Jimmy Hall – Ready Now – CD-Review

Review: Stephan Skolarski

Anfang der 1970er Jahre war die US-Southern Rock-Formation “Wet Willie” mit sieben Alben auf Capricorn Records eine bekannte Größe des Genres. Sie spielten bereits 1971 als Opener für die Allman Brothers-Tour und ihr Sänger und Harp-Player, Jimmy Hall, war schon damals ein agiler Frontmann, der auch Saxophon und Fiddle beherrschte. Der immer noch sehr fleißige, aber inzwischen 73-jährige Hall hat nun, 15 Jahre nach seinem Album “Build Your Own Fire” (2007), die Veröffentlichung seines zweiten Solo-Werks “Ready Now” angekündigt.

Produziert von Josh Smith und Joe Bonamassa, der fünf Stücke im Co-Writing, mit exzellenten Guitar-Parts beiträgt, ist der Longplayer ein Überraschungsalbum des Rhythm and Blues infizierten Rock’n’Roll geworden; Southern Soul und Gospel-Sounds inbegriffen. Die Blues-Harp-Nummer “Jumpin‘ For Joy” (mit Big Joe) eröffnet ganz im Sinne von Hall das Feuerwerk großartiger Songs, zu denen infolge “Risin‘ Up” – ebenfalls von Bonamassa geprägt – und “Girl’s Got Sugar” gehören. Der letztere, schnelle Blues-Rock-Titel und allemal ein Anspieltipp, bietet zudem im Piano/Harp dominierten Tanz-Rhythmus ein passendes Solo von Co-Produzent Josh Smith, der ohne Zweifel zu den besten Gitarristen des Genres gehört.

Jimmy Hall ist in den langen Jahren neben seinem Einsatz bei den neu gegründeten Wet Willies bis heute ein gern gesehener Gastmusiker geblieben. So war er auf Tourneen von Jeff Beck oder Hank Williams jr. dabei und recordete mit Blackberry Smoke, Cheap Trick und der Allman Betts Band. Kein Wunder also, dass außer Bonamassas Bandmitgliedern Reese Wynans (Keyboards), Michael Rhodes (Bass) und Greg Morrow (wiederholt ACM-Drummer of the Year) weitere, angesagte Gäste auf “Ready Now” mitmischen. Gov’t Mule-Mastermind Warren Haynes zeigt sein herausragendes Können auf dem tollen Titelstück und der talentierte Gitarrist Jared James Nichols spielt den sanften Solo-Teil von “Without Your Love”.

Wie zugeschnitten auf Jimmy Halls intensive und starke Vocals wirken die Ballade “A Long Goodbye”, die meisterliche Bluesnummer “Will You Still Be Here”, sowie der etwas an Eddie Hinton erinnernde Soul-Blues “Holding On For Dear Love” – alles samt Bonamassa Kompositionen. Dass nicht immer die exquisite Harp-Spielweise Halls mit dabei sein muss, zeigt der außergewöhnliche Gospel-Titel “Love For It”, wobei dieser jedoch getoppt wird vom letzten Stück des Longplayers “Eyes In The Back Of Your Head”, einem besonderen Akustik-Blues: Guitar, Harp und Jimmy Halls nach wie vor charakterstarkem Gesang, der das Album abschließend krönt.

Wie beim Producer-Duo Bonamassa/Smith nicht anders zu erwarten, ist mit Jimmy Halls neuem Album “Ready Now” wieder ein hervorragendes Studiowerk entstanden. Die ausgezeichnete Scheibe mit naturgemäß vielseitiger Mundharmonika-Besetzung entspricht Halls musikalischer Mentalität und bringt ihn auch im Spätherbst seiner Karriere noch mehr ins Rampenlicht der aktuellen Rhythm and Blues Rock-Szene.

KTBA Records (2022)
Stil: Rhythm & Blues

Tracks:
01. Jumpin‘ For Joy
02. Risin‘ Up
03. Dream Release
04. Girl’s Got Sugar feat. Josh Smith
05. Ready Now feat. Warren Haynes
06. Holding On For Dear Love
07. A Long Goodbye feat. Joe Bonamassa
08. Will You Still Be Here
09. Without Your Love feat. Jared James Nichols
10. Love For It
11. Eyes In The Back Of Your Head

Jimmy Hall
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Another Dimension

Brothers Of The Southland – Same – CD-Review

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Irgendwie holt die Vergangenheit einen immer wieder ein. Nein, ich rede jetzt nicht vom erneuten Abstieg meines Graupenvereins Rot-Weiss Essen in die Viertklassigkeit (demnächst Spiele gegen SV Lotte und Wehen 2…), sondern diesmal auch in musikalischer Hinsicht. Philippe Archambeau, Betreiber der sehr schönen französischen Southern Rock-Seite ‚Road To Jacksonville‘ mailte mich an, ob ich in Besitz von Live-Material der einstigen Newcomer-Band Street Survivors wäre, die ja aus meiner Heimatstadt entstammte und für die ich einst den gleichnamigen Bandsong auf ihrem teilweise sehr gelobten Debütalbum „Southern Rock Will Never Die“ getextet hatte. Vermittelt hatte den Kontakt wohl kein Geringerer als die allwissende, journalistische deutsche Stimme des Southern Rocks, mein alter, langjähriger ‚Home-Of-Rock‘-Ex-Kollege Fred Schmidtlein.

