Larkin Poe – Venom & Faith – CD-Review

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Review: Michael Segets

Die beiden Schwestern Rebecca und Megan Lovell haben sich mit Larkin Poe nach ihrem Ur-Ur-Opa benannt. Dabei ist ihre Musik alles andere als rückwärtsgewandt. Sie kombinieren Roots-Musik mit verschiedenen Elementen anderer Musikstile wie dem Pop oder sogar dezentem Rap. Sie entziehen sich damit der einfachen Kategorisierung. Tendenziell überwiegt auf „Venom & Faith“ eine Art progressiver Blues. Mehrere Titel zeichnen sich durch akzentuierte Wiederholungen des Textes oder durch Breaks bei Rhythmus oder Melodien aus, die interessant sind und zum konzentrierten Zuhören anhalten.

Bereits als Teenager veröffentlichten Rebecca und Megan als Lovell Sisters – damals noch mit ihrer Schwester Jessica – zwei Bluegrass/Americana-Alben. Ab 2010 sind sie als Duo unter dem derzeitigen Bandnamen produktiv. Auf ihr Konto gehen fünf EPs und vier Longplayer. Sie arbeiteten bereits mit T Bone Burnett, Elvis Costello, Marcus Mumford (Mumford & Sons), Rhiannon Giddens, Kristian Bush (Sugarland) und Steven Tyler (Aerosmith) zusammen. Mit Jackson Browne und Don Henley (Eagles) standen sie anlässlich des Tom-Petty-Tributs in Los Angeles auf der Bühne.

Megan spielt Lap Steel, während Rebecca akustische und elektrische Gitarre, Banjo, Omnichord sowie die Percussion übernimmt. Beide singen und bedienen die Keyboards. Die Multiinstrumentalistinnen sind damit weitgehend autonom, zumal Drums und Rhythmus aus dem Computer stammen.

Ich habe lieber, wenn Schlagzeug und Bass von Menschen beigesteuert werden, weil ich meine, dass dadurch mehr Leben in die Songs kommt. Obwohl ich auf „Venom & Faith“ nur in einigen Momenten behaupte, dass ich heraushören könnte, dass eine Maschine die Rhythmusarbeit übernimmt – und das wahrscheinlich auch nur, weil ich es weiß.

Am ehesten hört man die Drum-Maschine bei „Honey Honey“ – aus einer der Textzeilen des Songs ist der Albumtitel entliehen – und bei „Fly Like An Eagle“. Durch die Beats erscheinen die Titel in einem poppigen Gewand, entwickeln aber durch sehr schöne Gesangspassagen ihren eigenen Reiz. Auch die eher gleichmäßigen Stücke „California King“ und „Ain’t Gonna Cry“ ziehen nach mehrmaligem Hören in ihren Bann.

Der Vergleich zu den Allman Brothers, als deren kleine Schwestern die Damen von Larkin Poe gelegentlich bezeichnet werden, drängt sich bei „Venom & Faith“ nicht unbedingt auf. Richtig ist aber, dass beispielsweise auf „Blue Ridge Mountain“ ein Southern-Hauch mitschwingt. Deutlich schlägt er bei „Mississippi“ durch, bei dem Tyler Bryant an der Resonator-Gitarre zu hören ist.

Mit Klatschen und Gesang nimmt „Sometimes“ einen dynamischen und Gospel-ähnlichen Einstieg. Nacheinander steigen dann Drumline und Horn Section ein, die dem von Bessie Jones und Alan Lomax geschriebenen Stück einen gehörige Drive geben. Auch „Bleach Blonde Bottle Blues“ ist treibend und nicht nur durch die „Kicks“ im Leadgesang durchaus spannend.

