
Review: Michael Segets
2025 haben sich einige Grandes Dames der amerikanischen Songwriterinnen-Gilde mit neuen Werken zu Wort gemeldet. Amanda Shires reiht sich nun mit ihrem achten Soloalbum „Nobody’s Girl“ in die Liste ein.
Auf ihrem letzten Longplayer „Take It Like A Man“ (2022) begeisterte mich vor allem „Hawk For The Dove“ für das der Terminus Southern Gothic herangezogen wurde. Auf der neuen Scheibe finden sich keine so expressiven Geigenintermezzi wie auf diesem Stück. Lediglich bei „Can’t Hold Your Breath“ klingen solche Violinen-Parts an. Einen dunklen Gothic-Touch entwickelt „Lose It For A While“ in der zweiten Hälfte nach einem erstklassigen akustischen Einstieg. Das fünfminütige Opus ist einer der Songs, in die man hineingezogen wird. Dies gelingt auch bei Titeln wie „Living“ oder „Lately“, bei denen Shires eine besondere Zerbrechlichkeit in ihre Stimme legt. Hier wird eine übermäßige Süße vermieden, während an manch anderen Stellen einzelne Beiträge eher zahm wirken („A Way It Goes“, „Streetlights And Stars“).
Die Kombination von minimalistisch oder opulent instrumentierten Passagen zeichnen Titel wie „Not Feel Anything“ aus. Dass bei Shires die Violine eine zentrale Rolle spielt, ist selbstverständlich, aber auch das Klavier ist auf einigen Stücken präsent. Auf „Friend Zone“ ergänzen sich beide Instrumente quasi gleichberechtig.
Neben einigen gefühlvollen Balladen gefallen mir die Stücke, bei denen Shires die Zügel loslässt, am besten. Dazu gehört vor allem „Piece Of Mind“. Hier blitzt eine rockige Facette auf, die ihr sehr gut steht. Mittig auf dem Longplayer platziert, rüttelt sie die Hörenden gehörig auf. Darüber hinaus findet sich mit „Strange Dreams“ noch eine weitere Uptempo-Nummer, die zwar nicht die Kraft wie das zuvor genannte Stück entfaltet, dennoch die Dynamik des Albums belebt.
Seit Shires mit zehn Jahren eine Geige von ihrem Vater geschenkt bekam, die er in einem Pfandhaus erwarb, ist sie der Musik verfallen. Als sie Bobbie Nelson auf der Bühne sah, erkannte sie, dass auch Frauen im Musikbusiness ihren Weg gehen können. Vor ihrem aktuellen Album veröffentlichte sie „Loving You“ (2023) mit der Schwester von Willie Nelson und erfüllte sich so einen lang gehegten Wunsch. Neben ihrer Solo-Karriere war sie mit The Highwomen erfolgreich und gewann als Bandmitglied von The 400 Unit einen Grammy mit Jason Isbells „The Nashville Sound“.
2013 schloss sie eine Ehe mit Isbell, die in diesem Jahr nach längeren rechtlichen Auseinandersetzungen geschieden wurde. Dass es in der Beziehung kriselte konnte man schon auf ihrem siebten Album zwischen den Zeilen heraushören. „Nobody’s Girl“ ist deutlich von dieser Lebensphase geprägt, auch wenn Shires betont, dass sie keine Scheidungs-Platte aufnehmen wollte. So feiern die Texte nicht eine vermeintlich zurückgewonnene Freiheit, sondern werfen einen Blick zurück und einen Blick in die Zukunft. Veränderungen der Lebensumstände erfordern eine Neuorientierung, die Kraft kostet und erfordert. Diese Kraft beschwört Shires in ihren Texten.
Musikalisch knüpft „Nobody’s Girl“ an die bisherigen Werke von Amanda Shires an. Gefühlvolle Balladen, die diesmal deutlich mit dem Wechsel reduzierter und voller Instrumentierung spielen, prägen das Album. Einzelne Titel, die dunkler ausfallen, sowie der Ausflug in rockige Gefilde, stechen dabei heraus. Gerade mit diesen Songs habt sie sich von anderen Songwriterinnen und Sängerinnen im Americana-Bereich ab.
ATO Records/PIAS – Rough Trade (2025)
Stil: Americana
Tracks:
01. Intro – Invocation
02. A Way It Goes
03. Maybe I
04. The Details
05. Living
06. Lose It For A While
07. Piece Of Mind
08. Streetlights And Stars
09. Lately
10. Friend Zone
11. Strange Dreams
12. Can’t Hold Your Breath
13. Not Feeling Anything
Amanda Shires
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Pias/Rough Trade
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