Jennifer Porter – Yes, I Do! – CD-Review

Review: Michael Segets

Nach ihrem Debüt im Jahr 1998 wurde es erst einmal still um Jennifer Porter. Mit dem Soundtrack zu dem preisgekrönten Film „40 West“, bei dem sie mitspielte und zudem das Drehbuch verfasste, meldete sie sich 2012 zurück. Danach veröffentlichte das Multitalent aus Massachusetts zunächst Jazz-Alben und einen weiteren Soundtrack („Mr. Barrington“). Für SoS-Leser dürften vor allem ihre beiden letzten Longplayer „These Years“ (2018) sowie „Sun Come And Shine“ (2022) interessant sein, auf denen sie sich dem Americana und Blues zuwendet. „Yes, I Do!“ stellt nun den neunten musikalischen Output von Jennifer Porter dar.

Mit „Don’t Worry No More“ sowie den beiden Covern „How Long“ und „Good Ol‘ Wagon“ widmet sich Porter auf ihrem aktuellen Werk erneut dem Blues. Das von ihr geschriebene Stück steht den beiden Klassikern aus den 1920er Jahren – von Stuart Balcom und Bessie Smith beziehungsweise von Leroy Carr stammend – in nichts nach. Besonders die Gitarre von George Naha (Wilson Pickett, Aretha Franklin) kommt hier zur Geltung. Fast alle Songs haben einen Retro-Flair. Dieser scheint bei dem traditionell gehaltenen Swing „Lucky Dust (Shining Through)” oder dem an die Frühzeit des Rock ’n Roll erinnernden „All I Needed Was You“ besonders deutlich durch.

Porter kann ihrer Stimme einen warmen Klang mitgeben. Ihr Sopran trägt aber auch in den höheren Passagen. Die von ihr gespielten Tasteninstrumente Piano, Wurlitzer und Hammond B3 sind auf den Stücken stets präsent. Die heimlichen Stars sind aber häufig die Horns. Für die Bläsersektion konnte sie Steve Jankowski (Chicago), Doug DeHays (Southside Johnny) sowie Randy Andros (The O’Jays) gewinnen. Sie geben beispielsweise dem Opener „Before We Call It A Day“ zusätzlich Drive. Außerdem sind sie für den souligen Einschlag des Titeltracks mitverantwortlich. Das entspannte „Yes, I Do“ besticht ebenso wie das sehr ruhige „Over You“ durch seinen eingängigen Refrain. Die beiden Songs stellen für mich die besten Beiträge des Longplayers dar, was sicherlich daran liegt, dass sie in Richtung Americana gehen.

Das Album wurde von Porters Ehemann Dana Packard produziert, der auch am Schlagzeug sitzt. Die Gäste Cindy Cashdollar (Pedal Steel) und C. J. Chenier (Akkordeon), die bereits auf der vorangegangenen Veröffentlichung mit von der Partie waren, integrieren sich in den Sound der ohnehin relativ großen Band ohne Probleme. Die einzelnen Musiker bekommen ihre Parts auch mal mit kurzen Soli, insgesamt bieten die Songs aber wenig überraschende Momente. Entsprechend dem Konzept des Albums wird die konventionell gehaltene Linie durchgehalten. Obwohl Jennifer Porter einige Musikstile aufgreift, gibt es keinen Bruch auf „Yes, I Do!“. Die Verbindung schafft Porter einerseits durch ihre Präsenz am Mikro, andererseits erscheinen die Songs zeitlich entrückt oder – wenn man so will – zeitlos.