Dass sich Larkin Poe neben den modernisierten Spielarten auch auf den eher reduzierten Blues verstehen, zeigt das Duo mit „Good And Gone“. Zudem covern sie den eher traditionell angelegten Titel „Hard Time Killing Floor Blues” von Skip James. Die Songs des 1969 verstorbenen Bluesmusikers aus Bentonia, Mississippi, werden anscheinend von den jüngeren Künstlern gerade wiederentdeckt, denn Robert Connely Farr covert auf seinem gerade erschienenen „Dirty South Blues“ ebenfalls ein Stück von ihm.

Kaum eine Scheibe habe ich vor der Besprechung so oft gehört, wie „Venom & Faith“. Das Album eignet sich weniger zum Nebenherhören, sondern erfordert das Eintauchen in die Songstrukturen. Es belohnt dann aber mit abwechslungsreichen Klangvariationen und fesselnden Hörerlebnissen.

Ende November kommen die Schwestern für vier Konzerte nach Deutschland und Österreich, von denen bereits jetzt zwei Termine ausverkauft sind.

Tricki-Woo Records (2018)
Stil: Blues and more

Tracks:
01. Sometimes
02. Bleach Blonde Bottle Blues
03. Honey Honey
04. Mississippi
05. California King
06. Blue Ridge Mountains
07. Fly Like An Eagle
08. Ain’t Gonna Cry
09. Hard Time Killing Floor Blues
10. Good And Gone

Larkin Poe
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Rattay Music
H’ART Musik-Vertrieb GmbH

Lindsay Ell – The Project – CD-Review

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Kanadische Damen erobern ja in letzter Zeit unser Magazin. Neben Sass Jordan und Shania Twain hatte auch die aus Calgary, Alberta stammende Lindsay Ell beim Konzert im Kölner Blue Shell ihre bunte Visitenkarte neulich bereits abgegeben.

Nun wollen wir uns auch noch mit ihrem aktuellen Silberling „The Project“ beschäftigen, den sie jetzt beim Broken Bow-Unterlabel Stoney Creek Records unter der Produktionsregie von Kristian Bush (Sugarland) eingespielt hat.

Lindsay hatte schon im zarten Alter von sechs Jahren angefangen, das Piano zu lernen, und sich zwei Jahre später über die Gitarrensammlung ihres Vaters hergemacht. Entdeckt wurde die heute gerade mal 28-jährige mit Fünfzehn von Randy Bachman (Bachman Turner Overdrive) und hat seitdem neben zwei Independant-CDs und einer EP auch reichhaltige Tourerfahrung mit namhaften Leuten wie Buddy Guy, Keith Urban, Luke Bryan, Big & Rich, Gretchen Wilson, Ronnie Dunn, Paul Brandt, Chris Isaak, Brad Paisley, Jennifer Nettles, oder The Band Perry sammeln können.

Auch wenn die Künstlerin unter der Sparte New Country vermarktet wird, ist „The Project“ doch eigentlich eher ein reines Poprock-Album geworden. Der Nashville-Bezug wird lediglich durch das involvierte hochwertige Umfeld (Studio, Produzent, Musiker und Co-Songwriter) gewahrt.

Das ist aber relativ egal, denn die Scheibe macht von vorne bis hinten Spaß und verbreitet dementsprechend einfach auch gute Laune. Miss Ell hat ein talentiertes ‚Händchen‘ für eingehendes Songwriting. Vor allem die Refrains bohren sich quasi schon mit dem ersten Hördurchgang ins Gedächtnis. Ihre ausdrucksstarke Stimme, die tolle Instrumentierung durch sie und ihre Mitmusiker (Brandon Bush, Kristian Bush Andrew DeRoberts, David Labruyere, Travis McNabb, Kevin Spencer und Ben Williams), sowie der durch Kristian Bush sehr schön eigefangene transparente und glasklare Sound, trugen das Übrige zum Gelingen bei.

So könnten Tracks wie der Opener “Waiting On You“, das prickelnde „Champagne“, in dem sich die Protagonistin – ob Segen oder Fluch sei mal dahingestellt –  ein wenig wie Actrice Jessica Biel fühlen darf, das sommerlich fröhliche „Good“, das farbenfrische, tanzbare „Mint“ (herrlich gluckerndes E-Piano), das kräftige freche „Just Another Girl“ (Ähnlichkeit mit HER) und das flapsige „Always Kiss The Girl“, problemlos von jeder Radiostation aufgegriffen werden.

