John Craigie – Asterisk The Universe – CD-Review

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Review: Stephan Skolarski

Asterisk, das typographische Sternenzeichen ist sicher eine ungewöhnliche Namensgebung für den neuen Longplayer des US-amerikanischen Singer/Songwriters John Craigie; doch sein Album „Asterisk The Universe“ hat ebenso wie das 5-strahlige Sternchen auf dem Plattencover eine magisch-faszinierende Ausstrahlung und einen eigenen Kosmos zu bieten.

Der aus Los Angeles stammende, 40-jährige Craigie ist mit seinen Songs nahezu 10 Jahre „On The Road“ und auf Festivals unterwegs, quer durch Nordamerika und Großbritannien, 2019 sogar zu 4 Terminen in Deutschland. Seine charismatische, humorvolle Art, die Dinge beim Namen zu nennen und in pointierten Texten Geschichten zu erzählen, die gleichzeitig ernst und ironisch sein können, begeistert inzwischen auch namhafte Fans, wie Jack Johnson oder Todd Snider. Craigies nun vorliegendes, 10 Songs umfassendes Album, ist ein eloquenter Mix aus Americana, Folk und Rock, der im Verlauf nicht unerheblich herrliche Dylan-Elemente interpretiert.

Schon der vorsichtig zaghafte Opener „Hustlin“ vermittelt – einfühlsam und zurückhaltend instrumentiert – das Gefühl einer Live-Atmosphäre, die der folgende Titel „Don’t Ask“ (bereits auf dem Vorgänger „Scarecrow“ erfolgreich vertreten), nun in einer neuen, frischen Motown-Version fortsetzt. Das langsam swingende „Son Of A Man“ erinnert im Stil an Songs einer vergangenen Songwriter-Generation, die wie bei der Vorab-Single „Part Wolf“ ihre ausgefeilten, selbstbewusst-kritischen Lyrics („I Got That American Meanness“) in den Vordergrund stellen.

Dieses Zutrauen, auch Klassiker musikalischer Vorbilder gelassen abzuliefern, kann der aufmerksame Hörer nicht zuletzt beim akustischen J.J. Cale-Cover „Crazy Mama“ erkennen – eine Leichtigkeit durch die John Craigie und seine Band fortwährend eigene Akzente setzen.

Überhaupt besteht Craigies Begleitband aus talentierten Musikern der jungen, kalifornischen Folk-Rock-Szene. Aus dieser musikalischen Verbindung ist nicht nur bei „Don’t Deny“ der Eindruck willkommen, dass hier aus einer endlich wieder entdeckten Schatzkiste 60er Dylan-Tapes gemastert wurde. In der zweiten Single „Valecito“ findet man Craigie in einem psychodelisch-experimentell nachdenklichen Song, der das Problem wortreich variiert, die richtige Entscheidung zu treffen, um danach die Folk-Ode an den Schutzpatron der Reisenden in „Nomads“ zum Abschluss nochmals mit großer Piano-Einlage und typischen Harmonica-Solo, einen würdigen Ausklang zu bereiten.

John Craigie hat „Asterisk The Universe“ mit starker Unterstützung eingespielt, das einen engagierten Story-Teller und vielseitigen Songschreiber wirkungsvoll in Bestform zeigt. Entstanden ist eine CD, die mit treffsicher artikulieren Lebenserfahrungen und Erzählungen angenehm überrascht. Das ist ein Album, das mehr als ein strahlendes Sternchen auf dem Cover verdient hat!

Zabriskie Point Records (2020)
Stil: Americana, Country, Bluegrass, Folk

Tracklist:
01. Hustlin‘
02. Don’t Ask
03. Son Of A Man
04. Part Wolf
05. Crazy Mama
06. Climb Up
07. Used It All Up
08. Don’t Deny
09. Vallecito
10. Nomads

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Oktober Promotion

The Dead South – Sugar & Joy – CD-Review

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Review: Michael Segets

„Es kommt nicht darauf an, was du spielst, sondern wie du spielst!” ist das Motto von The Dead South. Die Band macht Bluegrass mit einem Rock-Habitus. Von der akustischen Instrumentalisierung sind The Dead South tief in der amerikanischen Volksmusik verwurzelt. Allerdings schlagen einige Songs auf „Sugar & Joy“ eine experimentelle Richtung ein, andere könnten sich auch auf einem Country-Rockalbum finden.

