Beaux Gris Gris & The Apocalypse – Hot Nostalgia Radio – CD-Review

Review: Michael Segets

Die ersten vier Tracks von „Hot Nostalgia Radio“ lassen keine nostalgischen Gefühle aufkommen. Beaux Gris Gris & The Apocalypse legen fulminant mit voluminösen Sound und dominanter elektrischer Gitarre los. Schmissiger Rock’n Roll hallt zum Einstieg aus den Lautsprechern: „Oh Yeah!“ – der Titel ist da Programm. Nach dem vorab auskoppelten Opener geht es kraftvoll mit dem Selbstbekenntnis der Frontfrau Greta Valenti „Wild Woman“ weiter. Ebenso kommt das aufgekratzte, mit einem Indie-Einschlag versehende „I Told My Baby“ kurz und knackig zur Sache – auch im Text. Während die bisher genannten Stücke in unter drei Minuten abgehandelt sind, nimmt sich die Band für „Satisfy Your Queen“ etwas mehr Zeit. Dennoch wird die zweite Single des Albums straight durchgespielt. Sie ist für mich nicht zuletzt aufgrund des starken Chorus das Highlight der CD.

Nach dem rockigen Anfang nehmen Beaux Gris Gris & The Apocalypse das Tempo sukzessive heraus. Mit „Middle Of The Night“ startet eine Reihe von drei Beiträgen, in denen sich die Band dem Soul zuwendet. „All I Can Do Was Cry“, bei dem Valenti unterstützt von einer Horn-Section zu einem dramatischen Finale ansetzt, beamt ebenso wie das runde „Sad When I‘m Dancing“ in vergangene Zeiten zurück, ohne dabei angestaubt zu wirken. Hier schwingt etwas Nostalgie mit, wie der Albumtitel verspricht.

In der zweiten Hälfte des Longplayers drosseln Beaux Gris Gris & The Apocalypse das Tempo weiter. Valenti zeigt sich bei „The Runaway“ und „Harder To Breathe“ von ihrer sanfteren Seite. „Penny Paid Rockstar“ sticht unter den langsameren Titeln hervor. Obwohl es ruhig angelegt ist, entwickelt das Stück durch den Wechsel von ruhigen und dynamischen Passagen einen schönen Drive. Die beiden Midtempo-Nummern „Don’t Let Go“ und „Marie“ nehmen mich hingegen weniger mit. Sie erinnern entfernt an Kompositionen von Dough Sahm, den ich stets mit Schlagern assoziiere. „Let’s Ride“ geht ebenfalls in diese Richtung, wobei Rhythmus und Akkordeon den Song interessanter als die anderen beiden machen. Das Akkordeon von Sam Robertson gibt dem abschließenden „Mama Cray“, das sich zwischen Folk und Country bewegt, einen Tex-Mex-Einschlag mit. Insgesamt fällt die Scheibe nach hinten raus gegenüber dem begeisternden Start und den souligen Mittelteil etwas ab.

„Hot Nostalgia Radio” ist nach „Love & Murder“ (2019) und „Good Times End Times (2022) das dritte Studioalbum von Beaux Gris Gris & The Apocalypse. Die Köpfe hinter der Band sind die aus Louisiana stammende Greta Valenti sowie Robin Davey aus Großbritannien. Die Texte der vierzehn Titel verfasste Valenti, die Musik schrieben beide gemeinsam teilweise mit Unterstützung des Bassisten Stephen Mildwater. Mit der Band Well Hung Heart supportete Valenti bereits Foreigner und The Offspring. Davey arbeitete schon mit Mick Jagger und Katy Perry zusammen.

Ab Oktober geht die Band auch in Deutschland auf Tour. Mit „Hot Nostalgia Radio” geben Beaux Gris Gris & The Apocalypse eine Empfehlung für ihre Live-Shows ab. Zu erwarten ist dort eine bunte Mischung von Rock, Soul bis hin zum Country. Die beiden rockigen Singles des Albums spiegeln nur eine Facette des Albums wider, bei der die energiegeladene Frontfrau Greta Valenti ihre Stärken ausspielt.

Grow Vision Music & Records (2024)
Stil: Rock and more

Tracks:
01. Oh Yeah!
02. Wild Woman
03. Satisfy Your Queen
04. I Told My Baby
05. Middle Of The Night
06. Sad When I’m Dancing
07. All I Could Do Was Cry
08. The Runaway
09. Harder To Breathe
10. Don’t Let Go
11. Penny Paid Rockstar
12. Marie
13. Let’s Ride
14. Mama Cray

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Hollis Brown – In The Aftermath – CD-Review

Review: Michael Segets

Fast 56 Jahre ist es her, dass The Rolling Stones „Aftermath“ veröffentlichten. Auf dem frühen Erfolg der Band befindet sich der Kulthit „Paint It Black“. In einer eintägigen Mammutsession spielte Hollis Brown das komplette Album Track-by-Track ein und gibt den Stücken dabei einen zeitgemäßen Sound. Während das Original noch tief den Hauch der Sixties atmet, erscheint „In The Aftermath“ als straigther Gitarrenrocker.