Die Kanadierin versteht es aber auch meisterhaft Atmosphäre zu erzeugen und E-Gitarre zu spielen. Das ebenfalls textlich beeindruckende „Castle“ (über die menschliche Gier nach immer Mehr), „White Noise“ (dezentes Little Big Town-Flair), „Criminal“ (mit zwei starken E-Gitarren-Soli), „Space“ (schön bluesige E-Fills) oder das melancholische „Worth The Wait“ zum Abschluss, sind hier als Paradebeispiele anzuführen.

Der rockigste Track des Werkes ist ohne Zweifel das shufflige „Wildfire“ wo Lindsay in Chrissie Hynde-Manier, ein wenig Pretenders-Flair versprüht. Großartig hier der E-gitarrenlastige Instrumental-Ausklang, bei der sie ihr im Blues Rock präferiertes Spiel etwas intensiver ausleben darf.

Projekte gibt es ja in der heutigen Zeit, am laufenden Band, hier und überall, vor allem viele, die zu Lasten der steuerzahlenden Menschheit mit schwindelerregenden Kosten verbunden sind und dabei zum Teil auch noch in den Sand gesetzt werden. Die ist alles bei Lindsay Ells neuer CD nicht der Fall.

„The Project“ ist endlich mal ein Projekt, das Sinn macht, gelungen umgesetzt wurde und somit einen musikalisch spaßigen Mehrwert garantiert. Ein reichbebildertes Booklet mit allen Texten und Infos sowie ein farbenfrohes Cover mit einer hübsch in Szene gesetzten Protagonistin mit inbegriffen. Demnach uneingeschränkte Kaufempfehlung!

Stoney Creek Records (2017)
Stil: New Country

01. Waiting On You
02. Champagne
03. Castle
04. Good
05. Wildfire
06. Mint
07. White Noise
08. Criminal
09. Just Another Girl
10. Space
11. Always Kiss The Girl
12. Worth The Wait

Lindsay Ell
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Kristian Bush – Southern Gravity – CD-Review

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Jennifer Nettles hat es getan. Jetzt zieht auch die andere Hälfte des mega-erfolgreichen Sugerland-Duos – Kristian Bush – mit einem Soloalbum nach und zwar einem ganz tollen. Inspiriert zu seinen Songs wurde Kristian durch Reisen um die ganze Welt, die er in den letzten Monaten getätigt hatte. Herausgekommen sei ein Fülle an Eindrücken und Ideen (in Kooperation mit vielen namhaften Songwritern wie Jeff Cohen, Rodney Clawson, Tim Owens, Scooter Carusoe, Paul Overstreet, Bob DiPiero, etc.), so der Protagonist, die zum einen, auf seinem Debüt “Southern Gravity“ jetzt reflektiert werden, aber auch noch zu Genüge Stoff für weitere Werke bieten werden. Da darf man sich schon jetzt freuen, denn seine brandaktuelle Scheibe macht schon jetzt richtig Laune.

Im Gegensatz zu Nettles, die sich unter der Regie von Rick Rubin (auch dank ihrer grandiosen Charakterstimme) eher sperrigem Singer-/Songriter-Liedgut verschrieben hatte, präsentiert Kristian (sein sehr angenehmes Vokalorgan bewegt sich in Sphären von Billy Currington, JT Hodges, Glenn Frey) auf seiner CD eher die Leichtigkeit des (New) Country-Daseins (wie man es schon an Titeln wie “Flip Flops“, “Feeling Fine California“, “Sending You A Sunset“, “Sweet Love“ oder “House On A Beach“ deutlich vor Augen geführt bekommt), aber auch knackigen Countryrock und ein paar Americana-Anleihen. Die Mischung stimmt!

