Blackberry Smoke – Bad Luck Ain’t No Crime – CD-Review

Solche Typen hätte man gern an seiner Seite, um in gepflegter Art das eine oder andere Haute-Couture-Treffen, Vernissagen, Promi-Parties und sonstige Bussi-Bussi-Veranstaltungen mal so richtig aufzumischen, oder, um halt Politikern, Managern, Religiösen, Anwälten, Psychologen und allen Leuten, die dieser Welt soviel Freude bereiten, einmal so richtig das Maul zu stopfen. Gäbe sicherlich viel Schlagzeilen und umso mehr Anerkennung!

Aber was machen Kerle wie die von Blackberry Smoke nicht alles, um dann doch lieber in einem so seriösen, vorurteilsfreien und sich natürlich von jeglicher Gewalt distanzierenden Magazin zu erscheinen? Richtig! Sie machen einfach Musik!

‚Die kommen daher wie ein polternder Mülleimer‘, so der Kommentar eines ehemaligen Kollegen, womit er wirklich gar nicht so falsch liegt. Aber wenn man sich natürlich dem Southern-Rock-N-Roll in der Tradition der Georgia Satellites verschrieben hat, gehören ein wenig Proll, Mief, Dreck, Schweiß, Whisky und Bier eben dazu.
Und so brettern die Jungs um Frontmann Charlie Starr durch die Dreiviertelstunde, nehmen allerdings auch mal zwischendurch den Fuß vom Gaspedal wie beim Satellites-Cover „Another Chance“, „Angeline“ oder „Sure Was Good“, was ich persönlich ganz angenehm empfinde.

Richtig gut sind die fetzigen Nummern wie „Train Rollin'“ und „Scare The Devil“ mit allen Gitarrenfreuden, die der Southern-Rock nun einmal bietet. Der alte Outlaws-Schinken „Freeborn Man“ wird in einer Art Highspeed-Version gecovert, so dass man das Original kaum noch erkennt, wenn man den Titel vorher nicht weiß. Trotzdem oder gerade deswegen recht gelungen.

BBS ist eigentlich eher ’ne typische Live-Band mit ernstzunehmenden Anheizerqualitäten. So war es auch sicher nicht verkehrt, drei Live-Stücke zum Antesten mit auf die CD zu packen. Allerdings bedient man sich leider zum Teil diverser von zig anderen Bands schon lange vorher bis zum Erbrechen durchgenudelter Southern-Klischees.

Also vor dem Einlegen erst mal den Alkoholpegel anheben, so dass die Feinfühligkeit ein wenig in den Hintergrund tritt, und die Toleranz gegenüber kleineren Schwächen (Kreativität/Produktion) entsprechend in die Höhe geschraubt wird. Dann hat man sicher seinen Spaß mit dem Teil. Insgesamt was für Biker, Rocker, Rednecks und feuchtfröhliche Männerabende mit verwegenen Typen unseres Schlages. Ey, oder hasse etwa ne andere Meinung? Dann pass bloß auf…

Eigenproduktion (2003)
Stil:  Southern Rock

01. Testify
02. Sanctified
03. Another Chance
04. Nothin For You
05. Normaltown
06. Train Rollin
07. Angeline
08. Sure Was Good
09. Scare The Devil
10. Muscadine
11. Freeborn Man

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Bo Bice – See The Light – CD-Review

Bo Bice wurde so richtig im Jahr 2005 bekannt, als er sich in der Casting-Show ‚American Idol‘ ein Kopf an Kopf-Rennen mit der späteren Siegerin Carrie Underwood lieferte. ‚American Idol‘ ist ja im Prinzip das Pendant zu unserer Lachnummer ‚Deutschland sucht den Superstar‘ und man hat angesichts der qualitativen Outputs der dortigen Kandidaten Tränen in den Augen, wenn man sie in Relation zum immer mehr auf Bohlensches Niveau abdriftende Volksbegehren (siehe Mark Medlock) unserer Nation setzt. Es geht steil bergab mit unserem Lande, und wie man weiß, nicht nur in unserem Bereich…

Aber egal, kommen wir nochmals zum Vergleich Bice-Underwood. Während Carries Album „Some Hearts“ vor kurzem das siebte Mal mit Platin ausgezeichnet wurde und auch ihr Nachfolger wieder mit blendenden Verkaufszahlen aufwarten kann, musste Bo Bice nach seinem Major-Debüt „The Real Thing“ wieder etwas kleinere Brötchen backen. Es ereilte ihn der Vorwurf, sich unter dem Einfluss von John Shanks, Jon Bon Jovi und Richie Samborra zugunsten einer Mainstream-Rockplatte glatt bügeln gelassen zu haben, was wohl viele seiner Fans verdrossen hat, die ihn wegen seiner ‚Southern Rock-Soul‘ so geliebt hatten.

Mittlerweile ist er bei einem Independant-Label gelandet und dürfte mit „See The Light“ jetzt die Platte gemacht haben, die eigentlich seiner wahren Natur entspricht. Hier erlebt man einen Bo Bice, der einen richtig ehrlichen (Retro-) Southern Rock, gepaart mit ein paar Countrybezügen und auch ein wenig britischem Rock der Seventies (Bo hat ja eine zeitlang mit seiner Familie in London gelebt) zelebriert. Ich würde sogar behaupten, dass er hier genau den Typ verkörpert, an dem ein Ronnie Van Zant damals großen Spaß gehabt hätte. Der Bursche erinnert mich ein bisschen an Shooter Jennings.

