Flying Joes – Invincible – CD-Review

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Review: Michael Segets

Mit „A War On Everything“ von The Glorious Sons wurde kürzlich das aktuelle Album einer aufstrebende Band aus Kanada vorgestellt. Diese zeigt, dass es sich durchaus lohnen kann, den Blick in die nördliche Hemisphäre schweifen zu lassen. Nun schwappt mit Flying Joes ein weiterer Import in Sachen Rock über den Atlantik.

„Invincible“ ist der zweite Longplayer der Flying Joes, den das Trio aus Montreal auf den Markt bringt. Nach ihrem Debüt „Let It Out“, für das sie den Produzenten Glen Robinson (AC/DC, Keith Richard, B.B. King) gewinnen konnten, ließen sich Sänger und Bassist Syd Bedard, Gitarrist JF Arsenault und Schlagzeuger Yves Côté fünf Jahre für den Nachfolger Zeit.

Flying Joes orientieren sich am Classic Rock der siebziger Jahre und führen Bands wie Led Zeppelin und Rival Sons als Referenzpunkte an. Dementsprechend steigt „Beat The Devil Out Out Of Me“ mit wimmernder Gitarre kräftig ein. Der Beginn der Scheibe mit den folgenden „Mean Little Mama“ und „Lay Me Down“ lässt keinen Zweifel daran, welche musikalische Richtung die Jungs favorisieren.

Die Songs bleiben jedoch melodisch und erzeugen ihre Power durch die Konzentration auf heavy Gitarrenriffs in Verbindung mit einem kraftvollen Rhythmus sowie durch den Hardrock-typischen Shouter-Gesang. Dabei überlädt die Band die Stücke nicht mit unnötigem Bombast.

In die gleiche Kerbe schlägt „Black Stone“. Das trocken stampfende Schlagzeug von Côté treibt den Song mächtig an. Der harmonische Refrain weckt Erinnerungen an Bon Jovi, wobei die experimentellere Zwischenpassage vielleicht verzichtbar gewesen wäre. Mit dem Titeltrack „Invincible“, bei dem Bedard mit dem Background in einen Call-And-Response-Modus wechselt, sowie „Valley Of Fallen“ – mit tollem Gitarrensolo von Arsenault – bleiben die Flying Joes ihrem Lieblingsgenre treu.

Im Verlauf der Scheibe zelebrieren die Kanadier bei „High Society“ den Hardrock in Reinform und streuen darüber hinaus das balladeske „Give It Back“ ein.

Liegt der Schwerpunkt des Albums auch auf dem Hardrock, so überschreiten die Flying Joes diesen jedoch und überraschen bei einigen Titeln mit einer größeren stilistischen Bandbreite. „Try“ geht als Southern durch, „Homeland“ als Stoner Rock.

Auf dem Abschlusstrack „Scavengers Over Me” wird die akustische Gitarre ausgepackt. Das Stück könnte sich auf einer Platte der Rolling Stones finden. Mit der Slide-Untermalung würde sich die Ballade auch auf einem Country-Rock-Album gut machen. Zuvor zeigt „Down By The Pirogue”, dass die Band eine gewisse Affinität zum Country hat und auch das instrumentale Intermezzo „À L’Aube“ versetzt atmosphärisch in eine staubige Wüstenlandschaft.

Die Flying Joes bevorzugen auf „Invincible“ eine härtere Gangart des Rock und spielen ihn mit dem nötigen Drive. Letztlich stärker erscheinen aber die Songs, in denen die Kanadier ihr Repertoire in Richtung Southern, Stoner oder sogar Country-Rock erweitern. Die zukünftige Entwicklung der Band zu verfolgen, ist daher kein schlechtes Vorhaben.

Comanche (2019)
Stil: Hard Rock & More

Tracks:
01. Beat The Devil Out Out Of Me
02. Mean Little Mama
03. Lay Me Down
04. Black Stone
05. Try
06. Homeland
07. High Society
08. Invincible
09. Give It Back
10. Down By The Pirogue
11. Valley Of Fallen
12. À L’Aube
13. Scavengers Over Me

Flying Joes
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Brian Cottrill – Through The Keyhole – CD-Review

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Review: Michael Segets

Brian Cottrill ist Gitarrist und Sänger bei The Grey Agents, einer Band gestandener Herren, die sich dem Rock der frühen Achtziger-Jahre verschrieben haben. Mit „Through The Keyhole“ verzichtet er auf seine Begleitmusiker und zieht als Singer/Songwriter – nur mit Gitarre und Mundharmonika bewaffnet – eine persönliche Bilanz seines musikalischen Schaffens der letzten 35 Jahre.

