Southside Johnny And The Asbury Jukes – Live In Cleveland ‘77 – CD-Review

Review: Michael Segets

Zum ruhigeren Jahresende finde ich die Muße, nochmal auf 2022 zurückzublicken und auch Alben durchzuhören, die im Tagesgeschäft untergegangen sind. Seit einigen Monaten liegt das 77er Cleveland-Konzert von Southside Johnny And The Asbury Jukes bei mir neben dem Schreibtisch, ohne dass ich es bislang mit der angemessenen Hingabe wahrgenommen hätte. Aufmerksamkeit verdient die Scheibe zum einen natürlich durch die Musik, die mich in meine Jugendzeit versetzt, zum anderen bin ich durch sie darauf aufmerksam geworden, dass Cleveland International Records wieder aktiv ist.

Von Steve Popovich, Sr. gegründet veröffentlichte das Label u. a. Meat Loafs Kultalbum „Bat Out Of Hell“ (1977) und Longplayer von Ian Hunter oder Ronnie Spector. Sieben Jahre nach dem Tod seines Vaters startete Steve Popovich, Jr. 2018 einen neuen Anlauf zur Neubelebung der Firma. Wiederveröffentlichungen älterer Scheiben, so von Joe Grushecky And The Houserockers – vormals Iron City Houserockers –, und Liveaufnahmen, beispielsweise von den Georgia Satellites, lohnen einen Blick in den Katalog. In diesem findet man auch das Southside Johnny Konzert. An dessen Soundqualität ist, vor allem auch angesichts des Alters der Aufnahme, nichts auszusetzen.

Davon, dass Southside Johnny ein hervorragender Sänger und mitreißender Live-Performer ist, konnte ich mich seinerzeit vor Ort in Köln im Rahmen der Rockpalast-Reihe überzeugen. Als Songwriter ist er weniger aktiv und so ist er auf der Setlist auch lediglich bei „We’re Having A Party“ als Co-Autor neben Sam Cooke verzeichnet. Die Energie, die Southside Johnny auf der Bühne freisetzt, lässt sich auf der CD erahnen. Besonderen Drive erhalten die Songs durch die Miami Horns rund um Ed Marion, La Bamba und Stan Harrison.

Außergewöhnlich ist der Gastauftritt von Ronnie Spector mit dem Klassiker von Billy Joel „Say Goodbye To Hollywood“. Ansonsten sind auf dem Longplayer die für diese Phase von Southside Johnny typischen Stücke vertreten, die sich auch auf anderen Live-Alben auffinden lassen. Immer wieder gerne gehört werden „Got To Get You Off Of My Mind“, „The Fever“ oder „Broke Down Piece Of Man”. Natürlich dürfen auch die von Stevie van Zandt, alias Little Steven, verfassten Songs „This Time It’s For Real”, „She Got Me Where She Wants Me“ und „I Don’t Want To Go Home” aus dem Standardrepertoire der Jukes nicht fehlen.

Van Zandt stand an dem Abend als Gitarrist auf der Bühne und ist an einigen Stellen bei den Background Vocals sowie als Duett-Partner deutlich herauszuhören. Er schrieb auch die Liner Notes zu der vorliegenden Veröffentlichung, in denen er die Bedeutung von Steve Popovich, Sr. für die damalige Musikszene in New Jersey würdigt. Zu dieser gehörte auch Bruce Springsteen, von dem Southside Johnny „When You Dance“ spielt.

Der soulige, horn driven Rock von Southside Johnny And The Asbury Jukes funktioniert auch heute noch, obwohl er bereits 45 Jahre auf dem Buckel hat. „Live In Cleveland ‘77“ ist daher mehr als ein historisches Dokument einer spannenden Phase der New Jersey-Musikszene. Southside Johnny bringt die Energie von live gespieltem Rock durch die heimischen Lautsprecher, dabei lässt sich der Besuch von Konzerten natürlich nicht ersetzen.

