Lenny McDaniel – Worth The Price – CD-Review

Lenny McDaniel stammt aus New Orleans und ist von Kindheit an auf die typisch amerikanische Weise (Schule/Kirche) mit Musik groß geworden. Nachdem er diverse Instrumente gelernt hatte, spielte er zunächst in einigen Bands wie u.a. bei Aaron Neville, führte eine Gruppe namens The Last Nikel an, entschied sich dann aber in den Siebzigern nach Los Angeles zu ziehen, um dort als Studio-Musiker für Leute wie u.a. Dwight Yoakam, Jackson Browne oder John Mayall zu wirken. Ende der Achtziger begleitete er Stephen Stills auf seiner Tour als Bass-Spieler.

Irgendwann war es dann soweit für seine erste Solo-Scheibe (produziert von Steve Valentino), mit der er sofort den Titel der CD des Jahres bei den Off Beat’s Awards einheimste. Beflügelt vom Erfolg seines Debüts widmete er sich sofort dem Songwriting für den Nachfolger „Worth The Price“, um den es hier geht. Carlo Ditta, der andere Produzent dieses Werkes, stellte über die Bluessängerin Marva Wright den Kontakt zum französischen Virgin-Unterlabel Sky Ranch her, das Lenny dann auch verpflichtete. Eine Erklärung vielleicht dafür, warum McDaniel vornehmlich in Frankreich mit diesem Album zur Kenntnis genommen wurde (er wurde seinerzeit dort sogar zu ‚Taratata‘ eingeladen, dem franz. TV-Pendant zur ‚The Tonight Show‘ und tourte dort auch sehr intensiv). Soviel zur Vorgeschichte.

Das Album „Worth The Price“ war mit eines der ersten meiner langsam zu wachsen beginnenden CD-Sammlung. Ich hatte mir erst zu meinem dreißigsten Geburtstag einen CD-Player gegönnt und mich bis dahin noch immer weitestgehend an LPs festgeklammert. Grundlage meiner Kaufentscheidung zu „Worth The Price“ war der Song „The House Always Wins“, ein schöner, bedrohlich wirkender, swampiger Southern Rocker mit klasse Gesang von Lenny, wunderbar integrierter E-Gitarren-/E-Slide-Kombisolopassage und herrlich rotzigen, weiblichen Backs.

Aber auch das sehr abwechslungsreich gestaltete ‚Drumherum‘ um dieses Lied passte. Midtempo-Stücke, immer mit diesem unterschwelligen, souligen Southern-Ambiente wie „You“, „Hard Life“, das klug verschachtelte Titelstück (erinnert ein wenig an die späteren Hands On The Wheel), „Not Gonna Cry No More“ (immer wieder mit diesen herrlichen Backs von Theresa Anderson und Nora Wixted bestückt), Piano-trächtige, ein wenig an Billy Joel angelehnte Tracks wie „“Rescue Me“ und „That Was The Time“ oder herrlich relaxte Nummern der Marke „Rosa“ (die damalige Single war mit dem dazugehörenden Videoclip ein Hit in Frankreich, wunderbare Akkordeonbegleitung von Christine Schmid), „It Hurts My Heart“ (geniales Slide-Solo von Tommy Malone) oder „Letter To My Brother“ (grandioses klassisches Akustikspiel im Al Di Meola -/John McLaughlin & Co.-Stil von Frederic Koella) lassen erahnen, was dabei raus kommt, wenn ein durch New Orleans-geprägter, hochtalentierter Singer/-Songwriter, mit einer tollen Stimme sich dem rockmusikalischen Savoir-vivre hingibt.

Nicht zu vergessen auch am Ende das schön bluesige „It’s Gonna Be Alright“ (schönes Orgel-/Piano-Zusammenspiel, gospelige Backs) in ähnlicher Art eines Lee Roy Parnells. Erstaunlich auch, welch grandiose Produktion Carlo Ditta und Steve Valentino schon zu dieser Zeit hinlegten. Jedes einzelne Instrument ist, wie auf dieser CD im 10-seitigen Faltbooklet (mit allen Texten – ich weiß nicht, ob die heute zu erwerbende Version auch noch so erhältlich ist) aufgeführt, auch explizit herauszuhören. Der variable McDaniel und seine Mitstreiter erzeugten auf „Worth The Price“ ein spürbar hochqualifiziertes, sehr filigranes Musik-Ambiente. Ein echter Hörgenuss! Wer an diesem Werk Gefallen findet, wird sich vermutlich auch den guten Nachfolger „Tired Angels“ zulegen, der eine Spur rockiger ausfiel.

Sky Ranch Records (1994)
Stil: Southern Soul

01. You
02. Rescue Me
03. Rosa
04. Hard Life
05. It Hurts My Heart
06. Worth The Price
07. The House Always Wins
08. That Was The Time
09. Letter To My Brother
10. Not Gonna Cry No More
11. It’s Gonna Be Alright

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Steve Schuffert Band – 29.04.2011, ABC-Keller, Kamp-Lintfort – Konzertbericht

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Der gute, immer sehr urig anzusehende Steve Schuffert, den ich neben meiner Lieblingsband Lynyrd Skynyrd wohl live auf der Bühne bis jetzt mit am häufigsten erlebt habe, hatte sich im benachbarten Kamp-Lintfort angesagt. Im von mir sehr geschätzten und wunderschönen ABC-Keller noch dazu, in dem ich ihn schon letztes Jahr zusammen mit dem Schreibkollegen Brookes gesehen hatte. Da supportete er aber nur den Gig des furiosen Pianoklimperers Brandon Giles als Gitarrist. Fast zeitgleich hatte Schuffert sein überragendes Solowerk „Destination Anywhere“ herausgebracht, von dem ich mir diesmal eine reichhaltige Stückepräsentation erhofft hatte.

Ich nahm den Schuffert-Auftritt als Anlass, um eine Premiere zu feiern: Meinen ersten Konzertbesuch eines hochwertigen Künstlers per Fahrrad! Die räumliche Nähe von Rheinberg zu Kamp-Lintfort (etwa 8 km) und das prognostizierte gute Wetter (nach einem unglaublichen Gewitter tags zuvor mit Blitz, Donner, Sturm, fulminantem Hagelschauer, sintflutartigem Regen, das meinen Heimatort wie nach einem Wintereinbruch aussehen ließ und dazu noch meinen Pavillon im Garten dahinraffte) brachten mich auf die Idee, mein schon seit ungefähr seit zehn Jahren nicht mehr benutztes Gefährt aus dem Keller zu holen. Der Anblick war ernüchternd. Das Teil hatte naturgemäß einiges an Erneuerungsbedarf eingefordert. So bestellte ich mir neue Mäntel, Schläuche, LED-Lampen und erledigte die anstehende handwerkliche Reparatur mit dem für einen ungeübten Bürohengst dann auf dem Fuße folgenden Nervenaufrieb. Immerhin – irgendwann war der alte, aber immer noch gut aussehende und stabile Kabachel soweit hergerichtet, dass die Umsetzung des Vorhabens in Angriff genommen werden konnte.