Vom souligen Opener „Witness“ (mit Hendrix-Flair, toller Wah-Wah-Gitarre, Talkbox-E-Solo Marke Peter Frampton) bis zum abschließenden „Whiskey, Women & Time“ (eine Mischung aus Marshall Tucker Band und Black Crowes, mit zweistimmiger E-Arbeit und tollem southern-typischen Instrumental-Finish) bekommt man einen wunderbar kantigen, unangepassten Southern Rock von einem echten Charaktertypen geboten, der sowohl großes Songwritingtalent besitzt (alle Tracks selbst geschrieben), mit einer herrlich rotzigen Stimme aufwartet und auch noch neben der E-Gitarre weitere Instrumente glänzend zu bedienen weiß (herrlich sein Harp-Spiel in Richtung des leider bereits verstorbenen Topper Price).

Die meisten Stücke gehen recht gut ab, lediglich bei „Only Words“ und „Sinner In A Sin“ kommen mal die etwas gemäßigteren Countrytöne zum Vorschein, wobei der schöne weibliche Harmoniegesang einer Raquel Wynn nicht unerwähnt bleiben darf. Fantastisch auch „I’m Gone“, das britisches, leicht psychedelisch angehauchtes Rock-Esprit der Siebziger mit Southern Rock zu vereinen gedenkt. Fast wie eine Session aus Bad Company, Led Zeppelin und den Allman Brothers. Im Background hier wie auch bei einem weiteren Stück die bei uns beliebte Skynyrd-Sängerin Carol Chase.

Insgesamt kommt Bo Bice diesmal mit „See The Light“ wie ein Shooter Jennings oder Travis Tritt (zu Anfangstagen) rüber, allerdings noch viel tiefer mit dem Southern Rock verwurzelt. Er bietet einen modern aufbereiteten Streifzug durch all das, was uns früher im Genre so viel Freude bereitet hat und setzt zudem den eigenen Stempel auf. Auch Foghat- und Point Blank-Freunde sollten mal ein Ohr riskieren. Klasse! Mittlerweile ist Bo in ein demnächst erscheinendes Tribute zu Ehren des kürzlich verstorbenen George McCorkle involviert worden, als Beweis eigentlich auch dafür, welche Akzeptanz er bereits in Southern-Kreisen genießt.

Sugar Money / StratArt Records (2007)
Stil:  Southern Rock

01. Witness
02. Take The Country Outta Me
03. I’m Gone
04. Only Words
05. Got Money
06. See The Light
07. Sinner In A Sin
08. This Train
09. Ain’t Gonna Die
10. Whiskey, Women & Time

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Bering Strait – Same – CD-Review

Die Beringstraße wurde ursprünglich benannt nach dem dänischen Seefahrer Vitus Jonassen Bering (1680 – 1741), der im Auftrag des russischen Zaren Peter dem Großen durch eine Expedition den Beweis erbrachte, dass die Kontinente Asien und Nordamerika nicht miteinander verbunden sind. Ob die russischen Musiker der Gruppe Bering Strait die gleichnamige Meeresstraße benutzt haben, um nach Nashville zu gelangen und die dortige Countryszene zu erforschen, kann ich leider nur spekulieren.

Russen und New-Country frage ich mich spontan. Geht das überhaupt? Dschingis Khan mit Honky-Tonk-Piano und Steelgitarren, oder was? Mit Überraschung nehme ich bei meinen Recherchen zur Kenntnis, dass in Russland in zunehmendem Maße eine Fangemeinde für das von mir geliebte Genre heranwächst.

Um es vorwegzunehmen, die Mädels und Jungs der Band sind bereits alle im mittleren Schüleralter ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten übergesiedelt und sind bestens musikalisch ausgebildet. Herausgekommen ist ein recht interessantes und hörenswertes Album. Spätestens nach dem vierten Song wird die Handschrift der beiden Führungspersönlichkeiten Natasha Borzilowa und Ilya Toshinsky deutlich. Erstgenannte liebt Tori Amos und Patsy Cline und der junge Gitarrist besitzt eine Schwäche für Mark Knopfler.

Betrachtet man das komplette Paket, würde ich sagen, dass es so ähnlich klingen könnte, wenn The Corrs und Dire Straits sich zu einer Country-Folk-Jam-Session treffen würden. Zu meinen persönlichen Favoriten des Werkes zählen die herrlich flockigen Nummern „Tell Me Tonight“ und „When Going Home“, mit diesen unnachahmlichen Gitarrenparts, die „Sultans Of Swing“ damals auszeichneten. Dass auch der Rest der Musiker ihr Handwerk beherrschen, beweist der Song „Bearing Straight“ mit seinen Breaks und Tempowechseln, wo es eine Soloeinlage nach der anderen mit den genrespezifischen Instrumenten gibt. Toll gemacht.

Die einzigen kleineren Schwächen vielleicht „Porushka-Paranya“, bei dem man ein russisches Volkslied polkamäßig zum Besten gibt. Passt irgendwie nicht zu den restlichen englisch gesungenen Liedern. Relativ blass und harmlos, trotz netter Melodie, das abschließende Livestück „Like A Child“. Ansonsten aber ein durchaus gelungenes Debüt.