Die Werkschau reicht bis zu seinem Song „Lace“ zurück, den er als Teenager geschrieben hat. Neben eigens für die CD verfassten Stücken legt Cottrill mit „The Murder Farm“ einen Titel der Grey Agents in einer akustischen Version neu auf.

Als musikalische Inspirationsquellen nennt er Bob Dylan und Tom Petty, deren Einflüsse auch gelegentlich durchscheinen. So erinnert der Einstieg „Remember My Name“ durch die Mundharmonika und den bitterbösen Text an die Frühzeit Dylans. Bei der Struktur der meisten Lieder orientiert sich Cottrill jedoch weniger am Folk, sondern eher an Rocksongs. Mehrere Titel bewegen sich – für ein akustisches Album – in einem flotteren Tempobereich.

In seinen Texten wendet sich der Mann aus West Virginia alltäglichen Themen zu, die auch gerne im Heartland Rock aufgegriffen werden. Familienbeziehungen und -geschichten nehmen dabei einen wichtigen Platz ein. So ist das leicht süßliche „Erica“ seiner Tochter gewidmet.

Sehr einfühlsam zeichnet er mit „Sammie Lee“ eine schwere Lebensgeschichte nach, die durch die seiner Eltern inspiriert wurde. Der Song hat mit fast acht Minuten eine ungewöhnlich lange Spielzeit für eine akustische Ballade. Er vollbringt dabei das Kunststück nicht eintönig zu werden, was für Cottrills Qualität als Songwriter und Musiker spricht.

Textlich stark ist ebenfalls das gesanglich etwas experimentellere „The Uncertain Keyhole Jangle“. Für das Mitlesen stellt Cottrill die Lyrics aller Titel auf seiner Website zur Verfügung. Um gescheiterte Beziehungen drehen sich „Lost und Forgotten“, das stellenweise Assoziationen zu den Stones weckt, sowie „All I’ve Got Is You”, das neben dem Opener und dem dynamischen „When The Fire Comes“ zu den Highlights auf der Scheibe zählt.

Mit dem Bonus-Track „Gates Of Venus” ergänzt Brian Cottrill sein Album. Anders als auf den neun vorangegangenen Stücken beschränkt er sich hier bei der Instrumentalisierung nicht auf akustische Gitarre und Mundharmonika, sondern spielt elektrische Gitarre, Bass, Schlagzeug, Mandoline und Keyboard, womit er sich als wahrer Multiinstrumentalist erweist. Die Anfangsakkorde klingen nach Tom Petty und in dessen Stil setzt Cottrill einen rockigen Schlusspunkt unter sein Solo-Werk.

Das Solo-Projekt von Brian Cottrill vereint gute Rockrefrains mit der textlichen Tiefe des Folk. Im Gesamteindruck pendelt „Through The Keyhole“ damit zwischen akustischem Rock- und Folkalbum. Durch die Varianz von Tempo, Gesang und Atmosphäre umschifft Cottrill geschickt die Gefahr der Monotonie, der akustisch gehaltene Longplayer tendenziell ausgesetzt sind.

Eigenproduktion/Two Side Moon Promotion (2019)
Stil: Singer/Songwirter

Tracks:
01. Remember My Name
02. Erica
03. All I’ve Got Is You
04. Lace
05. The Murder Farm
06. Lost And Forgotten
07. When The Fire Comes
08. Uncertain Keyhole Jangle
09. Sammie Lee
10. Gates Of Venus (Bonus-Track)

Brian Cottrill
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Two Side Moon Promotion

Ronnie Van Zant – Rollin‘ Stoned – CD-Review

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Hätte sich der tragische Flugzeugabsturz von Lynyrd Skynyrd am 20. Oktober 1977 nicht ereignet, müssten die Geschichtsbücher der Rockmusikgeschichte vermutlich umgeschrieben werden.

Aus uns nicht ersichtlichen Gründen hat ein Hacker (Southern Rock-Fan?), u. a. unserem Magazin, diverses Material (Dokumente, Protokolle, Vertragsentwürfe, Dateien, Bilder, Cover-Artwork, Soundschnipsel) des damaligen Rolling Stones-Managements zugespielt, mit teils unglaublichen (man könnte fast einen April-Scherz dahinter vermuten…), bis dato nicht bekannten, voller Brisanz steckender Inhalte.

So kriselte es 1977 zur vermeintlichen Hoch-Zeit Skynyrds (mit „Street Survivors“ schien ja ein erster Zenit erreicht zu sein), als auch bei den Stones, ganz kräftig hinter den Kulissen (beide Bands waren ja ein Jahr zuvor auf dem legendären Knebworth-Festival vor 120.000 Zuschauern aufgetreten).