Cleveland International Records (2022)
Stil: Rock

Tracks:
01. This Time Is For Real
02. Got To Get You Off Of My Mind
03. Without Love
04. She Got Me Where She Wants Me
05. Little By Little
06. It Ain’t The Meat, It’s The Motion
07. When You Dance
08. Say Goodbye To Hollywood (feat. Ronnie Spector)
09. The Fever
10. I Don’t Want To Go Home
11. Broke Down Piece Of Man
12. We’re Having A Party
13. You Don’t Know Like I Know

Southside Johnny
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Cleveland International Records

Willie Nile – New York At Night – CD-Review

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Review: Michael Segets

Willie Nile lässt weiterhin die Fahne des Rock ‘n Roll wehen! Zwei Jahre nach „Children Of Paradise“ kommt der Zweiundsiebzigjährige erneut mit zwölf Eigenkompositionen um die Straßenecke, die in New York liegt, der Heimatstadt von Nile. Während Nile bei früheren Werken auch politische und soziale Missstände thematisierte, dreht sich „New York At Night“ um das Leben, Lieben und Sterben in dieser Stadt.

Vor vierzig Jahren veröffentlichte Nile seinen ersten Longplayer. Nicht zuletzt aufgrund juristischer Streitigkeiten geriet seine Karriere zwischenzeitlich ins Stocken. Aufmerksam bin ich auf den Musiker 2006 geworden, als ich seine CD „Streets Of New York“ hörte. Die folgenden Platten „House Of A Thousand Guitars“ (2009) und vor allem „The Innocent Ones“ (2010) gehören zu den besten Rockalben, die die erste Dekade des Jahrtausends hervorgebracht hat. Mit seiner Live-Show, die ich im Rahmen seiner „American Ride“-Tour erlebte, spielte er sich endgültig in mein Herz.

Ob Nile nochmal den Sprung über den Atlantik macht, bleibt fraglich. Auf „New York At Night“ finden sich allerdings viele Stücke, die live bestimmt sehr gut funktionieren wie das hymnische „Lost And Lonely World“. Die Scheibe geht insgesamt ein hohes Tempo. Nile beherrscht den gradlinigen Gitarrenrock perfekt, hat dabei das Gespür für eingängige Melodien und Refrains und drückt den Songs durch seinen markanten Gesang einen unverwechselbaren Stempel auf.

Die Anlage der Songs liegt zum Teil zwischen Joan Jett & The Blackhearts („New York At Night“, „Surrender The Moon“) und Tom Petty & The Heartbreakers („The Backstreet Slide”). Neben dem Midtemposong „Doors Of Paradise”, der leicht poppige Anflüge hat, finden sich – zum Beispiel mit „The Fool Who Drank The Ocean“ – auch Beiträge mit härteren Riffs. Klassischer Heartland wird mit „Downtown Girl“ und dem bereits 2003 entstandenen „Run Free“ geboten.

Klavierakkorde leiten „A Little Bit Of Love“ ein. Die Pianobegleitung steht zudem bei „The Last Time We Made Love“ im Vordergrund und erinnert an die Lieder auf „If I Was A River“. Anders als auf seinem puristischem Konzeptalbum von 2014 setzt dann aber am Ende eine elektrische Gitarre ein. Mit „Under The Roof“ ist eine weitere Ballade auf dem Longplayer vertreten, die allerdings von akustischer Gitarre getragen wird.

Den mitreißenden Opener „New York Is Rockin‘“ schrieb Nile zusammen mit Curtis Stigers, der den Titel bereits 1995 auf „Time Was“ veröffentlichte. Nile arbeitete während seiner Karriere mit einer Vielzahl von Künstlern zusammen, so mit Lucinda Williams, Bruce Springsteen, Ringo Starr oder Ian Hunter. Auch auf der letzten CD von Patricia Vonne ist Nile mit einem Stück vertreten.

Das neue Lebenszeichen von Willie Nile überzeugt wie der Vorgänger „Children Of Paradise“ mit temporeichem, gitarrenorientiertem Rock. Das von Nile entworfene Stimmungsbild fängt den pulsierenden Rhythmus der amerikanischen Metropole ein, wobei er gelegentlich ruhigeren Momenten ihren Raum gibt. „New York At Night“ ist so abwechslungsreich wie die Großstadt und lädt dazu ein, in die Atmosphäre einzutauchen und sich treiben zu lassen.