Die Songs enthalten eigentlich alles, was das Countryherz begehrt:  Piano, Electric- und Slidegitarren, Dobros, Mandolinen und Steelgitarren in Hülle und Fülle. Zudem wird es auch demnächst einen Dokumentarfilm mit dem Titel „The Ballad Of Bearing Strait“ geben, der in den Kinos der Staaten bereits im Januar angelaufen ist. Also New-Countryfans aufgepasst! Die Russen kommen…

Universal South Records (2003)
Stil:  New Country

01. What Is It About You
02. Tell Me Tonight
03. I Could Be Persuaded
04. When Going Home
05. I’m Not Missing You
06. I Could Use A Hero
07. The Trouble With Love
08. Jagged Of A Broken Heart
09. Only This Love
10. Bearing Strait
11. Porushka-Paranya
12. Like A Child (Live)

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Sherrié Austin – Followin‘ A Feelin‘ – CD-Review

Der Name Sherrié Austin spielte schon öfter in meinen Überlegungen eine Rolle, was den Kauf einer von ihren drei bisher veröffentlichten CDs anging. Umso erfreuter war ich, als vor einigen Tagen ein Exemplar ihrer aktuellen Scheibe „Followin‘ A Feelin'“ bei mir zur Rezension eintraf. Schon nach dem ersten oberflächlichen Durchhören braucht man kein Musikprophet zu sein, um zu erkennen, welchem Vorbild die gebürtige Australierin in erfrischender und moderner Weise nacheifert.

Auf den Punkt gebracht wird diese Liebe mit der schönen Coverversion des Countryklassikers „Jolene“, der auch seit Beginn ihrer Karriere zum festen Bestandteil ihres Liverepertoires gehört.

Ihre manchmal recht dünne, z. T. etwas piepsige Stimme bereitet mir zwar zwischenzeitlich ein wenig Probleme, aber die meisten Männer – so auch ich – neigen beim Anblick einer so schönen Frau doch dazu, über den einen oder anderen kleinen Makel großzügig hinwegzusehen. Und unterm Strich ist dem „Gypsy Girl“ ja auch eine sehr ansprechende New-Country-Scheibe gelungen.

Die fast einjährige Auszeit, in der sie sich ausschließlich dem Songwriting widmete, verbunden mit einem Wechsel der Plattenfirma, die ihr absoluten Freiraum für die Umsetzung ihrer Ideen gewährte, haben Sherrié viel neuen Elan gegeben. Dies spürt man auch deutlich in der Darbietung der diversen Lieder, die wie bei den meisten Werken dieses Genres von absoluten Topmusikern perfekt durchgestylt eingespielt wurden.

Mal in nahezu flehender und gebrechlicher Manier beim eingangs erwähnten Dolly-Parton-Klassiker, dann in der Art einer Chansondiva bei „Somethin‘ Missin‘ In The Kissin'“, überschwänglich fröhlich bei „In The Meantime“, ein wenig nachdenklich bei „Love Melts Even The Coldest Hearts“, um dann wieder bei „The Liar“ mit bissigem Text zur Raubkatze zu mutieren; mehr als ein Beweis für Sherriés viele musikalische Gesichter.

Sehr peppig auch das Titelstück, das laut eigener Aussage ihre Gemütslage der letzten Zeit recht gut charakterisiert.
Als Zugabe zum optisch anspruchsvoll gestalteten Booklet gibt es noch zwei Videoclips, auf denen man den rassigen schwarzen Lockenkopf noch mal in Action erleben kann.
Eine gute Idee, wie ich finde, angesichts der oftmals zu bemängelnden Kürze vieler New-Country-CDs.

Mon Sherrié, meine Intuition sagt mir, dass du auf dem richtigen Weg bist, eine erfolgreiche Größe in diesem Business zu werden. Also folge deinen Gefühlen ruhig weiter!

WE Records (2001)
Stil:  New Country

01. Followin‘ A Feelin‘
02. Jolene
03. Goin‘ Goin‘ Gone
04. Something Missin‘ In The Kissin‘
05. In The Meantime
06. My Brilliant Mistake
07. In Our Own Sweet Time
08. Love Melts Even The Coldest Hearts
09. Back Where I Belong
10. Love & Money
11. The Liar
12. Winter Wonderland

Videos.
Jolene / In The Meantime

Sherrié Austin
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Dierks Bentley – Same – CD-Review

Eine der großen Entdeckungen des Jahres 2003, die ich unserer geliebten (New-)Country-Leserschaft nicht vorenthalten möchte, ist sicherlich Dierks Bentley.
Der blasse Lockenkopf sieht zwar aus wie eine Milchschnitte und würde sich rein äußerlich wohl eher als Werbeträger für Kinderschokolade eignen, als ein Typ, der im harten Nashville-Musik-Business Fuß fassen möchte. Aber Hut ab, was der Junge da bei seinem Auftaktwerk abliefert, kann man schon als ‚erste Sahne‘ bezeichnen.
Beindruckend, wie Dierks es trotz relativ konservativ ausgerichtetem Stil schafft, den Songs eine zeitgemäße Würze zu verpassen.

Gründe für das Meistern des Balanceaktes zwischen neu und alt gibt es einige. Seine Stimme besitzt eine angenehm raue Wärme und ähnlich einem guten Tropfen schon viel Reife. Capitol Records stellte dem Burschen mit Brett Beavers einen erfahrenen Musiker, Songwriter und Produzenten an die Seite und ließ die beiden ohne Druck ihr Menü zusammenstellen. So verwenden Beavers und Bentley in ihren Texten zwar alle genretypischen Klischees, schaffen es aber mit einem Schuss Selbstironie und der einen oder anderen klug gesetzten Pointe, jegliche Gefahr von fadem Beigeschmack aus den Stücken fernzuhalten.

