewesen sein!

Line Level Music (2012)
Stil: Rock

01. From Somewhere Else
02. The Last Great Illusion
03. How Many Guitars Do You Need
04. Breaking Down
05. When It Don’t Come Easy
06. Fait Accompli
07. A Damn Fine Way To Go
08. Wonder Wheel
09. Down In The Suck
10. Back In The Day
11. Martha
12. Romeo & Juliet
13. Another New Years Eve
14. The Hang

Michael Stanley
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Line Level Music
Bärchen Records

Greg Trooper – Upside-Down Town – CD-Review

In den Staaten sämtliche gute und hochtalentierte Musiker zu kennen, grenzt an eine so hohe Unwahrscheinlichkeit wie Chinas Reservoir an starken Tischtennisspielern überblicken zu können. Obwohl mein Horizont, ohne mich jetzt selber loben zu wollen, in Sachen Country, New Country, Southern Rock, Red Dirt, Americana und Roots Rock sicher nicht von schlechten Eltern ist, werde ich doch immer noch mit Interpreten überrascht, von denen ich noch nie einen Ton gehört habe (allerdings meistens bei Newcomern).

Der aus New Jersey stammende Greg Trooper ist so ein Fall und dabei scheint er laut seiner Biographie bereits ein alter Hase zu sein, der schon viele Sachen selbst veröffentlicht und bereits auch mit einigen Größen im Business gearbeitet hat und unter den Kollegen auch ein hohes Standing besitzt. Zurecht wie mein Resümee nach dem Hören seiner neuen CD „Upside-Down Town“ nur geschlussfolgert werden kann. Der Mann schreibt richtig gute Songs und weiß diese auch entsprechend in Szene zu setzen.

GT, so wie er in den Credits aufgeführt ist, serviert uns am Anfang ein wenig Blues Rock, dafür aber umso überragender. Der Opener „Nobody In The Whole Wide World“ groovt richtig herrlich und soult auch ganz dezent, Orgel, E-Piano und E-Gitarre (inkl. zweier Soli) geben den Ton an. Dazu kommt Troopers starker Gesang, der auch im weiteren Verlauf besonders durch seine Variabilität beeindruckt. Der Song erinnert mich vom Flair ein wenig an Ronnie Milsaps „Stranger In My House“. Das war es dann aber auch aus dieser Sparte.

Danach bewegt sich Greg ausschließlich in Country-, Roots Rock- und Singer/Songwriter-Gefilden, sprich, alles geht dann doch deutlich gediegener zu. Bob Dylan (ähnlicher Erzählstil – „They Call Me Hank“, „Second Wind“), Johnny Cash („First Time Love“, Everything Will Be Just Fine“),
John Hiatt (kauziger Gesang – „Dreams Like This“, „Bulletproof Heart“), gemäßigte Bottle Rockets („Time For Love“, „Just One Hand“), Van Morrison („Could Have Been You“) sind Musiker, zu denen einem Assoziationen kommen, wenn Trooper seine hochmelodischen und mit sehr guten Musikern (u.a. Kevin McKendree, Kenneth Belvins, Jack Trooper, Stewart Lerman, Michael McAdam, Chip Dolan) eingespielten Stücke leicht rauchig daherraspelt. Die Produktion ist glasklar.

Eine ganz nette Geschichte für die Leute in NRW (und natürlich gerne darüber hinaus). Unter dem Motto ‚Movies & Men‘ präsentiert der Freundeskreis Filmmuseum Düsseldorf e.V. am 16.11.2010 (Beginn 20.00 Uhr) in der Black Box Greg Trooper live in Kombination mit dem Kultfilm „Einer flog übers Kuckucksnest“ (der folgt einen Tag später), wobei Greg sogar auf einen Teil seiner Gage verzichtete und auch bei der Gestaltung der Eintrittspreise für seinen Gig Abstriche machte (beides von daher zusammen für moderate 15 Euro).

Ein toller und angenehmer Zeitgenosse also, dieser Greg Trooper und ein guter Musiker und Singer/Songwriter sowieso. Und ich persönlich habe wieder eine musikalische Wissenslücke geschlossen!

Blue Rose Records (2010)
Stil: Country Rock

01. Nobody In The Whole Wide World
02. Dreams Like This
03. They Call Me Hank
04. Bulletproof Heart
05. We’ve Still Got Time
06. Might Be A Train
07. First True Love
08. Could Have Been You
09. Time For Love
10. Second Wind
11. Just One Hand
12. Everything Will Be Just Fine

Greg Trooper
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Blue Rose Records

Tow Truck Tom & The Roadside Wrecks – Sophomore Slump – CD-Review

Tow

Obwohl ich mich schon seit einigen Jahren mehr zum New Country hingezogen fühle, galt meine Liebe jedoch von Jugend an schon immer dem Southern Rock, dem Musikstil, der im groben und ganzen auch von allen meiner musikalischen Bekannten geschätzt wird. Zu  Reviews meinerseits ist es ist es in letzter Zeit weniger gekommen, weil die Veröffentlichungen in den letzten Jahren ohnehin nicht so in Hülle und Fülle sprudelten. Mit dem Kauf von Tow Truck Tom (And The Roadside Wrecks) möchte ich nun auch mal die Gunst der Stunde nutzen, ein paar Worte in diesem Bereich loszuwerden. Ja, der gute Southern Rock, wo steht er eigentlich heute?