Cougar Moon Music (2023/2024)
Stil: Blues and more

Tracks:
01. Before We Call It A Day
02. Yes, I Do
03. Over You
04. All I Needed Was You
05. Don’t Worry No More
06. How Long
07. Lucky Dust (Shining Through)
08. Good Ol’ Wagon

Jennifer Porter
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Danny Brooks & Lil Miss Debi – Are You Ready? The Mississippi Sessions – CD-Review

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Review: Michael Segets

Texassippi Soul Man Danny Brooks und seine Frau Lil Miss Debi haben den Output ihrer Mississippi Sessions auf eine randvolle CD gepackt. Mit den zwanzig Songs unternehmen sie einen Streifzug durch Blues, Americana und Rock. „Are You Ready?“ wirkt unverstellt und handgemacht und liefert in allen Stilbereichen Titel mit hoher Qualität.

Danny Brooks klärt darüber auf, dass der Blues der Vater des Rock ‘n Roll ist („Rock N Roll Was The Baby“) und das bereits Jesus den Blues besaß („Jesus Had The Blues“). Es bietet sich daher an, die Blues-Titel zu Beginn des Reviews in den Blick zu nehmen. Die konkreteren Wurzeln seiner Musik verortet Brooks im Mississippi Delta. Seine rauchig angekratzte Stimme passt auch prima zu diesem. Auf „The Battle” klingt Brooks beinahe wie Tom Waits. Zusätzlichen Drive erhält der Titel durch die Bläser, die auch mehrere andere Stücke aufwerten.

Die Mehrzahl seiner Blues-infiltrierten Songs legt einen flotteren Gang ein („Me And Brownie McGhee“) und gelegentlich lässt er es mit Resonator-Gitarre und Mundharmonika richtig scheppern („One More Mile (To Mississippi)“). Bei dem Duett mit Lil Miss Debi „No Easy Way Out“ reduziert Brooks das Tempo etwas, der Song bleibt aber kraftvoll.

Das starke „We Do Whatever It Takes“ bewegt sich zwischen Blues und Americana. Mit „Where Will you Stand“ legt Brooks noch einen großartigen Track in dieser Richtung drauf. Wenn Brooks sich dem Americana zuwendet, erinnern seine Songs zum Teil an John Hiatt („When I’m Holding You“). Lil Miss Debi steuert eine gefühlvolle Version von John Prines „Angel From Montgomery“ dem Werk bei. Mit Ausnahme dieses Klassikers stammen alle Songs von Brooks. Dass er selbst ebenfalls stimmungsvolle Balladen singen kann, zeigt er auf „Climb That Mountain“.

Bietet „Are You Ready?“ bereits im Blues und Americana einige Leckerbissen, sind die rockigen Titel doch der Höhepunkt des Menüs. Ganz im Stil des frühen Southside Johnnys serviert Brooks seinen Rock mit einer gehörigen Portion Soul. Beim Titeltrack und bei „Coming Home“ glänzt James Lawlis am Saxophon. Mundharmonika und Orgeln in Verbindung mit einem kräftigen Backgroundchor lassen mit „Without Love“ die guten alten Zeiten wiederaufleben.

Etwas aus der Reihe fallen „Jamaica Sun“, das einen leichten Reggae-Anflug aufweist, sowie die Schunkel-Nummer „Put A Little Rock N‘ Roll In Your Soul“, die Dancehall-Flair in einer Verbindung von Cajun und Country erzeugt. Dennoch integrieren sich die Tracks ohne Bruch in das Gesamtwerk. Dessen musikalische Bandbreite wird mit „Let Me Know“ noch erweitert, das vom Gospel beeinflusst ist.

Andere Musiker hätten aus dem umfangreichen Material zwei, vielleicht stärker konzeptionell orientierte Veröffentlichungen gemacht. Aber wer will sich über ein reichhaltiges Angebot beschweren, wenn die Auslage so verlockend ist?

Dem von Lil Miss Debi gestalteten Begleitheft gebührt noch besondere Erwähnung. Auf 24 Seiten sind neben den Texten und kurzen Kommentaren zu den Liedern ebenfalls Fotos mit Informationen zu den beteiligten Musikern abgedruckt.