Neben Gitarren wird Sänger Nate Hilts Banjo (Colton Crawford) und Mandoline (Scott Pringle) begleitet. Typisch für den Bluegrass ist, dass kein Schlagzeug eingesetzt wird. Ungewöhnlich ist das Cello von Danny Kenyon, das den Kontrabass beziehungsweise die Geige ersetzt.

Gerahmt wird das Album von den beiden kurzen instrumentalen Miniaturen „Act Of Approach“ und „Distance Oneself“. Mit diesen wie mit den ebenfalls Banjo-getriebenen „Blue Trash” und „Heaven In A Wheelbarrow“ oder dem mit dominanter Mandolinen-Begleitung performten „Snake Man, Pt. 2“ bewegen sich die Kanadier aus Regina, Saskatchewan, in bekannten Gefilden des Bluesgrass‘ – allesamt gut gesungene und souverän gespielte Genrebeiträge. Dabei geht es durchaus flott zur Sache.

Mit „Crawdaddy Served Cold“ findet sich zudem eine schnellere Country-Nummer, die von einer akustischen Gitarre getrieben wird, auf der Scheibe. Die Texte sind oftmals mit einem bitteren Humor gewürzt, wie bei „Fat Little Killer Boy“. Der Titel des Albums geht auf eine Textzeile aus dem Song zurück, der sich um einen Kerl dreht, der in mehrerlei Hinsicht Probleme mit der Selbststeuerung hat.

Das instrumentale „Snake Man, Pt. 1“ sowie „Alabama People“ schlagen experimentelle Töne an. Das letztgenannte Stück wiederholt ständig einen marginal veränderten Vers vor dem Hintergrund eines Dreivierteltackes. Der Titel wurde auf Facebook veröffentlicht und wird anscheinend die zweite Single. Er wäre nicht meine Wahl gewesen.

Besser gefallen mir die langsameren Tracks, auf denen der Bluegrass-Instrumentalsierung nicht so vordergründig ist. Das epische, in Storyteller-Manier vorgetragene „Broken Cowboy“ und das mit eingängigen Refrain versehene „Spaghetti“ stellen hervorragende Country-Balladen dar. Weitere Highlights sind die erste Auskopplung „Diamond Ring“, dessen Video den speziellen Humor der Band visualisiert, und „Black Lung“, das durch die rhythmischen Chop-Schläge das Fehlen eines Schlagzeugs vergessen lässt. Der Song wäre mein Tipp für die zweite Single.

Neben ihrem Erfolg mit dem vorangegangenen Werk „Illusion And Doubt“ (2016), für das The Dead South eine JUNO-Award erhielt, hat die Band sich mit ihren Live-Shows einen beachtlichen Ruf erworben. Ich kenne keine andere Bluegrass-Band, die in Deutschland mittelgroße Hallen buchen könnte. Im Frühjahr spielt das Quartett einige Konzerte hier – unter anderem im Kölner E-Werk und im Frankfurter Batschkapp.

Also: Wenn Bluegrass, dann The Dead South! Nate Hilts und seine Begleiter geben der leicht angestaubten Musikrichtung ein modernes Gewand. Obwohl die stilprägende Instrumentalisierung konsequent auf „Sugar & Joy“ beibehalten wird, wirken einige Songs wunderbar (country-)rockig. Vor allem mit diesen Titeln und ihren bissigen Texten punkten die Kanadier.

DevilDuck Records/Six Shooter Records (2019)
Stil: Bluegrass

Tracks:
01. Act Of Approach
02. Diamond Ring
03. Blue Trash
04. Black Lung
05. Fat Little Killer Boy
06. Broken Cowboy
07. Snake Man, Pt. 1
08. Snake Man, Pt. 2
09. Heaven In A Wheelbarrow
10. Crawdaddy Served Cold
11. Alabama People
12. Spaghetti
13. Distance Oneself

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DevilDuck Records
Six Shooter Records
Oktober Promotion

Hayseed Dixie, Support: Wally, 14.06.2019, Musiktheater Piano, Dortmund – Konzertbericht

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Unterhaltung pur, gestern Abend im Musiktheater Piano in Dortmund! Just in dem Moment, wo das Unternehmen, in dem ich seit fast 30 Jahren gerne gearbeitet habe, mich im letzten Viertel meines Berufslebens, Mantra-artig mit Sekten-mäßig anmutenden Weiterbildungen und neu errichteten ‚Open Spaces‘ (Großraumbüros…), auf die wunderbaren Vorzüge und Chancen der Digitalisierung (ohne jegliche kritische Hinterfragung) einzuschwören gedenkt, gleicht so ein Konzert wie aus der guten linearen alten Zeit der Rockmusik, ganz vielem Balsam für die geschundene Seele.