Pünktlich eine halbe Stunde vor Beginn waren wir vor Ort angekommen und es ist schon immer eine Freude die, mit gemütlichen Windlichtern links und rechts bestückte Treppe zum gemütlichen, mit viel Liebe zum Detail eingerichteten und beleuchteten ABC-Keller hinunterzusteigen. Wir wurden direkt von Besitzer Uli Op de Hipt begrüßt, der mal wieder für eine unproblematische Akkreditierung gesorgt hatte. Ca. 150 Personen hatten sich dann am Ende eingefunden, nicht zuletzt ein Verdienst von Schufferts Präsenz und guter Leistungen schon zuvor in dieser Location. Das Konzert begann um 20:15 Uhr jedoch zunächst problematisch. Beim Opener „Six Days“ knarzte es mehrfach in Steves Gitarrenparts und Schuffert brach dann kurz vor Ende des Liedes ab und suchte in etwas aufgewühlter Art den Fehler in der Technik. Nach einigem Hin und Her war die Störungsquelle dann gefunden, behoben und eine gute Viertelstunde später begann das Ganze nochmals mit der erneuten Performance des o.a. Songs.

„Hot Love“ und das in einer sehr peppigen Form dagereichte „Love Me Too“ sind jedem regelmäßigen Schuffert-Besucher bestens bekannt. Mit „Running Away“ folgte eines der eher unspektakuläreren Stücke der bereits erwähnten „Destination Anywhere“-CD. Zur recht poppig umsetzten Nummer hatte Schuffert seine Sonnenbrille angelegt. Die folgenden „When Love Comes Around“, das starke „Love Is Strong“ (sehr groovig, bluesige Zwischenparts, fettes Drumming vom sich wieder an Bord befindenden Matt Carmichael, starkes E-Solo), das rockige Cover des oft kopierten Box Tops-Stückes „The Letter“ (am bekanntesten wohl in der Joe Cocker-Version), mein Schuffert-Lieblingstrack „Walk On Down The Road“ und das in ZZ Top-Manier bewältigte „I Ain’t No Saint“ (klasse Fills und Soli von Steve) beendeten eine recht spannungsarme, aber stark gespielte erste Halbzeit.

„All I Need Tonight“ (sehr retromäßig vorgetragen) bildete den Startschuss zu einer sich noch steigernden zweiten Hälfte. Das treibende „Free Born Son Of The Blues“ ist ebenfalls ein Klassiker aus dem Schuffert-Programm. Mit „Ran The Love Outta Me“ folgte dann ein brandneues Stück, das mit seinen stampfenden Southern Rock-Elementen fast ein wenig Skynyrd-Flair verströmte. Dass Steve Johnny Cash gerne mag, ist auch kein Geheimnis mehr, mit einer Rock-Variante von „Ring Of Fire“ erwies er ihm posthum die Ehre. Der bis dahin wie immer eifrig Bass-zupfende Pete Tomarakos übernahm bei der Beatles-Kamelle „Back In The U.S.S.R.“ den Gesangspart, ebenfalls bereits zigmal erlebt. Er stand dann allerdings nochmals im Rampenlicht als er, statt mit seinem obligatorischen Viersaiter, diesmal ein Weilchen allein auf einer Mini-Bazouki, orientalisch angehaucht, musizierte.

Bei “ A Man Without A Soul“ wurde dann mal kurz die Slow-Variante (letztendlich aber auch nicht wirklich) des Blues angedeutet, dezent retro und Schuffert bewies in seinen beiden tollen Solo-E-Passagen aber, dass er Gitarrero mit Leib und Seele ist. Das mit viel Speed dargereichte „The Devil’s Door“ bildete die Vorhut für einen weiteren allseits bekannten Teil des Schuffert-Programms, das Drum-Solo von Matt Carmichael, wie immer natürlich mit allerhand Showeinlagen und viel Power. Drum-Soli zählen allerdings nicht so zu meinen Präferenzen. Danach setze Steve sich auf den Barhocker und gab dem Publikum mittels Zuhilfenahme der Akustikgitarre bei „Lost And Found“ und „Straight Down The Line“ (mit Countrynote) vom neuen Album Zeit zum Durchatmen.

Das war’s dann leider schon vom neuen Werk. Wo blieben die ganzen Kracher „A Good Time All The Time“, „Old Love New“, das grandiose Titelstück „Destination Anywhere“ (Backgroundsängerin gerne mit auf der nächsten Tour gesehen…), „Back On The Road“ oder der famose Slow-Blues „Riding On Rims“? Fehlanzeige. Ich musste eine leichte innerliche Enttäuschung bei mir zur Kenntnis nehmen. Von einer echten ‚Live-Sau‘ und einem Durch-und-Durch-Musiker wie Steve Schuffert erwarte ich einfach den Mut, sich zu seiner aktuellen Arbeit zu bekennen und die auch in den Mittelpunkt seines momentanen Wirkens zu stellen. Sorry liebe Leute, aber hier kommt leider mein Skynyrd-Syndrom zu Tage, die ja eine ähnliche Vorgehensweise live bei neuen Werken präferieren, die mich immer wieder wurmt.

Soll aber nicht heißen, dass es letztendlich ein schlechter Abend war, im Gegenteil, die restlichen „Freight Train Love“ (sehr variabel mit Breaks gespielt, Carmichael mit teilweisem ‚Kuhglocken-Drumming‘), das fetzige „Second Chance“ und die beiden Zugaben „Foxy Lady“ (tolle Version!) als Gitarrenspielunterricht für Hendrix-Fans gebracht und das finale Instrumental „Good Time“, boten prächtige und hochwertige Blues Rock-Unterhaltung eines blind eingespielten Trios. Und Schuffert an sich mit seiner recht lustigen Erscheinung und seinem klasse Gitarrenspiel sind schon ein Erlebnis der besonderen Art. Blues Rock den ich in dieser abwechslungsreichen Art bei kühlem Biergenuss sehr gerne höre.
Fazit: Insgesamt ein kurzweiliger, unterhaltsamer Abend mit einer starken Steve Schuffert Band, die aber mehr Mut zu den neuen Stücken haben sollte. Denn die haben es alle Male verdient, gespielt und präsentiert zu werden!

