Patty Griffin – Crown Of Roses – CD-Review

Review: Michael Segets

Für das 2019 erschienene selbstbetitelte Album erhielt Patty Griffin den zweiten Grammy ihrer circa dreißigjährigen Karriere als Sängerin und Songwriterin. Seitdem veröffentlichte sie noch „Tape“ (2022), auf dem sie ältere Songs aufbereitete. Mit „Crown Of Roses“ bringt sie nun frisches Material heraus. Nicht liegengebliebenes Liedgut, sondern bislang biographisch unvollständig Verarbeitetes nimmt sie sich auf den acht Tracks des Longplayers vor.

Die titelgebende Textzeile des Openers und ersten Single „Back At The Start“ gehen auf die Pandemie zurück. Ein vollständiger Song entstand damals nicht, aber der Vers ließ Griffin nicht los. In einem neuen Anlauf formte sie schließlich das Highlight des Albums. Das flotteste Stück des aktuellen Werks besticht durch den Gesang von Griffin sowie den eingängigen Refrain. Griffins Stimme liegt vor der kräftigen Percussion von Craig Ross, der auch mit seiner Baritone Guitar dem Song einen besonderen Flair mitgibt.

Danach folgen nur noch getragene Stücke, von denen mich die Mehrzahl nicht so recht mitnimmt, obwohl sie sorgfältig und durchaus komplex arrangiert sind. Angefangen bei „Born In A Cage“ über das mit Streichern orchestral anmutenden „The End“ und dem fast schon meditativ wirkenden „Long Time“, bei dem Robert Plant einen Gastauftritt hat, bis hin zum moritatenhaften „All The Way Home“ springt der Funke auf emotionaler Ebene nicht über.

Erst „Way Up To The Sky“ lässt wieder aufhorchen. Obwohl der sanfte Folksong von Griffin Solo mit akustischer Gitarre dargeboten wird, erscheint er frischer als die vorherigen Tracks. Ebenso überzeugt das anschließende „I Know A Way“ mit seiner Spannungskurve, zu der Bukka Allen an Orgel und elektrischem Piano maßgeblich beiträgt. Während hier das Schlagzeug einen deutlichen Rhythmus vorgibt, kommt das am Ende stehende „A Word“ ohne Drums aus. Die feinfühlige Ballade, die Heather Trost an der Violine untermalt, zählt zwar nicht zu den Höhepunkten des Albums, sorgt aber in der Gesamtschau für einen ausgeglichenen Stand zwischen den Titeln, die mich mehr und weniger ansprechen.

Die Songs spiegeln eine Atmosphäre wieder, die eher mit der Ostküste assoziiert wird. Griffin stammt aus dem waldreichen Maine und lebt jetzt in Texas. Wenn die musikalische Gestaltung der Songs in meinem Urteil eher durchwachsen ausfällt, lässt sich an den Texten nichts mäkeln. In poetischen Worten spiegeln sich persönliche Erfahrungen wider, die aber ins Allgemeine weisen. So blickt sie auf ihre Jugend und das Verhältnis zu ihrer Mutter, deren Hochzeitsfoto auf dem Cover zu sehen ist.

Beobachtungen und Introspektionen gießt Patty Griffin in einfühlsame Lyrics. Die Songs auf „Crown Of Roses“ sind durch vielschichtige Arrangements mit einem getragenen Grundton geprägt. Neben der Single „Back At The Start“ finden sich allerdings für Leute, die stärker der erdigen Songwriting-Variante zugeneigt sind, nur einzelne rundum fesselnde Tracks auf dem Album.

PGM Recordings/Thirty Tigers (2025)
Stil: Singer/Songwriter

Tracks:
01. Back At The Start
02. Born In A Cage
03. The End
04. Long Time
05. All The Way Home
06. Way Up To The Sky
07. I Know A Way
08. A Word

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Thirty Tigers
Oktober Promotion

James McMurtry – The Black Dogs And The Wandering Boy – CD-Review

Review: Michael Segets

Ende der 1980er wurde ich auf das Debüt von James McMurtry aufmerksam, das der von mir verehrte John Mellencamp produzierte. Die beiden folgenden Alben von McMurtry finden sich ebenfalls in meinem Regal. Um die Jahrtausendwende tut sich dann eine Lücke in meiner Sammlung seiner Werke auf. Erst seit „Just Us Kids“ (2008) verfolge ich seine Veröffentlichungen wieder. Mit seinem überragenden „The Horses And The Hounds” (2021) reifte der Entschluss, McMurtrys Diskographie zu vervollständigen. Bevor ich diesen Vorsatz umgesetzt habe, liegt ein neuer Longplayer des Texaners vor.

