Review: Michael Segets
Malcolm John Rebennack Jr. verstarb am 6. Juni 2019. Als Dr. John sicherte er sich einen Platz in den Musikannalen. Der vielfach ausgezeichnete Musiker aus New Orleans ließ sich stilistisch nie genau festlegen. Er prägte die Bezeichnung Voodoo-Rock und widmete sich dem Blues, dem Funk und dem Jazz. Der Country spielte in seinem künstlerischen Schaffen kaum eine Rolle, allerdings hegte er schon länger den Plan, einen Longplayer aufzunehmen, bei dem er den Country als Inspirationsquelle nutzt.
Gut zwei Jahre nach seinem Tod erscheint nun „Things Happen That Way“, das quasi letzte Studioalbum von Dr. John. Sechs Coverversionen und vier Eigenkompositionen, die er meist in Zusammenarbeit mit seinem Gitarristen Shane Theriot schrieb, umfasst sein finales Werk. Obwohl Dr. John einige Klassiker des Country einspielt, ist der Longplayer letztlich eine Bluesscheibe, dessen Review vielleicht beim Kollegen Schneider in besseren Händen gewesen wäre.
„I’m So Lonesome I Could Cry“ lässt als einziges Stück deutlich erkennen, dass es aus der Country-Ecke stammt. Dr. John brummt mit tiefer Stimme den bekannten Text. Mit „Ramblin‘ Man“ berücksichtigt Dr. John einen weitere Song, der von Hank Williams stammt, und performt ihn schön erdig. Mit etwas gutem Willen kann die Interpretation des Titeltracks „Things Happen That Way“ ebenfalls noch dem Country-Genre zugeordnet werden. Der Song wurde zuerst von Johnny Cash veröffentlicht.
Obwohl auf dem Traditional „Gimme That Old Time Religion“ die Country-Ikone Willie Nelson mitsingt und ein Gitarrensolo beisteuert entpuppt sich die Version von Dr. John gleichfalls als Blues. Auch der Evergreen von Willie Nelson „Ain’t It Funny How Time Slips Away“ kann kaum mehr als Country bezeichnet werden. Mit seinem Klavier und der Bläsersektion interpretiert Dr. John ihn erstklassig, entspannt groovend. Lukas Nelson begleitet mit seiner Band Promise Of The Real Dr. John bei der Neueinspielung von „I Walk On Guilded Splinters“. Der Sohn von Willie wildert bei dem eher sphärisch angelegten Song in für ihn ungewohnten Regionen. Das Original nahm Dr. John bereits 1968 auf.
„End Of The Line“, einen der bekanntesten Songs von The Traveling Wilburys, transformiert Dr. John so, dass er sich deutlich von der ursprünglichen Version unterscheidet. Beibehalten hat er den mehrstimmigen Gesang im Refrain. Für diesen holte er sich Aaron Neville und Katie Pruitt ins Boot. Pruitt übernimmt auch bei „Holy Water“ zentrale Gesangsparts und rückt das Stück in Richtung Gospel. Der Track stammt ebenso wie die lockere Uptempo-Nummer „Sleeping Dogs Best Left Alone“ und das gleichförmige „Give Myself A Good Talkin‘ To“ aus der Feder von Dr. John.
Die durch die Songauswahl geschürte Erwartung, dass Dr. John posthum ein Country-Album vorlegt, erfüllt sich nicht. Er verwandelt stattdessen die ausgewählten Klassiker des Genres in Bluestitel, sodass sie sich nahtlos mit seinen Eigenkompositionen verbinden. Dr. John war ein kreativer Kopf, der unterschiedliche Musikrichtungen verarbeitete und in seinen eigenen Stil intergierte. „Things Happen That Way“ ist dafür ein letztes Zeugnis.
Rounder Records-Concord/Universal Music (2022)
Stil: Blues
Tracks:
01. Ain’t It Funny How Time Slips Away
02. Ramblin’ Man
03. Gimme That Old Time Religion
04. I Walk On Guilded Splinters
05. I’m so Lonesome
06. End Of The Line
07. Holy Water
08. Sleeping Dogs Best Left Alone
09. Give Myself A Good Talkin’ To
10. Guess Things Happen That Way