Eine Scheibe voll immenser Frische, ungemein eingängig, voller positiver Energie, ja ein Werk, das für die Radiostationen geradezu prädestiniert ist und jede Cabriofahrt oder Poolparty bereichern wird. Man merkt schon nach wenigen Songs, dass man es hier mit einem absolut ausgeglichenen, zufriedenen, sehr angenehmen Menschen zu tun hat, der über seine Lieder relativ simple, aber auch durchaus mal kritische Botschaften transportiert. Zu den einzelnen Tracks gibt es im umfangreichen Faltbooklet (mit allen Texten) und jeweils kurze Statements/Zusammenfassungen von ihm. Ein gutes Beispiel ist seine erste Single ‚“Trailer Hitch'“ (erreichte immerhin Platz 25 der Billboard Country-Charts) mit einem wunderschön relaxten Reggae-Groove, wo er fragt, warum alle Leute danach streben, reich sterben zu wollen (… I’ve never seen a hearse with a trailer hitch…), als ihr Dasein mit den einfachen Dingen des Lebens zu genießen.

Das Tom Petty-verwandte “Make Another Memory“ und das euphorisch-fröhliche “Light Me Up“ hatten zuvor eröffnet. Grandios der Titelsong “Southern Gravity“: Von ganz dezenten Untertönen des berühmten Band-Songs “The Weight“ getragen, macht besonders die im Southern Rock verwurzelte Hintergrund E-Gitarrenarbeit, inkl. eines schönen Solos, Spaß. Hier ist vornehmlich Andrew DeRoberts (neben einigen anderen Saitenkünstlern, wie etwa Peter Stroud, Troy Lancaster) zu nennen, der auch bei anderen Titeln immer wieder klasse Fills und Soli einstreut. Das launige, Sommerstimmung verbreitende “Flip Flops“ kommt im Kenny Chesney-Stil. Klasse hier, die auch in anderen Stücken immer wiederkehrenden Pedal Steel-Fills (gespielt von Justin Schipper, Dan Dugmore), die sich wie ein roter Faden durchs gesamte Werk ziehen.

In eine ähnliche Kerbe schlagen weitere Nummern wie “Giving It Up“ (herrlicher Banjorhythmus von Ilya Toshinsky), “Feeling Fine California“ (mit typischer Westcoast-Note, klasse Harmoniegesänge von Megan und Rebecca Lovell, großartige E-Gitarren-Arbeit) und das Heartland-trächtige “Sending You A Sunset“ (hier zirpt mal Kristians durch Sugarland bekannte Mandoline). Ein wenig nachdenklich stimmen Lieder wie das lässige “Waiting On An Angel“ (wieder klasse Harmonies der Lovell-Sisters, schönes Slidehuitar-Spiel von DeRoberts) oder der abschließende Aussteiger-Song “House On A Beach“ (tolle klare Akustikgitarre von leiernder Steel begleitet – dezentes Seventies-Flair), die am Ende aber in eine positive Stimmung münden.

Kristian Bush serviert uns mit seinem Erstwerk “Southern Gravity“ ein wundervolles New Country-Werk, das, wie gesagt, eine ungeheure Frische ausstrahlt und gerade auch musikalisch voll zu überzeugen weiß. Es wird mehr als deutlich, welch ein großartiger Songwriter Bush ist (das Album enthält nicht eine einzige schwache Nummer), und welche Bedeutung er auch für Sugarland hatte. Bei dem unzählige Hits abwerfenden Country-Duo gehörte die Lead-Stimme weitestgehend Jennifer Nettles, doch Kristian ist ebenfalls ein hervorragender Sänger, der eigentlich auch früher schon viel mehr Songs für sich hätte in Anspruch nehmen dürfen (müssen).

