Chris Anderson – Old Friend – CD-Review

Chris Anderson ist einer der vielen guten Musiker, die nie so richtig im Rampenlicht standen oder stehen, deren Dienste jedoch aufgrund ihrer Spielqualität immer wieder von renommierten Bands in Anspruch genommen werden. So war Anderson bereits Mitte bis Ende der achtziger Jahre Mitglied der Outlaws, zwischenzeitlich auch immer wieder gerne gesehener Gast im Umfeld der Allman Brothers bei deren Live-Auftritten, wurde dann von Henry Paul für sein Blackhawk-Projekt als Begleitmusiker verpflichtet und ist heute auch wieder im Line-up der aktuellen Outlaws-Besetzung fest etabliert.

Einmal trat er allerdings dann doch in den Mittelpunkt des Geschehens, nämlich als er 1995 ein von Kritikern hoch gelobtes Solo-Werk herausbrachte (die New York Times zählte es damals zu den zehn besten Alben, die man noch nie gehört hat), das jetzt als CDR von Anderson in Alleinregie neu veröffentlicht wurde und wieder käuflich zu erwerben ist. Die spielerische Klasse seiner Mitstreiter (Drummer Matt Abts von den gerade zum Leben erweckten Gov’t Mule, Basser Banner Thomas, Ex-Mitglied der legendären Molly Hatchet-Ursprungsband und der bis dato noch recht unbekannte Keyboarder Mike Kach, der aber später von Dickey Betts in seine Band für die Allman- und Leavell-Parts verpflichtet wurde – dazu kommt ein Gastauftritt von Warren Haynes als Slide-Gitarrist, der auch zwei Stücke mitkomponiert hat) erweckt teilweise den Eindruck, dass die Songs live von der Seele weg im Studio eingespielt worden sind.

Anderson outet sich auf seinem Solo-Projekt als bekennender Blues Rock-Fan, ohne dabei seine Southern-Roots zu verleugnen, die atmosphärisch immer wieder gekonnt in viele der Tracks eingebunden sind, was angesichts seiner Vita und der seiner Begleitmusiker auch im Prinzip keine Überraschung ist, sondern quasi als natürlicher Begleitumstand einzustufen ist. Sein Gesang versprüht nicht unbedingt großes Charisma, ist aber durchaus von der angenehmeren Sorte, sein filigranes Stratocaster-Gitarrenspiel offeriert er dafür umso erhabener.

Nach zwei Blues-Standards (ein flottes Albert King-Cover und ein von der Band selbst kreiertes, kräftiges Instrumental) folgt mit dem aus der Feder von ihm und Warren Haynes entsprungenen Titelstück „Old Friend“ ein erstes Highlight. Haynes, der hier mit vortrefflichem Slidespiel involviert ist, bringt in das relaxte Stück genau die Atmosphäre, die er in die Allman Brothers Band als persönliche Note mit hineintrug, ein klasse Song! Auch das melodische „One Step Ahead Of The Blues“ weiß mit seinem claptonesken Flair zu überzeugen.

Grandios die Slow Blues-Adaption „Life Is Hard“ von Nashville-Produzent/Komponist/Musiker Fred James, bei dem Anderson gitarrentechnisch brilliert und Kachs Pianogeklimper in Chuck Leavell-Manier weitere Akzente setzt. „Ain’t Giving Up On Love“ wird vermutlich der Stevie Ray Vaughan -Klientel Freudentränen in die Augen treiben. Der relaxte „Jake’s Song“ wäre für einen Gregg Allman geradezu prädestiniert, während die zweite Anderson-/Haynes-Komposition wieder diesen typischen Groove des Mule-Leaders beinhaltet, obwohl er hier nicht mitspielt. Erneut ein toller Song.

Chris Anderson ist mit „Old Friend“ ein Werk gelungen, das die Anhänger des (traditionellen) Blues Rocks und des klassischen Southern Rocks (der Allman-Schule) geschickt zusammenführt. Aus heutiger Sicht klingt die Platte fast so wie eine Art Bewerbungsschreiben für die Allman Brothers Band / Gregg Allman Band / Gov’t Mule, falls die Outlaws nicht mehr richtig zu Potte kommen sollten und in diesen Gefilden mal eine Gitarristenstelle vakant oder ergänzt werden sollte. Insgesamt eine fein gespielte Southern Blues Rock-Scheibe von ausnahmslos beteiligten Könnern ihres Handwerks.

Eigenproduktion (2010)
Stil:  Southern (Blues) Rock

01. You’re Gonna Need Me
02. Slow Burn
03. Old Friend
04. One Step Ahead Of The Blues
05. Crying For My Baby
06. Life Is Hard
07. Ain’t Giving Up On Love
08. Trust Me
09. Jake’s Song
10. When Will You Be Satisfied
11. One Good Woman
12. Driving Out Of The Blues

Chris Anderson
Bärchen Records