Line-up:
Steve Schuffert (lead vocals, guitars)
Pete Tomarakos (bass, vocals)
Matt Carmichael (drums)

Steve Schuffert
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ABC-Keller

Jo Dee Messina – Greatest Hits – CD-Review

Jod

Schaut man in das Gesicht von Rotschopf Jo Dee Messina, das das Titelbild ihres aktuellen „Greatest Hits“ Albums schmückt, entdeckt man, ohne allzu große Menschenkenntnis besitzen zu müssen, eine entschlossene, lebensfreudige und energiegeladene Powerfrau. Und all diese Attribute lassen sich auch auf die Songs dieser CD übertragen, die einerseits einen schönen Querschnitt ihres bisherigen Schaffens repräsentieren, als auch zum anderen den Zahn der Zeit des aktuellen Mainstrem-New-Country auf den Punkt treffen.

Trotzdem war nicht alles Gold in ihrer Vergangenheit, was glänzt. Aufgewachsen mit einer alleinerziehenden Mutter, lernte sie frühzeitig, sich im Leben in vieler Hinsicht selbst durchbeißen zu müssen. Nach ihrem Gang ins Country-Mekka schien es ihr, trotz Senkrechtstarts mit Super-Hits wie „Heads Carolina, Tails California“ und „You’re Not In Kansas Anymore“, den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Managementprobleme und ein ziemlich spendables Leben brachten die Gute sogar an den Rande des Bankrotts.

Aber ihr unermüdlicher Kampfgeist und wahrscheinlich das Glück, starke Partner wie Curb Records und das Erfolgsduo Byron Gallimore/Tim McGraw im Rücken zu haben, brachte den Weg in die Erfolgsspur zurück. Und so gab es seitdem Nominierungen, Auszeichnungen, Preise und Top-Ten-Hits, ja sogar Schauspielangebote, in Hülle und Fülle.

Die Songs dieser Greatest Hits-Kompilation strotzen vor Energie und Fröhlichkeit und selbst die langsameren Lieder sind recht kraftvoll inszeniert.
Im Mittelpunkt des Albums steht das Stück „Bring On The Rain“, eine verträumte Ballade, bei der Tim McGraw beim Refrain mit von der Partie ist, und was zusätzlich als Videoclip mit aufgeboten wurde. Auch die bisher unveröffentlichten Titel, besonders „You Belong In The Sun“, mit seiner modernen, knackigen Melodie, machen Lust auf ihr nächstes Werk.

Auch wenn die Musiker im Booklet nicht genannt sind, gehe ich aufgrund der tollen Instrumentierung von den üblichen Verdächtigen aus, die von manchen Kollegen oftmals so liebevoll (allerdings meine ich da manchmal auch einen etwas neidischen Unterton herauszuhören) als Nashville-Mafia betituliert werden. In meinen Augen allerdings Klassemusiker, bei denen halt Qualität garantiert ist und warum sollte man die also nicht in Anspruch nehmen?
Ich meine Jo Dee Messina hat alles richtig gemacht und kann selbstbewusst in eine rosige Zukunft blicken. Das Album schnellte übrigens natürlich auf Platz 1 in den Billboard-Country-Charts und hält sich seit Wochen beständig unter den ersten Zwanzig.

Curb Records (2003)
Stil: New Country

01. Was That My Life
02. I’m Alright
03. Heads Carolina, Tails California
04. Bye-Bye
05. Stand Beside Me
06. Bring On The Rain
07. Lesson In Leavin‘
08. That’s The Way
09. Burn
10. Downtime
11. Because You Love Me
12. You’re Not In Kansas Anymore
13. Wishing Well
14. You Belong In The Sun
15. I Wish
16. Bring On The Rain (Bonusvideo)

Jo Dee Messina
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Delicious Surprise, Jo Dee Messina, Nashville, New Country

Montgomery Gentry – My Town – CD-Review

Was für ein geiles Album! Nur den wenigsten, selbst guten, Bands des Business gelingt es heutzutage, nach zwei sehr guten CDs eine dritte auf gleichem Level nachzulegen. Und was machen Eddie Montgomery und Troy Gentry? Sie toppen noch ihre beiden Vorgänger, die mit so vielen tollen Songs wie „Hillbilly Shoes“, „Lonely And Gone“, „Daddy Won’t Sell The Farm“, „She Couldn’t Change Me“ oder „Cold One Comin‘ On“, nur um einige zu nennen, gespickt waren.

Dabei erfreut, dass man sich zwar aus finanziellen Aspekten weiter in New Country-Gefilden bewegt, aber inoffiziell immer mehr mit dem Southern Rock liebäugelt. Wahrscheinlich auch eine Folge des Wechsels von Producer Joe Scaife zu Blake Chancey, der dem Duo viel frischen Wind eingehaucht zu haben scheint.

So ist der kommerzielle Part mit dem Titelstück schnell abgearbeitet, bei dem aber eigentlich auch nur die „Nananas“ im Refrain nerven.
Danach reiht sich Knüller an Knüller: Ob bei Killerballaden wie „Break My Heart Again“ oder „Speed“, Midtempostücken wie „Scarecrow“ oder „Lie Before You Leave“, dreckigem Honky Tonk bei „Bad For Good“, Skynyrd-angehauchten Songs wie „Hell Yeah“ und „Free Fall“, oder zu Allman Brothers tendierenden Sachen wie „Why Do I Feel Like Running“ und dem Cover „Good Clean Fun“; das Duo verbreitet Southern-Feeling pur.

Die Scheibe besticht durch Ihre Abwechslung, die allein auch durch die unterschiedlichen Stimmcharaktere gewährleistet ist. Alles mit einem perfekten Klang glasklar abgemischt. Ein wahrer Hörgenuss! Die Nische, die bisher von Charlie Daniels oder der Marshall Tucker Band lange Zeit besetzt wurde, hat heute zurecht einen neuen Platzhalter: Montgomery Gentry!

Sony Music (2002)
Stil: New Country

01. My Town – Piano Intro
02. My Town
03. Break My Heart Again
04. Scarecrow
05. Bad For Good
06. Speed
07. Hell Yeah
08. Lonesome
09. Why Do I Feel Like Running
10. Free Fall
11. Lie Before You Leave
12. For The Money
13. Good Clean Fun

Montgomery Gentry
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David Nail – The Sound Of A Million Dreams – CD-Review

David Nail ist einer dieser typischen Musiker, bei denen man – von den ersten gehörten Klängen an – sofort das in ihnen steckende Potenzial erahnt. Seine bisherige Geschichte ist schnell erzählt. Der smarte Frauentyp stand zunächst vor der Entscheidung zugunsten einer Sport- oder einer Musikerkarriere. Nachdem aus gesundheitlichen Gründen die Wahl auf Letzteres fiel, ergatterte er Anfang des Jahrtausends einen ersten Plattenvertrag. Seiner ersten Single war der erwartete Erfolg jedoch nicht vergönnt und so entschied sich das damalige Mercury-Label den dazu geplanten Longplayer einzustampfen.