Wie es so ist, wurde damals beim ersten Street Survivors-Gig in Rheinberg 1993 (anwesend und mitwirkend Debbie Bailey, frühere Backgroundsängerin von Lynyrd Skynyrd!) alles auf VHS aufgenommen und Kopien an einige auserwählte Leute verteilt. Das Teil lag natürlich seit Jahren in der Schublade einer Kommode meines Arbeitszimmers und ist seitdem nie wieder angeschaut worden. Street Survivors verschwanden dann übrigens, nachdem man einige Konzerte als Vorgruppe für u.a. Molly Hatchet und Wishbone Ash gespielt hatte, ziemlich flugs wieder in der Versenkung und man trennte sich nach internem Streit. Viel graue Haare später und 20 Kilo schwerer fand ich, dank heutiger technischer Möglichkeiten, schnell jemanden, der mir das Band auf DVD umwandelte. Und so schickte ich das Teil umgehend an den erwartungsvollen Philippe. Also, wenn das nicht mal ein schöner Beweis für die gelebte deutsch-französische Freundschaft ist…

Warum erzähl ich das alles eigentlich überhaupt? Auch der gute Philippe ließ sich natürlich nicht lumpen und sendete mir als Dank ein Exemplar der Brothers Of The Southland zu (leider ohne Cover), eine Allstar-Band mit hochkarätigen Namen an Bord (u.a. Henry Paul – Outlaws, Henry Paul Band, Blackhawk, Jimmy Hall – Wet Willie, Steve Grisham – Outlaws, Ghost Riders, Dan Toler – Allman Brothers, Reese Wynans, Mike Brignardello – beides Nashville Studiogrößen, Steve Gorman – Black Crowes, Bo Bice – American Idol-Finalist), die eine Art Tributalbum zu Ehren des kürzlich verstorbenen George McCorkle (Marshall Tucker Band) eingespielt haben. Vorweggenommen sei, dass das Werk zur Zeit nur als Internet-Download zu erwerben ist.

Die Scheibe macht aus mehreren Gründen Spaß. Zum einen, weil es nicht ein abgedroschenes Coveralbum (mit „Can’t You See“ und „Dreams“ nur zwei Klassikerversionen, beide von Bo Bice gesungen; „Brothers Of The Southland“/ Blackhawk und „Dixie Highway“/ Iron Horse zwei Neuversionen von nicht so ganz populären und bekannten Liedern) geworden ist und durchgehend gut mit vielen neuen Songs bestückt wurde. Diese wurden in instrumenteller Hinsicht natürlich hochwertig ausgeführt und auch die Produktion von D. Scott Miller ist glasklar und sehr knackig ausgefallen. Die von Henry Paul (eher southern/countryesk) und Jimmy Hall (oftmals recht soulig/bluesig/rockig mit Bläsern und Harp) fast brüderlich geteilt gesungen Stücke bilden einen herrlichen Kontrast und versprühen pure Nostalgie, ohne aber zu langweilen.

Grandios die Version von „Brothers Of The Southland“, die durch ein herrliches Instrumentalfinish mit Twin-Gitarren erheblich aufgewertet wurde. Wunderschön der Opener „Love Don’t Care (Where You Come From)“, durch den ein angenehmes MTB-Flair strömt, so wie es sicher auch in George McCorkles Sinn gewesen wäre. Die Fassung von „Can’t You See“ (mit 7. 32 Min. längstes Stück) ist nicht von schlechtesten Eltern (klasse Organ, Double Leads, Tempowechsel, fette Drums). „Dreams“ bleibt in seiner Art eher im Allman-Bereich, hier ist aus meiner Sicht aber die Version vom Molly Hatchet-Debüt unerreicht.

Insgesamt eine Scheibe, die einerseits dazu anregt, in Erinnerungen zu schwelgen, aber auch als Beweis für die aktuell immer noch gute Form alter Southern-Strategen wie Henry Paul und Jimmy Hall dient.

Zoho Music (2009)
Stil:  Southern Rock

01. Love Don’t Care (Where You Come From)
02. Brothers Of The Southland
03. Can’t You See
04. Rock’n’Roll Survivor
05. Dixie Highway
06. Travelin‘ Light
07. Blue Sunrise
08. Pray For Me
09. Dreams
10. Change A’Comin‘
11. Back In The Days
12. Long Goodbye

Bärchen Records