Steve Azar – Indianola – CD-Review

Indianola. Die Geburtsstadt von Blues-Legende Albert King. Diesen traf der im Mississippi-Delta groß gewordene und von frühester Kindheit an musikbegeisterte Steve Azar 1990 bei einem Tribute-Festival zu Ehren von Stevie Ray Vaughan backstage, als Steve noch zusammen mit seinem Bruder in der Steve Azar Band die südlichen US-Staaten rauf und runter tourte. Mr. King zeigte sich beeindruckt von Azars Leistung und sprach ihn auf seine musikalische Zukunft an. Der erwiderte. »Ich gehe nach Nashville«. King darauf mit einem von Sarkasmus geprägten Lächeln. »Ah, nur der Teufel geht nach Nashville!«. Soweit die Vorgeschichte zu Steve Azars aktuellen CD „Indianola“, die er natürlich Albert King gewidmet hat.

Beide sollten, was Steves Pläne anging, auf ihre Art Recht behalten. Denn der Weg für Steve Azar sollte sich als ein sehr dorniger erweisen. Mitte der neunziger Jahre setzte Azar seine Visionen tatsächlich in die Tat um und spielte in Music-City ein erstes Solo-Album ein, kurze Zeit später machte das ihn beherbergende Label dicht. Es sollte sechs weitere Jahre dauern, bis die große Stunde für Steve geschlagen hatte. 2001 offerierte Mercury Records ihm einem Major-Deal und die erste Single „I Don’t Have To Me (‚Til Monday)“ seines sehr empfehlenswerten Albums „Waitin‘ On Joe“ konnte direkt Platz 2 der Billboard Country Charts erklimmen. Auch das Video zum Titelsong des Albums (mit US-Star-Schauspieler Morgan Freeman) wurde für das ‚Video Of The Year‘ bei den CMA-Awards nominiert.

Ein weiteres Highlight für Steve, er wurde als Support für Bob Segers Tour gebucht (der Autor offenbart seinen Neid gegenüber Leuten, die live dabei sein durften…). Weitere ausgekoppelte Singles blieben dann aber erfolglos und wie es bei den Majors oft so üblich ist, war der Erfolg von gerade schon wieder Schnee von gestern. Azar war wieder aus dem Rennen. Er begab sich ziemlich gefrustet auf die Suche nach einem neuen Label, schließlich hatte er noch annähernd 100 Songs auf Halde, die an den Mann gebracht werden wollten.

So gründete Steve letztendlich sein eigenes Label und konnte jetzt seine Songs auch nach seinem Geschmack gestalten, was, wenn man das Ergebnis betrachtet, unter einem Fremdlabel in dieser Form sicher nicht möglich gewesen wäre. Und, um es vorwegzunehmen, es ist ein sehr interessantes und tolles Teil geworden, zumal die Konstellation knackiger New-Country kombiniert mit Delta-Blues-Einflüssen auch für einen im NC-Genre sich bestens auskennenden Experten wie mich sicherlich sehr ungewöhnlich ist.

Azar, der nach der Entfernung einer Zyste am Stimmband vokal wieder blendend in Form ist und ganz vorzüglich diverse Saiteninstrumente bedient, wird von ganz hervorragenden Musikern unterstützt (u.a. Radney Foster mit herrlichem Bariton-E-Spiel, Mark Easterling an der E-Gitarre, John Wallum – Keyboards). Ganz stark involviert ist Singer/Songwriter Jason Young, der auch vor Jahren Azars o.a. Hit mitkomponiert hat. Er wurde nicht nur beim Songwriting teilweise mit ins Boot geholt, sondern bedient auch diverse Percussion-Instrumente und die Harmonika, singt im Background und ist auch für das Cover-Artwork (mit allen Texten) verantwortlich.

Bis Stück 10 gibt es zunächst wunderbar frischen und herrlich abwechslungsreich instrumentierten New-Country („Crowded“ – soulig relaxt, „The Coach“ – mit schönem Mandolinengezirpe, „What’s Wrong With Right Now“ – geniales Twin-Southern-E-Solo), mal mit texanischer Handschrift eines Radney Fosters („You Don’t Know A Thing“, „You’re My Life“), mit grassigem Roots-Touch („Empty Spaces“) und einer Brise Heartland-Flair („The River’s Workin'“ – wie Mix aus Bob Seger, Marc Cohn und Jackson Browne / „I Want Let You Lead Me Down“ – Dobrofills, Organ-Solo).

Die restlichen Stücke sind dann dem Delta-Blues gewidmet, allerdings in sehr moderner Form. Herausragend „Flatlands“, das als schwerer Southern-Swamp-Blues-Rocker voranstampft (herrliche E-Gitarren- und HT-Pianopassagen) und mit einem toll passenden, an The Doobie Brothers‘ „Long Train Runnin'“ angelehntes Break aufgelockert wird. Könnte mein Song des Jahres werden. Lediglich die eunuchenartigen Backs von Jason Young bei „Bluestune“ sind ein winziger Makel (man könnte meinen, Azar hätte ihm kurz vor der Aufnahme Vollspann in die Eier getreten…).

Insgesamt aber ist Steve Azars „Indianola“ ein echtes Geheimtipp-Album, das von mir jedem wärmstens empfohlen wird, der sich offen für das Beschriebene zeigt. Oder, wenn man der Prophezeiung Albert Kings Folge leisten möchte, einfach teuflisch gute Musik!

Dang Records (2007)
Stil:  New Country

01. Crowded
02. You Don’t Know A Thing
03. You’re My Life
04. Still Tryin‘ To Find My Way Around
05. Emty Spaces
06. What’s Wrong With Right Now
07. The River’s Workin‘
08. I Won’t Let You Lead Me Down
09. The Coach
10. Prelude
11. Flatlands
12. Bluestune
13. Indianola
14. Mississippi Minute
15. Highway 61

Steve Azar
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Bärchen Records

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