Die hohen Erwartungen, die das vorangegangene Werk schürten, erfüllt „The Black Dogs And The Wandering Boy“, auch wenn es nicht ganz an es heranreicht. McMurtry verfolgt weiterhin seine typische Mischung zwischen Americana und Roots Rock, die er mit der Unterstützung zahlreicher Gastmusiker*innen, darunter Sarah Jarosz, Bonnie Whitmore, Charlie Sexton und Bukka Allen, umsetzt. Don Dixon produzierte vor dreißig Jahren bereits „Where‘d You Hide The Body“ und übernahm die Aufgabe nun auch bei dem aktuellen Album.

Zwei Cover rahmen den Longplayer. „Laredo (Small Dark Something)“ von Jon Dee Graham (The Resentments) steht am Anfang, „Broken Freedom Song” von Kris Kristofferson am Ende. Dazwischen finden sich acht Eigenkompositionen von McMurtry. Unter diesen packen mich „South Texas Lawman“, „Pinocchio In Vegas“ sowie „Sons Of The Second Sons“ am meisten. Beim letztgenannten Track äußert McMurtry eine bissige Kritik am ideologischen Zustand der Vereinigten Staaten. Auch in anderen Texten greift er soziale und politische Verhältnisse mit scharfem Blick auf. So ist „Annie“ eine Reflexion des Anschlags auf das World Trade Center und des Umgangs mit ihm.

Neben den gesellschaftlichen Beobachtungen dient McMurtrys Familiengeschichte als Inspirationsquelle. Er greift Episoden und Gegebenheiten auf, die er bei seinem Storytelling in einen neuen Kontext setzt. James wuchs in einem kreativen Umfeld auf. Sein Vater Larry war Schriftsteller und Ken Kesey, der die Vorlage für „Einer flog über das Kuckucksnest“ verfasste, war ein Freund der Familie. Eine wieder aufgetauchte Bleistiftskizze von Kesey, die wohl den jungen James zeigt, wurde für das Cover verarbeitet. Der ungewöhnliche und etwas sperrige Titel des Albums geht auf eine wiederkehrende Halluzinationen von Larry McMurtry zurück, der vor seinem Tod an Demenz erkrankt war. In dem gleichnamigen Song liefert Tim Holt ein prägnantes Gitarrensolo.

McMurtry zitiert im Titeltrack eine Zeile von Weird Al Yankovic und greift für „South Texas Lawman“ auf ein Gedicht von T. D. Hobart zurück. Neben den literarischen Verweisen verarbeitet er auch aktuellere persönliche Erlebnisse. Jason Isbell , engagierte McMurtry als Support für eine Tour. Dieser Umstand wird auf „Sailing Away“ aufgegriffen und Isbell in den Lyrics ausdrücklich genannt.

James McMurtry hält mit seinem charakteristischen Folkrock den hohen Standard, den er mit „The Horses And The Hounds“ erreicht hat. Auch wenn der Vorgänger eine Nuance die Nase vorn hat, qualifiziert sich das von persönlichen Familiengeschichten geprägte „The Black Dogs And The Wandering Boy” mit seinen gesellschaftspolitischen Facetten für die Bestenliste des Jahres.

New West Records – Redeye/Bertus (2025)
Stil: Americana/Roots Rock

Tracks:
01. Laredo (Small Dark Something)
02. South Texas Lawman
03. The Color Of Night
04. Pinocchio In Vegas
05. Annie
06. The Black Dog And The Wandering Boy
07. Back To Coeur D’Alene
08. Sons Of The Second Sons
09. Sailing Away
10. Broken Freedom Song

James McMurtry
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Redeye Worldwide
Bertus

James McMurtry – The Horses And The Hounds – CD-Review

Review: Michael Segets

Hierzulande ist James McMurtry noch nicht so richtig über den Status des Geheimtipps hinausgekommen. Während der letzten fünfzehn Jahren konnte der Texaner in den Vereinigten Staaten allerdings seine Alben in diversen Charts platzieren. Seine Werke werden nicht nur von Kritikern hoch gelobt, sondern auch Kollegen wie John Mellencamp, der McMurtrys Debütalbum „Too Long In The Wasteland“ (1989) produzierte, und Jason Isbell sowie Schriftsteller Stephen King würdigen sein Songwriting.