Wenn man ehrlich ist, so sehr die Erkenntnis auch schmerzen mag, ist der einstige Glanz schon lange verschwunden. Man fragt sich verzweifelt, warum selbst die überlebenden Bands bei CD-Verkäufen und Live-Konzerten kaum noch einen Hering vom Teller ziehen, obwohl ihre Klientel doch eigentlich heute in einem Alter ist, wo die finanziellen Mittel da sind und bei guter Leistung auch gerne ausgegeben würden.

Südstaaten Rock hat sich für meine Begriffe immer dadurch ausgezeichnet, dass die Bands der ersten und zweiten Generation einerseits Musiker mit Charisma in ihren Reihen hatten, zum anderen enormes spielerisches Können an den Tag legten und in der Lage waren mehrere Scheiben mit vielen Songs, die so was wie einen gewissen Wiedererkennungswert besaßen, zu kreieren.

Übrig geblieben sind davon 38 Special, deren letztes Werk auch schon wieder fünf Jahre zurück liegt, Molly Hatchet, die mit einer Live-Scheibe, sich an den Strohhalm des Nicht-Vergessens-Werdens, klammern und natürlich Lynyrd Skynyrd. Die Neuen, wie ich sie zu nennen pflege, hatten richtigerweise viele Kräfte gebündelt, vier sehr gute CDs produziert und mit „Edge Of Forever“ eines der stärksten Werke dieses Genres geschaffen. Trotzdem vermisse ich nach wie vor das Bekenntnis zur eigenen Identität, besonders bei Live-Konzerten. Die auch schon wieder recht lange Pause wurde wenigstens durch zwei ganz ordentliche Solo-Scheiben der Van Zant Brüder kompensiert.

Was ist aber mit dem Rest? Atlanta Rhythm Section und Southern Rock Allstars demonstrierten eindrucksvoll, wie man Southern Rock nicht interpretieren sollte, Aufhorcher gelangen Catawompus, Alligator Stew und den Regulators. Das meiste kreative und spielerische Potential entdecke ich eigentlich bei Calibre 12, aber der französische Gesang passt zu dieser Stilart wie das Doppelpassspiel zu unserer deutschen Fußballnationalmannschaft. Unsere zwei deutschen Bands geben sich zwar redlich Mühe, aber das gewisse Etwas fehlt meiner Meinung nach.

Henry Paul hat zumindest erkannt , dass mit Blackhawk im New-Country der Zahn der Zeit eher getroffen wird. Die Band liefert regelmäßig mit Erfolg ihre Alben ab, und bringt auch nach Van Stephensons schmerzlichem Tod demnächst eine neue CD raus. Als Ersatz für ihn transportiert Billy Crain vielleicht wieder ein wenig Southern-Esprit rüber.

Einen Leuchtstreifen am Horizont lassen auf jeden Fall Tow Truck Tom & The Roadside Wrecks aufblitzen, der eigentliche Grund für meine Ausführungen. Die 1998 gegründete Band veröffentlich ihre zweite CD, die sich in keiner Southern Rock- Sammlung verstecken braucht. Traditionelles Line-Up mit drei Lead Gitarren und das Album beinhaltet im Prinzip das gesamte Südstaaten Rock ABC, frisch, abwechslungsreich und unverbraucht dargeboten. Jede Menge Drive und Power, Slide-, Twin-Gitarren und Soli en Masse, eben alles was das Herz des Fans höher schlagen lässt.

Der Gesang ist auch ok. Man merkt, das die Leute nicht mit der Intension ans Werk gegangen sind, irgendwas krampfartig abzuliefern, wie zum Beispiel bei den Southern Rock Allstars. Nein, hier regiert offensichtlich der Spaß und ich vermute, dass die Band ein richtiger Live-Knüller ist. Geboten wird ein bunter Reigen quer durch die Southern Rock-Landschaft von Outlaws, Marshall Tucker, Allman Brothers, Lizard bis zur Southern Highway Band, um einige zu nennen, wobei viele Soli Molly Hatchet mäßig angelegt sind, trotzdem wird so was wie ein eigener Charakter sichtbar. Bis auf das Abschlussstück, das man, wenn überhaupt, besser als Hidden Track hätte bringen sollen, hat jedes Lied seinen eigenen Charme und irgendeines explizit herauszuheben, fällt schwer.

Meine Favoriten sind der Opener „Legacy“ mit seinem Finish, das gitarrenlastig rhythmisch dahinstampfende „Middle Of Nowhere“ und das leicht im Ohr hängen bleibende „Cold Outside“. Vielleicht werden mich jetzt einige selbst ernannte Puristen der Szene zerreißen, und mir nahe legen, ich sollte mich doch lieber der New Country Musik zuwenden, was mir aber relativ egal ist. Ich ziehe jedenfalls meinen Hut vor Tow Truck Tom! So kann Southern Rock weitergehen, Nachzügler sind gern gesehen, vielleicht gibt es dann auch so was, wie eine kleine Renaissance. Zu wünschen wäre es jedenfalls…

P.S.
Die Band hat mittlerweile den Zusatz ‚The Roadside Wrecks‘ aus ihrem Namen gestrichen.

Eigenproduktion (2002)
Stil: Southern Rock

01. Legacy
02. Dawn Breaks
03. Middle Of Nowhere
04. Turn Towards Tomorrow
05. Shake Me Break Me
06. When The Wave Hits The Shore
07. Cold Outside
08. Spanish Fly
09. We Lied
10. Still Be Your Fool
11. Guy In A Bar

Tow Truck Tom
Bärchen Records