Rett Smith – A Weighted Remorse – Album-Review

Review: Michael Segets

Bevor sich Rett Smith der Musik zuwendete, machte er im Skisport Karriere. Nach dem verletzungsbedingten Ende seiner leistungssportlichen Ambitionen veröffentlichte er ein paar EPs, bevor er 2020 seinen ersten Longplayer „Giving Up On Quitting“ herausbrachte. Er sieht seine musikalischen Wurzeln im klassischen Country. In der Presse wurde seine Musik als Kombination von Nick Cave und texanischen Songwritern beschrieben.

Die Mischung erscheint interessant und ich dachte, dass sein Stil in Richtung Gunner & Smith geht. Lose Verbindungen sind da vielleicht auszumachen, aber wie das mit Erwartungen so ist, werden sie oft nicht erfüllt. Die angeführten Bezüge zum Country oder den schwerpunktmäßig auf SoS vertreten Stilen scheinen auf „A Weighted Remorse“ jedenfalls nicht durch. Nach dem ersten Reinhören wanderte das Album also erst einmal nach unten auf der To-Do-Liste, um ihm mit etwas Abstand eine zweite Chance zu geben.

Wenn man sich auf die Spielart des Alternative Rock, wo ich „A Weighted Remorse“ einordnen würde, einlässt, kann man dem Longplayer eine durchgängige Atmosphäre nicht absprechen. Diese ist düster bis tiefschwarz. Dunkle Gitarrenriffs prägen den Sound. Vor allem bei dem Opener „7 Trains“ zeigt Smith, dass er das Instrument beherrscht. Die folgenden Tracks „Sunsets“ und „Pay The Piper“ sind ähnlich angelegt, bieten aber weniger Facetten in der Ausgestaltung.

Smiths Stimme wird durch Hall und leichte technische Verzerrungen modifiziert. Dies ist mal interessant, aber in der Häufung wirkt es eher monoton und führt dazu, dass die Tracks kaum zu unterscheiden sind. Erst durch das Duett mit Jessica Lea Mayfield auf „Cabin Song“ folgt eine willkommene Unterbrechung.

Danach geht es wie am Anfang des Albums weiter. „Beachwood“, „Blue Skies Ahead“, „4AM Go-Round“ sowie „Stop Signs” sind durch einen wuchtigen, mit Gitarren erzeugten Klangteppich und den tendenziell im Hintergrund stehenden Gesang geprägt. Die einzelnen Tracks. die jeweils unter drei Minuten bleiben, sind im Nachhinein schwer zu auseinander zu halten. Melodien, die sich einprägen, findet man dort kaum. Etwas differenzierter erscheint das abschließende „East Broadway Dash“, das bereits ausgekoppelt wurde.

Rett Smith legt mit „A Weighted Remorse” ein schweres, nicht leicht zugängliches Werk vor. Als Album wirkt es eher gleichförmig und anstrengend. Mir genügt es, einzelne Songs herauszupicken. Das wären neben dem Auftakt „7 Trains“ und dem Abschluss „East Broadway Dash“ das Duett „Cabin Song“ mit Jessica Lea Mayfield.

Im Oktober startet Rett Smith seine erste Europa-Tour, bei der auch einige Konzerte in Deutschland vorgesehen sind.

Imperial/Republic Records (2024)
Stil: Alternative Rock

Tracks:
01. 7 Trains
02. Sunsets
03. Pay The Piper
04. Cabin Song
05. Beachwood
06. Blue Skies Ahead
07. 4AM Go-Round
08. Stop Signs
09. East Broadway Dash

Rett Smith
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Imperial Records
Rola Music

Lucinda Williams – Good Souls Better Angels – CD-Review

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Review: Michael Segets

Die Grande Dame der Americana- und Country-Music Lucinda Williams legt mit „Good Souls Better Angels” ein Album vor, das Kritiker lieben werden, bei dem jedoch fraglich ist, ob es Anklang beim breiten Publikum findet. Mit diesem Phänomen hatte Williams bereits in der Anfangszeit ihres musikalischen Schaffens zu kämpfen.

