Anderson East – 03.06.2018, Köln, Stadtgarten – Konzertbericht

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Der ursprünglich aus Athens, Alabama, stammende, heute in Nashville ansässige Musiker Anderson East machte mit seinem Ensemble im Rahmen seiner 2018er World Tour jetzt nochmal bei uns einen Stop für zwei Konzerte, unter anderem im Stadtgarten Köln, der an diesem Abend, trotz der sommerlichen Hitze, mit über 300 Zuschauern sehr gut gefüllt war.

Zunächst lieferte ein Künstler namens Sir Pryce auf einem Nord Stage 2 EX-Piano für eine gute halbe Stunde eine One Man Show als Support ab. Der äußerlich, mit buntem Belize-Hemd und teil-gefärbter Irokesen-Frisur, ziemlich exotisch anmutende Solo-Performer, bewies mit Stücken wie „All New“, „Follow Your Light“, „Through My Head“ oder „Pulse“, durchaus ein Gespür für gutes und melodisches Pop- und R&B-Songwriting, wenn mir auch am Ende das Ganze, insgesamt etwas zu sehr synthetisch und monoton rüber kam.

Um 21:00 Uhr stellte Anderson nach einem Einspieler mit seinen Begleitern Scotty und Jonny Murray, Darren Dodd, Philip Towns, Nate Hefron sowie Ben Clark, mit dem kräftigen „Somebody Pick Up My Pieces“ als Opener, sofort die Weichen auf eine begeisternde, schweißtreibende Show, mit überwiegend zünftigem Soul Rock und tollen Balladen samt wohl dosierter Pop-, R&B- und Country-Ingredienzien, die beim Publikum (überwiegend weiblich dominiert), als auch bei uns, bestens ankam.

Der 29-jährige hat eine tolle Stimme, spielt richtig gut Gitarre und kann eine Audienz mitreißen, auch wenn es altersbedingt in charismatischer Hinsicht, vielleicht noch etwas Spielraum nach oben gibt. Er wirkt halt noch sehr jungenhaft. Vom Niveau her, braucht er aber schon jetzt keine Vergleiche mit ähnlichen Acts wie JJ Grey & Mofro oder Thorbjorn Risager und seinen Black Tornados zu scheuen.

Verlassen kann er sich dabei vor allem auf ebenso starke Akteure in seinem ‚Rücken‘. Da wären mit Nate Hefron und Ben Clark eine herrlich, im Dienste der Songs, plusternde Bläserfraktion. Dann mit Darren Dodd ein routinierter und unaufgeregter Drummer, mit Philip Towns ein rasta-gelockter, spielfreudiger Keyboarder und dem, fast wie siamesische Zwillinge, dicht nebeneinander agierenden Murray-Brüderpaar an Bass und E-Gitarre (Scotty auch mit ein paar schönen Steel-ähnlichen Slideeinlagen), Musiker, bei denen ein Rädchen perfekt ins andere passt.

So flog die Setliste, bei der überwiegend natürlich sein aktuelles Major-Album „Encore“ die Hauptrolle spielte (übrigens von Dave Cobb produziert), mit Stücken wie „Satisfy Me“, „Sorry You’re Sick“, „Surrender“, „If You Keep Leaving Me“, „King For A Day“ und dem wunderbar atmosphärischen „Devil In Me“, regelrecht an einem vorbei. Erst ab dem für den Sampler „Southern Family“ kreierten, und am Ende frenetisch gefeierten „Learning“ wurden einige Tracks deutlich länger ausstaffiert.

Den Höhepunkt und zugleich Abschluss des Hautteils markierte die fantastische Southern Soul-Ballade „This Shall Too Last“ mit einem furiosen Instrumentalteil am Ende, in dem die Beteiligten noch mal alle Register zogen. Besonders die E-Gitarrenparts vom kauzigen, zwirbelbärtigen Scotty Murray an der Les Paul (in aller bester Southern Rock-Manier) und von Anderson (an der Stratocaster im Stile von Mark Knopfler), am Ende sogar kurz Twin-mäßig,  hauten mich regelrecht vom Hocker. Einer der besten Songs, die ich live bis jetzt in der ersten Jahreshälfte präsentiert bekommen habe!

Für die Zugaben ließ sich das Septett, angesichts der Begeisterung, nicht lange bitten, und machte mit dem Mariah Carey-Cover „Always Be My Baby“ und der weiteren tollen Ballade „House Is A Building“ (wieder mit furiosem, stimmungsreichen Finale) den ‚Sack‘ endgültig zu. Nach dem Konzert stand der sichtlich ausgepumpte Protagonist dann noch für Selfies und Autogramme geduldig zur Verfügung. Seine Frage, ob unser Bericht denn positiv ausfallen würde, konnte da eigentlich schon zu diesem Zeitpunkt, wie man es jetzt auch nachlesen kann, nur mit einem glasklaren „Yes, of course!“ beantwortet werden!