Um die 300 Stücke hat Kristian Bush laut eigener Aussage noch im Köcher, da darf man sich schon jetzt, falls nur annähernd das Niveau gehalten werden kann, auf reichhaltigen Nachschub freuen. Wer mit Kollegen wie Kip Moore, JT Hodges, Kenny Chesney, Luke Bryan (sein „Spring Break“-Stoff) und z. T. auch einem klassischem Keith Urban gut kann, der bei auch bei Bush aufs Beste bedient . Mit seinem “Southern Gravity“ dürfen die warmen Tage endlich eingeläutet werden. Exzellentes Solo-Debut! Bestnote!

Eigenproduktion (2015)
Stil: New Country

01. Make Another Memory
02. Light Me Up
03. Trailer Hitch
04. Southern Gravity
05. Flip Flops
06. Giving It Up
07. Feeling Fine California
08. Waiting On An Angel
09. Walk Tall
10. Sending You A Sunset
11. Sweet Love
12. House On A Beach

Kristian Bush
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Bärchen Records

Jennifer Nettles – That Girl – CD-Review

Glänzendes Solo-Album der Stimme von Sugarland, Jennifer Nettles! Sie liefert eine ganz starke Vorstellung ab. Es exsistieren nur wenig Parallelen mit den teils schmissigen, poppigen New Country-Hits von Sugarland, dafür wundervoll variantenreiche, charismatisch interpretierte Songs zwischen Roots, Country, Soul, Americana und Rock. Sonst hätte so ein Solo-Album vermutlich auch wenig Sinn gemacht. Trotzdem eine mutige Entscheidung, sich solch einer Herausforderung zu stellen. Aber wer mit einem derartigen Stimmorgan wie Jennifer Nettles gesegnet ist, dem braucht auch vor etwas variableren Aufgabenstellungen wirklich nicht bange zu sein.

Und so bewältigt die 39-jährige, aus Georgia stammende Sängerin die elf Stücke ihres ersten Eigenwerks mit Bravour. Sie hat bis auf den Abschlusstrack sämtliche Stücke selbst mit einigen Co-Writern wie u. a. Mike Reid, Sara Bareilles („Love Song“), Philip Sweet, etc. geschrieben. Auch die Auswahl der „nicht-üblichen“ Musiker der Nashville-Garde (Smokey Hormel, Matt Sweeney, Jason Lader, Ian McLagan, Chad Smith, Lenny Castro, Alex Acuna, dazu jede Menge Streich-, und Hornblasinstrumente), zeugen von einem mit Bedacht gewähltem Richtungswechsel.

Die CD beginnt mit dem wunderschönen „Falling“, das nach einem zunächst nur mit Akustikgitarrenuntermalung stattfindenden Beginn sich nach dem ersten Refrain (Drums, Piano, Orgel und E-Gitarre setzten ein) zu einer wunderbar melodischen Nummer steigert, die noch am ehesten weitläufige Bezugspunkte zu Sugarland aufweist. Auf ganz sparsam gehaltenen Songs (hier dominieren fast nur Akustikgitarre und Ihre Stimme) wie „Me Without You“, „This Angel“ (gewisses Heart-Flair) oder „Thank You“ kann Nettles ihre vokale Voluminösität so richtig entfalten und das macht sie erwartungsgemäß brillant. Geradezu Grammy-verdächtig!

Das Titelstück groovt herrlich relaxt, man hat fast das Gefühl, dass der Song live im Studio eingespielt wurde. Das spontane Beifall-Händeklatschen am Ende des Liedes könnte ein Indiz dafür sein. Der eigentlich etwas ernstere Text von „Jealousy“ (es geht um eine Frau, die sich fragt, warum sie ihre Eifersucht nicht in den Griff bekommt) und die „smoothige“, lockere Akustik-Pop-Umsetzung stehen in krassem Gegensatz zueinander. Wunderbar der bluesig-soulig umgesetzte Lovesong „This One’s For You“ (E-Gitarre, E-Piano, Bläser), mit einer hoch-emotionalen Nettles-Gesangsperformance.