Das Stones-Managemanent war stinkesauer auf Mick Jagger und selbst der gerade von einer Drogen-Entzugskur halbwegs regenerierte Halodri Keith Richards, hatte von den ständigen Eskapaden und Affären des Bandleaders die Faxen dicke. Das Tischtuch war so gut wie zerschnitten und für die Verantwortlichen war der potentielle Jagger-Nachfolger bereits ausgeguckt – Ronnie Van Zant!

Van Zant wusste um die einmalige Chance, und brachte Bruder Donnie, als nächstälterer Bruder, bei Skynyrd ins Spiel, der Benjamin Johnny sollte dafür die bei 38 Special entstandende Lücke füllen. Gary Rossington und Allen Collins favorisierten allerdings eine Lösung in eigener Sache mit einer gewissen Dale Krantz am Mikro, Steve Gaines lag bei der etwas jazz-lastigeren Marshall Tucker Band, als dritter Gitarrist, ein bereits unterschriftsreifer Vertrag vor.

Um Jagger zur Vernunft zu bringen, als auch unter Druck zu setzen, wollte man Van Zant zunächst als Solo-Künstler aufbauen. In gerade mal drei Wochen wurde in Austin, Texas, ein komplettes Studio-Album mit dem plakativen Titel „Rollin‘ Stoned“ kreiert und eingespielt, wobei Ronnie und Keith Richards (auf dem Werk unter dem Synonym Richard Keys aufgeführt), die Tracks gemeinsam geschrieben hatten.

Mit dem auch als Nachfolger für Mick Taylor gehandelten Jeff Beck (als 2. Gitarrero), der Rhythmus-Fraktion Chris Layton und Tommy Shannon, sowie Keyboarder Reese Wynans (mit ein paar herrlichen Piano- und Orgel-Einlagen), alle drei aus dem Stevie Ray Vaughan-Umfeld, zudem den Backgroundsängerinnen Bekka Bramlett und Marcy Levy (Eric Clapton), wurden die Tracks dann in ein musikalisches Gewand umgesetzt. Produziert hatte das Ganze James Miller, der sich ja auch zuvor für die markantesten Stones-Alben verantwortlich zeigte (u. a. „Let It Bleed“, „Sticky Fingers“, „Exile On Main St.“).

Für Van Zant war es eine komfortable Situation. Er konnte quasi dreigleisig fahren. Zum einen die mögliche, auf seine Vorstellungen alleinig fixierte Solo-Karriere, die medial wie finanziell, einmalige lukrative Stones-Option oder zur Not, sollten alle Stricke reißen, eine Rückbesinnung zu Skynyrd. Das Album (das können wir schon jetzt konstatieren) bietet übrigens, wie nicht anders zu erwarten, einen herrlichen Southern Rock stonesker Prägung.

Aber wie allseits bekannt, kam alles anders. Das Stones-Management reagierte sofort auf die Hiobsbotschaft des tragischen Ereignisses in Gillsburg, Mississippi, und legte das fertige Album wieder auf Eis. Mit dem Van Zant-Clan wurde eine vierzig-jährige Verschwiegenheitsklausel vertraglich festgelegt.

Nach dem Durchsickern einiger Details vor ein paar Monaten und dem Ablauf der Stillschweige-Zeit, ist dieses Werk jetzt wohl wieder aus den Archiven ‚gekramt‘ worden und steht demnächst zur Veröffentlichung in den Startlöchern.

Um uns abzusichern, kontaktierten wir spontan Carol Chase, zu der wir ja, dank eines Interviews, immer noch gute Beziehungen pflegen. Die nickte auf Nachfrage zum Wahrheitsgehalt quasi imaginär ab und stellte uns drei Exemplare in Aussicht, wovon wir zwei gerne an unsere Sounds Of South-Leser weitergeben möchten.

Schreibt uns von daher ins Kommentarfeld, wie ihr einer Solo-Karriere Ronnie Van Zants, beziehungsweise seiner Rolle als Jagger-Nachfolger bei den Rolling Stones gegenüber gestanden hättet. Die interessantesten beiden Beiträge werden dann nach Veröffentlichung mit der Scheibe belohnt!

Atlantik Records (1977)
Stil: Southern Rock

01. Paint It Red
02. White Sugar
03. Honky Tonk Chicks
04. It’s Only Southern Rock
05. Ruby Thursday
06. You Can’t Always Drink What You Want
07. Slow Horses
08. Let’s Spend The Holidays Together
09. Waiting On A Saint
10. Tumbling Twice
11. Sweet Young Angel
12. Dance Little Brother

Ronnie Van Zant
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