River House Records (2020)
Stil: Rock

Tracklist:
01. New York Is Rockin’
02. The Backstreet Slide
03. Doors Of Paradise
04. Lost And Lonely World
05. The Fool Who Drank The Ocean
06. A Little Bit Of Love
07. New York At Night
08. The Last Time We Made Love
09. Surrender The Moon
10. Under This Roof
11. Downtown Girl
12. Run Free

Willie Nile
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Garry Tallent – More Like Me – CD-Review

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Review: Michael Segets

Garry Tallent hat als Gründungsmitglied der E Street Band längst einen festen Platz in der Musikgeschichte. Schon vorher begleitete er als Bassist Bruce Springsteen. Sein musikalisches Schaffen auf die Rolle als beständiger – eher unauffälliger – Sidekick vom Boss zu beschränken, wäre aber nicht angemessen. Tallent arbeitete nämlich auch mit anderen Weltstars zusammen wie Sting oder Ian Hunter.

Ebenso spielte er mit Musikgrößen, die der Sound-Of-South-Fangemeinde vielleicht näher stehen: Steve Earle, Emmylou Harris, Buddy Miller und Jim Lauderdale sind einige von ihnen. Für Julian Dawson, Steve Forbert, Duane Jarvis und Greg Trooper produzierte er Alben.

Obwohl nahezu seit einem halben Jahrhundert im Musikgeschäft involviert, stellt „More Like Me“ nach „Break Time“ (2016) erst das zweite Solowerk von Garry Tallent dar. Mit seinem Debüt zeigt sich der Musiker in Interviews nicht hundertprozentig zufrieden, obwohl dafür gar kein Grund besteht. Bereits auf „Break Time“ performt Tallent guten Rock’n Roll. Dahingehend hat sich auch bei „More Like Me“ nichts geändert. Gleichgeblieben ist ebenso seine angenehme, leicht angeraute Stimme.

Neu ist, dass er sich auf der aktuellen CD konsequent konzeptionell an dem Rock’n Roll der sechziger Jahre orientiert. Für diesen schlägt Tallents Herz, was seine riesige Sammlung alter LPs und Singles beweist.

Der Bezugspunkt zu dieser Dekade scheint bereits beim Opener „Above the Rain“ durch, wird aber beim folgenden „If It Ain’t One Thing (It’s Another)“ ganz offensichtlich. Die für diese Zeit typische Begleitung durch Keyboards und Harmoniegesängen findet sich nicht nur hier, sondern auch bei anderen Songs (u. a. „Tell The Truth“, „No Sign of Love“). Auf „Too Long“ wird sie zusätzlich durch hand clapping stilgerecht angereichert.

Vom Songwriting bewegen sich die Titel, die im Schnitt bei circa drei Minuten liegen, ebenso in klassischen Bahnen. Ohne Experimente oder lange Instrumentalphasen rockt Tallent im Wohfühlbereich. Lediglich mit „Oh, No (Another Song)“ streut er eine Ballade mit Akkordeon ein, das im Wechselspiel mit der Gitarre das Stück trägt.

In der zweiten Hälfte des Albums wird der Gitarreneinsatz forciert. Dort finden sich auch die stärksten Stücke. „Sinful“ weist klasse Anleihen am Bluesrock auf. „Dirty Rotten Shame“ und „One Good Reason“ gehen direkt ins Ohr. Höhe- und Abschlusspunkt stellt schließlich der Titeltrack „More Like Me“ dar.

„More Like Me“ macht Lust, mehr von Garry Tallent zu hören. Der Longplayer ist eine runde Sache geworden, auf dem Tallent seine favorisierte Musik aus der Hochzeit des Rock’n Roll feiert. Der fast siebzigjährige Musiker beweist damit erneut, dass er mehr ist als eine Fußnote zu Bruce Springsteen.

An dieser Stelle sei allerdings eine Fußnote angeführt: Viele Dank an Dino Gollnick von Redeye Worldwide, der schnell und unkompliziert die Besprechung ermöglichte!

D’Ville Record Group/Redeye Worldwide (2019)
Stil: Rock

Tracks:
01. Above the Rain
02. If It Ain’t One Thing (It’s Another)
03. Oh, No (Another Song)
04. Tell the Truth
05. Too Long
06. No Sign of Love
07. Sinful
08. Dirty Rotten Shame
09. One Good Reason
10. More Like Me

Garry Tallent
Redeye Worldwide