Danny Brooks geht nun langsam auf die Siebzig zu und legt zusammen mit Lil Miss Debi ein frisches, fast 80 Minuten langes Album vor, auf dem er zeigt, dass er sich in Blues, Americana und Rock auskennt. Trotz der unterschiedlichen stilistischen Einflüsse bleibt „Are You Ready?“ ein authentisch wirkendes Werk, das die verschiedenen Musikrichtungen, die ja durchaus in verwandtschaftlichen Beziehungen stehen, gekonnt verbindet.

His House Records (2020)
Stil: Blues and more

Tracks:
01. Are You Ready
02. Jesus Had The Blues
03. Jamaica Sun
04. We Do Whatever It Takes
05. Let Me Know
06. No Easy Way Out
07. Angel From Montgomery
08. Coming Home
09. One More Mile (To Mississippi)
10. Rock N Roll Was The Baby
11. Where Will You Stand
12. Hold On To Love
13. Broken
14. Climb That Mountain
15. Put A Little Rock N’ Roll In Your Soul
16. Without Love
17. Me And Brownie McGhee
18. Tell Me About It
19. When I’m Holding You
20. The Battle

Danny Brooks
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Trigger Hippy – Full Circle & Then Some – CD-Review

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Review: Michael Segets

Trigger Hippy ist das Projekt von Schlagzeuger Steve Gorman (Black Crowes) und Bassist Nick Govrik (Highwater). Die beiden kennen sich schon lang Zeit und gründeten vor zehn Jahren Trigger Hippy. Das selbstbetitelte Debütalbum erschien aber erst 2014 mit Sängerin Joan Osborne und Jackie Greene an der Gitarre.

Für „Full Circle & Then Some“ hat sich die Band neu formiert. Amber Woodhouse übernimmt die femininen Gesangsparts, Ed Jurdi (The Band Of Heathens) singt ebenfalls und steuert mehrere Instrumente bei. Als Gastgitarrist ist Sadler Vaden (Jason Isbell And The 400 Unit) mit von der Partie.

Trigger Hippy greift tief in die Trickkiste und verarbeitet viele unterschiedliche stilistische Einflüsse von Country, Rock, R&B über Funk bis zu Psychedelic. Ein roter Faden oder eine verbindende Grundkonzeption konnte ich auf dem Longplayer nicht ausmachen. So wirkt das Werk als Ansammlung von Einzelstücken, bei denen nur gelegentlich ein Funke überspringt.

Der Opener „Don’t Wanna To Bring You Down“ kommt locker und leicht poppig mit einer Prise Soul daher. Govrik, Jurdi und Woodhouse geben sich hier das Mikro weiter. Wechselnde Lead-Vocals finden sich auf mehreren Stücken und sind sicherlich eine Stärke der Band. Schön zur Geltung kommt er auf dem rockigen Titelsong, bei dem Passagen auch mehrstimmig gesungen werden.

Die besten Stücke der CD bewegen ich aber im unteren Tempobereich. Hörenswertes Highlight ist dabei die von Govrik geschriebene und gesungene Southern-Ballade „Goddamn Hurricane“. Ebenfalls gelungen ist das swampige „Long Lost Friend“, das aus der Feder von Gorvik, Jurdi, Osborne und Will Hoge stammt.

Durch die Blues-Harp von Mickey Raphael (Willie Nelson) erhält auch „Dandelion“ eine gewisse Erdung. Einen Country-Einschlag weist „Strung Out On The Rain“ auf. In Richtung Country-Rock geht „Low Down Country Song”. „One Of Them” erinnert mit seinem Soul an Southside Johnny. Die Titel sind noch auf der Haben-Seite des Albums zu verbuchen.

Wenig überzeugt hingegen „The Butcher’s Daughter“ mit seinem Mix aus Sprechgesang, Funk und Pop. Ebenfalls keinen rechten Zugang gewinne ich zu „Paving The Road“, dem eher eintönigen „The Door” und dem über acht Minuten langem, psychedelisch angehauchten „Born To Be Blue“.

