Watchhouse – Rituals – CD-Review

Review: Michael Segets

Hinter Watchhouse verbergen sich Andrew Martin und Emily Frantz. Das Duo aus North Carolina trat früher als Mandolin Orange auf und schaut bereits auf eine mehr als fünfzehnjährige Karriere zurück. Das erste Album unter neuem Namen erschien 2021. Die Namensänderung mag überraschen, da der vorherige Longplayer von Mandolin Orange in den USA ziemlich hohe Chart-Positionen erreichte. Das Ehepaar identifizierte sich und ihre Musik allerdings nicht mehr mit dem alten Bandnamen aus ihrer Jugendzeit und so kam der Wechsel nicht aus ökonomischen, sondern aus künstlerischen Erwägungen zustande. Die Umbenennung tat der Beliebtheit des Duos keinen Abbruch.

Die Washington Post lobt Watchhouse als eine Band, der es gelingt, ein jüngeres Publikum für die Roots Music zu begeistern. Sie füllt renomierte Locations wie das Red Rocks Amphitheatre in Colorado oder das Ryman Auditorium in Nashville. Auch auf der angekündigten Tour macht das Duo dort wieder Station. Vielleicht bin ich nicht jung und modern genug, um mich für die Spielarten des Folk oder Americana Marke Watchhouse rundum zu begeistern.

Dank der Geige von Frantz eröffnet Watchhouse mit „Shape“ den Longplayer sehr stimmungsvoll. Auch die erste Auskopplung „All Around You“ weiß zu überzeugen. Das folgende „Beyond Meaning“ bleib sanft, obwohl das Schlagzeug mal einen akzentuierten Rhythmus vorgibt. Auf „Firelight“ übernimmt Frantz ausnahmsweise den Leadgesang. Ansonsten steuert sie meist die Harmonien bei wie bei dem Titelstück. Bei „Glistening“ setzt Watchhouse mal auf Shout And Response, wobei der Song selbst dadurch keinen richtigen Drive erhält. Nach dem vielversprechenden Einstieg plätschert das Album im Mittelteil vor sich hin.

Aufhorchen lässt dann nochmal das atmosphärisch dichte „Endless Highway (pt. 1)”. Diesem folgt „Sway – Endless Highway (pt. 2)“, das mit einer langen Instrumental-Passage ausklingt. Die Monotonie langer Autofahrten spiegelt sich so musikalisch wider. Zum Abschluss setzt die Bluegrass-Nummer „Patterns“ jedoch noch ein Ausrufezeichen. Martin begleitet sie auf seiner Mandoline, was einen neuen Sound auf die Scheibe bringt.

„Rituals“ ist ein Beispiel für die Schwierigkeit, der sich vor allem folkorientierte Longplayer gegenübersehen: Wie halte ich die Hörer*innen bei der Stange? Das Album hat ein paar gute Stücke zu verzeichnen und ein paar, die so mitlaufen. Die lyrischen Texte sind nicht durchgehend in fesselnde Kompositionen integriert und auch herausragende Tracks, die sich sofort in die Gehörgänge einbrennen, finden sich nur begrenzt.

Tiptoe Tiger Music/Thirty Tigers – Membran (2025)
Stil: Folk, Americana

Tracks:
01. Shape
02. All Around You
03. Beyond Meaning
04. Rituals
05. Firelight
06. False Habors
07. In The Sun
08. Glistening
09. Endless Highway (pt.1)
10. Sway – Endless Highway (pt.2)
11. Patterns

Watchhouse
Watchhouse bei Facebook
Thirty Tigers
Oktober Promotion

Various Artists – Live On Mountain Stage – Outlaws And Outliers – CD-Review

Review: Michael Segets

Letztes Jahr feierte die Radioshow „Mountain Stage“ ihr vierzigstes Jubiläum. Aus diesem Anlass erscheint ein Querschnitt der dort aufgetretenen Musiker: „Live On Mountain Stage – Outlaws And Outliers”. Die von Larry Groce ins Leben gerufene, wöchentlich ausgestrahlte Sendung ist nach Grand Ole Oprey die landesweite Radioshow mit der längsten Laufzeit in den USA. Sie wird normalerweise im Culture Center Theater in Charleston, West Virginia, vor Publikum aufgenommen. Im Herzen der Appalachen gelegen verschreibt sich die Show der Roots-Musik. Seit 2021 moderiert Kathy Mattea die zweistündige Sendung. Sie steuert das sanfte „Red-Winged Blackbird” dem Album bei.