Frei nach dem Spruch, dass zu viele Köche oftmals den Brei verderben, wurde hier der Kreis der Studiomusiker, deren Namen man auch nicht ganz so häufig in den Booklets der Szene findet, relativ klein gehalten. Allen voran der überragend spielende Bryan Sutton, der im Stile eines Fünf-Sterne-Maitres seine instrumentalen Delikatessen frisch und stimulierend zelebriert.

So fällt es mir sichtlich schwer irgendwelche Songs herauszuheben. Irgendwie passt eine Zutat zur anderen. Stark natürlich der fetzige Opener „What Was I Thinkin'“ mit tollem Dobrosolo, das auch relativ schnell zum Chartbreaker avancierte. Ob Balladen wie „Wish It Would Break“, „Distant Shore“ oder „Whiskey Tears“ oder Uptempo-Nummern der Sorte „Forget About You“ oder das spaßige „Bartenders…“, mit seinem lebhaften Honky-Tonk faszinieren schon nach dem ersten Probe-Happen. Und so serviert der junge Bursche auch das abschließende Bluegrass-Dessert mit der Del McCoury Band sehr peppig.

Alles in allem ein leckeres (New-) Country-Festmahl in dreizehn Gängen, ein wirklicher musikalischer Gaumenschmaus. Und sind wir doch mal ehrlich. Irgendwie schmecken Bier, Whiskey und Spareribs doch besser als Milch und Schokolade, oder nicht?

Capitol Records Nashville (2003)
Stil:  New Country

01. What Was I Thinkin‘
02. Wish It Would Break
03. Forget About You
04. I Can Only Think Of The One
05. My Last Name
06. Bartenders etc…
07. Is Anybody Loving You These Days
08. My Love Will Follow You
09. How Am I Doin‘
10. Distant Shore
11. I Bought The Shoes
12. Whiskey Tears
13. Train Travellin‘

Dierks Bentley
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Steve Azar – Indianola – CD-Review

Indianola. Die Geburtsstadt von Blues-Legende Albert King. Diesen traf der im Mississippi-Delta groß gewordene und von frühester Kindheit an musikbegeisterte Steve Azar 1990 bei einem Tribute-Festival zu Ehren von Stevie Ray Vaughan backstage, als Steve noch zusammen mit seinem Bruder in der Steve Azar Band die südlichen US-Staaten rauf und runter tourte. Mr. King zeigte sich beeindruckt von Azars Leistung und sprach ihn auf seine musikalische Zukunft an. Der erwiderte. »Ich gehe nach Nashville«. King darauf mit einem von Sarkasmus geprägten Lächeln. »Ah, nur der Teufel geht nach Nashville!«. Soweit die Vorgeschichte zu Steve Azars aktuellen CD „Indianola“, die er natürlich Albert King gewidmet hat.

Beide sollten, was Steves Pläne anging, auf ihre Art Recht behalten. Denn der Weg für Steve Azar sollte sich als ein sehr dorniger erweisen. Mitte der neunziger Jahre setzte Azar seine Visionen tatsächlich in die Tat um und spielte in Music-City ein erstes Solo-Album ein, kurze Zeit später machte das ihn beherbergende Label dicht. Es sollte sechs weitere Jahre dauern, bis die große Stunde für Steve geschlagen hatte. 2001 offerierte Mercury Records ihm einem Major-Deal und die erste Single „I Don’t Have To Me (‚Til Monday)“ seines sehr empfehlenswerten Albums „Waitin‘ On Joe“ konnte direkt Platz 2 der Billboard Country Charts erklimmen. Auch das Video zum Titelsong des Albums (mit US-Star-Schauspieler Morgan Freeman) wurde für das ‚Video Of The Year‘ bei den CMA-Awards nominiert.

Ein weiteres Highlight für Steve, er wurde als Support für Bob Segers Tour gebucht (der Autor offenbart seinen Neid gegenüber Leuten, die live dabei sein durften…). Weitere ausgekoppelte Singles blieben dann aber erfolglos und wie es bei den Majors oft so üblich ist, war der Erfolg von gerade schon wieder Schnee von gestern. Azar war wieder aus dem Rennen. Er begab sich ziemlich gefrustet auf die Suche nach einem neuen Label, schließlich hatte er noch annähernd 100 Songs auf Halde, die an den Mann gebracht werden wollten.

So gründete Steve letztendlich sein eigenes Label und konnte jetzt seine Songs auch nach seinem Geschmack gestalten, was, wenn man das Ergebnis betrachtet, unter einem Fremdlabel in dieser Form sicher nicht möglich gewesen wäre. Und, um es vorwegzunehmen, es ist ein sehr interessantes und tolles Teil geworden, zumal die Konstellation knackiger New-Country kombiniert mit Delta-Blues-Einflüssen auch für einen im NC-Genre sich bestens auskennenden Experten wie mich sicherlich sehr ungewöhnlich ist.

Azar, der nach der Entfernung einer Zyste am Stimmband vokal wieder blendend in Form ist und ganz vorzüglich diverse Saiteninstrumente bedient, wird von ganz hervorragenden Musikern unterstützt (u.a. Radney Foster mit herrlichem Bariton-E-Spiel, Mark Easterling an der E-Gitarre, John Wallum – Keyboards). Ganz stark involviert ist Singer/Songwriter Jason Young, der auch vor Jahren Azars o.a. Hit mitkomponiert hat. Er wurde nicht nur beim Songwriting teilweise mit ins Boot geholt, sondern bedient auch diverse Percussion-Instrumente und die Harmonika, singt im Background und ist auch für das Cover-Artwork (mit allen Texten) verantwortlich.