Die Bluegrassrocker von Hayseed Dixie sorgten mit ihren eigenwillig semi-akustisch countrifizierten Covernummern bekannter Genre-Klassiker, vermischt mit ein paar Eigenkompositionen und deutschem Liedgut(!), für einen launigen Einstieg ins Wochenende.

Der Auftakt war allerdings dem talentierten Mannheimer Musiker André Wahlhäuser, alias Wally, vergönnt, der in Tradition von Musikern wie Niedecken, Stoppok oder Maahn, in lockerer und oft selbst-ironischer Manier, die Begebenheiten des monogamen Künstlerlebens in seinen deutschsprachigen Songs reflektierte. Er präsentierte dabei aus seiner aktuellen EP „Unter deinem Licht“, authentisch wirkende Tracks wie „Sag‘ mir wann der Flieger geht“, „Du bist der Teufel“ oder „Alles kommt, nix geht… Mehr“.

Als Unterstützung assistierte ihm bei einem Song, die Frontfrau der Berliner Deutsch Rock-Combo Bonsai Kitten, Tiger Lilly Marleen. Launiger Höhepunkt seiner Performance war der „Kackvogel vorm Fenster“, der den Protagonisten, nach durchzechter Nacht, mit seinem Gezwitscher am Fenster in den frühen Morgenstunden, um den wohl verdienten Schlaf brachte. Ein versierter Musiker (auch mit guter Gitarrenarbeit bei gleichzeitiger Fußperkussion), mit dem Herz am rechten Fleck und schöner Kontrast zu den heutigen, Medien-protegierten Weichspülern à la Foster & Co.

Als in der kurzen Umbauphase eine Wanne mit reichhaltig Eis und Bierflaschen befüllt wurde und anschließend Mandolinenspieler Hippy Joe Hyma in seinem urigen Hosenanzug, der scheinbar nur noch von den vielen aufgenähten Stickern zusammengehalten wird, samt Whiskeyflasche und seinen Mitstreitern John Wheeler, Tim Carter und Jake ‚Bakesnake‘ Byers (eine imposante holzfällerartige Erscheinung mit Händen so groß wie Klodeckel) die Bretter des Pianos betraten, konnte man schon die beschwingte, feucht-fröhliche Richtung des Abends antizipieren.

Das um die Jahrtausendwende zunächst als AC/DC-Coverband konzipierte Quartett, gab dann auch ein furioses Feuerwerk bluegrassig-rockiger Nummern bekannter Größen wie AC/DC, Black Sabbath, Aerosmith, Journey (stark „Don’t Stop Believin'“), Toto, Motörhead, Queen (herrlich eigenwillige Version), Survivor, etc., zum Besten, überzeugte allerdings auch mit Stücken aus eigener Feder wie u. a. „Kirby Kill“, „Tolerance“ oder dem melodischen „I’m Keeping Your Poop (In A Jar)“, das zu meinem Lieblingsstück des Abends avancierte.

Klasse auch „Woah Woah“, bei dem Tim Carter, der mit filigranem Banjo-Spiel, sowohl für die musikalische Brillanz der Truppe stand, als auch im weitesten Sinne den ruhenden Pol abgab, einmalig die Lead Vocals übernahm. Die hatte natürlich maßgebend die einzige Konstante der Band, John Wheeler, inne, der vor allem mit seinen deutschen Sprachkenntnissen und Liedern wie u. a. „Schnaps, das war sein letztes Wort“ oder „Die richtige Zeit für Schwarzbier“, sowie seiner sympathischen, kommunikativen und mitnehmenden Art, beim gesangssicheren Publikum punktete.

Die Stücke lebten natürlich auch von den fortwährenden Solo-Kombinationen mittels Banjo und Mandoline, die nahezu in jedem Track eingestreut wurden. Dabei fegte der positiv-verrückt erscheinende immer Grimassen-schneidende Hippy Joe Hymas mehrfach wie ein Derwisch von der Bühne durch die Audienz von Dortmunds Parade-Location.