Der aus Missouri stammende Nail blieb trotz jeder Menge Frust hartnäckig und ergatterte bei der gleichen Musikgruppe (allerdings einem anderen Unterlabel) eine weitere Gelegenheit, auf dem Musiksektor Fuß zu fassen. Beim 2009er Album „I’m About To Come Alive“ und den drei ausgekoppelten Singles (davon landete „Red Light“ zumindest auf Platz 7 der Country-Charts), merkte man noch allgegenwärtig den Versuch des Labels, Nail kommerziell zu etablieren. Insgesamt trotzdem ein gutes Werk, wenn auch wieder mit eher bescheidenem Erfolg. Für viele seiner Kollegen/innen oft gleichbedeutend mit dem Genickbruch in Sachen Vertragsverlängerung bei einer Major-Group.

Mit seinem aktuellen Werk „A Sound Of A Million Dreams“ verhält sich die Sache allerdings anders. Das Label zeigte völlig überraschend mal einen langen Atem, und gewährte ihm deutlich mehr künstlerischen Freiraum, was sich besonders in der Spielzeit der Tracks bemerkbar macht (fast alle liegen deutlich über vier Minuten). Und paradoxerweise landete David ausgerechnet jetzt mit „Let It Rain“ seinen ersten Nr. 1-Hit (emotional vorgetragene Powerballade, klasse Harmoniegesänge von Sara Buxton).

Die neue Platte offenbart dabei ganz eindeutig, dass Nail eher im nach allen Richtungen offenen Singer/Songwriter-Gefilde seine Stärken am besten ausleben kann. So pendelt die Scheibe auch recht gekonnt zwischen New Country, Pop, Rock und, in weitestem Sinne, melodischem Roots Rock. Nicht von ungefähr leiht Will Hoge beim grandiosen Abschlusslied „Catherine“ seine Stimme für die im Refrain ergänzenden Vocals (dazu göttliches Slidespiel von Doug Pettibone). Ein weiterer prominenter Gast ist Lee Ann Womack beim feinen, der Arbeiterschicht gewidmeten „Songs For Sale“.

Nail, der drei der insgesamt elf Stücke mitkreiert hat, weist (ähnlich wie Tim McGraw) ein tolles Gespür bei der Auswahl der Fremdlieder auf. Klasse, seine neue Version von Keith Urbans „Desiree“, ein Stück aus der Zeit, als der heutige Megastar mit seiner Begleitband The Ranch noch auf völlig unkommerziellen Pfaden wandelte. Schön dezent und trotzdem sehr atmosphärisch, „Half Mile Hill“ aus der Feder von Mark Selby und Gattin Tia Sillers. Oder der starke, pianogeprägte Titelsong „A Sound Of A Million Dreams“, geschrieben von Nashville-Musiker/Pianist/Songwriter Phil Vassar, der so ein wenig an Marc Cohns „Walking In Memphis“ (saustarke Piano-Performance von Chuck Leavell) angelehnt ist. Da wundert man sich, dass Vassar das Lied nicht für sich selbst verwendet hat.

Bei vielen Songs mit einer leicht poppigen Note („She Rides Away“, „I Thought You Knew“, „That’s How I’ll Remember You“) könnte man aufgrund Davids oft genäseltem Gesang fast meinen, einen Christopher Cross hätte es in New Country-Gefilde verschlagen. Dass er es aber auch mal kräftig krachen lassen kann, beweist er direkt beim Opener „Grandpa’s Farm“, ein Stück, das bereits von Adam Hood (der das Lied auch mitkreiert hat) und Frankie Ballard (ebenfalls ein hochtalentierter Nashville-Jungspund, sau-talentierter Gitarrist) auf ihren letzten Silberlingen musikalisch aufgegriffen wurde. Nail entschied sich hier für eine swampige, brodelnde Countryrock-Version (herrliche weibliche Uuuh- und Aaah-Backs von Kim Parent und Joanna Cotton, rassige Banjopassage am Ende von Ilya Toshinsky).

David Nail hat mit seinem Zweitwerk „A Sound Of A Million Dreams“ einen ganz gewaltigen Schritt nach vorne gemacht (und das Ende der Fahnenstange ist sicher längst noch nicht erreicht…). Hier stimmt es von der Auswahl der Stücke mit klugen Texten, der tollen Produktion (Chuck Ainlay, Frank Liddell, Glenn Worf), Nails markantem Gesang bis hin zu den umwerfenden Instrumentalisten (u.a. Chuck Leavell mit phantastischer Piano- und B3-Arbeit, den filigranen Gitarristen Ilya Toshinsky, George Marinelli, Doug Pettibone sowie Drummer Fred Eltringham, Bassist Glenn Worf und Steel-Virtuose Dan Dugmore) einfach alles. Hammer-Album! Man kann nur attestieren. David Nail hat hier mit dieser CD den Nagel frontal auf den Kopf getroffen!

MCA Nashville (2011)
Stil: New Country

01. Grandpa’s Farm
02. Songs For Sale
03. Desiree
04. She Rides Away
05. Let It Rain
06. I Thought You Knew
07. Catch You While I Can
08. Half Mile Hill
09. That’s How I’ll Remember You
10. The Sound Of A Million Dreams

11. CatherineDavid Nail
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Danielle Peck – Same – CD-Review

Danielle Peck, geboren in Jacksonville, N.C., aufgewachsen in Coshocton, Ohio bringt sicher alle Voraussetzungen mit, sich in der „Belle-Etage“ der Nashville Damen-Riege zu behaupten. Sie stammt, wie es so oft ist, aus einer Familie, in der generationenübergreifend aktiv Countrymusic praktiziert und unterstützt wird, und hatte dementsprechend seit Kindestagen ehrgeizige Ambitionen in dieser Hinsicht weiterzukommen. Schon mit zehn Jahren fing sie an Songs zu komponieren. Es folgten der Kirchenchor, die ersten Band-Erfahrungen und Auftritte bei unzähligen Events im Umkreis ihrer heimatlichen Gefilde. Dazu ist sie mit einer starken, ausdrucks- und kraftvollen Stimme gesegnet, und, -das dürfte im Business wahrlich auch nicht von Nachteil sein-, sie sieht blendend aus! Es folgte, wie bei so vielen anderen talentierten Kolleginnen und Kollegen auch, der Gang nach Nashville.