Line-up:
Anderson East (lead vocals, electric and acoustic guitar)
Scotty Murray (electric guitar)
Philip Towns (keys)
Jonny Murray (bass)
Darren Dodd (drums)
Nate Hefron (saxophone)
Ben Clark (trumpet)

Bilder: Gernot Mangold
Text: Daniel Daus

Anderson East
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Konzertbüro Schoneberg
Stadtgarten Köln

Holman Autry Band – Electric Church – CD-Review

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Die Holman Autry Band meldet sich mit einem bärenstarken Southern Rock-Album zurück! „Be it any race, religion, or walk of life, we are standing, cheering and rocking as one. This is our Electric Church“. Mit diesem Zitat aus der Anonymous-Szene stellt die mittlerweile vom Quintett zum Quartett geschrumpfte Holman Autry Band ihren dritten, großartig gelungenen Longplayer „Electric Church“ vor, der in diesem Jahr sicher eines der ganz großen Highlights des Southern Rocks abgeben wird.

Die Holman Autry Band aus Athens, Georgia, die seit ihrem starken Vorgänger „Southern Wind“ von 2009 (kein geringerer als Piano-Legende Chuck Leavell hatte damals auf diesem Werk als Gastmusiker mitgewirkt) so ein wenig in der musikalischen Versenkung verschwunden zu sein schien, kehrt jetzt mit einem echten Paukenschlag auf die Southern Rock-Bühne zurück. Das von Brodye Brooks (lead guitar, vocals), Josh Walker (guitar, vocals), Casey King (bass, vocals) und Brandon Myers (drums) eingespielte Werk, umfasst elf selbst kreierte Tracks ohne jede Schwachstelle, die im Genre dieses Jahr so schnell nicht zu toppen sein dürften. Traditioneller Southern Rock wie aus den einstigen Parade-Zeiten, ohne jeden Schnick-Schnack, natürlich mit vielen kleinen integrierten Reminiszenzen an die großen Bands der Zunft wie Lynyrd Skynyrd, The Marshall Tucker Band, Molly Hatchet, The Charlie Daniels Band oder The Allman Brothers Band.

Gleich der satt rockende Opener „Friday Night Rundown“ eröffnet dieses tolle Album mit zwei sehr starken E-Gitarren-Passagen. Die Kult-umwobene Band von einst, Copperhead, lässt hier ein wenig grüßen. Das folgende, von fetten Drums eingeleitete „Pennies And Patience“ stampft mit einem feurigen Skynyrd-/Hatchet-Flair (kochende Riffs) aus den Lautsprechern wie zu allerbesten, goldenen Southern Rock-Zeiten, schön swampig, und ein herrliches E-Gitarren-Solo inbegriffen.

Auffällig ist, dass bei fast allen Stücken ein kleines Instrumental-Intro vorangestellt wurde. So stimmt, wie einst bei Skynyrds berühmten „Travelin‘ Man“, ein schöner, knochentrockener Bass, Lieder wie den großartigen, dynamischen Boogie „Things I’d Miss“ (E-Gitarren erinnern Molly Hatchets „Flirtin‘ With Desaster“-Phase), das satt groovende „Home To You“ (mit Twin-Gitarren, tolles Marshall Tucker-Flair) und das wunderschöne, melodische, sonnige „Sunset On The Water“ (jeweils mit einem Skynyrd- und einem Betts-trächtigen E-Gitarren-Solo) ein.

Auch Gastmusiker kommen wieder sporadisch zum Einsatz. Zum Beispiel lässt der aus dem Widespread Panic-Umfeld bekannte John Keane (hat bereits etliche Panic-Alben produziert), der hier als „Executive Producer“ fungiert, sein grandioses Pedal Steel-Spiel bei der wundervollen, ruhigen, mit angenehm klarer Akustikgitarre untermalten Southern-Ballade „The Fall“ mit einfließen. Eine Wonne! Nathalie McClure hinterlässt mit hallender oder sakral anmutender Orgel einige schöne Duftmarken bei Songs wie dem famosen Titelstück und dem gospelig/soulig groovenden „Good Woman, Good God„. Emily Joiner besticht mit typischen Harmoniegesängen im Refrain beim packenden, Slideguitar-durchzogenen „Electric Church“. Sie hätte gerne durchaus noch öfter eingebunden werden dürfen.

Die versteckte „Can’t You See“-Hommage bei „Last Rites“ mit saustarkem Gitarrensolo dürfte von Marshall Tucker Bands Kultgitarrist Toy Caldwell im Southern Rock-Heaven mit viel Wohlwollen zur Kenntnis genommen werden. Sein E-Gitarrenspiel und der Grundrhythmus des berühmten MTB-Liedes wurden hier von Brooks und Walker exzellent adaptiert, bzw. modifiziert. Das mit einer markanten und leicht nachsingbaren Refrainzeile wieder launig rockende „The Grass Can Wait“ und das herbstlich, atmosphärisch melancholische „October Flame“ lassen ein durchgängig mehr als überzeugendes Southern Rock-Album der alten Schule ausklingen.

Die Holman Autry Band beweist, dass man den Spirit der damaligen Genre-Hoch-Zeiten auch heute noch bestens musikalisch aufleben lassen kann. Und diese Band aus Georgia hat eindeutig das Potential dazu. Ganz klar, eine der ganz großen Überraschungen des Jahres 2016. Diese „Electric Church“ wird Southern Rock-Fans elektrisieren! Fantastisch!

Eigenproduktion (2016)
Stil: Southern Rock

01. Friday Night Rundown
02. Pennies And Patience
03. Things I’d Miss
04. The Fall
05. Electric Church
06. Home To You
07. Good Woman, Good God
08. Last Rites
09. Sunset On The Water
10. The Grass Can Wait
11. October Flame

Holman Autry Band
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Bärchen Records