Als im langen Zugabenteil Songs wie „T.N.T“, „Corn Liquer“, „Walk This Way“, „Hihway To Hell“ (mit integrierten „Free Bird“, „Tiny Dancer“ und „Eternal Flames“) fast Medley-artig ineinander griffen, gab es im begeistert mitgehenden Publikum schon längst kein Halten mehr. Eine einzigartige Hayseed Dixie-Party, bei der gesungen, getrunken und begeistert abgerockt wurde. So muss Live-Unterhaltung aussehen.

Kompliment an die Herren Wheeler, Carter, Hymas und Byers, die sich nach dem Konzert auch noch für den persönlichen Kontakt ausgiebig am Merchandising-Stand Zeit nahmen (lustiger Weise sogar gesanglich während des Gigs angekündigt) und am Ende für das Foto mit unserem Logo nochmals auf die Bühne des Pianos zurückkehrten. Insgesamt eine tolle Sause mit Hayseed Dixie. Eine Band, die man live erlebt haben sollte. Exponentiell hohe Ausschüttung von Glückshormonen garantiert!

Line-up Wally:
André „Wally“ Wahlhäuser – Lead vocals, semi acoustic guitar, percussion
Tiger Lilly Marleen – Vocals

Line-up:
John Wheeler (alias Barley Scotch) – Lead vocals, semi acoustic guitar, vocals
Tim Carter – Banjo, vocals, lead vocals
Hippy Joe Hymas – Mandoline
Jake ‚Bakesnake‘ Byers – Bass, vocals

Bilder: Gernot Mangold
Bericht: Daniel Daus

Hayseed Dixie
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Wally
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Musiktheater Piano
3Dog Entertainment

Jim Lauderdale & Roland White – Same – CD-Review

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Review: Michael Segets

Die 31. Longplayer-Veröffentlichung von Jim Lauderdale ist eigentlich sein erstes Werk. Als junger Mann lebte Jim Lauderdale, der aus North Carolina stammt, 1979 für fünf Monate in Nashville, wo er versuchte im Musikgeschäft Fuß zu fassen. Dort lernte er Roland White kennen.

Der Mandolinen-Spieler Roland White war bereits in der Bluegrass-Szene etabliert und konnte neben seiner Begleitung von Lester Flat schon auf einige Bandprojekte (The Kentucky Colonels, Country Gazette) und sein erstes Solo-Album „I Wasn’t Born To Rock’n Roll“ zurückblicken. Der damals 22-jährige Lauderdale und der 41-jährige White nahmen in einem Keller zusammen die vorliegenden Songs auf.

Die Master-Bänder lagen fast vierzig Jahre in einer Schachtel, bevor sie von Whites Frau wiederentdeckt wurden. Dem Sound hört man das Alter nicht an und die klassisch gemachten Bluegrass- und Americana-Songs sind sowieso zeitlos.

Mit akustischer Gitarre, Mandoline und Fidel beschränkt sich die Instrumentierung im Wesentlichen auf die genre-typische Begleitung des oftmals mehrstimmigen Gesangs. „(Stone Must Be) The Walls Built Around Your Heart” kratzt an der Vier-Minuten-Grenze, ansonsten erreichen die Song-Miniaturen in der Mehrzahl keine drei Minuten.

Mit „Forgive And Forget“ und „Gold And Silver“ startet die Scheibe locker und schwungvoll. Auch im weiteren Verlauf des Longplayers finden sich einige schnelle und eingängige Titel wie „Don’t Laugh“, „(That’s What You Get) For Loving Me” oder „Gonna Lay Down My Old Guitar“, die mit Mandolinen- und Picking-Einlagen glänzen. Daneben sind mit „Try And Catch The Wind“ und „February Snow” auch langsame Stücke vertreten.

An das Songwriting von Pete Seeger erinnert „I Might Take You Back Again”. „Six Wild Horses” hebt sich durch die tiefe Gitarre von den anderen Songs ab. Interessant sind „Regrets And Mistakes“, bei dem sich die Stimmen der beiden Sänger überlagern, und der Wechselgesang von „Nashville Blues“, der damit in die Nähe eines Gospels rückt.

Für Fans der beiden Künstler oder für Bluegrass-Freunde sind die Entdeckung der Aufnahme und deren Herausgabe durch Yep Roc Records/H’Art sicherlich ein Glücksfall. Die Scheibe ist dabei kein bloß historisches Dokument, sondern bietet immer noch hörenswerte Musik.