Vor über vierzig Jahren veröffentlichte sie ihren ersten Longplayer, einen kommerziellen Durchbruch erzielte sie aber erst zwei Dekaden später mit „Car Wheels On A Gravel Road“ (1998). Auf die Musikerin bin ich erstmals durch ihr Duett mit Steve Earle „You’re Still Standing There“ aufmerksam geworden, das sich auf seiner CD „I Feel Alright“ (1996) findet. Ray Kennedy, der mit Earle das Produzententeam The Twangtrust bildet, produzierte sowohl Williams Erfolgsalbum als auch das neue „Good Souls Better Angels” mit. Seit der Jahrtausendwende bringt Williams regelmäßig neues Material heraus.

Unter ihren Kollegen ist die dreifache Grammy-Gewinnerin sehr beliebt, was ihre Vielzahl an Kollaborationen beweist. Sie veröffentliche Tracks mit ganz unterschiedlichen Künstlern wie Julian Dawson, Nanci Griffith, Bruce Cockburn, John Prine, Sue Foley, Colin Linden, Elvis Costello, Willie Nelson, North Mississippi Allstars, Michael Monroe, Amos Lee, Blackie & The Rodeo Kings und Tom Russel.

„Good Souls Better Angels” ist ein atmosphärisch finsteres, aber faszinierendes Album. Schien bei den früheren Longplayern diese Seite von Williams Songwriting immer wieder durch, verfolgt sie die dunklen Töne auf ihrer aktuellen CD nun konsequent. Sie bearbeitet in ihren Songs das Leiden an der Welt, Depressionen und psychische Belastungen auf der einen Seite, Durchhaltevermögen und Hoffnung auf der anderen. Inspiration holte sich Williams bei dem Werk von Leonard Cohen und Nick Cave. Die Tracks bewegen sich tatsächlich zwischen diesen musikalischen Polen.

Bei einem Drittel der Stücke zelebriert – bei „Good Souls” über siebeneinhalb Minuten – Williams einen getragenen, melancholischen Americana, der durch ihren Gesang rau und unmittelbar klingt. Mal singt sie leicht gebrochen („Big Black Train“, „When The Way Gets Dark”), mal leiernd („Shadows & Doubts“), aber immer passend und intensiv.

Bei „Man Without A Soul” legt sie etwas Samt in ihre Stimme, die sich hier stellenweise nach Tanita Tikaram anhört. Auf „Pray The Devil Back To Hell” klingt Williams hingegen wie ein weiblicher Tom Waits. Zusammen mit „Bad New Blues” spiegeln die beiden Stücke die bluesige Seite der Scheibe wider.

„You Can’t Rule Me“ eröffnet als treibend-rollender Blues Rock das Werk. In gemäßigtem Tempo rockt „Big Rotator”, härter geht es mit „Down Past The Bottom” zur Sache. Nicht nur bei den Rocksongs sind die starken Gitarren hervorzuheben, denen viel Raum auf dem Album gegeben wird. Kräftige Riffs, zerrende Rückkopplungen sowie angemessen lange Soli passen sich hervorragend in die Songs ein und ergänzen so den ungeschliffen wirkenden Gesang.

Einen beinah rotzigen Slang legt Williams bei dem experimentelleren „Wakin‘ Up“ an den Tag. Dieser – in Kombination mit expressiven Gitarren und unterlegt mit einem Rhythmus, der dem Hip Hop entliehen scheint – macht den Song zu einem besonders hervorstechenden auf dem Werk. Ebenso bemerkenswert ist „Bone Of Contention”, das Williams mit einer für sie ungewohnten Punk-Attitude performt, durch die ein Vergleich mit Patti Smith nicht fern liegt.

„Good Souls Better Angels” ist ein spannendes Meisterwerk der Amerikanerin. Mutig und souverän bewegt sich Lucinda Williams in Americana-, Rock- und Bluesgefilden. Neben ausgereiften Melodien machen kraftvolle Rhythmen und krachende Gitarren, verbunden durch den ausdrucksstarken und variationsreichen Gesang, das Album zur ersten großen Überraschung des Jahres.