Bis Stück 10 gibt es zunächst wunderbar frischen und herrlich abwechslungsreich instrumentierten New-Country („Crowded“ – soulig relaxt, „The Coach“ – mit schönem Mandolinengezirpe, „What’s Wrong With Right Now“ – geniales Twin-Southern-E-Solo), mal mit texanischer Handschrift eines Radney Fosters („You Don’t Know A Thing“, „You’re My Life“), mit grassigem Roots-Touch („Empty Spaces“) und einer Brise Heartland-Flair („The River’s Workin'“ – wie Mix aus Bob Seger, Marc Cohn und Jackson Browne / „I Want Let You Lead Me Down“ – Dobrofills, Organ-Solo).

Die restlichen Stücke sind dann dem Delta-Blues gewidmet, allerdings in sehr moderner Form. Herausragend „Flatlands“, das als schwerer Southern-Swamp-Blues-Rocker voranstampft (herrliche E-Gitarren- und HT-Pianopassagen) und mit einem toll passenden, an The Doobie Brothers‘ „Long Train Runnin'“ angelehntes Break aufgelockert wird. Könnte mein Song des Jahres werden. Lediglich die eunuchenartigen Backs von Jason Young bei „Bluestune“ sind ein winziger Makel (man könnte meinen, Azar hätte ihm kurz vor der Aufnahme Vollspann in die Eier getreten…).

Insgesamt aber ist Steve Azars „Indianola“ ein echtes Geheimtipp-Album, das von mir jedem wärmstens empfohlen wird, der sich offen für das Beschriebene zeigt. Oder, wenn man der Prophezeiung Albert Kings Folge leisten möchte, einfach teuflisch gute Musik!

Dang Records (2007)
Stil:  New Country

01. Crowded
02. You Don’t Know A Thing
03. You’re My Life
04. Still Tryin‘ To Find My Way Around
05. Emty Spaces
06. What’s Wrong With Right Now
07. The River’s Workin‘
08. I Won’t Let You Lead Me Down
09. The Coach
10. Prelude
11. Flatlands
12. Bluestune
13. Indianola
14. Mississippi Minute
15. Highway 61

Steve Azar
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Atlanta Rhythm Section – Quinella – CD-Review

Die Atlanta Rhythm Section bildete sich um 1970 herum aus Session-Musikern, die im Studio One in Doraville, Georgia ihre Brötchen verdienten. In den freien Zeiten, in denen sie nicht für andere Interpreten tätig waren, wurde fleißig komponiert und schon bald war genug Material für ein eigenes Album vorhanden. Die Atlanta Rhythm Section war geboren und mit ihrem gleichnamigen Debüt 1972 sollte für sie ein furioses Jahrzehnt eingeläutet werden, das große Hits wie „So Into You“, „Imaginary Lover“ oder „Spooky“ hervorbrachte, in einer Einladung bei Präsident Jimmy Carter gipfelte und zu Auftritten in vollen Stadien und bei weiteren diversen Massen-Events (u.a. beim Knebworth-Festival in England zusammen mit u.a. Genesis und Tom Petty) führte.

Unvergesslich das Intro auf ihrem Live-Album „Are You Ready“, bei dem einem unweigerlich noch heute eine Gänsehaut aufkommt. Das hier von mir besprochene Album „Quinella“ aus dem Jahr 1981 stellte den letzten Versuch dar, die Band in der kommerziellen Spur zu halten, was jedoch nur mit mäßigem Erfolg gelang, lediglich das groovige „Alien“ (eine Art Mischung aus „So Into You“ und „Spooky“) konnte noch mal Platz 29 in den Billboard-Charts erklimmen. Auch wenn die Band bis heute noch aktiv ist (wie sooft mit hoher Personalfluktuation, lediglich Keyboarder Dean Daughtry ist noch von den Gründungsmitgliedern dabei) und zwischendurch mal ein Album wie „Truth In A Structured Form“ oder „Eufaula“ nachschob, der Lack war, wie man so schön sagt, ab.

„Quinella“ (übersetzt ‚Zweierwette‘) halte ich für eines der meist unterschätzten Werke dieser Gruppe. Mit dem raffinierten Titelstück (tolles Slidespiel, HT-Geklimper), dem grandiosen Opener „Homesick“ (mit dieser famos rockigen E-Gitarrenarbeit) und besagtem „Alien“ bietet es gleich drei echte Hammerstücke. Auch das gut abgehende „Higher“ ließ wunderbar Buddie Buies (Produzent, Songschreiber) parallele Zusammenarbeit mit 38 Special durchschimmern, der Track hätte auch gut auf deren „Rocking Into The Night“ gepasst. Selbst wenn der Rest etwas gediegener zugeht, das als Markenzeichen der Band gluckernde E-Piano und jede Menge filigrane E-Passagen mit vielen Twin-Einlagen (superbes Spiel von J.R. Cobb und Barry Bailey) ist ein Genuss für sich.

Und Ronnie Hammonds weiche Stimme entfaltet sich auf Tracks wie „You’re So Strong“ (klasse Tempowechsel, tolle Songchoreografie), „Outlaw Music“ (schönes Countryflair, grandiose, auf den Punkt gespielte E-Soli), „Pretty Girl“ (wunderbares Strat-Solo, außergewöhnliche, falsettartige Harmonies von Hammond in Bee Gees-Manier) oder beim abschließenden „Going To Shangri-La“ (Atmosphärenwechsel, kreischendes E-Solo, lässiger E-Ausklang) besonders gut. „Quinella“, ein Album, das insgesamt sowohl rockt als auch viel Entspannung auf äußerst hohem musikalischen Niveau verschafft.

