Rodney Crowell – Airline Highway – CD-Review

Review: Michael Segets

Auf dem letzten Album „The Chicago Sessions“ (2023) schlug Rodney Crowell einen Bogen zurück zu seinen musikalischen Anfängen und wurde dafür mit einer Grammy-Nominierung belohnt. Nun legt er den Fokus auf den Moment und setzt sich das Ziel, mit seiner Arbeit zufrieden zu sein. Dies kann er mit „Airline Highway“ sein. Crowell integriert frisches Blut in seine Produktion, indem er sich Musiker*innen der ihm nachfolgenden Generation ins Boot holt. Wenn man so will, richtet der Fünfundsiebzigjährige damit den Blick auch in die musikalische Zukunft.

Ob nun die Zusammenarbeit mit den jüngeren Musiker*innen als deren Förderung oder als marketingtechnischer Kniff interpretiert werden mag, um den Kreis der Hörerschaft zu erweitern, sei dahingestellt. Crowell ist von den Werken seiner Kolleg*innen begeistert und sagt, dass er eine besondere Verbindung zwischen ihm und den anderen Mitwirkenden während der Kollaboration entstand. Die beteiligten Musiker*innen geben ihrerseits an, dass er einen wichtigen Beitrag zu ihrer Entwicklung leistete.

Crowell begann als Songwriter für andere Country-Größen wie Jerry Jeff Walker, Johnny Cash oder (Willie Nelson, der in diesem Jahr ein Album ausschließlich mit Songs von Crowell herausbrachte. In den 1980ern startete Crowells erfolgreiche Solo-Karriere mit etlichen Hits.

Wie nicht anders zu erwarten, führt die Zusammenarbeit mit Lukas Nelson und Charlie Starr von Blackberry Smoke zu eher rockigen Resultaten. Lukas Nelson verfasste „Rainy Day In California“ mit und singt gemeinsam mit dem Altmeister. Charlie Starr ist bei „Heaven Can You Help“ am Mikro zu hören. Aber auch ohne die Unterstützung der Jungspunde weiß Crowell, wie man Uptempo-Nummern spielt („Don’t Give Up On Me“).

Der Texaner ist ursprünglich in der Country-Ecke beheimatet. Auf „Sometime Thang” frönt er dem Genre ganz Old-School. Der Titel ist rund und melodiös. Mehr Schwung hat „The Twenty-One Song Salute (Owed To G. G. Shinn And Cléoma Falcon)”, bei dem Tyler Bryant mitmischt. Die Schwestern Lovell von Larkin Poe begleiten Crowell auf dem sommerliches Flair versprühende „ Louisiana Sunshine Feeling Okay”. Sehr gefühlvoll ist sein Duett mit Ashley McBryde inklusive einem schönen Gitarrensolo am Ende des Songs. Bei dem Stück passt auch die gesprochene Bridge. Sprechgesang – von dem ich kein großer Freund bin – findet sich bei den Werken von Crowell häufiger. Er erscheint mir auf „Simple (You Wouldn’t Call It Simple)” zu dominant.

Crowell nutzt für seine Texte selbstverständlich seine Lebenserfahrung. Ein Rückblick auf vergangene Liebschaften und Beziehungen zu Frauen nehmen so einen wichtigen Raum ein („Maybe Somewhere Down The Road“, „Some Kind Of Woman“). Dabei räumt er ein, dass manche Gefühle mittlerweile nicht mehr zu vergegenwärtigen sind und Erinnerungen verblassen: Fluch und Segen des fortgeschrittenen Alters.

Für „Airline Highway“ holt sich Rodney Crowell eine Riege namhafter Musiker*innen ins Studio. Mit dem Staraufgebot bestehend aus Lukas Nelson, Larkin Poe, Ashley McBryde, Tyler Bryant und Charlie Starr kann eigentlich nichts schief gehen. So gelingt dem Routinier ein abwechslungsreiches und belebendes Album, das trotz der selbst verschriebenen Verjüngungskur seine Handschrift trägt.

New West Records – Bertus (2025)
Stil: Americana

Tracks:
01. Rainy Day in California (feat. Lukas Nelson)
02. Louisiana Sunshine Feeling Okay (feat. Larkin Poe)
03. Sometime Thang
04. Some Kind Of Woman
05. Taking Flight (feat. Ashley McBryde)
06. Simple (You Wouldn’t Call It Simple)
07. The Twenty-One Song Salute (Owed To G. G. Shinn And Cléoma Falcon) (feat. Tyler Bryant)
08. Don’t Give Up On Me
09. Heaven Can You Help (feat. Charlie Starr)
10. Maybe Somewhere Down The Road

Rodney Crowell
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New West Records
Oktober Promotion

Larkin Poe – Venom & Faith – CD-Review

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Review: Michael Segets

Die beiden Schwestern Rebecca und Megan Lovell haben sich mit Larkin Poe nach ihrem Ur-Ur-Opa benannt. Dabei ist ihre Musik alles andere als rückwärtsgewandt. Sie kombinieren Roots-Musik mit verschiedenen Elementen anderer Musikstile wie dem Pop oder sogar dezentem Rap. Sie entziehen sich damit der einfachen Kategorisierung. Tendenziell überwiegt auf „Venom & Faith“ eine Art progressiver Blues. Mehrere Titel zeichnen sich durch akzentuierte Wiederholungen des Textes oder durch Breaks bei Rhythmus oder Melodien aus, die interessant sind und zum konzentrierten Zuhören anhalten.