Die folgende, temporeichste Nummer des Werkes, „Know You Wanna Know“, wurde mit dem wohl prominentesten Co-Autor, Richard Marx, kreiert: Launiger Roadhouse-Country-Rock-Stoff, wie man ihn auch von einer Eve Selis kennt. Mit dem bluesigen „Good Time To Cry“ (erinnert phasenweise an den Eagles-Song „Take It To The Limit“, Gesang von Jennifer ein wenig in Lucinda Williams-Manier) und der furiosen, souligen Fassung des alten Bob Seger-Klassikers „Like A Rock“ (herrliche, Memphis-artige Bläser-Einlagen) gibt es nochmals zwei richtige Kracher zum Abschluss des Silberlings.

Produziert hat übrigens der große Meister Rick Rubin (u.a. Johnny Cash, ZZ Top), der ja für seinen großartigen, erdigen und direkten Sound bekannt ist. Jennifer Nettles begibt sich mit ihrem ersten Solo-Album „That Girl“ auf ganz eigene Pfade. Und das ist gut so. Das Mädel zieht ohne „Wenn und Aber“ ihr eigenes Ding durch. Ganz tolle Scheibe. Gratulation, Ms. Nettles!

Mercury Nashville (2014)
Stil: New Country & More

01. Falling
02. Me Without You
03. Moneyball
04. That Girl
05. This Angel
06. Jealousy
07. This One’s For You
08. Know You Wanna Know
09. Thank You
10. Good Time To Cry
11. Like A Rock

Jennifer Nettles
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Bärchen Records

Sugarland – Twice The Speed Of Life – CD-Review

Das Debüt von Sugarland ist zwar von Oktober letzten Jahres, trotzdem denke ich, dass die Scheibe es angesichts ihrer Klasse verdient hat, in Sounds of South vorgestellt zu werden. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sowohl das komplette Album als auch ihre sensationelle Single „Baby Girl“ monatelang bis zum aktuellen Tage in den Country Billboard Charts vertreten sind (Platz15, bzw. Platz 4, Stand 02.04.2005).

Aber wer sind Sugarland überhaupt? Dahinter verbirgt sich ein Trio von Musikern, die sich nicht nur bei Insidern in der Szene um Atlanta herum bereits zu früheren Zeitpunkten einen Namen gemacht haben.

Kristen Hall (Akustikgitarre, Background Vocals), eine Singer und Songwriterin, die bereits zwei Solowerke herausgebracht hat und Kristian Bush (Mandoline, Background Vocals), Part des Duos Billy Pilgrim (immerhin Inhaber eines Major Record Deals), waren an einem Punkt in ihrer Karriere angelangt, wo der Spaß an ihrem Treiben in Richtung Nullpunkt gesunken war. Nach einem intensiven Gespräch, beschloss man gemeinsam Stücke zu schreiben, spürte aber von Anfang an, dass man, um die entstandenen Synergien optimal ausnutzen zu können, eine zu ihnen passende Sängerin brauchte.

Die fand man in Jennifer Nettles, die bereits mit Soul Miners Daughter und der Jennifer Nettles Band den Atlanta-Club-Circuit aufgemischt hatte.
Eine exzellente Wahl, wie ihr Album „Twice The Speed Of Life“ eindrucksvoll beweist. Denn hier passt wirklich alles punktgenau zusammen, nicht auch zuletzt ein Verdienst vom erfahrenen Produzenten Garth Fundis an den Reglerknöpfen (Trisha Yearwood, Alabama, Collin Raye), der sämtliche Songs herrlich knackig abgemischt hat.

Kirstens flockiges Akustikgitarrenspiel, Kristians wunderbare Mandolinendarbietungen, ergänzt durch Klasseinstrumentalisten wie Tom Bukovac an der E-Gitarre, Glenn Worf am Bass, Greg Morrow an den Drums, Bob Hajacos an der Fiddle und Dan Dugmore, Steel Gitarre und Dobro, bilden den Nährboden für Jennifers angriffslustigen, mit grandiosem Temperament ausgestatten Gesang, mit echtem southerntypischem Twang. Mein Gott geht das Mädel ab, dabei sieht die unschuldig aus wie ein Engelchen!