P.S.
Ich habe die Band dann mal Anfang der neunziger Jahre an einem unscheinbaren Sonntag Abend im bis dato nie besuchten und bekannten Hunky Dory im westfälischen Detmold live vor einem überschaubaren Publikum erleben können, als die Truppe mit Hammond, Bailey, Daughtry und zwei jungen Burschen hier wie aus dem Nichts auftauchte. Wenige Stunden zuvor hatte ich noch an der TT-Platte um Zweitligapunkte gekämpft – danach Schläger in die Tasche, kurze Dusche, Fransenjeans an, Cowboyhut auf und ab zum Gig, der dann hoffentlich stattfinden mochte, es gab ja noch kein Handy, geschweige das Internet. Mann, waren das noch Zeiten… Ronnie bezog mein von einem Airbrush-Künstler gefertigtes Lynyrd Skynyrd-T-Shirt zur Ansage von „Large Time“ ein (ich stand direkt auf Höhe des Mikros vor ihm und er sagte. „This is for Lynyrd Skynyrd, I read it from a guy’s T-Shirt.“). Nach Konzertende gab es noch ein Bierchen zusammen mit ihm und dem Bassisten an der Theke. Ein sympathischer Typ, der allerdings, wie bekannt, in der Folgezeit schwere Alkohol-, bzw. Persönlichkeitsprobleme mit Suizidgefahr durchleben sollte (er provozierte einen Polizisten dazu, auf ihn zu schießen!), die mittlerweile allerdings jedoch wieder behoben zu sein scheinen.

CBS Records (1981)
Stil:  Southern Rock

01. Homesick
02. Quinella
03. Alien
04. Higher
05. You’re So Strong
06. Outlaw Music
07. Pretty Girl
08. Southern Exposure
09. Going To Shangri-La

Atlanta Rhythm Section
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Chris Anderson – Old Friend – CD-Review

Chris Anderson ist einer der vielen guten Musiker, die nie so richtig im Rampenlicht standen oder stehen, deren Dienste jedoch aufgrund ihrer Spielqualität immer wieder von renommierten Bands in Anspruch genommen werden. So war Anderson bereits Mitte bis Ende der achtziger Jahre Mitglied der Outlaws, zwischenzeitlich auch immer wieder gerne gesehener Gast im Umfeld der Allman Brothers bei deren Live-Auftritten, wurde dann von Henry Paul für sein Blackhawk-Projekt als Begleitmusiker verpflichtet und ist heute auch wieder im Line-up der aktuellen Outlaws-Besetzung fest etabliert.

Einmal trat er allerdings dann doch in den Mittelpunkt des Geschehens, nämlich als er 1995 ein von Kritikern hoch gelobtes Solo-Werk herausbrachte (die New York Times zählte es damals zu den zehn besten Alben, die man noch nie gehört hat), das jetzt als CDR von Anderson in Alleinregie neu veröffentlicht wurde und wieder käuflich zu erwerben ist. Die spielerische Klasse seiner Mitstreiter (Drummer Matt Abts von den gerade zum Leben erweckten Gov’t Mule, Basser Banner Thomas, Ex-Mitglied der legendären Molly Hatchet-Ursprungsband und der bis dato noch recht unbekannte Keyboarder Mike Kach, der aber später von Dickey Betts in seine Band für die Allman- und Leavell-Parts verpflichtet wurde – dazu kommt ein Gastauftritt von Warren Haynes als Slide-Gitarrist, der auch zwei Stücke mitkomponiert hat) erweckt teilweise den Eindruck, dass die Songs live von der Seele weg im Studio eingespielt worden sind.

Anderson outet sich auf seinem Solo-Projekt als bekennender Blues Rock-Fan, ohne dabei seine Southern-Roots zu verleugnen, die atmosphärisch immer wieder gekonnt in viele der Tracks eingebunden sind, was angesichts seiner Vita und der seiner Begleitmusiker auch im Prinzip keine Überraschung ist, sondern quasi als natürlicher Begleitumstand einzustufen ist. Sein Gesang versprüht nicht unbedingt großes Charisma, ist aber durchaus von der angenehmeren Sorte, sein filigranes Stratocaster-Gitarrenspiel offeriert er dafür umso erhabener.

Nach zwei Blues-Standards (ein flottes Albert King-Cover und ein von der Band selbst kreiertes, kräftiges Instrumental) folgt mit dem aus der Feder von ihm und Warren Haynes entsprungenen Titelstück „Old Friend“ ein erstes Highlight. Haynes, der hier mit vortrefflichem Slidespiel involviert ist, bringt in das relaxte Stück genau die Atmosphäre, die er in die Allman Brothers Band als persönliche Note mit hineintrug, ein klasse Song! Auch das melodische „One Step Ahead Of The Blues“ weiß mit seinem claptonesken Flair zu überzeugen.