Mit wechselnden Stimmen und unterschiedlichen musikalischen Stilelementen bietet Trigger Hippy eine hohe Soundvarianz. Leider kommt dabei keine richtig runde Sache raus. Durch die Streuung landet „Full Circle & Then Some“ vor allem in der zweiten Hälfte dann aber doch ein paar Treffer.

Turkey Grass Records/Thirty Tigers (2019)
Stil: Rock, R&B and more

Tracks:
01. Don’t Wanna To Bring You Down
02. The Butcher’s Daughter
03. Strung Out On The Pain
04. Born To Be Blue
05. The Door
06. Full Circle And Then Some
07. Dandelion
08. Goddamn Hurricane
09. Long Lost Friend
10. One Of Them
11. Low Down Country Song
12. Paving The Road

Trigger Hippy
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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Bruce Springsteen – Western Stars – CD-Review

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Review: Michael Segets

Ein halbes Jahr nach dem Ende seines Dauerengagements am Broadway legt Bruce Springsteen nun mit „Western Stars“ ein neues Album vor, das in deutlichem Kontrast zu seiner stripped down Solo-Show steht. Mit einem Orchester im Rücken knüpft er eher an die poppigeren Produktionen von „Magic“ (2007) und „Working On A Dream“ (2009) an. Vom Grundtempo der CD lässt sich ein Vergleich zu „Devils & Dust“ (2005) ziehen.

„Western Stars“ ist ein ruhiges, opulent instrumentiertes Album geworden, bei dem die Stimme von Springsteen im Vordergrund steht. Die Begleitung ist mal sehr dezent, wie bei dem hervorragenden Opener „Hitch Hikin’“ oder dem kurzen „Somewhere North Of Nashville“, mal sehr auffällig, wie bei „Chasin‘ Wild Horses“, „Sundown“ oder „Stones“, auf denen sich vor allem die Streicher – aber auch die Bläser – ins Zeug legen.

Manche Passagen fallen dabei etwas dramatisch aus, so auf „Drive Fast (The Stuntman)“. Besonders wenn sich Pedal Steel und Streicher ergänzen („Hello Sunshine“), bekommen die Songs einen ziemlich wehmütigen Anstrich. Sobald Springsteen dann – wie bei der ersten Single „There Goes My Miracle“ – auch noch den Gesang langzieht, ist die Grenze zum Schmalz nahe.

Dennoch beweist Springsteen vor allem in der ersten Hälfte des Albums, dass er immer noch schöne Melodien mit poetischen Texten kombinieren kann, wobei seine markante und eindringliche Stimme ihnen den unverwechselbaren Touch mitgibt. „Tucson Train“ und das Titelstück sind dafür beste Beispiele.

Springsteen hat für „Western Stars“ auf die Mitwirkung seiner E Street Band verzichtet. Dennoch sind einige Musiker beteiligt, mit denen der Boss bereits früher zusammenarbeitete. Mit dabei sind seine Frau Patti Scialfa sowie die Geigerin Soozie Tyrell. Ed Manion, ein Urgestein der Musikszene in New Jersey und Mitglied von Southside Johnny’s Asbury Jukes sowie Little Steven’s Disciples Of Soul bläst bei dem locker flockigen „Sleepy Joe’s Café“ ins Saxophon.

Auch Clark Gayton mit seiner Posaune wurde von Springsteen bereits häufiger rekrutiert. Nach „Wrecking Ball“ (2012) und „High Hopes“ (2014) zeichnet Ron Aniello zum dritten Mal für die Produktion mitverantwortlich.

Springsteens „Western Stars“ folgt konsequent einer Line. Eine sanfte, getragene Grundatmosphäre durchzieht das Album, bei der insgesamt die Streicher als prägend im Gedächtnis bleiben. Das orchestrale Arrangement unterstreicht bei einigen Titeln deren Stimmung äußerst gelungen, bei anderen ist es für meinen Geschmack zu dominant.