Gelegenheitsjobs am Tage, Songwriter-Aktivitäten zu später Stunde. Und wie der Zufall es so wollte, arbeitete Danielle in einem Restaurant, wo eine der Führungspersönlichkeiten des ehemaligen „DreamWorks“-Labels, Scott Borchetta, dinierte. Danielle wurde zu einem Spontan-Auftritt überredet und erhielt umgehend einen Platten-Deal, der allerdings erst jetzt, nachdem Borchetta sein eigenes Label „Big Maschine Records“ gegründet hatte, verwirklicht werden konnte. Herausgekommen ist ein klasse, durchweg äußerst professionell durchkonzipiertes, überaus vielversprechendes Debüt!

Von der Aufmachung (mehrfach gefalztes Blatt mit einigen schönen Abbildungen der Interpretin, mit allen Texten und Infos zu den beteiligten Musikern, das sich darüber hinaus zu einem DIN A3 Poster aufklappen lässt, welches auf der Rückseite ein tolles Riesenfoto von Danielle präsentiert) bis zur musikalischen Umsetzung (drei namhafte Produzenten sorgen für einen Top-Sound: Jeremy Stover, Tommy Lee James und Byron Gallimore; in der Szene anerkannte Co-Writer unterstützen Danielles Songwriting: u.a. Jeremy Stover, Taylor Rhodes, Clay Mille, Sonny Lemaire etc.; das „Who-Is-Who“ der Nashville Studio-Mannschaft ist am Start: z.B. Lonnie Wilson, Glenn Worf, Bryan Sutton, Tom Bukovac, JT Corenflos, Dan Dugmore, Paul Franklin, Stuart Duncan, usw.) wurde an nichts gespart!

Kein Wunder also, dass das Album bereits im guten Mittelfeld der Billboard-Charts eingestiegen ist! Elf klasse, moderne, kraftvolle und knackkige, poppige New-Country-Stücke, die, wie bereits erwähnt, von Danielle Peck (bis auf 3 Ausnahmen) mitkomponiert wurden und durchgängig als radiotauglich zu bezeichnen sind. Das Konzept geht eindeutig in Richtung solcher Kolleginnen wie Shania Twain, Jo Dee Messina, Faith Hill, Martina McBride und Terri Clark. Die vokale Leistung Pecks ist sehr variabel, reicht von kraftvoll powernd, voller Sex-Appeal, bis hin zu sehr gefühlvoll und zerbrechlich. Die bereits erwähnten, glänzenden Musikerleistungen führen sie dabei sicher durch das eingängige Repertoire. Starker Auftakt mit „Findin’ A Good Man“ (rhythmisch-poppig Richtung der „Come-On-Over“-Shania), „Isn’t That Everthing“ (flott, melodisch, poppig-folkig, mit toller Fiddle, Steel, Mandoline) und der sexy-sanften Ballade „Kiss You On The Mouth“ (kratzige Akustikgitarre, wunderbare Mandoline)!

Ebenso kraftvoll geht es bei „Fallin’ Apart“ (schöne Tempobreaks), „Sucks To Be You“ (eine der wenigen Fremdkompositionen mit sehr direktem Text) und „Only The Lonely Talkin’“ (klasse Country-Pop-Song, mit nettem Piano), wobei einem Jo Dee Messina, die auch momentan ziemlich auftrumpfenden The Wreckers und einmal mehr Shania Twain in den Sinn kommen. Richtig deftig kommt das großartige „Honky-Tonk Time“ rüber, ein absolut traditionell verwurzelter, rockiger, partytauglicher Roadhouse-Country-Kracher, bei dem der Titel schon für sich spricht (herrrliche, satte E-Gitarre und das so typische Piano-Geklimper)! Bei den „fetten“ Power-Balladen, wie der Single „I Don’t“, „Thirsty Again“, “ A Woman Does Too“ oder dem abschließenden „Somebody For You“ scheint es so, als hätten die Regisseure der nächsten, großen Hollywood-Epen hier die freie Auswahl zur Untermalung ihrer emotionalen Bilder.

Sie stehen einem Stück wie beispielsweise „There You’ll Be“ von Faith Hill, mit ihren recht bombastischen, aber gut inszenierten Einlagen, in nichts nach. Trotzdem gelingt es den erfahrenen Musikern, weitestgehend die Countrynote in allen Liedern präsent zu halten. Kleiner Bonus auf der CD: Sie enthält auch das Video zur ersten Single „I Don’t“ (ebenfalls sehr ansehnlich), sowie ein paar Live-„Snippets“ aus den CMT „Studio 330-Sessions“! Ein durchaus beeindruckender, erfolgversprechender Start in eine sicherlich längerfristig zu betrachtende Karriere. Danielle Peck, eine Name, den man sich merken sollte. Starke und äußerst hübsche Konkurrenz für die etablierten Nashville-Diven!

Big Machine Records (2006)
Stil: New Country

01. Findin‘ A Good Man
02. Isn’t That Everything
03. Kiss You On The Mouth
04. Fallin‘ Apart
05. I Don’t
06. Sucks To Be You
07. Honky-Tonk Time
08. Thirsty Again
09. Only The Lonely Talkin‘
10. A Woman Does Too
11. Somebody For You

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Bobby Pinson – Songs For Somebody – CD-Review

Zweitwerk des sympathischen Blondschopfes! Die Major-Ehe RCA/Pinson war trotz eines überragenden Debüts leider nur von kurzer Dauer. Daher erscheint der Nachfolger „Songs For Somebody“ konsequenterweise jetzt auf dem Independent Label „Cash Daddy Records“ (die Vermutung liegt nahe, dass es Pinsons eigenes Label ist, denn sein gerade geborener Sohn heißt „Cash“). Als Songwriter nach wie vor in Nashville überaus gerne gesehen (Pinson hat unzählige Songs für etablierte Interpreten wie Sugarland, Toby Keith, LeAnn Rimes, Trent Tomlinson und viele andere geschrieben), erschien er in den Augen der Major-Bosse als Musiker mit seiner kantigen Art offensichtlich zu wenig massenkompatibel.