Highway 20/Thirty Tigers (2020)
Stil: Americana, Rock, Blues/

Tracks:
01. You Can’t Rule Me
02. Bad News Blues
03. Man Without A Soul
04. Big Black Train
05. Wakin‘ Up
06. Pray The Devil Back To Hell
07. Shadows & Doubts
08. When The Way Gets Dark
09. Bone Of Contention
10. Down Past The Bottom
11. Big Rotator
12. Good Souls

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Thirty Tigers
Oktober Promotion

Gunner & Smith – Byzantium – CD-Review

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Review: Michael Segets

Düster, düster ist das, was Gunner & Smith auf „Byzantium” abliefern. Strotzten bereits die Debüt-EP „Compromise Is A Loaded Gun“ (2012) und der erste Longplayer „He Once Was A Good Man” (2014) nicht vor Leichtigkeit, führt „Byzantium” textlich und musikalisch nun konsequent in tiefe Abgründe.

Die Texte kreisen um (unglückliche) Liebe, Verlust, Vergänglichkeit, Kriege und Unmenschlichkeit. Der volle Sound, den Gitarre und Orgel – begleitet durch kraftvolle Drums – erzeugen, stellt eine finstere Atmosphäre her. Getragen wird sie zudem durch den sonoren Gesang von Geoff Smith. Die Bezeichnung Dark Country Rock lässt sich auf die Scheibe problemlos anwenden.

Songwriter Geoff Smith nennt als Inspirationsquellen seinen Landsmann Neil Young, Townes Van Zandt und Pink Floyd. Der Opener „Wicked Smile“ hört sich nach deprivierten Eagles an, das folgende „Fever“ nach einem deprimierten Tom Jones. Stellenweise trifft auch der Vergleich mit Nick Cave – so etwa bei „If The Light Comes“, auf dem der (Sprech-)Gesang von Smith vor der hymnischen Begleitung eine quasi hypnotische Wirkung erzielt.

Noch stärker ist „The Barrens“, das mit überzeugenden Gitarrensoli und einem hervorragend passenden weiblichen Background eine enorme Energie versprüht.

Langsam leidet Smith mit „Hush Now“, „I Know So Well“ und „I Had A Dollar“. Bei den Stücken ist der Klangteppich zeitweise reduziert, um dann die einsetzenden Gitarre und Orgel zur Geltung zu bringen. Einen imposanten Einstieg liefert „Strong Man“, das im Refrain durch einen Backgroundchor zusätzlich Wucht bekommt.

Mit „Wisconsin“ und „Byzantium“ wandelt Smith auf Country-Pfaden. Der erstgenannte Song wirkt im Vergleich zu den anderen Stücken schon fast sanft und fröhlich. Der Titelsong hingegen nimmt die dunkle Grundstimmung des Albums wieder auf.

Die Stücke auf „Byzantium“ von Gunner & Smith konfrontieren zunächst mit einem satten, dramatischen Sound, der beim erstmaligen Hören die Songstrukturen überlagert. Dazu trägt vielleicht bei, dass das Album innerhalb einer Woche live im Studio eingespielt und durch Produzenten Andrija Tokic analog aufgenommen wurde. Nach mehreren Durchläufen treten aber die Melodien und manche feine Differenzierungen hervor, die das Album zu einem fesselnden Opus machen.

Für Mai/Juni ist eine Tour von Gunner & Smith angekündigt. Vorher kommt Geoff Smith solo im Rahmen der About-Songs-Youngbloods-Tour nach Deutschland. Dabei darf man gespannt sein, wie die Titel von „Byzantium“ in einem akustischen Gewand klingen.

DevilDuck Records/Indigo (2019)
Stil: Dark Country Rock

Tracks:
01. Wicked Smile
02. Fever
03. If The Light Comes
04. Hush Now
05. I Know So Well
06. The Barrens
07. Strong Man
08. Wisconsin
09. I Had A Dollar
10. Byzantium

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