Nach McMurtrys letztem Album „Complicated Game“ (2015) folgt nun „The Horses And The Hounds“. Um es vorweg zu nehmen: Das Album rangiert ganz weit oben unter den diesjährigen Neuerscheinungen. McMurtry liefert kraftvolle Songs, die klare Strukturen und eingängige Refrains mit formidablem Storytelling verbinden. Das Gefühl, von den Mitmenschen, von der Regierung, von dem Leben betrogen worden zu sein, durchzieht dabei das Werk ebenso wie das Eingeständnis eigener Unzulänglichkeiten. You can’t be young and do that – so lautet ein Vers der ersten Auskopplung „Canola Fields” und steht zugleich für das reife Songwriting von McMurtry.

Mit dem Opener „Canola Fields“ und dem folgenden „If It Don’t Bleed“ trifft McMurtry mitten ins Schwarze. Die erdigen Songs gehen unmittelbar ins Ohr und ins Herz. Besondere Intensität entwickelt ebenso „Decent Man“. Wie es McMurtry schafft, soviel Energie zu erzeugen bleibt dabei ein Rätsel. Der Gesang, der Chorus, der Rhythmus, die eingestreuten Gitarrensoli, der Text – sie greifen ineinander, sodass alles passt.

Bei „Operation Never Mind“ wird McMurtry politisch, indem er darauf hinweist, dass die Wahrnehmung von Kriegen heutzutage medial gesteuert wird und wir in der Regel auch nur das über sie wissen, was wir erfahren sollen. McMurtry sagt über sein Album, dass sich manche Gitarren nach Warren Zevon anhören. Tatsächlich werden Assoziationen zu dem 2003 verstorbenen Musiker besonders bei diesem Song geweckt.

Mit „Jackie“ schlägt McMurtry ruhigere Töne an. Das mit einem Cello unterlegte, sensible Stimmungsbild zeichnet ein tragische Frauenschicksal nach. Ein weiteres Portrait, das einem verstorbenen Freund gewidmet ist, malt „Vaquero“. Den Refrain der Ballade singt McMurty auf Spanisch. Den tempomäßigen Gegenpol bildet der gradlinige Rocker „What’s The Matter“. Beim Titelsong „The Horses And The Hounds” erhält David Grissom an der Gitarre die Gelegenheit sich mit härteren Riffs und zwei kurzen Soli auszuleben. Sehr schön ist auch der Background Gesang von Betty Soo und Akina Adderley. Die beiden Damen werten ebenso das textlastige „Ft. Walton Wake-Up Call“ auf.

Der Abschluss „Blackberry Winter” beginnt mit folgender Zeile: I don’t know what went wrong. Das Album hingegen bietet keinen Anlass für Selbstzweifel. McMurtry hat alles richtig gemacht. Einzig der Grund, warum das Album als Doppel-LP mit einer blanken Seite herauskommt, erschließt sich mir nicht. Die A-Seite ist durchgängig mit vier hochkarätigen Songs bestückt und auch auf den beiden anderen Seiten ist mit „Decent Man“ und „The Horses And The Hounds” jeweils ein ausgezeichneter Titel vertreten. Die anderen Stücke fallen lediglich im Vergleich mit den zahlreichen Delikatessen etwas ab, sind aber allesamt gute Kost.

Die musikalische Qualität garantieren die Begleitmusiker. McMurty hat für das Werk einige Veteranen der Szene zusammengetrommelt: David Grissom (John Mellencamp, Joe Ely, Storyville), Kenny Aronoff (Bob Dylan, John Fogerty, Jon Bon Jovi, Meat Loaf, Lynryd Skynyrd), Charlie Sexton (Arc Angels, Lucinda Williams, Shawn Colvin) Bukka Allen (Joe Ely, Alejandro Escovedo). Ross Hogarth (Melissa Etheridge, Van Halen) übernahm die Produktion und Abmischung.

James McMurtry zeigt einmal mehr, dass er zu den vorzüglichsten Songschreibern Amerikas gehört. Durch den erdigen Sound und die ausgefeilten Refrains ist ihm ein beeindruckendes Album gelungen, bei dem der Titeltrack „The Horses And The Hounds” sowie die ersten fünf Songs zurzeit in Dauerschleife laufen.

New West Records – PIAS-Rough Trade (2021)
Stil: Roots Rock

Tracks:
01. Canola Fields
02. If It Don‘t Bleed
03. Operation Never Mind
04. Jackie
05. Decent Man
06. Vaquero
07. The Horses And The Hounds
08. Ft. Walton Wake-Up Call
09. What‘s The Matter
10. Blackberry Winter

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