Der Vergleich mit einer ähnlichen Entwicklung wie seiner Zeit der eines Steve Earle in Nashville liegt nahe, mit dem Pinson u. a. auch immer wieder in einem Atemzug genannt wird, wenn es um die Charakterisierung seiner Musik geht. Die gute Nachricht in jedem Fall: Der gebürtige Texaner geht weiterhin konsequent seinen Weg, seine zweite CD steht dem Vorgänger in nichts nach. Marginale Änderungen wie das äußere Erscheinungsbild (jetzt im „modischen“ Kurz-Haarschnitt, die strohig herabhängenden Haare und der Cowboyhut sind verschwunden), die Produktion (diesmal in Eigenregie, vormals zusammen mit Joe Scaife), sowie die leicht abgespeckte Musiker-Mannschaft (der Korpus vom Debüt mit Troy Lancester, Billy Panda, Mark Hill, Mike Rojas, Russ Pahl und Brian Pruitt ist aber erhalten geblieben), sind ein Zeichen für Frische in Kombination mit Kontinuität, bei weiterhin hohem Qualitätsanspruch.

Und so verbindet Pinson erneut seine intelligenten und lebensnahen Texte (“I put myself into the character of that guy who’s made some mistakes but lived to learn from them. My music allows me to carry other peoples pain on my shoulders with hopes that the weight of their world might get a little lighter three minutes and twenty seconds at a time.”) mit einer auf Country-Traditionen befindlichen, rockig rootsigen Americana-nahen New Country-Basis. Ruhige Storytelling-Songs („Back In My Drinkin’ Days“, das melancholische „If I Met God Tonight“, „This Close To Heaven“ oder das traurige „If I Don’t Make It Back“, welches auch von Tracy Lawrence auf seinem letzten Werk interpretiert wurde), bei denen Bobbys rauchig kratziges Stimmorgan bei wunderschön zurückhaltender Instrumentierung mit Akustik- und E-Gitarre, ganz dezent Piano, Orgel, Steel oder Mandoline (diesmal komplett ohne Streicher) unnachahmlich zur Geltung kommt, wechseln in gut dosierter Form mit rockigeren und etwas temperamentvolleren Liedern, die dann meist von Pinson’s eigenwilligem Humor begleitet werden.

Das an Jack Ingram erinnernde „Just To Prove I Could“, das von einem dezenten U2-E-Riff getragene „Don’t Think I Don’t Think About It“, das southern-swampige „Right To Be Wrong“ (fast wie für Van Zant auf den Leib geschrieben), das poppige, mit einer Prise Heartland-Touch versehene „I Probably Will“, das recht flotte, ein wenig an Big & Rich angelehnte „Past Comin’ Back“ oder das von den Van Zant-Brüdern bereits auf ihrem New-Country-Debüt-gecoverte „Takin’ Up Space“ beweisen, dass Bobby auch bei flotteren Nummern eine gute Figur abgibt. Hervorragend, wie bereits erwähnt, die Instrumentierung auf höchstem Niveau, bei der es einfach Spaß macht zuzuhören. Mit „Songs For Somebody“ hat Bobby Pinson in einer schwierigen Situation einen exzellenten Nachfolger hingelegt. Das spricht schon für sich. Leute mit Vorliebe für eine gewisse musikalische Eigenständigkeit werden erneut voll auf ihre Kosten kommen. Der John Deere-Traktor mit dem Flugzeug-Motor (mit dem sich Pinson einst verglich) läuft weiter auf vollen Touren…

Cash Daddy Records (2007)
Stil: New Country

01. Back In My Drinkin‘ Days
02. Just To Prove I Could
03. Don’t Think I Don’t Think About It
04. Right To Be Wrong
05. If I Met God Tonight
06. I Probably Will
07. This Close To Heaven
08. Past Comin‘ Back
09. Takin‘ Up Space
10. If I Don’t Make It Back
11. The Miles

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Rich O’Toole – Seventeen – CD-Review

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Ist das herrlich! Die pure „Red Dirt“-Countryrock-Wonne – und dieser Southern-Duft! Toll! Okay, die texanischen Ölquellen mögen in einigen Jahren naturbedingt versiegen, das Reservat an herausragenden jungen Musikern allerdings scheint im Lonestar State weiterhin nahezu unerschöpflich zu sein. Ein weiteres Paradebeispiel in der ewig langen Liste der von uns vorgestellten Künstler ist der gerade mal 23-jährige, aus Houston stammende Sänger, Songwriter und Gitarrist Rich O’Toole, der jetzt mit „Seventeen“ (seine persönliche Glückszahl) ein wundervolles Debüt abliefert. Dabei ist es eher einem bedauerlichen Zufall zu verdanken, dass O’Toole überhaupt den Weg des Musikers wählte.

Der Mann stand vor einer vielversprechenden Baseball Profi-Karriere, als diese abrupt durch einen Unfall beendet wurde. Und wie es in Amerika scheinbar so üblich ist, vorausgesetzt natürlich man hat Talent (und das hat dieser O’Toole über alle Massen), schnappt man sich seine Gitarre, und beginnt sich musikalisch zu entfalten. Schon verrückt so etwas! Aber auch unglaublich, wie begabt diese Burschen sind! So arbeitete sich die Rich O’Toole Band mit ihren fulminant abgehenden Live-Auftritten rasend schnell von der vielbeachteten College-Underground-Szene ins Vorprogramm solcher namhaften Texas-Bands wie Reckless Kelly und der Randy Rogers Band. Die Fans waren schier aus dem Häuschen, ob der Tatsache, wie diese junge Truppe aufspielte.

Kein Wunder also, dass sich für das Debüt des Songwriters (alle Songs stammen aus der eigenen Feder) sofort eine äußerst prominente Musiker-Schar der Texas-Szene (u. a. Chris Masterson aus Jack Ingrams Beat Up Ford Band, Rich Brotherton aus der Robert Earl Keen Band, Nick Worley von Cooder Graw/Cory Morrow Band, Multi-Saiten-Virtuose Bobby Flores, usw.) zusammenfand, und das zudem noch in den Studios und unter der Regie des angesagten, Grammy-nominierten Produzenten Mack Damon abgemischt wurde. Bei den zehn Songs, die allesamt vorwiegend von einem prächtig klingenden, transparenten, satten Gitarrensound bestimmt werden und von herrlichen Melodien durchzogen sind, geht es, bis auf wenige Ausnahmen, sehr dynamisch, knackig, rootsig rockig und äußerst würzig zur Sache, weshalb O’Tooles Stil auch gern als „elektrifizierter Country-Rock’n’Roll’ umschrieben wird.

