Lucinda Williams – Southern Soul: From Memphis To Muscle Shoals & More – CD-Review

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Review: Michael Segets

Nach ihrem Tribute für Tom Petty lässt Lucinda Williams nun den zweiten Schlag ihres Cover-Projekts Lu’s Jukebox folgen. Auf „Southern Soul: From Memphis To Muscle Shoals & More” wendet sie sich keinem einzelnen Künstler zu, sondern covert querbeet soulige Titel, die im amerikanischen Süden, unter anderem in der für sein Studio bekannten Kleinstadt Muscle Shoals in Alabama, verwurzelt sind.

Die ausgewählten Songs entstanden in den 1960ern und frühen 1970ern. Zu den heute noch bekanntesten zählen sicherlich „I Can’t Stand The Rain“ von Ann Pleebles und Al Greens „Take Me To The River“. Dem schrillen Cover des ersten Titels durch Tina Turner setzt Williams eine wunderbar geerdete Version entgegen. Auch die Interpretation des zweitgenannten Stücks hebt sich von anderen Covern, wie denen von den Talking Heads oder den Commitments, ab. Williams gibt ihm eine rootsige Note und führt ihn mit breitem Gitarrensound zu einem fulminanten Ende.

Die CD beginnt mit dem Ohrwurm „Games People Play“. Meine Lieblingsversion des von Joe South geschriebenen Songs stammt von den Georgia Satellites. Williams spielt ihn anders, aber vergleichbar gut. Sehr klar und straight, einschließlich elegantem Gitarrensolo, startet sie mit ihm auf ihre Reise durch den Soul mit Zwischenstopp beim Blues. Die Genregrenzen verschwimmen bei Williams Interpretationen, die ebenso wie auf ihrem ersten Coveralbum die Songs zu ihren eigenen macht.

Während dort jedoch die ursprünglichen Tracks von Tom Petty noch überwiegend in meine Gehörgängen präsent waren, sind die Songs von Percy Sledges „It Tears Me Up“ oder „You’ll Lose A Good Thing” von Barbara Lynn – ebenfalls von Aretha Franklin aufgenommen – quasi Neuentdeckungen. Sie dürften beim breiten Publikum weitgehend in Vergessenheit geraten sein, auch wenn sie zu ihrer Zeit Hits darstellten.

„You Dont’t Miss Your Water” stammt aus der Feder von William Bell und repräsentiert die Memphis-Seite des Albums. Dem Song und vor allem „Misty Blue“ hört man ihr Alter an. Stärker modernisiert wirkt „Rainy Night In Georgia” oder auch „Main Street Mission“, das zu den ganz starken Stücken auf der CD gehört. Zum Abschluss der Scheibe spielt Williams einen eigenen Song, der sich nahtlos in die Cover einpasst. „Still I Long For Your Kiss“ findet sich auf ihrem Erfolgsalbum „Car Wheels On A Gravel Road” und wurde von Duane Jarvis mitkomponiert.

Die ursprünglichen Titel von „Southern Soul: From Memphis To Muscle Shoals & More” tauchen vermutlich selten in den Playlists der SoS-Leser auf. Mit ihrem Gesang und der erdigen Begleitung verändert Williams die Atmosphäre der meisten Songs so, dass sie auch bei denjenigen Gehör finden können, die sich sonst weniger mit dem Sound der sechziger Jahre identifizieren. Letztlich transformiert Williams die Originale in Americana-Versionen, die sie mit einer gehörigen Portion Soul in ihrer Stimme vorträgt.

Williams Cover-Reihe ist auf sechs CDs angelegt. Neben Country-Nummern der 1960ern nimmt sie sich noch Weihnachtsliedern an. Darüber hinaus stehen Tribute-Alben für Bob Dylan und die Rolling Stones aus. Die Eigenständigkeit der Interpretationen auf den ersten beiden Veröffentlichungen verspricht für die weiteren Streifzüge durch Lu’s Jukebox einiges.

Highway 20 – Thirty Tigers/Membran (2021)
Stil: Americana

Tracks:
01. Games People Play
02. You’ll Lose A Good Thing
03. Ode To Billie Joe
04. I Can’t Stand The Rain
05. Misty Blue
06. Main Street Mission
07. You Don’t Miss Your Water
08. It Tears Me Up
09. Rainy Night In Georgia
10. Take Me To The River
11. Still I Long For Your Kiss

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Bywater Call – 17.01.2020, Kulturrampe, Krefeld – Konzertbericht

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Vor knapp einem Jahr standen Samantha Martin & Delta Sugar auf der Rampe und lieferten einen bemerkenswerten Auftritt ab. Bywater Call hat dieselben Wurzeln: Beide Bands stammen aus Toronto, sind bei Gypsy Soul Records unter Vertrag und mit Teenage Head Music unterwegs. Musikalisch sind die Formationen mit ihrer Kombination von Blues, Rock und Soul ebenfalls auf einer Wellenlänge. Gemeinsam ist ihnen zudem, dass die Frontfrauen über grandiose Stimmen verfügen. Das gelungene Debütalbum von Bywater Call schürte zusätzlich die Erwartungen an das Konzert.

Pünktlich um 21 Uhr gingen die Scheinwerfer für Bywater Call an, was insofern bemerkenswert ist, da die Kulturrampe dank einer erfolgreichen Spendenaktion nun über eine neue Lichtanlage verfügt. Sämtliche Technik funktionierte einwandfrei, wobei die Aussteuerung des Sounds bei dem Gedränge des Septetts auf der Bühne sicherlich keine leichte Aufgabe war. Die Stimme von Meghan Parnell kam voll zur Geltung – nach Einschätzung mancher Konzertbesucher noch besser als auf der CD.