Unverkrampft wagt sich Hollis Brown zum Auftakt an „Paint It Black“. Kräftige Gitarren vor einem treibenden Schlagzeug, dessen besonders trockener Klang dem Titel nochmal eine Extraportion Energie mitgibt, lassen die Interpretation nicht hinter dem Original zurückstehen. Andrew Zehnal am Schlagzeug überzeugt durchgehend, so auch beim gerade heraus gespielten „Stupid Girl“. Nach dem ruhigeren „Lady Jane“, damals die zweite Single, folgt das nun vorab ausgekoppelte „Under My Thumb“. Hier nutzt Adam Bock an seinen Keys die Gelegenheit zu glänzen. Dieser Song knüpft mit seinen Anleihen am Garage-Sound an die ersten beiden an.

„Doncha Bother Me“ erinnert an den Rock’n Roll der frühen Ära vor allem durch die Gitarren, die etwas von Little Richard haben. Gelungen integriert sich hier eine schrille Mundharmonika, die auch den Schlusspunkt bei dem Titel setzt. Verhältnismäßig entspannt rockend schließt sich „Think“ an. Bei „Flight 505“ bleibt unverkennbar, dass Mick Jagger und Keith Richards die Gewährsmänner sind. Überraschend deutlich treten hingegen die Einflüsse des Country hervor, die auf „High And Dry“ zu hören sind – eine flotte, akustisch gehaltene Nummer mit viel Mundharmonika und lockerem Piano.

Mike Montali, der mit dem Gitarristen Jonathan Bonilla 2009 die Band gründete, singt „It’s Not Easy“ ziemlich cool. Das Stück hebt sich zudem durch den Backgroundgesang seiner Kollegen im Refrain von den anderen ab. Kurz vor dem Ende der Scheibe finden sich mit dem entspannten „I Am Waiting“ eine Verschnaufpause, bevor zum Abschluss das vom Blues infiltrierte „Goin‘ Home“ nochmal mächtig aufdreht. Über sieben Minuten entfacht Hollis Brown ein feuriges Finale, bei dem die Spielfreude des Quintetts aus New York, zu dem ebenfalls der noch nicht erwähnte Bassist Chris Urriola gehört, greifbar wird.

Mit „Hollis Brown Gets Loaded“ (2014) hatte sich die nach einem Song von Bob Dylan benannte Band bereits „Loaded” von The Velvet Underground als Coverprojekt vorgenommen, sodass man fast schon von einer Reihe sprechen kann. Hollis Brown interpretiert nun ein weiteres Werk, das sie musikalisch prägte. Vor diesem Background gelingt es den Männern um Montali und Bonilla eigene, kreative Longplayer auf die Beine zu stellen, wie ihr letztes Werk „Ozone Park“ beweist. Man darf also auf das nächste Lebenszeichen der Band gespannt sein.

Hollis Brown gibt dem Frühwerk der Rolling Stones „Aftermath“ einen erdigen, modernen Anstrich. Die elf Tracks des Originals werden frisch und unverkrampft abgearbeitet, sodass durch die Verjüngungskur der Klassiker zu einem neuen Hörerlebnis wird. Mit „In The Aftermath“ legt Hollis Brown eine eigenständige Rockscheibe vor, die ohne Nostalgie ihr Vorbild würdigt.

Für Stones-Fans sei noch auf die kürzlich erschienene Compilation von Lucinda WilliamsYour Are Cordially Invited … A Tribute To The Rolling Stones” hingewiesen. Über ihre Version von „Paint It Black“ kann im Vergleich mit der von Hollis Brown fachgesimpelt werden. Ansonsten gibt es keine Überschneidungen der Tracks.

Cool Green Recordings/Mascot Label Group (2022)
Stil: Rock

Tracks:
01. Paint It Black
02. Stupid Girl
03. Lady Jane
04. Under My Thumb
05. Doncha Bother Me
06. Think
07. Flight 505
08. High And Dry
09. It’s Not Easy
10. I Am Waiting
11. Goin’ Home

Hollis Bown
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Mascot Label Group

Ronnie Van Zant – Rollin‘ Stoned – CD-Review

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Hätte sich der tragische Flugzeugabsturz von Lynyrd Skynyrd am 20. Oktober 1977 nicht ereignet, müssten die Geschichtsbücher der Rockmusikgeschichte vermutlich umgeschrieben werden.

Aus uns nicht ersichtlichen Gründen hat ein Hacker (Southern Rock-Fan?), u. a. unserem Magazin, diverses Material (Dokumente, Protokolle, Vertragsentwürfe, Dateien, Bilder, Cover-Artwork, Soundschnipsel) des damaligen Rolling Stones-Managements zugespielt, mit teils unglaublichen (man könnte fast einen April-Scherz dahinter vermuten…), bis dato nicht bekannten, voller Brisanz steckender Inhalte.