Bis auf wenige Ausnahmen setzen sich die Songs nicht unmittelbar in den Gehörgängen fest, wobei sich das Werk bei mehrmaligem Durchhören noch entwickelt. Ein ganz großer Wurf, wie er Springsteen zuletzt mit „Wrecking Ball“ gelang, ist „Western Stars“ jedoch nicht.

Daher darf man gespannt sein, was der Boss als nächstes abliefert, wenn er – wie angekündigt – am Ende des Jahres die E Street Band wieder für neue Studioaufnahmen zusammentrommelt.

Columbia/Sony Music (2019)
Stil: Rock

Tracks:
01. Hitch Hikin‘
02. The Wayfarer
03. Tucson Train
04. Western Stars
05. Sleepy Joe’s Café
06. Drive Fast (The Stuntman)
07. Chasin‘ Wild Horses
08. Sundown
09. Somewhere North Of Nashville
10. Stones
11. There Goes My Miracle
12. Hello Sunshine
13. Moonlight Motel

Bruce Springsteen
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Columbia/Sony Music

Little Steven And The Disciples Of Soul – Summer Of Sorcery – CD-Review

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Review: Michael Segets

Seit seinem Comeback mit „Soulfire“ vor zwei Jahren arbeitet Little Steven unermüdlich. Zwei Tourneen, die ihn auch durch Europa führten, ein dazugehöriges Live-Boxset und unlängst eine Doppel-BD zeugen von seinem ungeheuren Tatendrang. Daneben blieb ihm noch Zeit, ein neues Studioalbum zu produzieren.

Mit „Summer Of Sorcery“ knüpft Little Steven, der die konzeptionelle Anlage seiner Alben gerne variiert, stilistisch an das vorherige an. Der Longplayer bietet horn- und guitar-driven Rock mit Soul-, Funk- und Blues-Einflüssen, wie ihn sonst wohl derzeit niemand performt.

Die ersten Töne des Openers „Communion“ erinnern an „She’s The One“ seines Freundes und musikalischen Wegbegleiters Bruce Springsteen. Danach erhält der Song einen eigenen Charakter durch stampfenden Rhythmus mit Tempowechseln, soulige Bläser-Intermezzi, Gitarrensolo und Vokalpassage, sodass Little Steven mit ihm einen beeindruckenden Auftakt hinlegt.

Das Album schließt mit einem weiteren Highlight, das ebenfalls Assoziationen zu Springsteens Hymnen weckt. Der achtminütige Titeltrack „Summer Of Sorcery“ beginnt mit akustischer Gitarre und durchläuft anschließend einige Spannungsbögen, wobei er mit dem Einsatz eines Saxophon seinen Höhepunkt erreicht. Zwischen fulminanten Auftakt und Finale liegen stilistisch sehr abwechslungsreiche Songs.

Hinter dem Album steht die Idee, den Soundtrack zu einem zauberhaften Sommer zu liefern. Anders als auf den meisten seiner bisherigen Veröffentlichungen greift Little Steven keine politischen Themen auf. Stattdessen, will er die Energie einfangen, die ein Sommeranfang mit all seinen Möglichkeiten eröffnet. Dabei orientiert er sich an der Musik, mit der er aufgewachsen ist. Sehr deutlich wird das bei dem Rock ’n Roll „Soul Power Twist“, der die 1960er Jahre wieder lebendig werden lässt.

Old Fashion – was ist verkehrt daran? So lautet eine frei übersetzte Textzeile von „Love Again“. Hört man den starken Song, fällt die Antwort leicht: nichts. Schön entspannt und dennoch durch kraftvolle Bläser getrieben, entwickelt er einen wundervollen Soul. Der Titel könnte auch auf den frühen Alben von Southside Johnny vertreten sein, an denen Little Steven tatkräftig mitwirkte. Vergleichbares gilt für „Our Own“, bei dem der Backgroundchor einige für die Frühzeit des Rock ’n Roll typische Doo Wops beisteuert.