Sämtliche Songs sind ein Genuss, eine Schwachstelle sucht man in der knappen Dreiviertelstunde vergebens. Vom knackigen New-Country, ohne auch traditionelle Elemente des Genres aus den Augen zu lassen, Pop, Rock, bis zu Westcoasteinflüssen ist hier alles in einem gesunden Verhältnis mit viel Power zusammengefügt worden.

Herausragend die beiden fetzigen Opener „Something More“ und „Baby Girl“; „Tennessee“ mit diesen leichten, an Fleetwood Mac erinnernden, Harmoniegesängen; „Just Might (Make Me Believe)“, eine wunderbare Countryballade ohne jeden Schmalz, dafür mit phantastisch eingestreuten Gitarrenparts von Tom Bukovac, oder das schweißtreibende, mit Rockabilly-Flair umgarnte Uptempostück „Down In Mississippi (Up To No Good)“. Wahnsinnig hier Jennifers dreckiger Speed-Sprechgesang und ein tolles Fiddle-Steel-Duell.

Fazit. Sugarland haben sich gesucht und gefunden. Ich habe selten so einen frischen Einstieg ins Haifischbecken Nashville erlebt. Ich bin mir sicher, dass das Trio, auch wenn die Messlatte für ihr Nachfolgewerk sehr hoch gelegt wurde, bei dem vorhandenen kreativen Potential, es zu mehr als einem One-Night-Stand bringen wird. Ein von vorn bis hinten wirklich gelungener flotter Dreier…!

Mercury Records, (2004)
Stil: New Country

01. Something More
02. Baby Girl
03. Hello
04. Tennessee
05. Just Might (Make Me Believe)
06. Down In Mississippi (Up To No Good)
07. Fly Away
08. Speed Of Life
09. Small Town Jericho
10. Time, Time, Time
11. Stand Back Up

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Sugarland – Enjoy The Ride – CD-Review

Es ist endlich da, das mit großer Spannung erwartete Nachfolge-Werk von Sugarland! Mit ihrem Debüt „Twice The Speed Of Life“ von 2004, das sich bis heute als Dauerbrenner mit bereits über 3 Millionen verkaufter CDs hält, tauchten sie wie aus dem Nichts auf der „New Country-Landkarte“ auf, räumten diverse Auszeichnungen ab, und man erinnert sich gern daran, wie Frontfrau Jennifer Nettles im Duett selbst einen Mega-Star wie Jon Bon Jovi bei den CMA-Awards an die Wand gesungen hatte. Ein absoluter Traumstart, der die Messlatte für ihre zweite Scheibe „Enjoy The Ride“ natürlich extrem hoch legte. Aber der vom Trio zum Duo geschrumpfte Act (Kristen Hall ist nicht mehr dabei), beweist auch diesmal, wie scheinbar spielerisch leicht man mit diesem Druck umzugehen weiß, denn die CD ist einfach ein Knaller!

Auch der Wechsel von Garth Fundis zu Byron Gallimore (Tim McGraw, Faith Hill, Lee Ann Womack) am Produzentenpult ist fließend verlaufen. Man kann fast sagen, der hat der Geschichte sogar noch ein wenig mehr Drive vermittelt und Sugarlands Sound in „Arena-kompatible“ Bahnen gelenkt. Die unumgängliche Folge, die ein solch aufkommender Stardom heutzutage nun mal mit sich bringt, doch bei Sugarland passt es einfach hundertprozentig! Überaus knackiger, saftiger Ohrwurm-New Country-(Rock/Pop), genauso massenkompatibel und radiotauglich, wie kompetent und qualitativ stark!
Großartig!