So kriselte es 1977 zur vermeintlichen Hoch-Zeit Skynyrds (mit „Street Survivors“ schien ja ein erster Zenit erreicht zu sein), als auch bei den Stones, ganz kräftig hinter den Kulissen (beide Bands waren ja ein Jahr zuvor auf dem legendären Knebworth-Festival vor 120.000 Zuschauern aufgetreten).

Das Stones-Managemanent war stinkesauer auf Mick Jagger und selbst der gerade von einer Drogen-Entzugskur halbwegs regenerierte Halodri Keith Richards, hatte von den ständigen Eskapaden und Affären des Bandleaders die Faxen dicke. Das Tischtuch war so gut wie zerschnitten und für die Verantwortlichen war der potentielle Jagger-Nachfolger bereits ausgeguckt – Ronnie Van Zant!

Van Zant wusste um die einmalige Chance, und brachte Bruder Donnie, als nächstälterer Bruder, bei Skynyrd ins Spiel, der Benjamin Johnny sollte dafür die bei 38 Special entstandende Lücke füllen. Gary Rossington und Allen Collins favorisierten allerdings eine Lösung in eigener Sache mit einer gewissen Dale Krantz am Mikro, Steve Gaines lag bei der etwas jazz-lastigeren Marshall Tucker Band, als dritter Gitarrist, ein bereits unterschriftsreifer Vertrag vor.

Um Jagger zur Vernunft zu bringen, als auch unter Druck zu setzen, wollte man Van Zant zunächst als Solo-Künstler aufbauen. In gerade mal drei Wochen wurde in Austin, Texas, ein komplettes Studio-Album mit dem plakativen Titel „Rollin‘ Stoned“ kreiert und eingespielt, wobei Ronnie und Keith Richards (auf dem Werk unter dem Synonym Richard Keys aufgeführt), die Tracks gemeinsam geschrieben hatten.

Mit dem auch als Nachfolger für Mick Taylor gehandelten Jeff Beck (als 2. Gitarrero), der Rhythmus-Fraktion Chris Layton und Tommy Shannon, sowie Keyboarder Reese Wynans (mit ein paar herrlichen Piano- und Orgel-Einlagen), alle drei aus dem Stevie Ray Vaughan-Umfeld, zudem den Backgroundsängerinnen Bekka Bramlett und Marcy Levy (Eric Clapton), wurden die Tracks dann in ein musikalisches Gewand umgesetzt. Produziert hatte das Ganze James Miller, der sich ja auch zuvor für die markantesten Stones-Alben verantwortlich zeigte (u. a. „Let It Bleed“, „Sticky Fingers“, „Exile On Main St.“).

Für Van Zant war es eine komfortable Situation. Er konnte quasi dreigleisig fahren. Zum einen die mögliche, auf seine Vorstellungen alleinig fixierte Solo-Karriere, die medial wie finanziell, einmalige lukrative Stones-Option oder zur Not, sollten alle Stricke reißen, eine Rückbesinnung zu Skynyrd. Das Album (das können wir schon jetzt konstatieren) bietet übrigens, wie nicht anders zu erwarten, einen herrlichen Southern Rock stonesker Prägung.

Aber wie allseits bekannt, kam alles anders. Das Stones-Management reagierte sofort auf die Hiobsbotschaft des tragischen Ereignisses in Gillsburg, Mississippi, und legte das fertige Album wieder auf Eis. Mit dem Van Zant-Clan wurde eine vierzig-jährige Verschwiegenheitsklausel vertraglich festgelegt.

Nach dem Durchsickern einiger Details vor ein paar Monaten und dem Ablauf der Stillschweige-Zeit, ist dieses Werk jetzt wohl wieder aus den Archiven ‚gekramt‘ worden und steht demnächst zur Veröffentlichung in den Startlöchern.

Um uns abzusichern, kontaktierten wir spontan Carol Chase, zu der wir ja, dank eines Interviews, immer noch gute Beziehungen pflegen. Die nickte auf Nachfrage zum Wahrheitsgehalt quasi imaginär ab und stellte uns drei Exemplare in Aussicht, wovon wir zwei gerne an unsere Sounds Of South-Leser weitergeben möchten.

Schreibt uns von daher ins Kommentarfeld, wie ihr einer Solo-Karriere Ronnie Van Zants, beziehungsweise seiner Rolle als Jagger-Nachfolger bei den Rolling Stones gegenüber gestanden hättet. Die interessantesten beiden Beiträge werden dann nach Veröffentlichung mit der Scheibe belohnt!

Atlantik Records (1977)
Stil: Southern Rock

01. Paint It Red
02. White Sugar
03. Honky Tonk Chicks
04. It’s Only Southern Rock
05. Ruby Thursday
06. You Can’t Always Drink What You Want
07. Slow Horses
08. Let’s Spend The Holidays Together
09. Waiting On A Saint
10. Tumbling Twice
11. Sweet Young Angel
12. Dance Little Brother

Ronnie Van Zant
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