Spannend ist der Vergleich zwischen den Anfängen von Jim Lauderdales musikalischem Schaffen und seinem aktuellen, parallel veröffentlichtem Werk „Time Flies“, auf dem die Bluegrass-Wurzeln – wenn überhaupt – nur noch in den Zwischentönen zu erahnen sind.

Yep Roc Records/H’Art (2018)
Stil: Bluegrass/Americana

01. Forgive And Forget
02. Gold And Silver
03. (Stone Must Be) The Walls Built Around Your Heart
04. Six White Horses
05. I Might Take You Back Again
06. Try And Catch The Wind
07. Don’t Laugh
08. Regrets And Mistakes
09. February Snow
10. (That’s What You Get) For Loving Me
11. Gonna Lay Down My Old Guitar
12. Nashville Blues

Jim Lauderdale
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H’ART Musik-Vertrieb GmbH

Gordie Tentrees & Jaxon Haldane – Grit – CD-Review

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Review: Michael Segets

Die beiden Kanadier Gordie Tentrees und Jaxon Haldane standen in den letzten vier Jahren über 500 Mal zusammen auf einer Bühne, daher ist es nur konsequent, ein gemeinsames Album zu veröffentlichen. Die zwölf Stücke auf „Grit“ wurden bei fünf Konzerten in ihrem Heimatland mitgeschnitten und geben einen Vorgeschmack auf das, was bei ihrer Tour durch Deutschland im April zu erwarten ist. Die Multiinstrumentalisten haben sich dem Bluegrass beziehungsweise Alternative Country verschrieben.

Beeindruckend ist die Anzahl der gespielten Instrumente. Tentrees wechselt zwischen akustischer Gitarre und Dobro. Er sorgt zudem mit Snare tambourine und Porch board bass für den Rhythmus. Auf einigen Stücken bläst Tentrees zudem noch in die Mundharmonika. Dass sich die Performance nicht nach Straßenmusikern anhört, ist der Begleitung durch Haldane mit unterschiedlichen Cigar box guitars und Banjo zu verdanken. Auf „Holy Moly“ greift Haldane zur Singenden Säge.

Während „Armand“ und „Junior“ gemeinsam geschrieben wurden, stammt die überwiegende Anzahl der Songs von Gordie Tentrees, der auch die Lead vocals singt. Lediglich auf dem Cover von Willie P. Bennetts „Willie’s Diamond Joe“ übernimmt Jaxon Haldane, wobei er die Sache sehr gut macht. Mit „I Don’t Have A Gun” von Will Kimbrough und Tommy Womack findet sich noch eine weitere Coverversion auf der Scheibe.

Die meisten Songs bewegen sich im unteren bis mittleren Tempobereich. Eine Ausnahme ist „Sideman Blues“, bei dem Haldane auf seinem Banjo Gas gibt. Die einzelnen Stücke sind für sich genommen hörenswert, wobei in den Texten interessante Geschichten entworfen werden. Das Werk im Ganzen wirkt aber eher gleichförmig und lässt einen gewissen Spannungsbogen vermissen.

Dennoch finden sich einige Highlights auf der CD. „29 Loads of Freight”, das Titelstück des Debütalbums von Gordie Tentrees aus dem Jahr 2004, ist besonders hervorzuheben. Tentrees schrieb es gemeinsam mit der kanadischen Alternative Country-Ikone Fred Eaglesmith. Besonders sticht auch „Bottleneck To Wire” heraus, das Jaxon Haldane mit seiner Lap steel cigar box guitar untermalt. Bemerkenswert ist zudem „No Integrity Man“, das aus der Feder von Charlie Parr stammen könnte.

Konzertatmosphäre entwickelt das Album kaum. Lediglich durch den Applaus zwischen den Tracks hört man, dass sie vor Publikum eingespielt wurden. Auf ihren Gigs sorgt die Vielzahl der eingesetzten Instrumente sicherlich für Abwechslung. Bei dem Longplayer stellen sich, obwohl sich einige der Songs abheben, auf Dauer leichte Ermüdungserscheinungen bei mir ein. Dies mag daran liegen, dass ich kein eingefleischter Bluegrass-Fan bin.