Dem Midtempo-Song „Gravity“ – bei dem der harmonische Wechselgesang mit den weiblichen Chorstimmen hervorzuheben ist – gibt Little Steven einen Funk-Einschlag, der auch auf dem rockigeren „Vortex“ zu hören ist. Mit „I Visit The Blues“ unternimmt Little Steven einen Ausflug in den Bluesrock. Während er auf „Soulfire“ Funk- und Bluesrock-Titel gecovert hatte, stammen sämtliche Titel auf „Summer Of Sorcery“ aus seiner eigenen Feder.

Mit Ausnahme von „Education“ sind alle Songs neu. „Education“ veröffentlichte Little Steven bereits auf „Revolution“ (1988). Anders als auf der Originalversion ersetzt er die poppige und elektronische Instrumentalisierung durch die handgemachte Begleitung seiner Disciples Of Soul. Die Neuinterpretation gewinnt durch die Unterstützung der großen Band.

Der volle Sound, den Little Steven mit seinen Disciples Of Soul im Rücken erzeugt, macht sich auch auf dem straight gespielten „Superfly Terraplane“ bezahlt. Die bereits vorab veröffentlichte Single gehört zu meinen Favoriten der Scheibe.

Die Bandbreite, mit der Little Steven den musikalischen Sommer einleitet, ist enorm. Neben Rock, Soul, Funk und Blues integriert der einstündige Longplayer bei „Party Mambo!“ ebenso lateinamerikanische Rhythmen. Die Affinität des Musikers zu Lateinamerika kam beispielsweise schon bei dem Duett mit Ruben Blades bei „Bitter Fruit“ zum Ausdruck, das sich auf „Freedom – No Compromise“ (1987) findet.

Gesanglich überrascht Steven van Zandt – alias Little Steven – auf „Suddenly You“. Die Stimme ist ungewohnt tief, sodass ich mir anfänglich nicht sicher war, ob er wirklich selbst ins Mikro singt. Bemerkenswert ist hier zudem die gelungene Begleitung durch Percussion und Trompete.

Little Steven ist in einer unglaublich produktiven Phase, in der er unterschiedliche musikalische Stilrichtungen aufsaugt und in dem stimmigen Album „Summer Of Sorcery“ einfängt. Im Vergleich zu früheren Veröffentlichungen integriert Little Steven mehr Instrumentalpassagen in sein Werk.

Bei seinem kreativen Songwriting nutzt er die Möglichkeiten, die ihm die große Besetzung der Disciples Of Soul eröffnet. Er gibt seinen Begleitmusikern Raum, ihre Fähigkeiten auszuspielen. „Summer Of Sorcery“ ist ein origineller Longplayer, bei dem sich Little Steven auf die Anfänge des Rocks besinnt, diese in seiner unverwechselbaren Art interpretiert und modernisiert.

Wer die beiden letzten Touren mit der 14-köpfigen Begleitband verpasst hat, bekommt Ende Mai beziehungsweise Anfang Juni nochmal die Gelegenheit, Little Stevens Energie live zu erleben, wenn er mit seinen Disicples Of Soul in Berlin und Hamburg spielt. Ich habe mir allerdings eine Karte für seinen Auftritt in Brüssel am 7. Juni besorgt.

Universal/Wicked Cool Records (2019)
Stil: Rock and more

Tracks:
01. Communion
02. Party Mambo!
03. Love Again
04. Vortex
05. A World Of Our Own
06. Gravity
07. Soul Power Twist
08. Superfly Terraplane
09. Education
10. Suddenly You
11. I Visit The Blues
12. Summer Of Sorcery

Little Steven
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Universal Music