Das Publikum in der ausverkauften Location geriet unmittelbar in Schwingungen, als die Band mit „Arizona“ loslegte. Nach dem staubigen Bottle-Neck-Intro von Dave Barnes stieg die zierliche Frontfrau mit dem gewaltigen Organ auf die Bühne und nahm die Zuhörerschaft auf eine abwechslungsreiche Reise durch ihre musikalische Welt mit.

Auf der Bühne erwies sich Meghan Parnell als wahres Energiebündel, das ständig unterwegs war und Mitstreiter sowie Publikum fest im Griff hatte. Von der Bühnenpräsenz standen die anderen Musiker im Schatten der Sängerin, bekamen aber alle die Gelegenheit, ihr Können an ihren Instrumenten bei den immer wieder eingestreuten Soli zu beweisen. Den Anfang machten bei „This One’s On“ Alan Zemaitis an den Keys und Dave Barnes an der Gitarre.

Nach der Mischung aus Honky Tonk und Gospel bei „Gone At Last“ begann das bluesige „If You Want“ mit dem Saxophon von Julian Nalli und gipfelte dann in einer Schlagzeugeinlage von Bruce McCarthy. Der andere Bläser – Stephen Dyte an der Trompete – erhielt dann sein erstes Solo zum Einstieg in „Walk On By“. Der als erste Single ausgewählte Song stellte zusammen mit dem rockigen „Forgive“ den ersten Höhepunkt des Konzerts dar.

Im weiteren Verlauf des Abends coverten Bywater Call von The Band „Ophelia“ und „The Weight“ – mit ausgiebigen Bassläufen Mike Meusels eingeleitet – sowie „In The Right Place“ von Dr. John. Bei diesem hatten die beiden Bläser ein längeres Call And Response Intermezzo, das wie die Soli euphorisch von der Menge bejubelt wurde. Andere Stellen des Auftritts erinnerten an die Tedeschi Trucks Band oder The Commitments.

Neben den Covern stellten die Kanadier ein paar neue Titel vor. Bei „Sea We Swim“ spielte Meghan Parnell ihre Stimme erneut voll aus. Vor allem aber „I Remain“ ist ein Stück, auf dessen Veröffentlichung ich mich jetzt schon freue. Als langsamer Blues beginnend entwickelte das Stück eine ungeheuerliche Dynamik und steigerte sich zu einem bombastischen Finale.

Toll war auch „Silver Lining“ von dem aktuellen Longplayer. Von diesem performte die Band ebenso „Bring Me Down“ sowie eine rockigere Version – einschließlich Wechselgesang mit dem Publikum – von „Over And Over“, die mich mehr überzeugte als die Studioversion. Da eine Saite von Dave Barnes Gitarre riss, spielte er „Talking Backwards“ auf den verbliebenen fünf. Das tat dem klasse Rocktitel aber keinen Abbruch.

Mit diesem aufputschenden Ende des neunzigminütigen Hauptsets wollte sich das Publikum verständlicherweise nicht zufrieden geben. Die Band ließ sich auch nicht lange bitten und kam für die Zugabe schnell wieder auf die Bühne. Zuschauerrufe forderten „Hometown“, das eigentlich zu einem früheren Zeitpunkt auf der Setlist vorgesehen war. Die Ballade avancierte anscheinend nicht nur zu meinem Lieblingsstück des aktuellen Albums.

Der einzige Wehmutstropfen des Abends war, dass die Rufe nicht erhört wurden. Aber an dieser Stelle wäre der getragene Titel auch nicht passend gewesen. Das Konzert bot eine ausgewogene Mischung von langsameren und schnelleren Songs, bei der Bywater Call ein sehr gutes Gespür für die Dramaturgie bewies. So gab es abschließend das ebenfalls starke „Swing Low“ und das flotte, unveröffentlichte „Way I Am“, bei dem die Gäste nochmals eine ausgiebige Gelegenheit hatten, einen Gesangspart zu übernehmen.

Am Merchandise-Stand bildete sich eine Schlange von Autogrammjägern, die neben den frischen Eindrücken noch eine Trophäe mit nach Hause nehmen wollten. Die sieben Kanadier standen dann auch noch lange für Gespräche bereit und ließen so einen musikalisch hochkarätigen Freitagabend ausklingen.

Einen Vergleich mit dem letztjährigen Auftritt von Samantha Martin & Delta Sugar braucht Bywater Call nicht zu scheuen. Die hohen Erwartungen erfüllten die charismatische Meghan Parnell und ihre versierte Begleitung mühelos. Stellte sich im Vorfeld noch die Frage, ob die Band die Qualität ihrer Songs auf der Bühne umsetzen kann, lässt sich nun konstatieren, dass Bywater Call als Live-Act in der Lage ist, diesbezüglich noch eine Schippe drauf zu legen. Dieser Auftakt des Konzertjahres 2020 für SoS in der Kulturrampe legt die Messlatte hoch für die kommenden Gigs.

Line-up:
Meghan Parnell (lead vocals, percussion)
Dave Barnes (guitar,bgv)
Alan Zemaitis (keys, percussion, bgv)
Mike Meusel (bass, bgv)
Bruce McCarthy (drums)
Stephen Dyte (trumpet, percussion, bgv)
Julian Nalli (saxophone, percussion)

Bilder: Gernot Mangold
Text: Michael Segets

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