Die Compilation entstand in Zusammenarbeit mit Oh Boy Records, sodass ein Beitrag des verstorbenen Labelgründers John Prine („Souvenirs”) obligatorisch ist. Daneben geben sich einige namhafte Musikerinnen und Musiker ein Stelldichein, die sich in der SoS-Interpretenskala wiederfinden: Lucinda Williams („Joy”), Eric Church
(„Sinners Like Me”), Margo Price („Hurtin’ (On The Bottle)”), Steve Earle
(„You Know The Rest”), James McMurtry („Canola Fields”) und Jason Isbell („Traveling Alone”). Besonders bemerkenswert ist der Beitrag von Wilco mit dem David-Bowie-Cover „Space Oddity“. Ebenfalls geläufig dürften The Indigo Girls sowie Alison Krauss sein, die mit „Closer To Fine” beziehungsweise „Let Me Touch You For A While” zwei Highlights des Longplayers abliefern. Die Fans der jeweiligen Musikerinnen oder Musiker kommen also in den Genuss einer höchstwahrscheinlich unbekannten Live-Performance.

Darüber hinaus bieten Various-Artist-Sampler oftmals die Möglichkeit neue Bands zu entdecken und „Live On Mountain Stage – Outlaws And Outliers” bildet da keine Ausnahme. Die markante Stimme von Andrew Martin des Duos Watchhouse („The Wolves“) lässt aufhorchen. Bei der Auswahl der Titel wurde eine ausgewogene Verteilung von weiblichen und männlichen Lead Vocals berücksichtigt. Einen Akzent setzen Bela Fleck und Abigail Washburn mit ihrem Beitrag banjogetriebenen „What’cha Gonna Do”.

Die meisten Stücke sind dem bodenständigen Americana mit fließenden Übergängen zum Folk oder Bluegrass zuzuordnen. Sie kommen ohne technische Spielereien aus und spiegeln in diesem Rahmen Varianten der traditionellen Roots-Musik wider. Tyler Childers sticht mit dem rockigen „Going Home” dabei heraus. Zwei bis drei Songs liegen nicht auf meiner Linie, aber das verwundert bei einundzwanzig Titeln unterschiedlicher Musikern nicht wirklich.

Insgesamt feiert die Radioshow Mountain Stage mit „Outlaws And Outliers“ ihr Vierzigjähriges angemessen mit einer bunten Mischung an etablierten und weniger bekannten Interpretinnen und Interpreten. Die Zusammenstellung bietet so eine Fundgrube für rare Liveaufnahmen und Neuentdeckungen. Die Palette handgemachter Musik bewegt sich vorwiegend im Americana mit einer Nähe zum Folk oder Bluegrass.

Oh Boy Records – Thirty Tigers/Membran (2024)
Stil: Americana

Tracks:
01 Wilco – „Space Oddity”
02 Watchhouse – „The Wolves”
03 Molly Tuttle – „You Didn’t Call My Name”
04 Tyler Childers – „Going Home”
05 Lucinda Williams – „Joy”
06 Eric Church – „Sinners Like Me”
07 Margo Price – „Hurtin’ (On The Bottle)”
08 Gillian Welch and David Rawlings – „One More Dollar”
09 Birds of Chicago – „Lodestar”
10 Kathy Mattea – „Red-Winged Blackbird”
11 The Indigo Girls – „Closer To Fine”
12 John Prine – „Souvenirs”
13 Steve Earle – „You Know The Rest”
14 Bela Fleck and Abigail Washburn – „What’cha Gonna Do”
15 Sierra Ferrell – „I’d Do It Again”
16 Tim O’Brien – „Cup of Sugar”
17 Rhiannon Giddens – „Black Is The Color”
18 Alison Krauss – „Let Me Touch You For A While”
19 James McMurtry – „Canola Fields”
20 Jason Isbell – „Traveling Alone”
21 Sam Baker – „Isn’t Love Great”

Thirty Tigers
Oktober Promotion