Grandios die Slow Blues-Adaption „Life Is Hard“ von Nashville-Produzent/Komponist/Musiker Fred James, bei dem Anderson gitarrentechnisch brilliert und Kachs Pianogeklimper in Chuck Leavell-Manier weitere Akzente setzt. „Ain’t Giving Up On Love“ wird vermutlich der Stevie Ray Vaughan -Klientel Freudentränen in die Augen treiben. Der relaxte „Jake’s Song“ wäre für einen Gregg Allman geradezu prädestiniert, während die zweite Anderson-/Haynes-Komposition wieder diesen typischen Groove des Mule-Leaders beinhaltet, obwohl er hier nicht mitspielt. Erneut ein toller Song.

Chris Anderson ist mit „Old Friend“ ein Werk gelungen, das die Anhänger des (traditionellen) Blues Rocks und des klassischen Southern Rocks (der Allman-Schule) geschickt zusammenführt. Aus heutiger Sicht klingt die Platte fast so wie eine Art Bewerbungsschreiben für die Allman Brothers Band / Gregg Allman Band / Gov’t Mule, falls die Outlaws nicht mehr richtig zu Potte kommen sollten und in diesen Gefilden mal eine Gitarristenstelle vakant oder ergänzt werden sollte. Insgesamt eine fein gespielte Southern Blues Rock-Scheibe von ausnahmslos beteiligten Könnern ihres Handwerks.

Eigenproduktion (2010)
Stil:  Southern (Blues) Rock

01. You’re Gonna Need Me
02. Slow Burn
03. Old Friend
04. One Step Ahead Of The Blues
05. Crying For My Baby
06. Life Is Hard
07. Ain’t Giving Up On Love
08. Trust Me
09. Jake’s Song
10. When Will You Be Satisfied
11. One Good Woman
12. Driving Out Of The Blues

Chris Anderson
Bärchen Records

Hannah Aldridge – Razor Wire – CD-Review

Ein weiteres gutes Beispiel als Beleg für die Richtigkeit von Georg Mendels ürsprünglichen Theorien über die Weitergabe von Erbanlagen ist die 26-jährige Hannah Aldridge, Tochter von Muscle Shoals-Musiker-Legende, Produzent und Songwriter Walt Aldridge (mit Stern auf dem Walk Of Fame in Alabama). Wo andere Mädchen während ihrer Kindheit Barbie-Puppen kämmten und Meerschweinchen streichelten, wird diese vermutlich vornehmlich eher an diversen Instrumenten und den Reglerköpfen von Papas Mischpult rumgegefummelt haben.

Die sich rein äußerlich auf dem Coverart ihres Debütalbums „Razor Wire“ als wasserstoff-blond gefärbte, divenhafte Mischung aus Marylin Monroe, Madonna und Jerry Hall gebende Singer/Songwriterin (zur Ihrer Beruhigung. Aber nur hier!), lässt vom herrlich flockigen, slide-getränkten Opener „You Ain’t Worth The Fight“ (ziemlich rockig) bis zum abschließenden Hidden track (der Akustikversion des Titelliedes) keinen Zweifel daran aufkommen, dass man es hier mit einem außergewöhnlichen musikalischen Talent zu tun hat, das in Zukunft den Americana-Sektor noch öfter gehörig aufwirbeln wird.

Wow, wenn man sich die jungen Dinger von heute bei uns so ansieht, muss man sich echt fragen, wo Hannah Aldridge diese musikalische Reife schon jetzt hernimmt. Ok, sicherlich sind wir da wieder beim Anfangsthema, aber auch in ihren bisherigen persönlichen Lebenserfahrungen sind da wohl einige Antworten zu finden. Sie ist (wie ihre Eltern) geschieden, besitzt dazu eine unehliche Tochter und ist alleinerziehend. All diese eher nicht so schönen Erlebnisse werden zum Beispiel im Titellied „Razor Wire“ (hier erzählt sie, wie sie einst ihren Ehering zu einem Leihhaus brachte und sich danach mit einem wildfremden Mann in einer Bar betrank) voller Hingabe reflektiert.
Hannah ist übrigens trotzdem eher ein musikalischer Spätzünder. Zwar hatte sie bereits im Alter von sechs Jahren eine klassische Klavierausbildung genossen, Songs schrieb sie aber erst mit 21. Entdeckt wurde sie in Nashvilles legendärem Bluebird Cafe, als sie von Studenten dafür ausgewählt wurde, ihre Middle Tennessee State Universität bei einem TV-Sender zu repräsentieren. Zwei Jahre später wurde ihr Song „Lonesome“ (hier als wunderbare glasklare, stark gesungene Akustiknummer zum Abschluss des offiziellen Teils) für die TV-Serie „Hart Of Dixie“ genommen.

Der Rest des Werkes nimmt einen mit auf eine sehr clever gestrikte, manchmal etwas fröstelnde, sehr authentisch wirkende Reise durch das Americana-Genre mit all seinen anliegenden Facetten (Country, Blues, Rock). Mein persönliches Lieblingslied ist das herrliche „Old Ghost“, das in einer Art Retro-Ambiente vorgetragen wird und mittels einer grandiosen Orgel-/E-Gitarren-Solo-Kombination seinen absoluten Höhepunkt erreicht.

Hier darf man die hervorragenden Musiker einfach nicht vergessen zu erwähnen, die dieses stolze Produkt endgültig veredeln. Brad Pemperton (hauptsächlich bekannt aus Ryan Adams Band The Cardinals) an den Drums und Lane Baker am Bass, sowie der überragend agierende Andrew Highley (keys) und der fantastisch auftrumpfende Saitenkünstler Andrew Sovine (E-/Akustik-Gitarren/Lap steel). Dazu kommen noch schillernde Leute wie Dylan und James LeBlanc (ebenfalls wie Vater Walt Muscle Shoals-Session-Musiker) auf „Lie Like You Love Me“ und „Razor Wire“.