Bereits als Teenager veröffentlichten Rebecca und Megan als Lovell Sisters – damals noch mit ihrer Schwester Jessica – zwei Bluegrass/Americana-Alben. Ab 2010 sind sie als Duo unter dem derzeitigen Bandnamen produktiv. Auf ihr Konto gehen fünf EPs und vier Longplayer. Sie arbeiteten bereits mit T Bone Burnett, Elvis Costello, Marcus Mumford (Mumford & Sons), Rhiannon Giddens, Kristian Bush (Sugarland) und Steven Tyler (Aerosmith) zusammen. Mit Jackson Browne und Don Henley (Eagles) standen sie anlässlich des Tom-Petty-Tributs in Los Angeles auf der Bühne.

Megan spielt Lap Steel, während Rebecca akustische und elektrische Gitarre, Banjo, Omnichord sowie die Percussion übernimmt. Beide singen und bedienen die Keyboards. Die Multiinstrumentalistinnen sind damit weitgehend autonom, zumal Drums und Rhythmus aus dem Computer stammen.

Ich habe lieber, wenn Schlagzeug und Bass von Menschen beigesteuert werden, weil ich meine, dass dadurch mehr Leben in die Songs kommt. Obwohl ich auf „Venom & Faith“ nur in einigen Momenten behaupte, dass ich heraushören könnte, dass eine Maschine die Rhythmusarbeit übernimmt – und das wahrscheinlich auch nur, weil ich es weiß.

Am ehesten hört man die Drum-Maschine bei „Honey Honey“ – aus einer der Textzeilen des Songs ist der Albumtitel entliehen – und bei „Fly Like An Eagle“. Durch die Beats erscheinen die Titel in einem poppigen Gewand, entwickeln aber durch sehr schöne Gesangspassagen ihren eigenen Reiz. Auch die eher gleichmäßigen Stücke „California King“ und „Ain’t Gonna Cry“ ziehen nach mehrmaligem Hören in ihren Bann.

Der Vergleich zu den Allman Brothers, als deren kleine Schwestern die Damen von Larkin Poe gelegentlich bezeichnet werden, drängt sich bei „Venom & Faith“ nicht unbedingt auf. Richtig ist aber, dass beispielsweise auf „Blue Ridge Mountain“ ein Southern-Hauch mitschwingt. Deutlich schlägt er bei „Mississippi“ durch, bei dem Tyler Bryant an der Resonator-Gitarre zu hören ist.

Mit Klatschen und Gesang nimmt „Sometimes“ einen dynamischen und Gospel-ähnlichen Einstieg. Nacheinander steigen dann Drumline und Horn Section ein, die dem von Bessie Jones und Alan Lomax geschriebenen Stück einen gehörige Drive geben. Auch „Bleach Blonde Bottle Blues“ ist treibend und nicht nur durch die „Kicks“ im Leadgesang durchaus spannend.

Dass sich Larkin Poe neben den modernisierten Spielarten auch auf den eher reduzierten Blues verstehen, zeigt das Duo mit „Good And Gone“. Zudem covern sie den eher traditionell angelegten Titel „Hard Time Killing Floor Blues” von Skip James. Die Songs des 1969 verstorbenen Bluesmusikers aus Bentonia, Mississippi, werden anscheinend von den jüngeren Künstlern gerade wiederentdeckt, denn Robert Connely Farr covert auf seinem gerade erschienenen „Dirty South Blues“ ebenfalls ein Stück von ihm.

Kaum eine Scheibe habe ich vor der Besprechung so oft gehört, wie „Venom & Faith“. Das Album eignet sich weniger zum Nebenherhören, sondern erfordert das Eintauchen in die Songstrukturen. Es belohnt dann aber mit abwechslungsreichen Klangvariationen und fesselnden Hörerlebnissen.

Ende November kommen die Schwestern für vier Konzerte nach Deutschland und Österreich, von denen bereits jetzt zwei Termine ausverkauft sind.

Tricki-Woo Records (2018)
Stil: Blues and more

Tracks:
01. Sometimes
02. Bleach Blonde Bottle Blues
03. Honey Honey
04. Mississippi
05. California King
06. Blue Ridge Mountains
07. Fly Like An Eagle
08. Ain’t Gonna Cry
09. Hard Time Killing Floor Blues
10. Good And Gone

Larkin Poe
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