Wer Freude an dieser Richtung handgemachter Musik hat und die Klangvariationen der unterschiedlichen Saiteninstrumente entdecken möchte, sollte schauen, dass er die CD in die Finger bekommt oder ein Konzert des Duos besuchen.

Greywood Records/Timezone Distribution (2018)
Stil: Bluegrass/Alternative Country

01. Armand
02. 29 Loads of Freight
03. Craft Beards & Man Buns
04. Junior
05. Bottleneck To Wire
06. I Don’t Have A Gun
07. No Integrity Man
08. Willie’s Diamond Joe
09. Lost
10. Sideman Blues
11. Holy Moly
12. Wasted Moments

Gordie Tentrees & Jaxon Haldane
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Greywood Records

I’m With Her – See You Around – CD-Review

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Hinter dem (schon recht merkwürdigen) Bandnamen I’m With Her verbirgt sich nichts anderes als drei Koryphäen der Bluegrass-Szene, nämlich Nickel Creek-Initiatorin Sara Watkins, die mehrfache Grammy-Gewinnerin Sarah Jarosz und die Musik-Cosmopolitin Aoife O’Donavan.

Klar, dass sich bei einem Zusammenschluss dreier solch illustrer Damen die intellektuelle Musikkritikerschaft gerne zu Superlativen hinreißen lässt, wie z.B. die der New York Times inform von Aussagen wie: „Wenn diese drei Frauen miteinander singen, werden ihre Stimmen zu einem einzigen Instrument. Sie teilen jeden einzigen Atemzug.“

Da die Klientel dieses Magazins wie auch meine, eher proletarisch gestrickte Natur, es wohl überwiegend etwas weniger feinfühlig mag, und vermutlich auch nicht so zum ‚Hineininterpretieren von Dingen‘ neigt, sondern das reine Hörergebnis ‚betrachtet‘, ist die erste Kollaboration „See You Around“ des besagten Trios, aus meiner Sicht, von Gleichgesinnten mit gesunder Vorsicht zu genießen. Also vorab bitte erst mal antesten.

Helle Gesänge, oft in Harmonien übergehend, Akustikgitarren, sägende Violine, dezente E-Gitarren und Mandolinen, vereinzelte Dobro- und Banjo-Klänge, aus Musikersicht vielleicht intelligent als auch filigran eingesungen (viele Satzgesänge), perfekt ineinander greifend gespielt und im Bluegrass, Country- und Siebziger-umwehten Folk zusammengeführt, können  auf jeden Fall  das Prädikat der  Nichtalltäglichkeit für sich  in Anspruch nehmen. Zumindest bei mir persönlich, wollen sie jedoch meist nicht zur Freisetzung von Dopaminen beitragen.

Mit viel Wohlwollen kann ich Tracks wie „Ain’t That Fine“, dem im weitesten Sinne Heart-angelehnten „I-89“, „Wild One“, dem unterschwellig bluesigen „Ryland (Under The Apple Tree)“, dem noch melodischsten „Overland“ (mein Favorit) und „Crescent City“, einen Hauch von Sympathie entgegen bringen, aber in solchen Gefilden sind mir letztendlich Interpreten wie z. B. Madison Violet aufgrund der höheren Eingängigkeit doch wesentlich lieber. Das ganze Wirken des Trios ist mir insgesamt auf die Dauer auch zu reduziert dargeboten.

Die Krönung in entgegen gesetzter Richtung sind Tracks wie „Game To Lose“ (die piepsigen Gesänge – uaah…), das regelrecht nervtötende, kammermusikartige Instrumental „Waitsfield“ oder auch das Gilliam Welch-Cover „Hundred Miles“ (vor allem die Introphase) am Ende der CD.

Mein persönliches Fazit daher zu I’m With Her’s „See You Around“: I’m not with them – eine überaus harte Probe für meine mentale Belastbarkeit. Wenn auch sicher musikalisch anspruchsvoll in Szene gesetzt, trotzdem nicht für meine Gehörgänge geschaffen. Aus meiner Sicht eher überwiegend ein großer musikalischer Katzenjammer.

Rounder Records/ Universal Music (2018)
Stil: Bluegrass/Folk

01. See You Around
02. Game To Lose
03. Ain’t That Fine
04. Pangaea
05. I-89
06. Wild One
07. Waitsfield
08. Ryland (Under The Apple Tree)
09. Overland
10. Crescent City
11. Close It Down
12. Hundred Miles

I’m With Her
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Universal Music