Bestes Beispiel dafür ist der schon rau und dreckig rockende Opener „When Kelly Comes To Town“, der mit feurigen Southern-rocking E-Gitarren-Riffs und druckvollen Drums in allerbester „Red Dirt“-Manier zwischen Cross Canadian Ragweed und der Ryan Bales Band daher fegt, und zum Schluss mit den rotzfrech eingeworfenen Harmonie-Gesängen von Rebecca Valadez endgültig veredelt wird. In eine ähnliche Kerbe schlagen weitere Uptempo-Roots-/Countryrocker wie das trocken und kantig rockende „Cleveland“, „Everything’s Legal“ oder das rasante, dabei hoch melodische, genauso angeraute, wie erfrischende „Summertime“, die alle irgendwie Richtung gut abrockender Reckless Kelly und Konsorten zielen.

Überhaupt scheint ein Vergleich zu Reckless Kelly durchaus legitim, zumal Rich O’Toole’s Stimme zuweilen eine leichte Ähnlichkeit zu RK-Frontmann Willy Brown aufweist. Phantastisch beispielsweise auch die traumhaft melodische, flockige, wie Öl runter gehende, knackige Countryrock-Nummer „Queen Of The Misfits“ mit ihren tollen Harmonies im Refrain (ein Gänsehaut-Countryrocker, der übrigens bis auf Platz 5 der bedeutenden Texas Music Charts stieg), die abermals von einem dezenten Southernflair durchwehte, mit feinen Fiddle- und Steelguitar-Klängen verzierte Ballade „Alone“ oder das tolle „Just My Luck“ (southern-bluesig, klasse Harmonies, heulende E-Gitarren-Fills)! Mit dem dynamischen „Robert E. Lee“ gibt es dann sogar noch einen tollen, zum Mitrocken animierenden, honky-tonkin‘ Saloon-/Roadhouse-Feger mit markantem, flinkem Telecaster-Spiel von Masterson, inklusive tollem Solo, das sogar ein wenig an Hughie Thomassons Outlaws erinnert.).

Dass O’Tooles Stärken durchaus auch von abwechslungsreicher Variabilität geprägt sind, und nicht nur im Uptempo-Bereich liegen, zeigt er auch bei den zwei eher balladeskeren Nummern „Texas Blues“ (herrliches Mandolinen- und Fiddle-Spiel, Huldigung zweier großer Texaner in der Textzeile „…Stevie Ray in the morning, Townes Van Zandt in the afternoon…“) und dem mit entspanntem Tex Mex-Flair umgarnten „Pancho Villa“ (klasse Gesang von Rich, starke Harmonies, filigranes, spanisch anmutendes Akustikgitarrenspiel). Keine Zweifel: Micky & the Motorcars, No Justice, Buster Jiggs, The Bois D’Arcs, die Tyler McCumber Band, die Kyle Bennett Band, Cross Canadian Ragweed, Reckless Kelly und wie sie alle heißen, haben einen neuen, absolut ebenbürtigen Kollegen in ihren Reihen, der uns mit einem umwerfenden, rootsigen „Red Dirt“-Countryrock-Album wie aus einem Guss einfach nur begeistert.

Mit Rich O’Toole hat die Texas-Szene ein weiteres, mächtig funkelndes Juwel hinzugewonnen. „Seventeen“ dürfte erst der Anfang einer tollen, vielversprechenden Karriere sein! Man ist jetzt schon „heiß“ auf neuen Stoff! Einfach famos, dieser so unverbraucht und „musikgierig“ wirkende Bursche! Rock on, Rich!

PTO Records (2006)
Stil: Red Dirt

01. Kelly Comes To Town
02. Queen Of The Misfits
03. Alone
04. Just My Luck
05. Robert E. Lee
06. Cleveland
07. Everything’s Legal
08. Texas Blues
09. Pancho Villa
10. Summertime

Rich O’Toole
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Willie Nelson – The Great Divide – CD-Review

Tja, eigentlich waren die Countrybarden a la Johnny Cash, Merle Haggard, Waylon Jennings und wie sie alle heißen, wenn ich ehrlich bin, nie so mein Ding. Gut, irgendwie hat man ihre Konstanz in diesem Geschäft ehrfürchtig, aber distanziert bewundert, immerhin gelten sie heute noch als oft angeführte Vorbilder für viele Musiker, die ich gerne höre. Mehr aber eigentlich auch nicht. Ihre Songs waren mir immer zu staubig, zu trocken, es fehlte der gewisse Pep.

Und plötzlich landet in meinem Player der gute alte Willie Nelson, mit seiner neuen Scheibe „The Great Divide“; er ist eine der unbestrittenen Größen der Szene, als Schauspieler, Leiter vieler Projekte wie z. B. Farm Aid und natürlich als Musiker auf unzähligen Alben, schon zu einer Zeit, wo ich noch mit der Trommel um den Weihnachtsbaum gerannt bin.

Auffällig direkt die schöne Digipackaufmachung, wo man viel zu blättern, lesen und anzugucken hat. Und zu meiner eigenen Überraschung scheint der kauzige Altstar eine musikalische Frischzellenkur hinter sich zu haben. Er präsentiert jedenfalls eine New-Country-Pop-Rock-Platte auf Höhe der Zeit, nicht zuletzt auch ein Resultat der Idee, viele Künstler einzubinden, die momentan up to date sind, sowie mit Matt Serletic einen der angesagten Produzenten zu engagieren.

Ursache dafür wahrscheinlich Willies schon immer währender Hang zu Duetts. Wir erinnern uns beispielsweise noch mit Schaudern an seinen Song „To All The Girls I’ve Loved Before“ mit der notgeilen Schmalzlocke, oder im Volksmund auch als Latin-Lover bezeichneten, Julio Iglesias in grauer Vorzeit.
Aber keine Angst, auf dieser CD hat er viel Fingerspitzengefühl mit der Auswahl der Interpreten bewiesen: Country-Music-Awards-Titelträgerin Lee Ann Womack, Sheryl Crow, Bonnie Raitt, Brian McKnight oder Kid Rock. Mit Letztgenanntem liefert er auch den Höhepunkt des Albums. „Last Stand In Open Country“, eine Art Country-Metal-Ballade vom Feinsten, wo der gute Pamela Anderson-Bekannte immer wieder dreckig zwischen den Leadgesang von Willie röhrt, ähnlich wie Gregg Allman beim Dickey Betts-Klassiker „Seven Turns“.

Schön auch das melodische Midtempoauftaktstück „Maria (Shut Up And Kiss Me)“, das irgendwie gut gelaunt daherplätschert oder auch die nett gemachte Coverversion des Cyndie Lauper-Megahits „Time After Time“. Überhaupt zeigt sich der bald 69-jährige passionierte Golfspieler in einer ausgelassenen und relaxten Stimmung, der man in ebenso entspannter Weise gerne Folge leistet. Das Werk lohnt sich auf jeden Fall für Leute, die es lieber etwas ruhiger und melodisch haben.