Sensationell auch die Version von Jason Isbells „Try“, das dann auch mit seiner Begleitband The 400 Unit eingespielt wurde (besonders toll hier die krachenden E-Gitarrenparts von Sadler Vaden). Sehr schön transparent produziert hat übrigens Chris Mara.

Ein Bild davon, was die junge Dame (mit Faible für hochgezogenen Lidstrich) für ein energisches Temperament hat (nicht zu vergessen ihr durchdringender Blick), kann man sich beim Southern Rock-umwobenen „Howlin‘ Bones“ auf YouTube machen. Ebenfalls ein absoluter Kracher (im wahrsten Sinne des Wortes). Aber gerade die immer wieder eingestreuten, mit einer dezenten Kühle, aber auch von viel Melancholie geprägten typischen Americana-Balladen, die sie oft im Stil einer Country-Chanteuse vorträgt, ziehen den Hörer regelrecht in den Bann. Hier stehen Tracks wie „Strand Of Pearls“ (Bariton-E-Klänge, klasse Slide, psychedelisch anmutendes Synthie-Fiepen), das Piano-lastige „Parchman (Steel-Tupfer, Slide-Solo) sowie das durch ihrem Sohn Jackson – benannt nach Hannahs Hero Jackson Browne – inspirierte „Black And White“ (Highleys Orgelsolo mit Gänsehaut-Garantie) zu Buche.

Fazit:  Die mir bis dato völlig unbekannte Hannah Aldridge legt mit ihrem Erstling „Razor Wire“ auf dem Americana-Sektor direkt ein richtiges Pfund hin. Eine junge Dame schon jetzt mit dem Potential von etablierten Künstlerinnen dieser Sparte wie Lucinda Williams, Rosanne Cash, Patty Griffin, Lori McKenna, Tift Merritt & Co. Für mich persönlich als altem Recken gilt erst mal, die Liebe zur Musik dieser jungen Frau entdeckt zu haben…! Absolute Kaufempfehlung!!!

TroddenBlack Entertainment (2014)
Stil:  Americana

01. You Ain’t Worth The Fight
02. Old Ghost
03. Strand Of Pearls
04. Razor Wire
05. Parchman
06. Howlin‘ Bones
07. Try
08. Black And White
09. Lie Like You Love Me
10. Lonesome
11. Razor Wire (Acoustic – Hidden track)

Hannah Aldridge
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Steve Broderick & The 100 Watts Suns – Same – EP-Review

Der New Yorker Musiker Steve Broderick ist 2007 erstmals als Solokünstler mit einem nach sich selbst betitelten Album in Erscheinung getreten. Zuvor war er mal Bestandteil des hier in unserem Magazin hochgelobten Trans-Siberian Orchestras, bei dem für ihn mit einem ausverkauften Gig im Madison Square Garden ein Traum in Erfüllung ging.

Jetzt versucht er mit einer EP und neuer Begleitcombo, den The 100 Watt Suns, bestehend aus Dan Watson (guitar, bgv), Bill Light (guitar, bgv), Don Culps (drums) und Marty Maroney (bass) an sein Debüt anzuknüpfen. Fünf Stücke in knapp 16 Minuten, nach dem Motto ‚in der Kürze liegt die Würze‘.

Seine Musik ist als bodenständige, gradlinige und ehrliche Rockmusik zu bezeichnen, die ihre Inspiration aus den Siebzigern zu schöpfen scheint, allerdings ohne die zeitgenössischen experimentellen Ausschweifungen. Schon der Opener „You Can’t Hide“ pendelt irgendwo zwischen „Wild Wild Angels“ von Smokie und dem Eagles-Klassiker „Lyin‘ Eyes“. Stimmlich bewegt sich Broderick ungefähr in Sphären von Chris Norman und Dan Baird.

Auch die folgenden Stücke rocken sehr melodisch vor sich hin (ein Hauch der Stones ist auch immer irgendwie dabei), wobei oftmals E-Slidegitarren surren. Zusatzakzente setzen mal eine verspielte, mandolinenartige Akustikgitarre beim an die Hooters erinnernden „A Little Caffeine“, eine Southern Rock-verdächtige E-Gitarre auf „Couldn’t Hold A Candle“ oder eine dezente Harp beim bereits erwähnten Auftaktstück. Klasse Tempowechsel enthält die Neuversion von „Fifty Fifty“, das schon auf dem Debüt präsent war.

Zum Abschluss gibt es mit dem orgelunterlegten „Round The Bend“ (klammerbluestauglich) einen soulig balladesken Schwofer mit schönen E-Fills und einem Slide-Solo zum Ausklang. Dieses kurze knappe Werk macht Lust auf mehr für Leute, die sich gerne im Dunstkreis von Interpreten wie Smokie, Quireboys, Georgia Satellites oder Dirty Guv’nahs & Co. bewegen. Musik nicht mehr für die großen Bühnen der Welt, aber für kleine verräucherte Clubs, bei denen man Live-Atmosphäre von Angesicht zu Angesicht noch richtig ‚einatmen‘ und genießen kann. Fazit: Kurz und gut!

Eigenprodution (2013)
Stil: Rock & More

01. You Can’t Hide
02. Couldn’t Hold A Candle
03. A Little Caffeine
04. Fifty Fifty
05. Round The Bend

The 100 Watt Suns
Steve Broderick & The 100 Watt Suns
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