Das neue Werk beinhaltet vom furios startenden „Settlin’“ (typisch frecher Gesang von Nettles mit ihrem unnachahmlichen Southern Twang, herrliche Gitarrenarbeit der Könner Tom Bukovac und Kenny Greenberg), ein Stück in der Tradition von „Something More“ vom Vorgänger, bis zum grandios vorgetragenen, nach dem Bandnamen betiteltem Abschluss-Lied „Sugarland“ (wieder phantastische Gesangsleistung, herrliche Mandolinentupfer, dezente Steel- und E-Gitarren-Fills – gewinnt nach akustischer ersten Strophe mit dem anschließenden Einsatz der übrigen Instrumente ungemein an Volumen) erneut fast ausschließlich potentielle Hitnummern, so dass man mit keinerlei hellseherischen Fähigkeiten gesegnet sein muss, um hier einen erneuten „Chartbreaker“ mit Langzeitwirkung zu prognostizieren. Beeindruckend vor allem wieder diese positive, viel gute Stimmung auslösende Ausstrahlung, die selbst von den balladesken und im Midtempo befindlichen Stücke ausgeht.

Als Paradebeispiel hierfür gilt u.a. die erste Single „Want To“ (natürlich bereits in den oberen Etagen der Charts angekommen), die zunächst mit verhaltenen Mandolinen-, Akustikgitarren, Steel- und Dobro-Einsätzen beginnt, sich aber vom Refrain an zu einem kräftigen Ohrwurm entwickelt. Nettles-Partner Kristian Bush setzt hier glänzende Akzente, was das Mandolinenspiel angeht. „County Line“ und „Mean Girls“ sind mit ihrer Dynamik geradezu prädestiniert, Nettles‘ Qualitäten als Frontfrau in den Vordergrund (mit klaren Avancen zur Sängerin des Jahres) zu stellen. Beides richtig puren Spaß verbreitende Stücke! Bei letztgenanntem ließ es sich selbst Traditionalist Brad Paisley nicht nehmen, seine filigrane Fingerfertigkeit an der obligatorischen Telecaster-Gitarre mit einzubringen.

Die Überraschung des Albums aber gelingt bei „These Are The Days“, wo man hinter dem Einsetzen männlicher Gesangslinien in der zweiten Strophe unvermittelt wieder Jon Bon Jovi vermutet, der aber in den Liner Notes als Kristian Bush entlarvt wird. Junge, Junge, der kann nicht nur Mandoline und Akustikgitarre vorzüglich bedienen, der hat auch gesangstechnisch was drauf, was sich dann ebenfalls in den vielen, eingeflochtenen Harmonie-Parts widerspiegelt. Ein weiterer Beweis für das offensichtliche Potential des Duos, bei dem auch die Qualitäten im Songwriting (diesmal mit Leuten wie Bobby Pinson, Lisa Carver und Brad Paisley-Spezi Tim Owen), die auch nicht unerwähnt bleiben dürfen. „Everyday America“, „One Blue Sky“ oder „April Showers“ sind allesamt „luftig“ und flockig instrumentierte, qualitativ hochwertige, melodische Stücke mit hohem Wiedererkennungswert.

Insgesamt wieder eine gute Drei-Viertelstunde prachtvolle Sugarland-Energie pur, eine regelrechte Gala-Vorstellung. Steht dem Vorgänger in wirklich nichts nach, ja bedeutet fast noch eine Steigerung! Der Titel „Enjoy The Ride“ ist abolut passend gewählt. Wenn man bei diesem musikalischen „Sugarland-Ritt“ keinen Spaß hat, wo dann? Wir ziehen den obligatorischen Hut vor dieser abermals sehr starken Leistung und erwidern die Aufforderung des Albumtitels mit einem von ganzem Herzen kommenden: „Yes, we do!

Mercury Records, (2006)
Stil: New Country

01. Settin‘
02.County Line
03.Want To
04.Everyday America
05.Happy Ending
06.These Are The Days
07.One Blue Sky
08.April Showers
09.Mean Girls
10.Stay
11.Sugarland

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