Apropos Golf. Eine amüsante Vorstellung, den stoppelbärtigen Willie mit seinen baumelnden rot geflochtenen Zöpfen unter dem Käppi, in bunt karierten Knickerbockern in einem Flight zum sicheren Schlag aufs Green ausholen zu sehen, während die statusgeplagten Herr Rechtsanwalt und Frau Doktor ihren Ball verzweifelt im Gebüsch suchen…

Lost Highway Records (2002)
Stil: Country & More

01. Maria (Shut Up And Kiss me)
02. Mendocino County Line
03. Last Stand In Open Country
04. Won’t Catch Me Cryin‘
05. Be There For You
06. The Great Divide
07. Just Dropped In (To See What My Condition Was In)
08. This Face
09. Don’t Fade Away
10. Time After Time
11. Recollection Phoenix
12. You Remain

Willie Nelson
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Bobby Pinson – Man Like Me – CD-Review

Bobby Pinson galt lange Zeit als ‚Nashville’s best gehütetes Geheimnis‘. Denn trotz höchster musikalischer und auch kompositorischer Begabung erwies sich sein Gang nach Music City zunächst als großer Flop. Statt Musik machen war lange Zeit nach Beendigung seines Militärdienstes hartes Arbeiten in diversen Gelegenheitsjobs angesagt, bis eines Tages zumindest die Labels Sony/ATV Music und Stage Three Music sich seiner Dienste als Songwriter annahmen, und ihn jeweils für einige Zeit verpflichteten (Ergebnis u. a. . Stücke wie „Takin‘ Up Space“ für Van Zant, für „Everywhere But Hollywood“ Tracy Lawrence, Blake Shelton, Trent Willmon oder LeAnn Rimes).

Aber wer ist dieser Bobby Pinson überhaupt? Aufgewachsen im texanischen Niemandsland schnappte er sich schon als junger Bursche mangels anderer Gelegenheiten die Gitarre seines Vaters und begeisterte sich nebenbei auch noch für prosaische Werke des Dichters Shel Silverstein. Erste Auftrittserfahrungen sammelte er bei Geschichtenerzählwettbewerben. Seine musikalischen Neigungen erstreckten sich von Bruce Sprinsteen, Steve Earle bis zu Countryikonen wie Willie Nelson oder Johnny Cash.

Die große Wende in seinem Leben leitete wohl Produzent Joe Scaife ein, der auch sein Debütalbum „Man Like Me“ mitbetreute. Dieser hatte kurz zuvor mit Gretchen Wilson einen unerwarteten Riesen-Coup gelandet, und das Label RCA bat um weitere Geistesblitze dieser Art. Scaife hatte Bobby mehrfach live gesehen und witterte hier weiteres unentdecktes Potential. Wie recht er hatte, wenn es bisher auch nicht ganz so durchschlagend klappte wie bei der vorangehend erwähnten Interpretin. Immerhin knackten das Album und auch die erste Single „Don’t Ask Me How I Know“ für einige Zeit die Billboard-Top-Twenty.

Die CD bewegt sich zwischen New-Country („Man Like Me“, vielleicht die Antwort auf Tim McGraws Hit „Live Like You Were Dying“) der eher trockeneren Sorte mit dezentem Southern-Feeling (I’m Fine Either Way“, tolle Mundorgel, klasse Double Leads), trotzdem knackig und klar produziert, und einer gehörigen Portion Roots-Rock („One More Believer“, „Way Down“) mit jede Menge Heartland-Flair („Nothin‘ Happened In This Town“, ähnelt eine wenig „Small Town“, „Ford Fairlane“ und „Shadows Of The Heartland“), wie er für John Mellencamp typisch ist. Für den Spaß-Faktor sorgt der flotte, rhythmische Gute-Laune-Song „Started A Band“ im Stile von Dr. Hook auf Countrypfaden.

Das Resultat lebt natürlich auch von Bobbies unglaublich erwärmender Kratzstimme, die aber sehr variabel eingesetzt wird. Vieles erinnert an Steve Earle, John Mellencamp, Tom Waits und, wenn der Gute das Reibeisen mal in die Ecke geworfen hat, an Johnny Van Zant, Eddie Montgomery (Montgomery Gentry) oder auch Tim McGraw, gerade, wenn sich die Stücke in emotionaler Richtung bewegen. Ich würde einiges darauf verwetten, dass letztgenannter Herr McGraw sich in Zukunft auch mal eines Pinson-Songs bedienen wird. Grandios natürlich auch die beteiligten Klasse-Instrumentalisten, wobei Bill Panda (Akustikgitarre und Mandoline), sowie die exzellenten E-Gitarristen Troy Lancaster und David Grissom (Ex-Mellencamp, Storyville) unaufdringliche Glanzarbeit leisten. Toll wie bei einigen Balladen, statt wie sooft verwendeter schmalziger Violinen und bombastischer Keyboards, hier ein dumpf klingendes Cello (John Catchings) eingebracht wurde, und einem Stück wie „Time Well Spent“ bei seinem dramatischen E-Gitarren-Finale noch weitere Tiefe vermittelt.

Die Botschaften in Pinsons Texten sind ähnlich wie bei Johnny Van Zants Songwriting nicht gerade spektakulär (don’t quit your High School football team halfway through the season, don’t drink the water in Mexico…), zum Teil religiös (Jesus loves me – Hidden Track) und autobiographisch (nothin‘ happens in this town) geprägt, aber teilweise auch mit hintergründigem Humor versehen (makin‘ plans that didn’t make sense, wastin‘ time, wastin‘ time well spent).

Insgesamt eine ansprechende Dreiviertelstunde, die ich persönlich nur jedem empfehlen kann. Bobby Pinson erscheint mir als gerade entdeckter hochtalentierter Künstler mit einer phantastischen Stimme, den es gilt, einer noch breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Man darf sich schon jetzt auf seine nächsten Ideen, Lieder oder Alben freuen. Wie bereits anfangs erwähnt, gut dass manche Geheimnisse auch schon mal gelüftet werden…

RCA Records BMG Music (2005)
Stil: New Country

01. I’m Fine Either Way
02. Nothin‘ Happens In This Town
03. One More Believer
04. Don’t Ask Me How I Know
05. Man Like Me
06. Started A Band
07. Ford Fairlane
08. Shadows Of The Heartland
09. Way Down
10. I Thought That’s Who I Was
11. Time Well Spent
12. Jesus Loves Me (Hidden Track)

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